Protocol of the Session on November 13, 2014

Um konkret auf die Lausitz, auf das Thema Vattenfall zurückzukommen: Nun ist es ja so, dass im Koalitionsvertrag das Thema Vattenfall nicht auftaucht – und das aus gutem Grund. Vattenfall will verkaufen – das ist mittlerweile klar –, aber wie sie es tun wollen, zu welchen Konditionen und ob es letztlich überhaupt durchgeführt wird, ist vollkommen unklar.

Vattenfall hat, wie wir alle wissen, in den letzten Jahren hohe Gewinne erzielt – auch mit unserer heimischen Braunkohle –, das ist Fakt. Jetzt gibt es sehr starken Druck aus der neuen schwedischen Regierung; das ist uns auch allen bewusst. Aber was wir deutlich machen müssen, ist, dass Vattenfall eine Verantwortung hat. Vattenfall hat eine Verantwortung für die Region, für die Menschen dort und kann sich jetzt nicht einfach die Rosinen herauspicken und sagen, wir bleiben in den Bereichen in Deutschland aktiv, die für uns genehm sind, die auch Gewinne abwerfen, und dort, wo es schwierig wird, ziehen wir uns einfach zurück. Es kann nicht Sinn und Zweck einer Abstimmung mit Vattenfall sein, dass wir so etwas als Freistaat akzeptieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Deshalb werden wir ganz genau darauf achten, was Vattenfall in den nächsten Wochen tun wird, was die konkreten Schritte sind, wer die Interessenten sind, wie wir uns selbst einbringen können – zum Wohle der Lausitz, zum Wohle des Freistaates. Wir werden gleichzeitig aber auch den Strukturwandel weiter zu gestalten versuchen.

Das wird Zeit brauchen, aber ich darf vielleicht mit Blick auf die Fraktion DIE LINKE und den Titel sagen, dass den Strukturwandel in seinem Lauf sicherlich auch nicht Vattenfall aufhalten wird.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und der Staatsregierung)

Für die AfDFraktion Herr Abg. Urban, bitte.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ein neues Gesicht!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich erlaube mir eingangs, auf die leeren Stühle hinzuweisen. Ich bin neu hier und doch ein wenig überrascht, wie viel Resonanz die Aktuelle Stunde findet, und man wünscht sich fast, dass man ad hoc über das Quorum von Volksentscheiden abstimmen könnte – das hätte wahrscheinlich ein interessantes Ergebnis.

(Beifall bei der AfD)

Das Landtagswahlprogramm der AfD verspricht unseren Wählern drei Dinge: den Einsatz der AfD für die weitere Nutzung der sächsischen Braunkohle, den Schutz unserer heimischen Natur und den Einsatz für eine Stärkung der strukturell benachteiligten ländlichen Räume. Die AfD hält die Weiternutzung der Braunkohle in Sachsen für notwendig, weil die sächsischen und brandenburgischen Kohlenkraftwerke nicht nur preiswerten Strom liefern, sondern in Verbindung mit regionaler Wertschöpfung und mit Arbeitsplätzen in der Region auch grundlastfähigen Strom bereitstellen. Die Förderung der Braunkohle ist mit immensen Eingriffen in die Natur, in das Landschaftsbild und auch in die Heimat der Betroffenen verbunden. Diese Eingriffe müssen kompensiert und ausgeglichen werden.

In dieser Beziehung brauchen die deutsche und die sächsische Umweltgesetzgebung und Umweltverwaltung den internationalen Vergleich nicht zu scheuen. Die Eingriffe in Natur und Landschaft durch die Braunkohlenutzung sind temporär. Mit Abschluss der Tagebaue und der Rekultivierung entstehen schon heute wertvolle Biotopflächen sowie Flächen für Freizeitaktivitäten und Tourismus.

Im Unterschied zur Herstellung von Biogas – das ist derzeit der einzige grundlastfähige erneuerbare Energieträger – sind die Eingriffe durch Tagebaue auf relativ kleine Flächen beschränkt. Die Monokulturen für Mais, Raps und andere Energiepflanzen bedecken inzwischen ein Drittel der landwirtschaftlichen Fläche Sachsens; sie schädigen Böden und Vorfluter durch intensivsten Einsatz von Herbiziden und Insektiziden. Aber auch Biogas ist derzeit bei Weitem nicht in der Lage, den Grundlaststrom der Braunkohlekraftwerke zu ersetzen.

Die AfD hält es für unverantwortlich, die Schäden der Energieerzeugung für sächsische Haushalte und sächsische Unternehmen komplett in andere Länder zu verlagern und Energie zu importieren, sei es Erdgas aus Russland – mit den Umweltschäden in Russland –, sei es Palmöl aus Indonesien – mit den Umweltschäden in Indonesien –, oder sei es Atomstrom aus Tschechien – mit den Umweltschäden und Risiken in Tschechien.

