Die einbringende Fraktion DIE LINKE hat durch Frau Kollegin Falken die Diskussion eröffnet. Jetzt folgen in der Reihenfolge CDU, SPD, AfD und GRÜNE mit den jeweiligen Rednern. Für die CDU-Fraktion ergreift Herr Kollege Bienst das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Falken – und ich muss sagen: sehr geehrter Herr Ministerpräsident –, ich kehre jetzt auch meine Rede um; ich wollte auch ganz anders beginnen, aber Frau Falken fordert mich förmlich heraus.
Wollen wir doch einmal darüber sprechen, wie vielen Schulen in Sachsen der Mitwirkungsentzug ausgesprochen wurde: einer, und das ist Deutzen; Frau Falken, das haben Sie hier gerade genannt. Was ich aber vermisst habe, ist die ganze Wahrheit, nämlich, dass dieser Mitwirkungsentzug überhaupt nicht ausgesprochen werden müsste, wenn man in Deutzen bereit gewesen wäre, den jahrgangsübergreifenden Unterricht – der ja möglich ist – anzunehmen.
Ich sage Ihnen ganz ehrlich: In meinem Wahlkreis habe ich auch eine solche Schule, die vor genau dem gleichen Problem stand, und dort habe ich mit den Eltern, mit der Schulleitung, mit dem Gemeinderat, dem Sachkostenträ
ger, diskutiert und gesagt: Um die Schule auch zu halten – das gibt das Gesetz her –, nehmen wir doch einfach die Variante in Kauf und machen diesen jahrgangsübergreifenden Unterricht so lange, bis die Schülerzahlen entsprechend wieder ausreichen, um wieder einzelne Klassen zu bilden – oder so lange, bis das neue Schulgesetz seine Wirksamkeit entfaltet.
Das ist eine Möglichkeit und da muss ich mit den Eltern, den Lehrern und dem Sachkostenträger vernünftig sprechen und ihnen das Angebot machen. Wenn Sie mir jetzt sagen, dass das Kultusministerium dies abgelehnt hat – oder die nachfolgende Behörde, die sächsische Bildungsagentur –, wenn das der Fall wäre, dann müssten wir wirklich noch ein Gespräch führen, aber das glaube ich einfach nicht, weil wir viele positive Fälle in Sachsen haben, die genau das machen.
Vielleicht können Sie sich dazu äußern, Frau Falken; ich wollte nur, dass der Ministerpräsident die ganze Wahrheit hört. – Danke erst einmal dafür.
Nun beginne ich doch meine Aktuelle Debatte zu dem Thema „Lehrerkräftemangel, Unterrichtsausfall – Schulen in Gefahr“. Ich möchte mit Ihnen gemeinsam ein Gedankenexperiment machen – vielleicht können Sie es nachvollziehen; ich möchte mich einmal als Proband hinstellen. Stellen Sie sich einmal vor: Ich bin jetzt 30 oder 35 Jahre jünger, –
Nicht lachen, Leute! –, mein Berufswunsch ist Lehrer, ich habe die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, bin ungebunden, habe logischerweise sächsische Wurzeln, habe mich aber noch nicht entschieden, in welchem Land ich meinen Beruf ausführen möchte. Ich möchte natürlich in Sachsen bleiben – vor dieser Situation stehen ja viele junge Lehreramtsabsolventen. Aber ganz wichtig: Ich zeige großes politisches Interesse und aus diesem Grund denke ich, im Landtag wird ja viel über Schule gesprochen und das, was uns als junge Absolventen zu erwarten hat.
