ein erfolgreicher Abschluss der Schule, eine fundierte Berufsausbildung oder ein Studium, ein sicherer Arbeitsplatz, eine aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, schlicht, eine Zukunft in der neuen Heimat. Deshalb steht der Erwerb von Sprachkompetenz nicht für sich allein. Nur die Sprache erlernen reicht nicht aus. Dieser Prozess muss durch eine intensive Begleitung ergänzt und erläutert werden. Den Schülern mit Migrationshintergrund und deren Eltern muss nachhaltig dargelegt werden, was alles am Lernen der deutschen Sprache hängt. Ziel muss es sein, dass sowohl bei den Kindern als auch bei deren Eltern die Einsicht in die Notwendigkeit reift. Das Gegenmodell, also ein fortwährender Mangel an Sprachkenntnissen, hätte fatale Folgen: vorrangiges Knüpfen sozialer Kontakte mit seinesgleichen nach Herkunft und Sprachfamilie, wachsender Unmut über die Bestandsgesellschaft, Ablehnung der Gesellschaft, ihrer Regeln, Normen und Werte, Flucht in religiöse Scheinwelten – in Summe eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft und die Bildung von Parallelgesellschaften. Dies können und dies dürfen wir nicht zulassen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ein weiterer wichtiger Aspekt für erfolgreiche Integration ist das Thema Wertevermittlung. Anders als beim Thema Sprachvermittlung ist das wesentlich schwieriger zu diskutieren und umzusetzen. Wir verlassen bei der Betrachtung dieser Frage ein Stück weit das Feld praktischer Politik und schwenken ein in den Bereich der eher philosophischen Diskussion. Die Grundlagen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens sind die von uns akzeptierten und gelebten Werte. Nicht umsonst sprechen wir von einer Wertegemeinschaft. Das ist leicht gesagt. Wir müssen denen, die neu zu uns kommen, unsere Werte vermitteln. Es herrscht hierzu auch weitestgehende Einigkeit über Parteigrenzen hinweg.
Dennoch ist das Thema schwierig, weil alle eine unterschiedliche Meinung zu haben scheinen, was unsere
Werte sind. Natürlich gibt es innerhalb unserer Gesellschaft unterschiedliche Ansichten über den Umfang des Wertekanons und über die Einordnung von Werten nach Wichtigkeit und Bedeutung. Mit Verlaub sei mir hier der Hinweis gestattet, dass wir in Deutschland vor über 10 Jahren bereits diese Diskussion über Werte und Leitkultur in unserem Land hatten. Wir würden uns heute leichter tun, wenn wir diese Debatte geführt hätten, auch wenn sie langwierig und kontrovers gewesen wäre. Auf das Ergebnis wäre es angekommen, ein Ergebnis, das wir heute denen, die neu zu uns kommen, hätten präsentieren können. Integration wird um so vieles einfacher, wenn man weiß, wohinein man sich integrieren soll.
Das ist auch eine deutlich zu vernehmende Erwartungshaltung der Migranten selbst, zumindest von denen, die sich für ihre neue Heimat interessieren.
Nunmehr wird dieser Diskussionsprozess über Werte und Rahmenkultur parallel verlaufen, quasi als offener Feldversuch. Das macht ihn anspruchsvoller, aber nicht unlösbar. Wollen wir Werte vermitteln, ist es zwingend notwendig, die historisch-philosophische Entwicklung nicht aus den Augen zu verlieren. Werte haben sich in Deutschland über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Sie umfassen das unmissverständliche Bekenntnis zur christlich-abendländischen Kultur, zum Humanismus und der Aufklärung. Der Wertekanon entwickelte und verstetigte sich. Die Anerkennung der Autorität des Staates und seines Handelns, die Akzeptanz einer freiheitlichdemokratischen Grundordnung gehören heute genauso dazu wie etwa die Gleichstellung von Mann und Frau.
