Viele, die sich für einen schnelleren Braunkohleausstieg ausgesprochen haben, sind selbst verunsichert, weil sie selbstverständlich nicht in Mitleidenschaft gezogen werden wollen durch diejenigen, die mit völlig falschen Mitteln, mit Gewalt, mit Sachzerstörung vorgehen und in Kauf nehmen, dass Leib und Leben gefährdet wird. Dementsprechend wird eine ganze Bewegung kaputt gemacht.
Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sich davon klarer abgrenzen. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich an Ihren Brandenburger Kollegen ein Beispiel genommen hätten. Die haben nämlich verstanden, dass die eigentlichen Interessen, die an diesem Wochenende formuliert worden sind, im Ergebnis nicht erreicht wurden. Ganz im Gegenteil: Die Ereignisse des Wochenendes haben das Gegenteil erreicht. Das hätte ich gern auch von Ihnen gehört; denn diese Differenzierung würde Ihnen selbst in der Argumentation bei der Durchsetzung Ihrer Ziele mehr helfen. Das haben Sie heute eindeutig versäumt, und diesen Vorwurf muss ich Ihnen in der Debatte machen.
Wenn ich höre, wie sich die Organisatoren des Bündnisses „Ende Gelände“ jetzt hinstellen und sagen, es mag nicht legal sein, aber es ist legitim, weil sie die Legitimität aus den Pariser Beschlüssen hervorrufen, dann ist auch das eine interessante Debatte. Denn: Ab wann wird es Selbstjustiz? Ab wann ist es die Frage, dass demokratische Prinzipien tatsächlich unterhöhlt werden sollen? Wir sind hier Vertreter der parlamentarischen Demokratie, und wir sollten selbst dazu beitragen, diese zu stärken und nicht zu unterhöhlen. Selbstjustiz ist kein Mittel in einer Demokratie!
Es geht um den Prozess. Es geht nicht um Ja oder Nein, auch wenn die Gräben jetzt so tief geworden sind, dass Sie immer nur die Frage nach Ja oder Nein stellen wollen. Es geht um den Prozess, wie wir einen Strukturwandel, eine Energiewende so organisieren können, dass die Interessen unter einen Hut gebracht werden können. Es geht darum, dass eine Balance zwischen bezahlbarer Energie, den Arbeitsplätzen, die daran hängen, und den Interessen einer ganzen Region hergestellt wird. Das ist das Interesse, das wir in der Politik haben, und diese Verantwortung haben wir. Diesen Prozess müssen wir gestalten.
Sie haben vielleicht andere Lösungsansätze. Dann streiten Sie um Mehrheiten vor Ort und in den Parlamenten. Wenn ich die Pressemitteilung der GRÜNEN „Die Menschen in der Lausitz wollen …“ lese – diesen Verallgemeinerungsanspruch, den Sie vor sich hertragen –, dann sage ich: Das teile ich nicht.
Denn ansonsten hätten wir ja andere Mehrheitsverhältnisse oder Wahlergebnisse in der Region. Lassen Sie uns von daher den Prozess vernünftig organisieren und im positiven Sinne streiten. Gewalt gehört nicht dazu.
Ein Aspekt, der schon angesprochen wurde, hat mich persönlich so aufgeregt, dass ich ihn wiederholen will. Auch hier gilt wieder: Der Zweck heiligt alle Mittel – nein. Wenn man alle jene, die für Braunkohle sind, undifferenziert in die Neonazi-Ecke stellt, dann macht man genau das Gleiche, was man selbst jahrelang bekämpft hat, nämlich eine Relativierung.
Das ist eine Relativierung, die wirklich gefährlich ist. Die Aussage Ihres Landessprechers „Was euch mit Neonazis eint, mit denen ihr gestern friedliche Demonstranten angegriffen habt: Ihr seid Ewiggestrige“, diese Gleichsetzung, die in der Pressemitteilung wiederholt wurde, verhindert genau die Auseinandersetzung.
Und sie relativiert, wenn alle, die dort mit hineingerutscht sind, gleich Neonazis sind und keine Differenzierung bei den Protestformen gemacht wird. Ich finde die Pressemitteilung Ihres Landessprechers schon sehr bemerkenswert. Aber Sie haben ja nun gesagt, Sie werden sich innerparteilich auseinandersetzen. Das hoffe ich auch, weil Sie damit – um es noch einmal deutlich zu sagen – der Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus einen Bärendienst erwiesen haben.
Herr Staatsminister, ich nehme das so zur Kenntnis. Dazu hat Herr Lippold vorhin etwas gesagt, wozu ich auch stehe. Ich möchte Sie allerdings fragen: Ist Ihnen bekannt, dass a) der gegenständliche Tweet, um den es hier geht, relativ schnell gelöscht wurde und dass b) Herr Kasek sich gegenüber der IG BCE dafür entschuldigt hat?
Das Problem war: Er hat den zwar Tweet gelöscht, ihn aber in der Pressemitteilung wiederholt. Dadurch hat das nicht nur die Öffentlichkeit erreicht, die einen Tweet gelesen hat, sondern es war die offizielle Pressemitteilung des Landessprechers der GRÜNEN.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie uns über den Strukturwandel in der Lausitz positiv streiten, aber mit guten Ergebnissen; denn die Leute in der Lausitz haben den Strukturwandel 25 Jahre lang auf dem Buckel. Sie haben ihn durch die Deindustrialisierung erlebt und mit Arbeitslosigkeit zuhauf bezahlt.
