Protocol of the Session on March 17, 2016

Drittens. Bürgerbeteiligung ist umso erfolgreicher, wenn man eine unabhängige Moderation gewährleistet und wenn genügend Zeit zur Beteiligung ist. Die Prozesse sind sehr gut gelaufen. Wir haben zwei Monate öffentliche Debatte gehabt und das in einer Begegnung auf Augenhöhe zwischen denen, die die Entscheidungen letztlich zu fällen haben, und denen, die von der Entscheidung betroffen sein werden.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Und letztlich Erfolgskriterium Nummer vier. Bürgerbeteiligung ist dann erfolgreich, wenn die Ergebnisse am Ende einen Unterschied machen, wenn sie ernst genommen werden. Wir sind auf diesem Weg zum neuen Schulgesetz noch lange nicht am Ziel, sondern gerade mal in der Hälfte. Wir machen uns bei anderen Aktuellen Debatten oft Gedanken, wie wir das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern wertschätzen und anerkennen können. Da haben wir Instrumente gefunden, wo es darum geht, dass man sich etwas Geld auszahlen lassen kann, damit man nicht drauflegt. Ich denke, ein ganz wesentlicher Punkt für die Anerkennung und Wertschätzung von ehrenamtlichem Engagement ist, die Leute ernst zu nehmen.

Alle, die in den Dialogforen saßen, waren dort ehrenamtlich in ihrer Freizeit. Die Lehrervertretung, die Schülervertretung und die Elternvertretung engagieren sich ehrenamtlich. Es ist eine gute Gelegenheit, auf diese Weise ehrenamtliches Engagement wertzuschätzen, indem wir ernst nehmen, was gesagt worden ist. Wir müssen wahrscheinlich alle über einen kleinen Schatten springen, auch die Bürgerinnen und Bürger, die da waren, weil nicht alles zu 100 % geht. Ich weiß, die Redezeit ist gleich zu Ende, aber wenn wir den bisher gelungenen Prozess noch komplett gelungen machen wollen und werden, indem wir die Ergebnisse entsprechend ernst

nehmen, dann haben wir ein sehr gutes Beispiel für den Dialog zwischen Bürgern und Politik.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall der Staatsministerin Brunhild Kurth)

Frau Kollegin Friedel hat die Einbringung des Antrages durch die Koalitionsfraktionen abgeschlossen. Wir gehen jetzt weiter in der ersten Runde. Für die Fraktion DIE LINKE ergreift Frau Kollegin Falken das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bienst, Dialog allein reicht nicht, um eine erfolgreiche Bürgerbeteiligung durchzuführen. Frau Friedel hat es angetippt – die Erwartungshaltung ist groß. Ich hoffe, dass das Versprechen, das ich Ihnen heute abnehme, Frau Friedel, wirklich im Referenten- und Gesetzentwurf wiederzufinden ist.

Im Bildungsbereich besteht der Zwang zu großen Veränderungen, die wir an den sächsischen Schulen benötigen. Ich habe im Herbst 2015 14 Veranstaltungen in allen kreisfreien Städten und den Kreisen durchgeführt. In diesen Diskussionsrunden habe ich in der Bandbreite Eltern, Schüler, Lehrer und natürlich Kommunalvertreter live erlebt, dass es ganz, ganz viele Probleme an sächsischen Schulen gibt. Wir haben uns im Parlament in zahlreichen Anträgen und Diskussionen schon damit beschäftigt, aber wenn man vor Ort mit den Bürgern spricht, vor allen Dingen auch mit den Schülern, dann sieht man, dass die Bandbreite der Probleme, angefangen bei der Ausstattung von Schulen bis hin zur Qualität des Unterrichts, was hier immer bestritten wird, sehr deutlich und sichtbar geworden ist.

Ich will es heute nicht verhehlen, Frau Staatsministerin. Ich habe mich persönlich gefreut, dass Sie diese Tour, die wir im Herbst gemacht haben, jetzt übernommen haben. Sie hatten natürlich andere Möglichkeiten, gar keine Frage. Frau Friedel sagte schon, dass das halbe Kultusministerium dabei war. Insofern habe ich mich darüber gefreut, dass Sie eine ähnliche Facette gewählt haben, wie wir das im Herbst gemacht hatten.