Ich lese mir dann ein paar Themen durch, über die der Sächsische Landtag so debattiert. Da heißt es – ich zitiere –: „Geisterfahrt des Kultusministers beim Einsatz von Lehrkräften zum Schuljahresbeginn beenden“, „Sachsen wehrt sich gegen die Schulpolitik der Kultusministerin und die Diffamierung der Lehrerinnen und Lehrer durch die Regierungskoalition“, „Motiviert oder streikend ins neue Schuljahr – Forderungen der Lehrerinnen und Lehrer erfüllen“, „Staatsregierung akut versetzungsgefährdet – Chaos zum Schuljahresbeginn rechtzeitig abwenden!“, „Alle Jahre wieder: das Märchen vom reibungslosen Start ins neue Schuljahr“ und – ganz neu – „Lehrerkräftemangel, Unterrichtsausfall – Schulen in Gefahr“. Das sind alles Themen, die die LINKEN immer zu Schuljahresbeginn oder zum Schuljahresende hier in diesem Hohen Hause debattieren.
Das sind Horrorszenarien, die Sie aufmachen, und wenn ich mich jetzt zu entscheiden habe, sage ich: Ich möchte zwar Lehrer werden, aber bloß nicht in Sachsen; ich suche mir ein anderes Bundesland.
Dann gehe ich in ein anderes Bundesland und stelle im Nachhinein fest: Sachsen hat stabile Schulstrukturen. In Sachsen macht Schule, machen Lernen und Lehren Spaß. Sachsen hat durch das kluge und fest strukturierte System mit hervorragenden Pädagogen Spitzenpositionen im Schulranking erreicht. Und so weiter, und so fort; ich könnte das noch weiter ausführen.
Wäre ich doch nur in Sachsen geblieben und hätte ich nicht auf die Stimmungsmache und das Verbreiten der Ängste durch die LINKEN gehört!
Ich wollte meine Rede eigentlich beginnen wie im vergangenen Jahr: „Und täglich grüßt das Murmeltier!“ – Ich wollte auch das Lied „Alle Jahre wieder“ anstimmen. Ich denke, ich lasse es.
Nun komme ich noch einmal zu den von Ihnen angemahnten Themen. Frau Falken, Sie sprachen vom Unterrichtsausfall.
Ich komme gleich zum Schluss. – Wenn wir uns die Zahlen anschauen, stellen wir fest: Im ersten Halbjahr des Schuljahres 2014/2015 waren 3,6 % Unterrichtsausfall zu verzeichnen, im ersten Halbjahr des Schuljahres 2015/2016 3,7 %. Ja, das ist eine Steigerung um 0,1 Prozentpunkte. Warum das so ist, werde ich Ihnen in meinem Redebeitrag in der zweiten Runde erklären.
Das war Kollege Bienst. Er hatte das Wort für die CDU-Fraktion. – Frau Kollegin Friedel, Sie werden jetzt für Ihre Fraktion sprechen, für die der SPD.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche zu der Aktuellen Debatte unter dem Titel „Lehrerkräftemangel, Unterrichtsausfall – Schulen in Gefahr“.
Ja, wir haben Lehrkräftemangel in Sachsen. Ja, wir haben Unterrichtsausfall in Sachsen. Und ja, wenn wir nichts tun, sind unsere Schulen in Gefahr.
Der Lehrkräftemangel zeichnet sich seit vielen Jahren ab. Ich darf hier nichts hochhalten, aber wenn ich es mir demonstrativ anschaue, vielleicht doch. – Ich habe mir den 10-Punkte-Plan meiner Fraktion aus dem Schuljahr 2010/2011 noch einmal vorgenommen. Wir waren damals
Oppositionsfraktion und haben aufgeschrieben, welche Schritte aus unserer Sicht notwendig sind, um dem drohenden Lehrkräftemangel zu begegnen.
Heute, fünf Jahre später, sind wir Regierungsfraktion und haben zumindest einiges von unserem 10-Punkte-Plan erreicht. Wir haben es geschafft, dass Lehrkräfte – ab jetzt – immer unbefristet eingestellt werden. Wir haben es geschafft, die Ausbildungskapazitäten an den Universitäten mehr als zu verdoppeln. Wir haben es geschafft, die Stellen im Vorbereitungsdienst zu erhöhen. Wir haben den damals noch geltenden Stellenabbau aufgehoben, und wir haben es geschafft, mehr als 1 000 zusätzliche Stellen bereitzustellen. So weit, so gut. Das, was die SPD bisher erreicht hat, ist wichtig und hilft. Aber es reicht noch nicht aus.