Die Lausitz leidet heute unter großen strukturellen Problemen. Es gibt kaum größere Unternehmen neben der Braunkohlenutzung in der Region, sodass junge und

qualifizierte Berufstätige abwandern und die Versorgungsinfrastruktur für die verbleibende Bevölkerung immer mehr ausgedünnt wird. Das ist ein fataler Kreislauf. Ein Ausstieg aus der Braunkohlenutzung würde diese strukturellen Probleme nicht lösen, sondern – im Gegenteil – noch verstärken. Die Gründe für die Strukturprobleme der Lausitz und anderer ländlicher Räume in Sachsen sind vielfältig. Sie bedürfen verstärkter Aufmerksamkeit und Anstrengungen der Politik.

Wichtige Ansätze aus der Sicht der AfD wären:

Das sogenannte Zentrale-Orte-System als Grundansatz der regionalen Planung hat in vielen ländlichen Räumen versagt und gehört endlich auf den Prüfstand. Unternehmerische Initiativen im ländlichen Raum müssen gefördert werden, auch wenn sie vordergründig nicht in das starre Konzept der Regionalplanung passen.

Die Ausdünnung der Schul- und Gesundheitsversorgung muss beendet werden.

Nicht zuletzt muss die Anbindung der ländlichen Räume an die Wirtschaftszentren über den öffentlichen Personennahverkehr deutlich verbessert werden.

Die Nutzung der Braunkohle ist derzeit für die Wirtschaft in der Lausitz und in ganz Sachsen unverzichtbar – mit oder ohne Vattenfall. Gedankenspiele über einen sofortigen Ausstieg aus der Braunkohlenutzung lehnt die AfD als unverantwortlich und wirtschaftsschädigend ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Abg. Dr. Lippold, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie und wir alle haben vor wenigen Wochen eine Chance bekommen: Ein großes internationales Energieunternehmen ist von seinen Eigentümern auf den Weg in eine – auch wirtschaftlich – nachhaltige Energiezukunft geschickt worden.

Wir in Deutschland gehen einen ähnlichen Weg. Wir gehen ihn, weil die Mehrheit der Menschen in diesem Land das so möchte. Da läge es doch nahe, dass man sich überlegt, ob man diesen Weg miteinander – mit diesem Unternehmen – gehen könnte, um eine Win-win-Situation zu schaffen. Sie dagegen haben es geschafft – noch bevor die Tinte unter dem Koalitionsvertrag überhaupt trocken war –, daraus eine Lose-lose-Situation zu machen.

Der Eigentümer von Vattenfall möchte ernst machen mit ernsthaftem Klimaschutz. Die Koalition meint dazu: Wenn die schwedische Regierung denn Skrupel habe, im 21. Jahrhundert für ein inzwischen durchaus zweifelhaftes und angesichts des Klimawandels auch gemeinschädliches Geschäftsmodell hier in Deutschland noch Menschen von Haus und Hof zu vertreiben, dann solle sie doch einfach an jemanden verkaufen, dem das egal ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte.

Haben wir beide die Meldung richtig verstanden, dass Vattenfall die Kraftwerke nicht abrüsten, nicht zumachen, nicht entsorgen, sondern verkaufen will? Sprich: Die suchen einen Käufer. Ist das richtig?

Ich habe von der schwedischen Regierung gesprochen, vom Eigentümer, Herr von Breitenbuch. Die schwedische Regierung hat eine Ministerrunde gebildet, die sich innerhalb der nächsten drei Monate eine Meinung bilden wird, was sie, die schwedische Regierung, möchte. Dass der Aufsichtsrat von Vattenfall vorgeprescht ist und seine Meinung – die vielleicht mit der Meinung der ostdeutschen Länder abgestimmt war – kundgetan hat, steht auf einem ganz anderen Blatt. Wir werden sehen, wo das Ganze hinläuft. Diese Entscheidung kann sicherlich davon beeinflusst werden, ob vor Ort eine Energiewende und ein Strukturwandel gemeinsam mit Vattenfall gewollt wird oder ob man einfach sagt: „Verkauft!“

Ich sprach von der Lose-lose-Situation, die entstanden ist. Es sollte sehr, sehr gute Gründe geben, sich dafür zu entscheiden, Vattenfall zum Verkauf aufzufordern, und dafür, das Ganze weiterzumachen. Einer der Gründe, die uns immer wieder genannt werden, ist die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Sachsen. Nun spielt die Braunkohle für unsere Versorgungssicherheit in Sachsen eine große Rolle; sie liefert etwa 75 % unseres Stroms im Strommix. Ich sage Ihnen: Diese Rolle kann sie noch für lange Zeit behalten, aber Sie können trotzdem einen wirklichen Klimaschutz betreiben.