Die große Beteiligung von Eltern, Schülern, Lehrern, Schulträgern und vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern im Freistaat Sachsen an diesen Bürgerforen zeigt ganz klar, dass Veränderungen im derzeit existierenden Schulgesetz zwingend notwendig sind. Darüber sind wir uns wohl einig. Aber die hohe Anzahl der Beteiligung zeigt mir ganz klar, dass die Betroffenen das genauso sehen. Die Enttäuschung über den jetzt existierenden Referentenentwurf ist genauso groß. Sonst hätte es eine so große Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nicht gegeben.

Nach den Aussagen, die ich in verschiedenen Runden gehört habe, müsste man in allen Paragrafen des Referentenentwurfs Veränderungen vornehmen. Selbst Kolleginnen aus der CDU-Fraktion, zumindest habe ich es der Presse so entnommen, sind der Auffassung, dass dieser

Referentenentwurf noch lange nicht das erfüllt, was wir eigentlich im neuen Schulgesetz benötigen. Deshalb hoffe ich auf die Vertreter der CDU-Fraktion, dass wir hier starke Veränderungen bekommen, und zwar schon, wenn wir den neuen Gesetzentwurf im Landtag vorgelegt bekommen.

Die Erwartungshaltung bei den Bürgerinnen und Bürgern ist sehr, sehr groß, natürlich auch aufgrund dieser Bürgerforen. Demokratie ist verfehlt, wenn diese Erwartungshaltung nicht erfüllt wird.

(Widerspruch des Abg. Frank Kupfer, CDU)

Dringender Handlungsbedarf ist im Schulgesetz gegeben. Ich will nur ganz kurz einige Facetten anreißen, weil wir uns in diesem Hohen Haus und auch im Ausschuss noch sehr intensiv mit dem Gesetzentwurf beschäftigen werden.

Das längere gemeinsame Lernen fehlt in diesem Referentenentwurf vollständig. Die Schülerbeförderung fehlt vollständig in diesem Referentenentwurf. Lernmittelfreiheit wird verschoben und vertagt auf eine Lernmittelverordnung. Das halten wir und auch viele Bürger für total falsch. Die Rahmenbedingungen, um Schulschließungen zu vermeiden, sind in diesem Referentenentwurf überhaupt nicht enthalten. Mittel- und Oberzentren für Mittelschulen müssen nach wie vor pro Klassenstufe 40 Schüler bringen, was an ganz vielen Mittelschulen überhaupt nicht mehr möglich ist. Das heißt, hier brauchen wir eine große Korrektur. Die Mindestschülerzahl an Berufsschulzentren wird dazu führen, wenn das wirklich so kommen sollte, dass wir weitere Berufsschulen im Freistaat Sachsen schließen müssen. Keine verbindlichen Rahmenbedingungen für die Integration und Inklusion in diesem Schulgesetz, das geht gar nicht. Man braucht klare Regeln für diesen Bereich im Schulgesetz und nicht so schwammige Formulierungen.

Ich habe in Leipzig am Bürgerforum teilgenommen. Das war für mich sehr spannend und hat auch Spaß gemacht.

Die Redezeit geht zu Ende.

Danke, Herr Präsident.

Ich will das ganz klar benennen. Aber in der Auswertung dieser Runden ist von dem Vertreter, der das aus der Gruppe der Inklusion moderiert hat, benannt worden: In unserer Arbeitsgruppe ist das Ministerium „gegrillt“ worden, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– ist vollständig „gegrillt“ worden.

Die Redezeit ist zu Ende.

Das zeigt ganz klar und deutlich, dass es so nicht funktioniert.

(Beifall bei den LINKEN)

Auf Frau Falken – sie sprach für die Fraktion DIE LINKE – folgt jetzt für die AfD-Fraktion Frau Kersten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! „Die Bürgerforen zum Schulgesetz – eine moderne Demokratie braucht Dialog“. Ja, wir führen also heute wieder eine Demokratiedebatte. Schon gestern hatte die Regierungskoalition die Demokratiekarte gezogen. In Bezug auf die Bürgerforen bleibt allerdings abzuwarten, ob diese Karte auch gespielt wird.

(Zurufe von der CDU)

Uns jedenfalls war unklar, warum wir die Debatte zum jetzigen Zeitpunkt führen.

(Zurufe von der CDU und den GRÜNEN)

Nachvollziehbar wäre durchaus gewesen, dass wir die Debatte dann führen, wenn der Abschluss dieses Beteiligungsprozesses gewesen wäre, wenn wir also schwarz auf weiß haben, wie sich diese Beteiligung tatsächlich im Gesetzentwurf widerspiegelt.

