einigen Wochen Demonstrationen und Spaziergänge stattfinden und Dresden als Landeshauptstadt des Freistaates bundesweit und international in die Schlagzeilen gerät. „So geht sächsisch“ hatte ich mir anders vorgestellt.
Die Geschichte von der Suche nach Obdach und von der Geburt des Flüchtlingskindes Jesus spielt sich auf unzähligen Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge ab, auch in atheistischen Haushalten in Dresden und in ganz Sachsen. Bei dieser Geschichte wurde nicht nach der Herkunft der Flüchtlinge gefragt. Umso bizarrer ist es deshalb, dass die Spaziergänge von Pegida in Dresden, dieser selbst ernannten Weihnachtshauptstadt, stattfinden.
Lassen Sie mich betonen, dass das Demonstrationsrecht ein hohes Gut ist, auch für uns als LINKE und gerade in Dresden und Sachsen, weil es wieder erkämpft werden musste. Was Pegida veranstaltet, nämlich den Bezug auf die christliche Kultur, ist aus meiner Sicht lächerlich. Das Besinnen auf christliches Handeln hieße nämlich, dass man Flüchtlingen Obdach gewährt, ohne die Frage nach der Herkunft zu stellen. Das gebietet einfach die Mitmenschlichkeit. Ich will an der Stelle auch erwähnen, dass es beschämend ist, wenn im Stadtrat in Dresden die CDUFraktion es war, die vergangene Woche zusammen mit der AfD die Unterbringungskonzeption für die Flüchtlinge abgelehnt hat und die Oberbürgermeisterin Helma Orosz nur dank der Stimmen von Rot-Rot-Grün überhaupt in der Lage war, die Unterbringung für die Flüchtlinge im nächsten Jahr durchzusetzen.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und Danke sagen, Danke an diejenigen Menschen, die sich seit vielen Jahren und vor allen Dingen ehrenamtlich und ohne großen Rückhalt der bisherigen Landesregierung als Flüchtlingspaten, Sprachlehrer, Ärzte oder Spender engagieren, weil sie glauben, dass es die Humanität gebietet, auch für Flüchtlinge in unserem Land etwas zu tun.
Lassen Sie mich noch einmal auf den Abendlandbegriff eingehen. In der Pegida-Position Nr. 13 ist davon die Rede, man müsse die christlich-jüdisch geprägte Abendlandkultur verteidigen. Wer sich ein bisschen mit Geschichte befasst hat, der weiß, dass dieser Abendlandbegriff eine Illusion ist, der zu verschiedenen Zeiten immer wieder hervorgekramt worden ist. Er wurde insbesondere vor 200 Jahren in der Romantik zur Beschreibung kultureller Gegensätze benutzt. Aufgrund der Tatsache, dass alle drei Religionen, also Judentum, Christentum und Islam, aus derselben Tradition hervorgegangen sind, sie quasi monotheistische Religionen sind, die verwandt sind, ist dieser Gegensatz, den Pegida jetzt aufmacht, äußerst bizarr. Es gibt eine gemeinsame Entstehungsgeschichte und die Verwobenheit. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionen haben auch im vermeintlichen „Abendland“ die Geschichte über Jahrhunderte
geprägt. Es ist sicher eine Errungenschaft, dass wir heute in einem befriedeten Mitteleuropa leben können. Ich glaube aber auch, dass es eine Illusion ist, Religionskonflikte von hier fernzuhalten. Unsere Aufgabe ist es, den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen zu pflegen und auszubauen und nicht Dinge abzuwehren.
Wir müssen fragen: Geht es Pegida eigentlich um die Identitätsfrage Sachsens und Mitteleuropas oder geht es in Wirklichkeit um soziale Abstiegsängste einer Mittelschicht? Darüber wird heute in dieser Debatte zu reden sein.
In Richtung der CDU-Fraktion sage ich ganz deutlich: Sie sind hier als langjährige Regierungspartei gefordert aufzuklären, warum viele Tausend Mitläufer seit Wochen bei den Pegida-Spaziergängen mitmachen, warum sie unzufrieden sind mit der Politik in diesem Land und dieses „wir hier unten und die da oben“ predigen. Wie viel hat der Zulauf zu diesen Spaziergängen damit zu tun, dass Politik in diesem Land in den letzten Jahren durch den Ministerpräsidenten entpolitisiert wurde? Es gab über herausragende Fragen keine Debatten. Wie gehen wir mit neuen Herausforderungen in diesem Land um?
(Beifall bei den LINKEN – Wortwechsel zwischen den Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE, und Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)
Ich bin sehr froh, dass sich der Rektor der TU Dresden positioniert hat und dass er ganz klar gesagt hat, Wissenschaft ist international.