Sachsen produziert nämlich heute doppelt so viel Kohlestrom, wie wir für die Aufrechterhaltung der Energieversorgungssicherheit brauchen. Etwa 15 Milliarden

Kilowattstunden pro Jahr sind Überschuss; das sind etwa 50 % des gesamten deutschen Exportüberschusses im Strombereich. Das bedeutet aber auf der anderen Seite, dass Sie doppelt so viel CO2 ausstoßen, wie zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit eigentlich nötig wäre; dass Sie doppelt so viel sächsische Kulturlandschaft abbaggern; dass Sie doppelt so viel Quecksilber und andere Schwermetalle in diesem Land ausstoßen. Ohne Einstieg in den Ausstieg ist das Argument „Versorgungssicherheit“ zumindest nicht glaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Was Sie hier wollen, ist, das Modell „Kohlestromexport zu Dumpingpreisen“ fortzusetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Warum das funktioniert, ist Ihnen allen klar: Das funktioniert genau so lange, wie wirklicher Klimaschutz nicht funktioniert; denn nur so lange ist das Modell kostengünstig. Das funktioniert nur so lange, wie ernsthafter Gesundheitsschutz auf der Basis des Standes der Technik nicht verlangt wird. Das funktioniert nur so lange, wie Abgaben auf Rohstoffe, die der sächsischen Erde entrissen werden, nicht verlangt werden. Damit treffen Sie aber eine Vorfestlegung. Wenn Sie dieses Geschäftsmodell wirtschaftlich halten wollen, dann können Sie keinen ernsthaften Klimaschutz unterstützen – jetzt nicht und in Zukunft nicht. Das ist aus unserer Sicht ein energie- und klimapolitischer Offenbarungseid. Man sagt, dass einem dazu nichts einfalle.

Sie sind dabei, die Chance, die uns von den schwedischen Eigentümern von Vattenfall eröffnet wurde, zu verspielen, eigentlich: zu vertun. In diesem Investitionsprozess, den Sie sicherlich unterstützen, bestehen durchaus erhebliche Risiken für den Freistaat Sachsen. Wir in der Opposition sehen es als unsere Aufgabe an, die Interessen der Menschen in Sachsen in dieser und der nächsten Generation dahin gehend zu vertreten, dass diese Risiken ihnen nicht auferlegt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN – Alexander Krauß, CDU: Fragen Sie mal in der Lausitz, warum Sie nicht gewählt werden!)

Wir gehen jetzt in die zweite Runde und beginnen wieder mit der Linksfraktion. Herr Abg. Böhme, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung heute Morgen gesagt, dass Sachsen zukünftig mehr – oder: überhaupt etwas – für den Klimaschutz tun möchte. Darüber musste ich sehr schmunzeln; denn der Einzige, der etwas für den Klimaschutz hier tun will, ist momentan leider der Großkonzern Vattenfall bzw. die schwedische Staatsregierung, die diesen Konzern ökologisch und kosteneffizient umbauen will. Das finde ich richtig und unterstützenswert. Allein die drei Kraftwerke in der Lausitz stoßen nämlich so viel CO2 aus wie der gesamte Staat Schweden bei seiner Energieproduktion. Schon das sollte uns zu denken geben. Hinzu kommt, dass die Milliardengewinne, die Vattenfall in den letzten Jahren aus der Verstromung der Braunkohle bekommen hat, drastisch gesunken sind; 2013 ist ein Minus von 500 Millionen Euro entstanden.

Zu dem immer wieder zu hörenden Gerede, daran hingen viele Arbeitsplätze, die Vattenfall hier geschaffen habe, hat meine Kollegin Frau Pinka schon erwähnt: Gerade einmal 2 900 Leute arbeiten in Kraftwerken und Tagebauen von Vattenfall. Allein in der Windenergiebranche sind es 5 000 Menschen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

Das müssen Sie genauso wie die Brandenburger Kollegen zur Kenntnis nehmen, wie auch meine Genossen dort.

Herr Heidan, Sie haben vorhin Greenpeace angesprochen, die die LINKE-Zentrale besetzt hat. Ich habe auch schon eine LINKE-Zentrale besetzt, nämlich in Brandenburg vor drei bis vier Jahren, als es um den Tagebauaufschluss von Nochten, denke ich, ging. Es war mir eine Herzensangelegenheit, meine eigenen Genossen unter Druck zu setzen. Ich habe aber die Klimaaktivisten dort gleich gefragt, warum sie nicht zur SPD oder, auf Sachsen bezogen, zur CDU gehen. Darauf wurde mir geantwortet, dass es dort nichts mehr bringt, da es schon zu spät und vorbei ist.

(Zuruf von der AfD: Weil es Hausfriedensbruch ist! – Alexander Krauß, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich würde mich jetzt gern aufregen. – Sie können dann gern eine Kurzintervention machen.