Je frühzeitiger wir mit der Vermittlung unserer Werte beginnen, umso schneller und reibungsloser kann Integration funktionieren. Konkret soll das durch geeignete Konzepte zur schulischen Wertevermittlung schon in den DaZ-Klassen und auch durch außerschulische Kooperation und Ganztagsangebote umgesetzt werden. Dabei wird das gesellschaftliche Interesse über das der persönlichen Meinung und Einstellung der Eltern und der vorgeprägten Kinder gestellt werden müssen. Übermäßige Toleranz auf der einen und religiöse Befindlichkeiten auf der anderen Seite müssen für den gesellschaftlichen Gesamterfolg zurückgestellt werden.
Wenn wir schon einmal bei der Wertevermittlung sind, nehmen wir doch gleich die deutschen Kinder und Jugendlichen mit hinzu. Schaden kann das nicht.
Den Lehrerinnen und Lehrern, den Erzieherinnen und Erziehern, die in Fragen der Sprach- und Wertevermittlung am meisten gefordert sind, sei an dieser Stelle besonders gedankt. Sie stehen engagiert Tag für Tag vor diesen Herausforderungen, auf die sie sich nicht umfassend einstellen und vorbereiten konnten. Wir brauchen die gesetzlichen Rahmenbedingungen, das Engagement der Pädagogen und auch die innere positive Zustimmung der Eltern. Mit dem Elternwillen der Migrationskinder steht
und fällt der Erfolg unserer gesamten Bemühungen. Erst wenn diese Grundvoraussetzungen erfüllt sind, dann, nur dann sind wir auf einem guten Weg zu einer gelingenden Integration. Doch eines möchte ich auch klar formulieren:
Menschen, die meinen, unsere Werte nicht akzeptieren zu können oder zu wollen, aus welchen Gründen auch immer, und sich somit der Integration verweigern, bietet Deutschland und bietet Sachsen keinen Platz.
Unterm Strich bleibt also festzustellen: Spracherwerb und Wertevermittlung sind der Schlüssel und die Grundlage für eine gelungene Integration. Auch hier gilt wie in anderen Bereichen der Grundsatz von Fördern und Fordern. Bei den Kindern habe ich, wenn wir es richtig angehen, die wenigsten Sorgen. Nur wenn eine Integration gelingt, bleibt die Integrationsbereitschaft und die Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft erhalten. Im Bewusstsein dieser gemeinsamen Verantwortung müssen wir uns unablässig und konsequent um die Erfüllung dieser enormen Herausforderung kümmern.
Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag gibt den Anlass, das Thema Sprach- und Wertevermittlung und die Art und Weise, wie das praktisch an unseren Schulen geschieht, noch einmal vor Augen zu führen. Auch wenn ich weiß, dass Sie die Prozesse kennen, will ich das noch einmal tun. Ich finde sie klug und gut ausgedacht von Sachsen und möchte sie deshalb vortragen. Wie funktionieren unsere DaZ-Klassen? Dazu hat sich Sachsen schon vor längerer Zeit ein System ausgedacht, das auf drei Schritten basiert:
Wir nehmen schulpflichtige Kinder und Jugendliche in die Schulen hinein, auch wenn überhaupt noch keine Sprachkompetenz vorhanden ist. Das ist nicht selbstverständlich, und ich halte das für einen sehr wichtigen Punkt.
Die Kinder und Jugendlichen werden in sogenannten DaZ-Klassen unterrichtet, bekommen also von früh bis spät in den ersten Wochen Deutschunterricht. Nach drei, vier oder sechs Wochen sind die grundlegenden Sprachkenntnisse zumindest so weit da, dass sich die Schülerinnen und Schüler teilweise an den normalen Unterrichtsstunden ihrer eigentlichen Schulklasse beteiligen können – zum Anfang erst einmal dort, wo Sprache nicht ganz so wichtig ist, wo das Verständigen auch anders läuft: Musik, Mathematik, Sport, also diese Universalfächer, in denen man nicht auf Erklären angewiesen ist, sondern das Mitmachen schon Lernen ist.