Und ich sage dazu auch: Sachsen als „Land der Ingenieure“ wird nicht zukunftsfähig sein ohne die Weltoffenheit. – Meine Kollegen werden in der zweiten und dritten Runde noch auf weitere Punkte eingehen.
Gerade hatte die einbringende Fraktion DIE LINKE das Wort, Frau Kollegin Klepsch. Jetzt folgt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Hartmann.
schon eine vorweihnachtliche Besonderheit, dass es jetzt DIE LINKE ist, die versucht, Religionsgeschichte zu erklären.
Allerdings zeigt sich an der Stelle, dass es besser ist, dass man nur über Dinge spricht, die man versteht.
Ich möchte jetzt keinen umfänglichen Diskurs über Religionsgeschichte führen, aber dass in der Tat der Islam auch auf Abraham zurückgreift und dass es sicherlich Bezüge zu einzelnen Strukturen gibt, ist unbenommen. Die Geschichte, die wir in den letzten 500 bis 600 Jahren erlebt haben, spricht nicht zwangsläufig von einem harmonisch verwebten Miteinander. Insoweit taugt jetzt die Diskussion über Religionsgeschichte weder aus Sicht der römisch-katholischen Kirche noch aus Sicht des Islam als Argument für das, was Sie hier bemühen wollen.
Zurück zum Thema. Wie solidarisch ist das Abendland? Nun kann man den Begriff weidlich in die Diskussion führen. Ich finde, wir sind zumindest ein christlichabendländisch geprägter Kulturkreis mit einem bestimmten Wertekorsett und Wertegerüst, das uns alle miteinander vereinigt. Da sind wir bei einem grundsätzlichen Thema. Wie regelt sich das Zusammenleben von Menschen? Es hat immer noch etwas mit einem Regelwerk zu tun, was das Zusammenleben von Menschen miteinander verbindet. Innerhalb dieser Regeln gibt es die Möglichkeit der individuellen Verwirklichung. In diesem Bereich gibt es die freie Entfaltung und – das ist selbstverständlich unbenommen – die freie Religionsausübung auf der einen oder anderen Seite.
Es ist natürlich schon etwas wunderlich – ich werfe Ihnen mit Sicherheit Ihre Geschichte nicht vor –, aber ich sage: Es war die SED, die 40 Jahre sehr intensiv daran gearbeitet hat, dass christliche Werte nicht unbedingt der Maßstab des gesellschaftlichen Zusammenlebens waren.
Sie hat nicht immer unmaßgeblich dazu beigetragen, dass sich diese Gesellschaft sehr atheistisch geprägt hat. Das nur als Feststellung.
Aber, wie solidarisch ist das Abendland? Wir als CDU verstehen uns als Partei in der Mitte der Gesellschaft, die alle Interessen aufnimmt, geprägt natürlich schon durch ein christliches Weltbild, aber auch durch die Erkenntnis der Lebenswirklichkeit von Menschen. Vielleicht hat das auch etwas mit der Verantwortung von 59 Wahlkreisen innerhalb dieses Landes zu tun. Aber wir nehmen die Themen ernst und versuchen sie in dem Ausgleich der Diskussion zu führen.
Nun ist es vielleicht für eine Partei, die für sich nicht den Anspruch hat, Volkspartei zu sein, relativ einfach, sich eine Klientelposition herauszusuchen und diese wie ein Dogma vor sich herzutragen. Wir machen es uns nicht so leicht, denn es geht darum, den Ausgleich von berechtig
ten Interessen zu finden. Ich wiederhole mich noch einmal, aber Wiederholung fördert ja auch den Lernprozess: Es geht uns darum, dass wir zum einen die Menschen, die berechtigt Asyl suchen, die Flüchtlinge sind, unterbringen wollen und diese eine Begleitung, eine faire Chance und eine Migration in unserer Gesellschaft erleben. Aber es geht genauso darum, unsere Bevölkerung, unsere Tradition, unsere Werte ernst zu nehmen und diesen Diskurs einzuflechten, um ein gemeinsames Miteinander zu finden.
Was wir mit Pegida erleben, kann man relativ einfach schwarz-weiß malen, und man kann das Thema sofort auf eine einfache Art abmoderieren. Man kann aber auch sagen, dass sich hier Sorgen und Ängste entladen. Ich finde es zu kurz gesprungen zu sagen, das war der Ministerpräsident – nicht nur, weil er dafür mit Sicherheit nicht allein verantwortlich ist, eigentlich gar nicht, sondern weil Sie ihm eine Rolle zubilligen, die er, so glaube ich, selbst in seinem hohen Amt nicht sieht. Wir reden über gesellschaftliche Wahrnahmen und einen gesellschaftlichen Diskurs, und wir reden darüber, dass es Ängste, Sorgen und vielleicht auch eine unterschiedliche Wahrnehmung zwischen Bekenntnis und realem politischen Handeln gibt, denen wir uns stellen müssen.
