Protocol of the Session on March 17, 2016

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Zudem haben die Wahlergebnisse sicherlich auch ein Stück weit mit dem völligen Versagen der Bundesregierung in der Asylkrise zu tun, und so befasst sich unser Gesetzentwurf heute auch mit dem Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz.

Nun liegt die Lösung der Flüchtlingskrise sicherlich nicht in sächsischer Hand. Die Möglichkeiten des Freistaates,

Einfluss auf die Aufnahme und Verteilung von Asylbewerbern zu nehmen, sind tatsächlich gering. Einen begrenzten Gestaltungsspielraum eröffnet jedoch das Sächsische Flüchtlingsaufnahmegesetz durchaus. Diesen

Spielraum, meine Damen und Herren, müssen wir jedoch im Interesse der Kommunen und der Bürger sinnvoll nutzen.

Der vorliegende Änderungsantrag trägt den sächsischen Landesinteressen Rechnung, indem er dazu beiträgt, integrationsfördernde Aufnahmekapazitäten in den Kommunen zu schaffen und die Landkreise und Gemeinden perspektivisch finanziell zu entlasten.

Die genaue Zahl der in diesem Jahr zu erwartenden Asylbewerber kennt tatsächlich niemand; an Spekulationen möchte auch ich mich nicht beteiligen. Die aktuelle Lage sieht aber wie folgt aus: Im Januar wurden 50 500 Erstanträge im BAMF gestellt, im Februar waren es bereits 66 100. Auch die Lage auf den Flüchtlingsrouten hat sich keineswegs gebessert. So stieg die Flüchtlingszahl in Griechenland im Februar auf 27 500; im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum lediglich 2 783.

Viele Nachrichtendienste beobachten zudem, dass in libyschen Küstenorten bereits zwischen 150 000 und 200 000 Flüchtlinge auf besseres Wetter warten, um die Fahrt übers Mittelmeer zu wagen.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Jetzt wird ja doch spekuliert!)

Meine Damen und Herren, wie reagiert die Staatsregierung auf diese Situation?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie macht schlechtes Wetter! – Lachen bei der AfD)

Der Innenminister warnt vor einer Überforderung Deutschlands in der Flüchtlingskrise. „Ich kann und möchte keine Zahlen nennen“, lässt sich der Innenminister zitieren. Eines ist aber Fakt: Mit einer ähnlichen Zahl wie im vergangenen Jahr wäre auch Deutschland überfordert.

Das Ministerium macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass auch eine deutliche Unter-, aber auch Überschreitung der Plangrößen möglich sei. Die Kommunen sowie der Freistaat müssten ihre Kapazitäten flexibel halten. Wie dies geschehen soll, ist dabei der Knackpunkt, der aber gerade unklar bleibt.

Ähnlich – allerdings differenzierter – sind die Aussagen der Präsidentin des Deutschen Städtetages, der Oberbürgermeisterin Dr. Lohse. Sie forderte bereits am

24.02.2016: „Neben den internationalen Anstrengungen müssen Bund und Länder die vorgesehenen beschleunigten Asylverfahren zügig in die Praxis umsetzen und Menschen ohne Bleibeperspektive anschließend konsequent in ihre Heimatländer zurückführen.“ Nach ihrer Ansicht sei dies nötig, um den Kommunen nur noch Flüchtlinge zuzuweisen, die als Bürgerkriegsflüchtlinge und politisch Verfolgte unseren Schutz brauchen.

Aus diesen Einschätzungen ergibt sich ein klarer Handlungsauftrag, den die Staatsregierung bisher so nicht angenommen hat. Hierbei möchten wir als Oppositionspartei aber nicht nur kritisieren, sondern gern Hilfe leisten, und unterbreiten mit dem Angebot zur Änderung des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes einen

konstruktiven Vorschlag, um Kapazitäten in den Kommunen flexibel zu halten, die konsequente Abschiebung der Ausländer ohne Bleiberecht zu verbessern und gute Integrationsmöglichkeiten der wirklich Schutzbedürftigen zu schaffen und damit sowohl die Erkenntnisse der Staatsregierung als auch die Forderung der Präsidentin des Deutschen Städtetages umzusetzen; denn im § 6 Abs. 3 Satz 1 des zu ändernden Flüchtlingsaufnahmegesetzes soll nunmehr normiert werden, dass eine Verteilung der Flüchtlinge nur noch bei einer überwiegenden Anerkennungswahrscheinlichkeit erfolgen soll, also für Ausländer aus Staaten, die – verkürzt gesagt – eine Schutzquote von mehr als 50 % in der Vergangenheit hatten.

Dadurch wird erreicht, dass Asylbewerber mit einer geringen Schutzquote in den EAEs verbleiben und, wie gefordert, nach der Ablehnung des jeweiligen Asylantrags konsequenter abgeschoben werden könnten. Dies hat noch zwei weitere positive Nebeneffekte. Zum einen werden weniger Asylsuchende auf die Kommunen verteilt – diese bleiben hinsichtlich ihrer Kapazitäten also flexibler –, zum anderen können die wirklich schutzbedürftigen Personen gezielter integriert werden.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, mit etwas gutem Willen kann viel umgesetzt werden, was Kommunen und Bürger von der Politik zu Recht erwarten. Wir setzen der Tatenlosigkeit der Staatsregierung und der Ideenlosigkeit der anderen Parteien in diesem Haus damit ein Ende.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach, Herr Barth!)

