Die sächsischen Schulen sind nicht nur in Gefahr im Freistaat Sachsen, sondern Sie können Ihren Auftrag nicht mehr erfüllen.
Danke, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin Falken, Sie sprachen vom letzten Strohhalm. Ist Ihnen bewusst, dass dieser vermeintlich letzte Strohhalm Gesetzestext in unserem aktuellen Schulgesetz ist?
Aber diesen Strohhalm gibt es seit dem Jahr 2004. Wenn Sie diesen Strohhalm schon über die letzten zwölf Jahre angewandt hätten, dann hätten wir im Freistaat Sachsen nicht ein so extremes Schulsterben gehabt. Das ist natürlich Ihre Politik, ein Gesetz zu haben, aber es nicht anzuwenden, und jetzt den kleinen Knochen hinzuhalten und zu sagen: Nehmt ihn ganz schnell, bevor wir eure 1. Klasse nicht einrichten! Das halte ich politisch für verwerflich, was Sie machen.
(Beifall bei den LINKEN – Widerspruch bei der CDU – Lothar Bienst, CDU: Das Schulgesetz ist ein großer Knochen!)
Ich komme zurück zu unserer Aktuellen Debatte. Die Schule in Sachsen ist nicht nur in Gefahr, sondern sie kann ihren Auftrag nicht mehr erfüllen. Die Umsetzung der Lehrpläne in zahlreichen Klassen in zahlreichen Schulen – ich glaube, man kann jede nehmen, die es gibt – ist nicht mehr gewährleistet.
Meine Kollegin Frau Zais ist schon kurz auf die Kleine Anfrage zum Unterrichtsausfall eingegangen. Ich möchte hier nur erwähnen – wir wissen das hier alle im Parlament und darüber hinaus –, dass in diese Unterrichtsausfallstatistik weder der ausgefallene Förderunterricht noch die Stunden in der Schuleingangsphase, die auch fast komplett gestrichen werden, eingerechnet sind. Auch die Stunden, die für die Integrationsstunden zur Verfügung stehen und ausfallen, gehen nicht in diese Unterrichtsausfallstatistik ein. Das sind nur einige Beispiele.
Wir bekommen – ich weiß, dass Sie alle die bekommen, weil ich den Verteiler sehe – aus allen Regionen aus dem Freistaat Sachsen, von allen Schulen, von allen Eltern aus allen Regionen Hilferufe für den Erhalt des Unterrichts, für eine gute und solide Unterrichtsversorgung. – Leider Fehlanzeige.
Ganz kurz zwei oder drei Beispiele, weil ich nicht genügend Zeit habe, mal schauen. In Chemnitz, DiesterwegMittelschule: Die Eltern haben sich an uns gewandt. Zehn Wochen kein Englischunterricht. Im zweiten Halbjahr nicht eine einzige Note. Ich frage Sie, Frau Staatsministerin: Was wird in den Zeugnissen stehen?
In Borna, 2. Klasse: Wochenlang kein Mathematik- und kein Deutschunterricht. Die Kinder werden natürlich nicht nach Hause geschickt. Sie hatten dann Sport. Meine Kollegin wird sich freuen, dass es dort so viel Sport gab. Der Sportlehrer hatte aber drei Klassen parallel, weil so viel Unterricht ausgefallen ist, über einen sehr langen Zeitraum. Ein Glück, dass nichts passiert ist.
Gestern bin ich in Taucha gewesen. Dort haben mir die Lehrer einer Mittelschule erklärt, dass sie den Lehrplan nicht erfüllen können, weil so viel Unterricht ausgefallen ist und Teile, ganze Teile des Unterrichts, des Inhalts sind komplett weg.
(Patrick Schreiber, CDU: Warum fehlen denn so viele Lehrer? Warum denn? Weiterbildung oder zur Kur!)
Eine solide Arbeit im Bildungsbereich mahnen wir seit Jahrzehnten im Freistaat Sachsen an. Dass Sie auf uns nicht oder immer nur sehr zeitversetzt hören, das habe ich inzwischen in den 13 Jahren im Parlament gelernt. Aber dass Sie nicht umgeschwenkt haben zu einem Zeitpunkt, an dem aus Ihren eigenen Reihen Herr Prof. Wöller und Herr Colditz ihre Ämter niedergelegt haben, weil sie gesehen haben, dass es so nicht weitergeht, das ist etwas, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann.
Jetzt gibt es natürlich die Schnellschüsse. Maßnahmen, über die wir vor Monaten im Ausschuss beraten haben – ich habe sie extra in den Ausschuss genommen und nicht ins Parlament –, die meine Fraktion flächendeckend versucht hat mit Ihnen zu besprechen und dazu gemeinsam mit Ihnen zu überlegen, will die Ministerin jetzt im Schnellschuss durchziehen.