Zur Frage der Ablehnung des Unterbringungskonzeptes der CDU in Dresden. Ja, die CDU in Dresden hat der Asylvorlage nicht zugestimmt, und zwar wegen des Sowohl-als-auch. Sie haben im Stadtrat eine pauschale Diskussion über Asylrecht geführt: gute Menschen, böse Menschen. Sie haben sich der Diskussion ernsthaft verweigert, über einzelne Standorte und die damit verbundenen Herausforderungen zu reden. Sie haben es damit der CDU in einem verantwortungsvollen Diskurs unmöglich gemacht, den neun Standorten, denen sie ohne Debatte zugestimmt hätte, zuzustimmen, weil Sie drei Standorten, die infrage standen, nicht zustimmen konnten. Einen wirtschaftlichen Schaden für die Stadt nehmen Sie damit auch billigend in Kauf.
Gerade hatte Herr Kollege Hartmann von der CDU-Fraktion das Wort. – Jetzt ergreift erneut für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Pfeil das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, in der zweiten Runde bin ich etwas weniger aufgeregt als bei meiner ersten Rede.
Wenn wir uns das Thema anschauen, besteht natürlich die große Frage, welche Sorgen es sind, die uns immer wieder begegnen. Welche Sorgen sind es, denen wir vor Ort und überall begegnen müssen? Da kommt natürlich die große Sorge, die die Angst vor einer Islamisierung betrifft. Ich denke, dass es nicht wirklich die muslimischen Staaten sind, aus denen die meisten Einwanderer
nach Deutschland kommen. Über 60 % der in Deutschland eingewanderten Menschen kommen aus EULändern. Dabei sind Polen, Rumänien, Italien die Länder, aus denen die meisten Menschen zu uns kommen. Auch dem Vorurteil und der Sorge, man komme nur hierher, um sich an unseren Sozialsystemen zu bereichern, kann man entgegentreten, indem man sagt – das belegt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung –: Schon jetzt zahlt jeder Ausländer in Deutschland pro Jahr 3 300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben an das Land, als er an Transferleistungen erhält.
Das Vorurteil, man komme hierher und möchte sich gar nicht integrieren und Deutsch lernen – auch das kann man widerlegen. Seit 2005 haben 1,4 Millionen Menschen bereits Deutschkurse besucht. Vorhin haben wir bereits gehört, dass es für uns ein großes Anliegen sein wird, dass diese Deutschkurse nun schneller und effektiver angeboten werden.
Auch das Vorurteil, man wolle nicht arbeiten, kann man jetzt ohne Probleme entkräften, denn jetzt kann man bereits nach drei Monaten arbeiten und nicht wie früher nach neun oder zwölf Monaten.
Diese diffuse Angst vor Kriminalität – das wurde vorhin schon in der Debatte angesprochen – ist für mich eine ganz gefährliche; denn ich halte es für, Entschuldigung, menschenverachtend, wenn jemand eine Person kriminalisiert und verurteilt, bevor er diese überhaupt gesehen hat, und bevor er weiß, aus welchem Grund diese Person zu uns nach Deutschland gekommen ist.
Das sind Sorgen und Vorurteile, die wir ernst nehmen müssen. Vor allem aber müssen wir ernsthaft daran arbeiten, sie zu entkräften. Es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir Vergleiche mit Berlin-Neukölln oder Ähnliches in die Öffentlichkeit tragen. Es hilft uns auch nicht weiter, wenn wir wegschauen, weil wir nicht sehen möchten, dass diese Ängste und Vorurteile von Nationalisten und Rassisten gerade maßlos ausgenutzt werden.
Um eine wirkliche Willkommenskultur in Sachsen zu etablieren, bedarf es auch etwas mehr als Konzepten wie Willkommenskitas oder Ähnlichem, denn Willkommenskultur fängt bei jedem Einzelnen im Kopf an, und in einem Kopf, in dem Vorurteile und Ängste wohnen, fehlt der Platz dafür, Einwanderung als kulturelle und wirtschaftliche Bereicherung für unser Land zu sehen.
Auch kann man eine Willkommenskultur nicht aufoktroyieren. Das können auch wir nicht. Keiner von uns kann in den Kopf eines Menschen schauen und sagen, ich heiße jetzt alle willkommen. Willkommenskultur muss vor Ort gelebt und erlebt werden. Von daher ist es für uns am wichtigsten, dass wir vor allem die vielen ehrenamtlichen Institutionen, die Vereine, die Menschen, die vor Ort mit den Einwanderern zusammenarbeiten, in ihrer Arbeit
unterstützen, und das jeden Tag. Wir müssen ihnen organisatorisch und finanziell unter die Arme greifen und den Vorurteilen und Ängsten begegnen und sie den Menschen aus den Köpfen nehmen.