Unsere Schülerzahlen steigen. Gleichzeitig gehen mehr Lehrerinnen und Lehrer in den Ruhestand, und zwar eher, als bisher ausgerechnet worden ist. Wir müssen also weiter dafür sorgen, dass an Sachsens Schulen guter Unterricht stattfinden kann. Wir müssen auch etwas dafür tun, dass nicht nur die Kinder, die heute in die Schule gehen, sondern auch die Kinder, die in den nächsten Jahren in die Schule kommen werden, ihr Recht auf gute Bildung wirklich erhalten. Das ist eine Frage von Gerechtigkeit für unser Land.
Schon damals haben wir einen 10-Punkte-Plan aufgestellt, weil es nicht die eine Maßnahme geben wird, die alle Probleme lösen kann. Wir brauchen viele Maßnahmen, die gleichzeitig ergriffen werden und die dabei helfen, an verschiedenen Stellen Entspannung und an allen Stellen Zukunftsfähigkeit zu schaffen.
Was sind das für Maßnahmen? Wir müssen, salopp gesagt, die Alten halten. Wir müssen schauen, dass wir nicht viele Lehrkräfte durch einen vorzeitigen Renteneintritt verlieren; das passiert derzeit.
Sehr geehrte Frau Kollegin Friedel, Sie haben gerade gesagt, wichtig es sei, die Alten zu halten. Im Rahmen von Sofortmaßnahmen zur Sicherung des Lehrkräftebedarfs wurde vonseiten der Regierungskoalition der Vorschlag in den Ring geworfen – so sage ich es einmal –, die UHU-Stunden, das heißt die Minderung der Stunden für Lehrer, die das 55. bzw. 60. Lebensjahr erreicht haben, zu streichen.
Vielen Dank, Frau Zais. Ich glaube, dass man bei dem Thema „Anrechnungsstunden“ tatsächlich etwas machen muss. Wenn wir erreichen wollen, dass ältere Lehrkräfte auch über ihr 63. Lebensjahr hinaus zur Verfügung stehen, dann müssen wir deren Arbeitsbedingungen erleichtern. Das heißt für mich: Es ist zu überlegen, ob man bei den Anrechnungsstunden eine weitere Stufe – ab dem 63. Lebensjahr – einzieht.
Ich füge den zweiten Teil der Antwort hinzu: Wenn man sich dazu entschließt, dann kann ich mir auch vorstellen, in der ersten Stufe, ab 55 Jahre, Anpassungen vorzunehmen. Aber es muss ein Geben und Nehmen sein. Nehmen allein wird nicht funktionieren.
Die Alten halten – das ist ein wichtiges Ziel. Danke, dass Sie es angesprochen haben. Es gibt weitere Möglichkeiten, es zu erreichen, angefangen bei der Altersteilzeit bis hin zu der Frage, ob die Arbeit einfacher organisiert werden kann, indem zum Beispiel Ein-Fach-Einsätze zugelassen werden.
Nächster Punkt! Wir müssen die Jungen wirklich locken. Wer auf Lehramt studieren will, der muss, auch wenn er sich für das Oberschulamt entscheidet, die Perspektive haben, damit das Gleiche zu verdienen wie ein Gymnasiallehrer. Das halte ich für wichtig.
Wir müssen unsere Seiteneinsteiger besser rüsten. Ich bin sehr froh, dass das Kultusministerium signalisiert hat, dass es insoweit etwas tun will.
Wir müssen auch Maßnahmen überlegen, die erst längerfristig Wirkung zeigen. Dazu gehören die Modernisierung der Lehrpläne, die Entschlackung der Stundentafeln und die Anpassung der Lehramtsprüfungsordnung.