In der dritten Phase, wenn die parallele Unterrichtung in einigen Fächern und in Deutsch so weit vorangeschritten ist, dass man dem Unterrichtsstoff in Gänze folgen kann, werden die Schülerinnen und Schüler in die ganz normale Klasse an der Schule integriert.
Ich habe mir diesen Prozess an vielen Schulen angeschaut und nur Lehrerinnen und Lehrer getroffen, die gesagt haben, das funktioniert richtig gut, und zwar von Anfang an. Mein großer Respekt gilt den DaZ-Lehrkräften, die das machen, die zum Teil gar nicht dafür ausgebildet sind und sich trotzdem dieser Herausforderung stellen. Das finde ich toll.
Ich gehöre zu denjenigen, die in der derzeitigen Flüchtlingssituation keine Krise sehen, sondern eine Herausforderung, die auch Chancen mit sich bringt. Das Wort Krise ist viel zu groß; Kollege Ittershagen hat es angesprochen. Sprachvermittlung allein ist einseitig, wir müssen natürlich auch die Werte unseres Zusammenlebens vermitteln. Dabei haben wir anzuerkennen, dass wir aus einer Gesellschaft kommen, die sowohl christlich-abendländisch geprägt ist als auch aus der antiken Philosophie heraus mit vielen Tugendvorstellungen, wie Gerechtigkeit oder Tapferkeit, lebt und natürlich sehr viele andere Einflüsse hat –
danke schön – und sich nach der humanistischen Wende eigentlich einer goldenen Tugend verschrieben hat: dem Kantschen kategorischen Imperativ, den man auch in allen Weltreligionen wiederfindet.
Was ist die Chance daran? Die Chance daran – und damit mache ich auf den Punkt III im zweiten Teil des Antrages aufmerksam – ist, wie Herr Ittershagen sagte, dass sich Wertevermittlung nicht nur an Kinder und Jugendliche richtet, die nicht hier geboren sind, sondern ebenso an Kinder und Jugendliche, die schon von Geburt an ihre Heimat in Deutschland haben.
In den letzten Wochen und Monaten haben wir erlebt und gespürt, wie wichtig es ist, in einer Gesellschaft miteinander über Werte zu diskutieren und einen gewissen Grundkonsens zu haben, hinter den man nicht zurückgeht. Das haben wir an vielen Fällen gesehen und diskutiert, ob das Clausnitz, Köln oder anderswo ist. Deshalb: Die Flüchtlingssituation ist auch eine Chance für uns.
Überlegungen, die wir schon lange hätten machen sollen: Wie schaffen wir es – Punkt 3 –, den Schülern altersgemäß Grundkenntnisse über das Zusammenleben in unserer Demokratie und in unserem Rechtsstaat zu vermitteln und sie dabei nicht im Gemeinschaftsunterricht hin- und herbeten zu lassen, was die erste, zweite und dritte Lesung ist, sondern
ihnen deutlich zu machen: Wie funktioniert es in einer Demokratie, in einer pluralistischen Gesellschaft, sich als Freie und Gleiche gegenüberzustehen und den anderen anzuerkennen, ohne selbst zurückstecken zu müssen, sondern den gemeinsamen Aushandlungsprozess, wie wir miteinander leben wollen, zu gestalten? Das ist eine Chance, die wir nutzen sollten, und in dem Sinne verstehe ich unseren Antrag als einen Beitrag dazu.
Danke schön. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sprache ist der Schlüssel für Integration. Eine erfolgreiche Integration geht nur über die Sprache. Ich glaube, bei diesen Formulierungen – die haben wir nicht nur in dieser Debatte schon gehört, sondern in anderen Debatten heute auch – sind wir uns vollständig einig.
