Protocol of the Session on November 13, 2014

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich sehe aber auch die wachsenden Proteste gegen die Aufnahme von Asylsuchenden und ich sehe, wer diese mit ausländerfeindlichen Ressentiments und Parolen anheizt. Ich sehe, wie in den Dresdner Ortsbeiräten AfD-Vertreter in trauter Eintracht mit der NPD gegen das Konzept der Landeshauptstadt zur Erweiterung des Wohnangebotes für Flüchtlinge gestimmt haben, was eigentlich kein Wunder ist, da selbst der Bundesvorsitzende der AfD Zuwanderer gern auch einmal als „Bodensatz der Gesellschaft“ bezeichnet. Das ist nicht undifferenziert, sondern ein Fakt.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Dr. Frauke Petry, AfD: Bleiben Sie mal sachlich, Herr Zschocke! – Dr. Stefan Dreher, AfD: Billige Polemik!)

Wenn ich für ein gemeinsames Auftreten aller Demokraten und aller zivilgesellschaftlichen Gruppen gegen Fremdenfeindlichkeit werbe, gehört eine Partei, die solch menschenverachtende Äußerung einfach hinnimmt, nicht dazu. Demokraten erkennen die Menschenrechte an ohne Wenn und Aber, und Asyl ist ein Menschenrecht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Zuruf von der AfD: Völlig undifferenziert!)

Die Redezeit geht zu Ende, Herr Zschocke. Sie haben noch 32 Sekunden.

Ihr ganzer Koalitionsvertrag, Herr Tillich, ist für uns auch ein Prüfauftrag. Wir werden prüfen, was erstens dieser Vertrag wert ist, zweitens, welche Versprechungen sich im nächsten Doppelhaushalt tatsächlich niederschlagen, wir werden drittens prüfen, was sich hinter manch vager Formulierung verbirgt und was am Ende dabei herauskommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Herr Kollege Zschocke sprach für die Fraktion GRÜNE. Wir sind am Ende der ersten Rednerrunde angekommen und könnten eine zweite Rednerrunde eröffnen, wenn Redebedarf aus den Fraktionen besteht. Ich frage in der Reihenfolge der Fraktionen. CDU? – Das kann ich nicht erkennen. DIE LINKE? – Auch nicht. Gibt es aus einer anderen Fraktion Redebedarf? – Da ich auch keinen Redebedarf bei der Staatsregierung erkennen kann, sind wir am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung angelangt. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir treten jetzt in eine 45-minütige Mittagspause ein, wie das zu Beginn angekündigt war.

(Unterbrechung von 12:00 bis 12:48 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mittagspause ist beendet. Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 4

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: 25 Jahre friedliche Revolution

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

2. Aktuelle Debatte: Lausitz nicht verkohlen –

Ja zum Strukturwandel, mit oder ohne Vattenfall!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Sie kennen die Redezeiten. Wir beginnen mit

1. Aktuelle Debatte

25 Jahre friedliche Revolution

Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Die Antragstellerin erhält das Wort. Herr Abg. Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass auf das bedeutende Ereignis der friedlichen Revolution immer wieder hingewiesen wird. Es ist sicherlich für die nachgeborene Generation ein Datum in der Geschichte, aber ein Datum der Geschichte, das uns das Hiersein überhaupt ermöglicht hat. Ich glaube, dass mit dem Jubiläum mit diesem silbernen Myrtenkranz natürlich auch ein großer Dank verbunden ist, ein Dank an die Menschen, die sich im Jahr 1989 ohne nachzufragen, ohne zu kalkulieren, welches Risiko sie für ihr eigenes Leben eingehen, für diese friedliche Revolution und damit auch für die nächsten Schritte bis hin zur deutschen Einheit eingesetzt haben.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Dafür gebührt der Dank allen Frauen und Männern unterschiedlicher politischer Überzeugung, geeint durch den Wunsch, die Diktatur der SED abzuschaffen. Der Wunsch nach Einheit war zunächst gar nicht da. Zunächst wollte man Freiheit. Man wollte Reisefreiheit, man wollte Demokratie. Die Rechte, die in der Verfassung vorgeschrieben waren, wollte man umgesetzt wissen. Das waren die ersten Ziele.