Der vagen Hoffnung, dass sich die Umstände von selbst regeln, schließen wir uns gerade nicht an. Ein weiteres Ziel unseres Änderungsantrages ist die finanzielle Entlastung der Kommunen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ein Gesetzentwurf ist das!)

Auch hier kritisierte der Deutsche Städtetag bisher zu Recht, dass die Aufnahme und die angemessene Unterbringung der stetig weiter Zuflucht suchenden Menschen für die Kommunen in Deutschland, deren finanzielle Situation ohnehin teilweise extrem angespannt ist, eine kaum mehr tragbare Belastung darstellt. Die Städte fordern deshalb den Bund und die Länder – aus meiner Sicht nur folgerichtig – dazu auf, die Kommunen nachhaltig finanziell zu unterstützen und dadurch die kommunale Selbstverwaltung zu sichern.

Einen Beitrag zu dieser geforderten finanziellen Unterstützung leistet die von uns vorgeschlagene Änderung des § 10 Abs. 1 Satz 3 im Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetz. Hier wird nämlich erreicht, dass zumindest die

Last der Vorfinanzierung gerechter verteilt und gemindert wird, da nun zukunftsgewandt an Bedarfsprognosen und nicht mehr rückwärtsgerichtet an Personenzahlen des Vorquartals angeknüpft wird. Nüchtern betrachtet wird man vielleicht einwenden können, dass den Kommunen zurzeit wenigstens keine Zinslasten bei der Vorfinanzierung entstehen.

Meine Damen und Herren! Unser Gesetzentwurf zum Konjunkturausgleichsfonds hat bereits bewiesen, dass wir perspektivisch denken und uns nicht mit dem aktuellen Status quo zufriedengeben. Welche zusätzlichen Kreditkosten entstehen, wenn die Leitzinsen auch nur marginal angehoben werden, –

Bitte zum Ende kommen.

– kann sich wohl jeder vorstellen. Das können wir nur verhindern, indem wir den Beitrag der Vorfinanzierung auf ein Minimum reduzieren.

Herr Barth, Ihre Redezeit ist um!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich komme zum Abschluss. – Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf, der soeben eingebracht worden ist, an den Innenausschuss – federführend – und an den Haushalts- und Finanzausschuss – mitberatend – zu überweisen.

Wer die Zustimmung dafür gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist die Überweisung beschlossen. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 5

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsstellung des

Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des

Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen

Republik (Landesbeauftragtengesetz) und zur Änderung weiterer Gesetze

Drucksache 6/4515, Gesetzentwurf der Fraktionen

CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Auch hierzu gibt es keine allgemeine Aussprache. Es sprechen nur die einreichenden Fraktionen. Ich übergebe jetzt das Wort an die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ziemlich genau auf den Tag vor 24 Jahren, am 13. März 1992, fand im Landtag – damals noch im Haus der Kirche – die 1. Lesung des Landesbeauftragtengesetzes statt. Damals lagen drei Gesetzentwürfe vor: einer der Staatsregierung, einer der SPD-Fraktion und einer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damals sprachen für die GRÜNEN Martin Böttger, Justizminister Heitmann, für die CDU Herr Beier und für die SPD Herr Richter.

Ich gebe zu, bis auf Martin Böttger kenne ich die Herren alle nicht. Ich war damals 12 Jahre alt. Frau Kliese, die für die SPD-Fraktion nach mir sprechen wird, war kurz vor ihrem 12. Geburtstag.

Einige von Ihnen mögen jetzt vielleicht denken, dass bei einem Gesetzentwurf, der sowohl die DDR-Vergangenheit berührt als auch deren Auswirkungen, das Hier und Jetzt betrifft, jemand sprechen müsse, der die Zeit aktiv erlebt hat, und nicht zwei junge Frauen, die sich kaum auf diese vergangene Welt haben einstellen können oder müssen.

Einige unterstellen uns vielleicht sogar, dass wir, die wir dieses Schicksal, die Repressionen, die so viele in diesem Land – in dieser DDR – erfahren mussten, nicht verstehen können. Das mag zum Teil stimmen, trifft aber noch viel mehr auf jene zu, die nach dem Jahr 1990 geboren wurden. Genau deshalb bringen heute Frau Kliese und ich diesen Gesetzentwurf ein. Gerade heute ist es so wichtig zu vermitteln, wie die SED-Diktatur und ihre Mechanismen funktioniert haben und welche Auswirkungen das auf den Alltag der Menschen hatte.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Denn nur in dem Wissen um die Mechanismen der Unfreiheit können wir hier und heute Demokratie gestalten. Das wird im Blick auf die Landtagswahlen am Sonntag noch einmal umso deutlicher.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Der vorliegende Gesetzentwurf greift deshalb genau diesen Gedanken auf. Der Fokus des im Jahr 1992 verabschiedeten Gesetzes lag in der Offenlegung der bis dahin verdeckten Arbeit des Staatssicherheitsdienstes. Zentral für die Menschen und vor allem für die Opfer war die Frage, wie das MfS funktionierte und wie die Strukturen