Dennoch halte ich es für wichtig, dass wir erinnern, damit wir Fehler nicht wiederholen – ein Anspruch, dem sich jede Generation neu stellen muss, und ich denke, es ist ein Wunder dieser friedlichen Revolution, dass sie friedlich geblieben ist.
Sicher können einige, die auf der anderen Seite gestanden haben, für sich in Anspruch nehmen, dass sie ebenfalls ihren Beitrag dazu geleistet haben. Das gestehe ich jedem zu. Nichts wäre schlimmer gewesen, als wenn wir Verhältnisse wie in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens gehabt hätten. Das wäre für uns und die Menschen, die dann das Leben verloren hätten, das Aller
schlimmste gewesen. Der Respekt vor dieser friedlichen Revolution sollte uns aber auch sagen: Wir bleiben hier, keine Angst und keine Gewalt. Keine Gewalt war der Anspruch der friedlichen Demonstranten, die für ihre Freiheit, für Demokratie und Menschenrechte demonstriert haben.
Wir leben jetzt in einer Zeit, in der es demokratische Grundsätze und Rechtsstaatlichkeit gibt und in der die Gewaltenteilung einem jeden ermöglicht, auch bei Gericht etwas nachprüfen zu lassen. Auch etwas, das der Staat gemacht hat, kann nachgeprüft werden. Dieser Anspruch der Frauen und Männer, die mit Kerzen in den Händen friedlich demonstriert haben, ist ein Anspruch, bei dem sich manche Demonstranten in unserem Land einmal überlegen sollten,
ob das nicht das Vorbild wäre, für Dialog und Meinungsfreiheit zu stehen und einen Weg zu suchen, bei dem man sich an dem orientiert, was uns die Frauen und Männer während der friedlichen Revolution vorgemacht haben.
Lassen Sie mich noch etwas sehr Wichtiges, das ich mir herausgesucht habe und für Leipzig als wichtig ansehe, ansprechen. Am 13. November – ich glaube, heute ist der 13. November – 1989 hat Staatsminister a. D. Arnold Vaatz auf der Leipziger Demonstration vor hunderttausend Bürgern dieser Stadt – auch aus sehr vielen anderen Städten und Dörfern des Freistaates sowie aus dem Freistaat Thüringen, aus Berlin und vielleicht sogar aus Mecklenburg-Vorpommern sind Menschen dagewesen –
für das Neue Forum zum ersten Mal die Gründung des Landes Sachsen gefordert, weil er gesehen hat, wie sich die SED-Oberen immer mehr in eine Vorderrolle gebracht haben und hinter dem Rücken des Volkes wieder ein Land Sachsen gründen wollten. Arnold Vaatz war einer der Vordenker des Neuen Forums in Dresden. Die friedliche Revolution ist etwas, das wir festhalten sollten. Wir sollten die Lehren daraus ziehen. Wir sollten die Ergebnisse festhalten und den Menschen in unserem Land für die Zukunft eine gute Perspektive geben.
Genau. – Mein Name ist Marco Böhme. Ich bin 24 Jahre alt und habe also leider aufgrund mangelnder Existenz die friedliche Revolution und auch die Großdemonstration in Leipzig am 9. Oktober nicht erleben dürfen. Ich möchte aber das Wort „leider“ betonen, denn wäre ich damals so alt gewesen, wie ich es heute bin, wäre ich sicherlich mit auf den
Es war ein gutes Recht und ein guter Grund, warum sie damals auf den Demonstrationen waren: um für Meinungsfreiheit, Redefreiheit und letztendlich auch für Reisefreiheit und viele Punkte, die hier immer wieder genannt wurden, zu kämpfen.
Die Menschen sind am 9. Oktober auf die Straße gegangen, um dieses System, in dem sie lebten, zu verändern. Ein Beitritt zur BRD stand zumindest am 9. Oktober und in den darauffolgenden Tagen nicht auf der Agenda, wie es immer in den Medien dargestellt wird.
Leipzig ist friedlich geblieben. Das lag auch an den berühmten sechs in Leipzig, dem Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, dem Theologiedozenten Peter Zimmermann, dem Kabarettisten Bernd Lutz Lange und den drei SED-Bezirksleitern Dr. Kurt Meyer, Dr. Roland Wötzel und Jochen Pommert, die die Bürger und Bürgerinnen sowie die SED-Staatsorgane aufgerufen haben, friedlich und besonnen in diesen Tagen zu bleiben.
Es ist auch ihr Verdienst, dass es friedlich blieb und die Wende so, wie sie kam, eingeleitet wurde. Daran erinnert sich Leipzig jedes Jahr mit dem sogenannten Lichtfest. Wie jedes Jahr habe ich auch in diesem Jahr an diesem Lichtfest teilgenommen. Ich möchte hier meinen Dank an die Künstlerinnen und Künstler des Lichtfestes ausdrücken; denn wenn Sie dort waren, haben Sie vielleicht auch gesehen, dass es bei dieser Kunstinstallation nicht nur den Blick auf die Vergangenheit im Jahr 1989, der sehr wichtig ist, gab, sondern auch den Blick auf die Probleme, die es heute gibt, wie Rassismus, oder auf die Parallelen, die es heute gibt in Bezug auf das Jahr 1989, wie Überwachung, Polizeigewalt, Geheimdienste und Demokratiedefizite.