Die Ziele waren sehr stark von dem christlichen Diskussionsstand der Ökumenischen Versammlung, die just bis zum Jahre 1989 getagt hat, geprägt. Denn Frieden, Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit und Solidarität waren die Grundsätze, die zuallererst auf den Demonstrationen angesprochen worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben das selbst erlebt oder wir können es nachlesen. Aber es wird für jede Generation immer schwieriger, weil sich das Erinnerungsvermögen nur noch in Büchern befindet. Das, was mit dem 17. Juni 1953 begann, mit der Initiative „Schwerter zu Flugscharren“ hier in Dresden durch den Jugendpfarrer Harald Bretschneider und die vielen Jugendlichen, die ihn unterstützten, wachgehalten worden ist, durch Initiativen weitergeführt worden ist, fand seine Erfüllung in der friedlichen Revolution.

Wir haben die Jubiläen erleben können. Zu erinnern ist an den bedeutenden Beitrag, der in der Prager Botschaft durch die Bundesrepublik Deutschland in Aushandlung der Möglichkeit der Ausreise für die ehemaligen DDRBürger, die sich dorthin geflüchtet hatten, eine Rettung gebracht hat. Die Entscheidung, diese Züge über Dresden fahren zu lassen, hat natürlich auch gezeigt, wie halsstarrig sich die alte DDR-Regierung auf diese Themen

konzentriert hat. Das hat dann zu den ersten bedeutenden Wünschen nach Veränderung hier in Dresden geführt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der 9. November hat Deutschland an vielen Themen geprägt. Die größte Freude ist mit dem 9. November 1989 verbunden. Eine Mauer, die die Deutschen und ganz Europa in Ost und West geteilt hat und unter der viele Menschen leiden mussten, verschwand. Die Mauer verschwand sicherlich zunächst als Ventil für die Herrschenden, ihre Macht zu erhalten. Aber dieses Ereignis hat sich letztlich zu einem großen Schnellball entwickelt, so dass die Menschen eben nicht mehr mit den Reformen zufrieden waren, die man ihnen anbot, sondern die Menschen wollten mehr, sie wollten einen Schritt weiter gehen.

Die SED hat das Volk immer nur eingemauert halten können. Nur durch die Einmauerung, durch die Eingrenzung konnte das Volk hier gehalten werden. Und doch ist das sozialistische Experiment der sozialistischen Einheitspartei gescheitert. Auch wenn dieses Regime noch weitere 40 Jahre Leid für viele Menschen gebracht hätte, so hätte das niemals ein dauerhaftes Festhalten in diesen Mauern bedeutet. Die Maueröffnung konnte nicht zur Entlastung beitragen. Sie hat eher die Revolution in ihrer Dynamik noch beschleunigt.

Unbestritten ist: Sachsen ist das Mutterland der Reformation. Der Beitrag vieler Sachsen hat uns auch zur Wiege der friedlichen Revolution gemacht.

(Beifall bei der CDU, der AfD und des Abg. Volkmar Winkler, SPD)

Für die SPDFraktion spricht die Abg. Frau Kliese. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir eine sehr, sehr große Ehre, dass ich heute zu diesem Thema zu Ihnen sprechen darf. Denn ich war an dem Tag, an dem die Mauer fiel, neun Jahre alt und habe selbst zu diesem wichtigen historischen Ereignis überhaupt nichts beigetragen.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, nicht nur die Menschen zu würdigen, die 1989 auf die Straße gegangen sind, was zweifelsfrei eine sehr mutige Leistung war, sondern auch diejenigen, die sich weit vor der friedlichen Revolution der teilweise auch bewaffneten Staatsmacht entgegenstellt haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der AfD und den GRÜNEN)

Das waren zum Beispiel im Jahr 1950 die Häftlinge in Bautzen I, die dort gegen die unwürdigen Zustände im

Gefängnis protestiert haben. Dieser Aufstand der Häftlinge wurde von der Polizei mit Knüppeln niedergeschlagen. Das waren auch die Menschen, die sich 1953 am 17. Juni zu einem Aufstand erhoben haben. Wie wir wissen, gab es im Nachgang zwei Todesurteile, die auch vollstreckt wurden. Ich wünsche den Opfern, die heute noch leben, dass sich die Wertschätzung für ihre Leistung nicht nur in Feierstunden erschöpft. Ich wünsche ihnen, dass sie tatsächlich eine Anerkennung ihres Status als Opfer bekommen.