Natürlich ist eine Einstellung im Freistaat Sachsen und auch sonstwo davon abhängig, wie die Lehrerinnen und Lehrer eingruppiert werden. Das ist doch ganz klar und logisch.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte dort fortfahren, wo ich vorhin aufgehört habe, und noch zum Unterrichtsausfall sprechen. Ich weiß nicht, wie oft wir in diesem Hohen Haus darüber gesprochen haben, dass wir eine Unterscheidung machen müssen zwischen einem planmäßigen Unterrichtsausfall und einem unplanmäßigen Unterrichtsausfall. Beide Unterrichtsausfälle tun dem System und auch der Bildung unserer jungen Menschen nicht gut. Das ist ganz klar.
Worüber Sie hier sprechen, ist nicht der planmäßige, sondern der unplanmäßige Unterrichtsausfall. Das heißt, wir müssen gemeinsam analysieren, warum diese Unterrichtsausfälle in Sachsen zutage treten.
Dafür gibt es Gründe. Diese Gründe sind eben unter anderem auch die Altersbelastung und andere und weitere, die ich jetzt nicht analysieren möchte.
Fakt ist eines: dass man Unterrichtsausfälle natürlich analysieren und auch Gegenmaßnahmen ergreifen muss. Das ist richtig. Wenn zum Beispiel heute in der Presse steht – dafür können Sie natürlich nichts, Frau Falken –, Herr Roderfeld vom Landesschülerrat kritisiere den Unterrichtsausfall an Leipziger Schulen wegen des Katholikentags 2016, fordere im gleichen Moment aber auch, die politische Bildung zu erhöhen, dann sage ich – davon bin ich felsenfest überzeugt –, dass in Leipzig momentan eine Wertevermittlung auf der Straße stattfindet. Es gibt keine bessere, praxisbezogene politische Bildung, als wenn man auf der Straße über das friedliche Miteinander, über Willkommenskultur mit Gästen reden kann.
Wenn im Gegensatz dazu aber überhaupt nicht die Frage gestellt wird, warum Unterrichtsausfall aufgrund von Lehrerstreiks stattfindet, wie in Dresden, Freital, Görlitz, Chemnitz, Plauen, Freiberg und Brand-Erbisdorf, dann denke ich schon, dass wir darüber auch noch einmal ins Gespräch kommen müssen.
Zum Lehrkräftemangel, den Sie hier ansprechen, nur so viel: Wir reden momentan über den Schuljahresbeginn 2016/2017. Wir haben in Sachsen mehr als 1 500 Bewerbungen. Wir werden 1 200 Lehrkräfte einstellen. Wir sind momentan in der Einstellungsphase. Mehr als zwei Drittel der jungen Leute haben bereits einen festen Vertrag in der Tasche. Wir müssen natürlich noch weiter in die Werbung gehen und noch zusätzlich Lehramtsanwärtern, jungen Menschen oder Seiteneinsteigern, einen Vertrag anbieten, um diesen notwendigen Bedarf von 1 200 Lehrern abzusichern.
Richtig ist, dass wir natürlich auch ein Konzept für die Zukunft aufstellen müssen. Darüber haben wir bereits, ich glaube, vor zwei Monaten in diesem Hohen Haus gesprochen.
Ich habe gesagt, bis zum Jahresende, im Frühherbst, werden wir dieses Konzept vorlegen. Dazu gehören nicht nur die zehn Punkte, die Frau Friedel angesprochen hat, sondern es werden noch mehr Punkte auf den Tisch gelegt werden.
Liebe Frau Zais, nur so viel, auch für das Protokoll: Nicht ich habe über die Altersanrechnungsstunde gesprochen, sondern mein Kollege Jens Michel hat darüber gesprochen.
Auch noch einmal zur Richtigstellung: Der Kollege Colditz ist nicht mit dem Kollegen Wöller zurückgetreten, sondern viel später und aus anderen Gründen. Er wollte sich natürlich auch verbessern und in den AK 2 gehen und Finanzer werden. So sieht es nämlich aus.
Wir haben einen Strauß von Maßnahmen zu binden, um Schule in Zukunft abzusichern. Nicht die Stellen sollten den Schwerpunkt bilden, sondern wir brauchen die Köpfe in diesem Land. Dazu brauchen wir die notwendigen Maßnahmen, zunächst einmal in der Werbung, um auch junge Menschen aus anderen Bundesländern hierher zu holen, hier in Sachsen Lehrer zu werden. Das habe ich vorhin mit meinem Beispiel gemeint, dass wir natürlich alles dafür tun, um Sachsen in das rechte Licht zu rücken.
Wir müssen aber natürlich auch in das System hineingehen – das meinte ich mit „rationalisieren“ – und sagen: Jawohl, wir müssen schauen, ob wir entsprechende Reserven im System haben; denn nicht nur wir haben das
Köpfeproblem, sondern andere Länder auch, die Lehrer ausbilden und die Lehrer auch im Land behalten wollen.
Ich sage dazu: Auch die DaZ-Lehrer, die wir notwendigerweise benötigen, um die Flüchtlingskinder und Jugendlichen zu beschulen, werden nicht so einfach geboren. Die müssen wir auch aus den eigenen Reserven akquirieren. Dazu brauchen wir einen solchen Maßnahmenplan.
Eines sage ich Ihnen auch ganz ehrlich hier an dieser Stelle: Diesen Maßnahmenplan müssen wir erst einmal intensiv bereden, –