Darauf haben die Künstler hingewiesen. Sie wurden nicht mit einem Auftrag der Stadtverwaltung engagiert, sondern haben, weil sie freie Künstler sind, diese Installation angebracht.
Ich möchte noch zur CDU sagen, dass ich mich von Ihnen bezüglich Demokratie und Sonstigem nicht belehren lasse. Wenn Sie am 9. November, am Tag der Reichspogromnacht, in Thüringen, in Erfurt, mit NPD, AfD und Freien Kameradschaften –
– mit Kerzen- und Fackelmarsch gegen eine legitime Regierung demonstrieren, da lasse ich mir von Ihnen nichts verbieten, die nicht einmal öffentliche Ausschüsse wollen – –
Herr Abg. Schiemann, möchten Sie darauf reagieren? – Das ist nicht der Fall. Frau Abg. Jähnigen, bitte.
Ich teile die Meinung meines Vorredners, Herrn Schiemann von der CDU-Fraktion, dass die Gründung einer Diktatur die Unterdrückung von Meinungen bedeutet, schon Verkrustung an sich ist und Verkrustung nach sich zieht. Das ist gewiss richtig. Deshalb ist uns die Demokratie wichtig.
Aber ich möchte noch einmal auf eines hinweisen: Ich gehöre zu denen, die in jungen Jahren in der DDR – schon vor 1989 – versucht haben, die Verkrustung aufzubrechen, die illegale Demonstrationen veranstaltet und illegale Schriften herausgegeben haben, die aber auch Angst und trotzdem Freude an dem Versuch dieses Aufbruchs hatten. Wir alle müssen fragen: Wer hat diese Bewegung damals unterstützt? Die Mehrzahl der SED-Genossen war es nicht, es war aber auch nicht die Mehrzahl der Leute, die damals in der CDU aktiv waren. Das ist Teil unserer Geschichte.
Auch Sie in der CDU haben die Aufgabe, diese Geschichte mit uns zusammen aufzuarbeiten. Mir ist nichts Schlimmes passiert. Ich hatte Angst, aber auch Glück und konnte hinterher das Richtige studieren.
Sie, Herr Schiemann, haben aber gesagt – das finde ich sehr wichtig –, dass es in dieser Debatte um die Perspektive gehe. Diese will ich hier einfordern. Wie können wir die Demokratie stärken? Warum haben Sie als CDU bisher alle Vorschläge blockiert, die Verfassung zu ändern und die direkte Demokratie zu erleichtern? Wollen Sie jetzt mit uns reden oder ist das im Koalitionsvertrag nur ein Prüfauftrag, der ein höfliches Nein bedeutet wie bisher?
Machen Sie es doch konkret. Lassen Sie uns doch endlich darüber reden, wie wir die Demokratie im Freistaat Sachsen und in den Kommunen stärken, den Bürgern mehr Mitbestimmungsrechte geben und die Parlamente in den Kommunen und den Landtag stärken. Das wäre die richtige Konsequenz. Es ist wichtig, nicht nur über die Vergangenheit zu reden, sondern jetzt die Demokratie zu stärken.
es der Würde des Anlasses entspricht, dass wir eine Erinnerung an die tatsächliche Situation bei der friedlichen Revolution auch in die Zukunft tragen, und zwar die Erinnerung daran, dass sich Frauen und Männer, Christen und nicht kirchlich gebundene Menschen zusammengefunden und aus allen politischen Überzeugungen heraus für ein Ziel gestritten haben. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt: Die CDU hat einen sehr schmerzhaften Erneuerungsprozess im Freistaat Sachsen durchgesetzt, weil sie sich gesagt hat: Wir lassen uns nicht ständig vorwerfen – egal von wem – und den Angriffen aussetzen, dass wir nur in der Zeit der ehemaligen Blockpartner der Nationalen Front verhaftet bleiben. Das ist die Unwahrheit. Ich finde es unangemessen, Frau Kollegin Jähnigen, dass Sie diesen Erneuerungsprozess, der sehr schmerzhaft gewesen ist und den wir sehr konsequent im Freistaat Sachsen umgesetzt haben, mit keiner Silbe würdigen.
Der letzte Punkt: Selbstverständlich muss man für Demokratie ständig streiten, man muss sich einbringen und man muss Defizite, die es in der Demokratie gibt, auflösen. Wir hatten die Diskussion zur Änderung der Sächsischen Verfassung im letzten Jahr. Wir haben diese Diskussion sehr intensiv geführt. Die Fraktionen haben sich über einen Modus verständigt. Wir haben es mit einer Zweidrittelmehrheit – sogar unter Zustimmung der LINKEN – in einem sehr fairen Gesprächsmodus erreicht, dass wir das Verschuldungsverbot und die Normen, die noch zu ändern waren, geändert haben.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Ich sehe das umgesetzt, was die Fraktionen im Sächsischen Landtag beschlossen haben. Weiteren Änderungsbedarf zur Verfassungsänderung haben wir nicht. Ich glaube, dass die immer wieder angesprochenen Demokratiedefizite keine Demokratiedefizite sind,
sondern es ist der Anspruch an den Wähler, dass er sich auch in die politische Diskussion, in die Demokratie einbringt.
Gibt es weiteren Redebedarf seitens der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Ich erteile jetzt dem Ministerpräsidenten das Wort.