(Lothar Bienst, CDU: Dann reden wir wieder!)

Eine Debatte zum jetzigen Zeitpunkt ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich heute hier um eine Eigenlobveranstaltung handeln solle, um ein gegenseitiges Schulterklopfen von CDU und SPD.

Meine Damen und Herren! Was soll ich sagen?

(Lothar Bienst, CDU: Nichts!)

Diese Vermutung hat sich bestätigt. Damit möchte ich allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass der jetzige Zeitpunkt dazu da wäre, die Bürgerforen zu kritisieren. Ganz im Gegenteil. Wir machen beim Schulterklopfen ein wenig mit, aber nur ein wenig.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist doch schon mal ein Ansatz!)

Ich sage einmal so: Wir klopfen nur auf eine Schulter. Sie wissen, die AfD ist eine Verfechterin von mehr direkter Demokratie. Von daher begrüßen wir ausdrücklich das Format dieser Bürgerforen, das Format dieser Veranstaltungsreihe.

Unsere Fraktion war bei fast allen diesen Veranstaltungen zugegen. Daher können wir bestätigen: Die Resonanz an den Bürgerforen war sehr groß. Das Interesse, dort engagiert mitzudiskutieren, war mindestens genauso groß. Auch das kann an dieser Stelle durchaus gesagt werden: Die Bürgerforen waren professionell organisiert. Das Kultusministerium hat dort viel zeitliches und personelles Engagement hineingesteckt, und ich glaube, das stimmt, Frau Ministerin, Sie waren bei all diesen Veranstaltungen

persönlich zugegen. Meine Damen und Herren! Auch so geht sächsisch und das ganz ohne 8 Millionen Euro Förderung.

Doch da bin ich nun beim Aber, und das ist der Grund, warum ich eingangs sagte, dass wir nur ein wenig mit auf die Schulter klopfen. Die Durchführung der Bürgerforen – das wurde durch Vorredner bereits angesprochen – ist eben nur ein Teil des demokratischen Beteiligungsprozesses. Der zweite Teil – und das ist der aus meiner Sicht wesentlich entscheidendere – steht noch aus. In diesem Teil geht es darum, wie sich all das engagierte Beteiligen, die Anregungen, Einwendungen, Diskussionen, Kritiken tatsächlich im Gesetzentwurf niederschlagen werden. Das werden wir frühestens wissen, wenn der Gesetzentwurf vorgelegt wird. Das ist wahrscheinlich erst in zwei Monaten.

Erst dann wird sich zeigen, ob die Bürgerforen tatsächlich dazu angelegt waren, um neben der breiten Beteiligung auch Änderungsmöglichkeiten zuzulassen. Erst dann wird sich zeigen, ob die Bürgerforen als echter demokratischer Beteiligungsprozess bezeichnet werden können oder ob sie nur eine Schaufensteraktion waren.

Daher mein Appell an die Ministerin: Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, sorgen Sie dafür, dass im Gesetzentwurf klar und deutlich erkennbar ist, dass sich die Beteiligung für die Bürger gelohnt hat. Verspielen Sie nicht den Kredit, den Sie sich mit diesen Bürgerforen erarbeitet haben.

Damit komme ich zum Schluss und noch einmal zum Debattentitel zurück. Meine Damen und Herren! Wie auch immer man Demokratie bezeichnen möge, ob nun als moderne Demokratie, liberale oder einfach nur als Demokratie – der Kern der Demokratie wird immer nur eines sein, nämlich Volksherrschaft!

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Frau Kollegin Kersten für die AfD-Fraktion. Jetzt schreitet Frau Kollegin Zais für die Fraktion GRÜNE zum Rednerpult.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Moderne Demokratie braucht Dialog. Ja. Ja. Ja. Was soll man sonst zu diesem Titel sagen? Es ist eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Christopher Gohl, ein Experte in der Organisation politischer Beteiligungsprozesse, hat diesen Satz geprägt. Er sagte aber auch, das eigentliche Wagnis sei nicht mehr Demokratie, sondern zu wenig Dialog. Deshalb – und da muss ich Ihnen etwas widersprechen, Kollege Bienst – ist es dringend geboten, von einem über Jahrzehnte lang währenden schwarz gefärbten Monolog in der sächsischen Politik heute in den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern überzugehen.

Aus unserer Perspektive muss man deshalb die gewählten und neu ausprobierten Formate des Kultusministeriums nicht kritisieren, auch wenn man sachlich bleiben und