Von daher reicht ihnen auch nicht die einfache Antwort aus, wenn keine Braunkohle mehr produziert wird, dann sei das der Strukturwandel. Es ist zynisch, Ihnen das als Antwort zu geben. Aber es ist unsere Verantwortung, diesen Prozess ordentlich zu organisieren. Wir haben Verantwortung für die Menschen in der Region. Wir haben Verantwortung dafür, dass unser Land auch in Zukunft ein erfolgreiches Land sein wird. Dazu gehört eine vernünftige Energiepolitik und eine vernünftige Strukturpolitik, aber dazu gehört in keiner Weise Gewalt.
Herr Staatsminister Dulig sprach für die Staatsregierung. Da ich keinen weiteren Redebedarf feststellen kann, sind wir am Ende der 1. Aktuellen Debatte angekommen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ziehe meinen zweiten Redebeitrag vor, weil ich den Ministerpräsidenten gebeten habe, zu diesem Thema, das ich heute ansprechen muss und möchte, anwesend zu sein, da ich ihn persönlich ansprechen möchte. Er ist dieser Bitte nachgekommen und deshalb halte ich zuerst meinen zweiten Redebeitrag.
„Sachsen macht noch schnell, bevor das neue Schulgesetz kommt, die Schulen dicht“ – haben wir kürzlich in einer Zeitung lesen können. Ich will es konkret machen und hier und heute an Sie im Parlament und insbesondere an den Ministerpräsidenten appellieren, genau diese Praxis, die Sie in den letzten Jahrzehnten im Freistaat Sachsen durchgeführt haben, nicht weiterzuführen.
Ich spreche von der Grundschule in Deutzen, einem Ortsteil in Neukieritzsch. Für die 1. Klasse wurden dort
zwölf Schüler angemeldet. Aus dem Nachbarort, der nicht im Einzugsgebiet dieser Schule liegt, haben drei weitere Eltern ihre Kinder an dieser Schule angemeldet, weil die Klassenstärke in ihrem Ort bei 28 Schülern oder möglicherweise darüber hinaus liegt. Wir wissen, dass in der Nähe auch die Stadt Borna liegt und in Borna die 1. Klassen aus den Nähten platzen.
Diese Anträge der Eltern wurden abgelehnt. Das heißt, sie dürfen nicht in die Grundschule nach Deutzen gehen, damit auch ja nicht 15 oder mehr Schüler an dieser Schule unterrichtet werden können. Die Eltern sind in Widerspruch gegangen.
Es gab dann einen Antrag der Schule und des Schulträgers an die Bildungsagentur für eine Ausnahmegenehmigung, weil nach dem neuen Schulgesetz, das vielleicht irgendwann kommt – wir wissen noch nicht genau, wann; Sie haben das ja in den Medien gelesen –, eine Möglichkeit bestehen würde, die Schule zu erhalten, auch unter den jetzigen Bedingungen.
Nein, der Freistaat Sachsen, die Bildungsagentur Leipzig hat diesen Antrag auf Ausnahmegenehmigung abgelehnt. Was passiert? Es wird durch das Kultusministerium das Verfahren der Mitwirkung eingeleitet. Eine Farce, eine eindeutige Farce! Schon bei der Einleitung stand doch ganz klar fest, dass diese 1. Klasse in Deutzen nicht gebildet werden sollte. Der Schulträger schreibt eine Stellungnahme; er ist nicht damit einverstanden, dass die Klasse nicht gebildet werden soll.
Das Kultusministerium setzt sich darüber hinweg. Es gibt ein Urteil – Sie werden sich an Seifhennersdorf erinnern; wir haben in diesem Hohen Hause lang und breit darüber diskutiert –; es gibt eine Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichtes zu diesem Urteil, wonach ein Einvernehmen mit dem Schulträger herzustellen ist, wenn es um Fragen der Mitwirkung geht. Im neuen Gesetz wird das drinstehen – sehr schön –, aber was nützt das jetzt den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern in Deutzen? Gar nichts, weil sich das Kultusministerium einfach über Urteile der Gerichte hinwegsetzt. Wir haben auch gerade von den Kollegen der CDU gehört, dass sie die Rechtsprechung in Sachsen überhaupt nicht interessiert.
Sie sparen an dieser Stelle gar nichts ein. Die Schule bleibt bestehen, es gibt eine 2., eine 3., eine 4. Klasse; die Lehrer werden trotzdem benötigt – nicht einmal einen Lehrer sparen Sie ein, denn wenn Sie diese Schüler in die andere Grundschule schicken, müssen sie dort eine zusätzliche Klasse bilden, weil dort genügend Schüler angemeldet sind. Das bedeutet: keine Einsparung.
Es werden Festlegungen getroffen, bei denen die Maßnahmen durch die Bürger nicht mehr nachvollziehbar sind. Ich habe Schreiben von Bürgern, von Eltern aus Deutzen, die ganz klar sagen, sie zweifeln die Demokratie im Freistaat Sachsen an. Die Rechtssicherheit im Freistaat
Herr Tillich, ich frage Sie – und ich meine das ganz ernst –: Haben Sie wirklich im Freistaat Sachsen vor, den Willen der mündigen Bürger zu brechen?
Sie wissen, dass man den Willen von mündigen Bürgern im Freistaat Sachsen nicht brechen kann. Wir haben gerade die Debatte gehört, und es gibt viele andere Beispiele. Wenn die Bürger nicht mehr nachvollziehen können, was hier in den Entscheidungen passiert, und sie es auch nicht vernünftig begründet bekommen, suchen sie sich einen anderen Weg. Ich glaube, wir als demokratische Kräfte hier im Sächsischen Landtag – zumindest die, die sich dafür halten – dürfen so etwas nicht zulassen. Das hat aber mit Entscheidungen zu tun.
Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie auf, ich bitte Sie um ein Gespräch – heute, vielleicht morgen, aber nicht später –, weil wir eine Lösung für diese Schule, für diese Kinder brauchen und keine Verwaltungsentscheidungen, die vollständig am Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger vorbeigehen.