Schule ist für Flüchtlinge und Asylsuchende eine Form von Normalität, mit der die Kinder und Jugendlichen umgehen können, aber nicht nur die, sondern auch die Eltern und die Familien. Frau Friedel, das Recht auf Bildung gilt in Europa, und insofern bin ich nach wie vor sehr froh, dass es im Freistaat Sachsen gelingt, sehr schnell und zügig Kinder und Jugendliche in die sächsischen Schulen zu bekommen. Wenn wir an der einen oder anderen Stelle zu hören bekommen, wie wir es neulich im Schulausschuss von Herrn Schreiber gehört haben und ich es inzwischen auch aus Leipzig weiß, dass es dort Rückstaus für die Bearbeitung von Anträgen von Asylbewerbern oder Flüchtlingen für die Schulen gibt, dann muss sehr schnell Abhilfe geschaffen werden. Ich glaube, das hat die Ministerin, Frau Kurth, auch auf dem Schirm. Ich gehe zumindest davon aus.
Grundwerte und kulturelle Traditionen zu vermitteln ist ein hohes Ziel und braucht Zeit und Geduld; meine Vorredner sind schon darauf eingegangen. Wertevermittlung ist etwas Veränderliches. Werte festzulegen und sie starr zu behalten ist, glaube ich, in der heutigen Gesellschaft nicht zielführend. Wenn wir über Wertevermittlung sprechen, müssen wir uns heute und in Zukunft mit anderen Kulturen auseinandersetzen und uns mit diesen Werten beschäftigen.
Aber die christlich-abendländischen Wurzeln als wichtigen Bestandteil schulischer Bildung zu verankern halten wir für falsch. Das gilt nicht nur für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund, sondern für alle Schülerinnen und Schüler. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass Kirche und Staat getrennt sind, das heißt natürlich auch Kirche und Schule. Das haben wir im Grundgesetz wie auch in der Verfassung ganz klar verankert.
Sie wissen, dass im Schulgesetz – zumindest in dem Referentenentwurf – auch wieder eine Formulierung steht.
Herr Präsident! Frau Falken, können Sie mir definieren, was Sie unter christlichabendländischen Werten und Tugenden verstehen?
Herr Schreiber, wenn Sie dazu eine Definition haben möchten, schauen Sie bitte noch einmal ins Internet.
Was ich nicht möchte – und das habe ich gerade ganz klar formuliert, und das kann ich auch wiederholen –, ist, dass das Bestandteil des Unterrichts und der Unterrichtsstruktur ist, weil Kirche und Staat bei uns getrennt sind und das ganz klar geregelt ist. Das heißt für mich nicht – um auf Ihre Frage zurückzukommen –, dass keine Wissensvermittlung von Religionen in unseren sächsischen Schulen stattfinden sollte und muss. Das muss Bestandteil der Bildung sein, aber nicht ausschließlich und nicht nur mit Schwerpunkt auf der christlichen Religion. Wir haben gerade über einen Gesetzentwurf gesprochen, der nach meiner Auffassung wichtig und notwendig ist, und wir haben ihm zugestimmt. Aber das geht aus meiner Sicht wesentlich weiter.
Ja, werte Kollegen von CDU und SPD, ich kann es Ihnen heute leider nicht ersparen: Der erste Teil Ihres Antrages ist auch aus formalen Gründen nicht beschlussfähig. In der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags, Artikel 51 Abs. 1, heißt es: „Anträge beginnen mit den Worten ‚Der Landtag möge beschließen‘“. Das kann ich im ersten Teil Ihres Antrages nicht erkennen.
Aus diesen beiden Gründen werden wir dem ersten Teil Ihres Antrages nicht zustimmen können. Dem zweiten Teil Ihres Antrages stimmen wir gern zu und werden ihn auch unterstützen. Er ist in viele Punkte detailliert und untersetzt. Allerdings: Uns gehen diese Punkte noch nicht weit genug. Wir wissen, dass wir bei der weiteren Entwicklung der Sprachfähigkeit von geflüchteten Kindern und Jugendlichen und Asylbewerbern noch sehr viele Überlegungen anstellen müssen.