Wichtige Schritte sind dafür bereits mit der Opferrente vollzogen, doch sie sind aus meiner Sicht noch nicht weitgehend genug. Bis zum heutigen Tag ist die Opferrente eine Sozialleistung und damit keine wirkliche Anerkennung der Tatsache, dass es sich hier um Opfer eines Unrechtsregimes handelt; denn die Zahlung ist daran geknüpft, ob diese Menschen heute sozial bedürftig sind oder nicht. Das halte ich für eine Fehlentscheidung, die wir korrigieren müssen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich wünsche diesen Menschen auch, dass sie die Möglichkeit haben, ihr Schicksal vor offenen Lehrern, vor neugierigen Schülern und vor Parlamentariern aller Fraktionen zu erzählen.

Ich habe schon gesagt, dass ich damals neun Jahre alt war. Die Tatsache, dass ich so jung war, hat mir sehr viele Dinge erspart. Ich musste nicht die Entscheidung treffen, ob ich in eine Staatspartei eintrete, um meine Studienbedingungen zu verbessern, um mir vielleicht die Option auf eine sportliche Karriere zu erhalten. Ich musste auch nicht entscheiden, ob ich mich mit einem evangelischen Mitschüler solidarisiere und dabei eventuelle Nachteile für mich selbst in Kauf nehmen müsste. Ich musste nicht über den Dienst an der Waffe entscheiden. Für das alles bin ich sehr dankbar.

Ich möchte aber auch nicht richten über diejenigen, die den Mut nicht aufbringen konnten, es nicht anders zu machen. Teilweise gab es dafür auch schwerwiegende Gründe. Wer in meinem Alter kann heute schon sagen, er hätte es anders gemacht? Das weiß ich nicht. Ich möchte allerdings von allen, die hier sitzen, verlangen, dass wir darüber diskutieren; denn egal, ob jemand mutig war oder nicht – die Auseinandersetzung bleibt uns fraktionsübergreifend heute nicht erspart.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Schiemann hat schon die Prager Botschaft und die Ereignisse von Prag angesprochen. Es ist ein Ereignis, das in den letzten Wochen wieder sehr viel durch die Medien gegangen ist und vielleicht auch den einen oder anderen von Ihnen emotional berührt hat. Mich hat es sehr berührt. Ich habe mir die Bilder angeschaut und mich gefragt, ob ich den Mut gehabt hätte, mit meiner kleinen Familie einen solchen Schritt zu wagen, meine Tochter über die spitzen Zaunpfähle der Deutschen Botschaft zu heben. Hätte ich das getan? Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich das nicht getan hätte. Ich habe mich

natürlich auch gefragt, wie es Menschen geht, wenn sie einen solchen Schritt vollziehen. Was ist in diesem Land los gewesen, dass sich Menschen zu einer solchen Entscheidung durchgerungen haben?

Als ich die Bilder aus der Prager Botschaft gesehen habe, habe ich aber gedacht, dass das Flüchtlinge sind, die auch heute zu uns nach Sachsen kommen. Ich möchte diese Debatte auch für eine für mich sehr wichtige Botschaft nutzen und Ihnen sagen, dass ich mir wünsche, dass diejenigen Menschen, die heute hilfesuchend als Flüchtlinge nach Sachsen kommen, mit derselben Offenheit, Toleranz und Hilfsbereitschaft empfangen werden, wie es damals unseren Landsleuten in der Prager Botschaft und im Westen zuteil wurde.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)