Wer auf eine Demo geht, muss sich sehr gut überlegen, mit wem er da mitstreitet oder mitläuft. Wer teilnimmt, teilt auch das, was dort gesagt wird.
Auf der anderen Seite schließe ich aber auch niemanden vom Dialog aus, nur weil er eine andere Meinung hat als ich oder nicht die Meinung der Mehrheit oder der veröffentlichten Meinung entspricht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen alles tun, damit politische Entscheidungen besser verstanden werden, damit wieder Vertrauen in die Demokratie und in die staatlichen Institutionen wächst und die Zivilgesellschaft durch noch mehr Engagement gestärkt wird. Deshalb wollen wir als Regierung gemeinsam mit den verschiedensten regionalen Partnern mit noch mehr Dialogangeboten im Land präsent sein. Die Demokratiekonferenz, zu der ich am 30. Mai dieses Jahres einlade, wird sich mit politischen Beteiligungsformen beschäftigen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die große Mehrheit in Sachsen ist bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen solidarisch, weltoffen und hilfsbereit. Dafür bin ich dankbar.
Ich bin auch dankbar, dass durch die mediale Vermittlung dieser Offenheit gegenüber Fremden das Bild Sachsens komplettiert wird. Diese Beispiele ermutigen. Es gibt aber auch Mitbürger, die Fragen haben und sich Sorgen machen, die Angst vor Fremden haben, selbst dann, wenn noch kein einziger Asylbewerber im Ort ist. Diese Menschen aufzugeben, sie in eine Ecke zu stellen, ist falsch. Vielmehr müssen wir alles versuchen, die Angst vor dem Fremden oder der notwendigen Veränderung zu nehmen.
In vielen Gemeinden schaffen Bürgermeister, Abgeordnete, Kirchen-, Vereins- und Behördenvertreter gemeinsam Diskussionsplattformen zur Information, zur Aufklärung und zum gegenseitigen Kennenlernen.
In der Asyl- und Flüchtlingspolitik brauchen wir eine sachliche Debatte darüber, wie wir unserer christlichen und humanistischen Pflicht im Rahmen unserer Möglichkeiten gerecht werden, wie wir zu schnelleren Asylverfahren kommen, die für alle Klarheit bringen, und wie wir konsequent diejenigen zurückführen können, die nicht bleiben dürfen, damit wir die Kraft und Ressourcen haben, denjenigen bei der Integration zu helfen, die bleiben dürfen.
Die Staatsregierung will eine schnelle und für beide Seiten erfolgreiche Integration mit Herz und Verstand ermöglichen. Unsere Rechtsordnung und unsere Werte anzuerkennen ist das, was wir von den Menschen einfordern, die bei uns bleiben wollen, genauso wie das Erler
nen unserer deutschen Sprache. Auf der anderen Seite müssen wir ihnen helfen, zu einer schnellen Teilhabe durch Arbeit und Bildung zu kommen. Auch hierbei wollen wir über unsere Lösungen mit gesellschaftlichen Gruppen und Initiativen diskutieren und diese im Dialog weiterentwickeln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! So dringend die Herausforderungen sind und so wichtig ein gewisses Tempo bei deren Lösung ist: Gründlichkeit und Nachhaltigkeit dürfen nicht ausgeschlossen werden. Unser Fahrplan steht. Wie bereits angekündigt, werden wir am Freitag zu einer außerordentlichen Kabinettssitzung zusammenkommen. Wir werden erste Entscheidungen treffen. Wir werden ein erstes Handlungsprogramm zur Integration beschließen. Wir werden uns bewährte Programme und Verfahren nicht nur anschauen, sondern auch verändern und weniger erfolgreiche neu definieren. Wir werden uns dazu auch mit diesem Hohen Hause beraten.
Die langfristigen Maßnahmen und deren finanzielle Absicherung werden wir mit dem Haushaltsverfahren für das Jahr 2017 und das Jahr 2018 beschließen, welches mit der Eckwerteklausur in wenigen Tagen beginnt.
Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, Bundes- und Landesprogramme auch bestmöglich miteinander zu verzahnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verteidigung unserer Werte, der Kampf gegen Radikalisierung und Fremdenfeindlichkeit sowie eine erfolgreiche Integration – diese Ziele leiten die Arbeit der Staatsregierung und mich persönlich. Ich bin mir bewusst, dass wir dafür einen langen Atem brauchen. Es geht an vielen Stellen um eine überzeugende Haltung. Es geht überall um ein entschiedenes und ein dauerhaftes Handeln. An diesem Handeln werden wir gemessen.
Nur gemeinsam, als starker Staat und als aktive Bürger, werden wir erfolgreich sein. Ich persönlich bin dazu entschlossen und werde nicht nachgeben, damit Sachsen das ist, was es sein soll: eine gute Heimat für alle und ein weltoffenes Land.
(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)
Wir kommen nun zur Aussprache. Die Reihenfolge in der ersten Runde ist: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD und GRÜNE. Wir beginnen mit der Fraktion DIE LINKE. Das Wort hat Herr Kollege Gebhardt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde heute hier kein allgemeines Sachsen-Bashing betreiben. Ich kann mich hier auch kaum hinstellen und sagen, mit Sachsen habe ich nichts zu tun. Meine regionale Herkunft liegt mir
Ja, der Freistaat Sachsen hat ein immenses Imageproblem. Die einen können nicht verstehen, was bei uns abgeht, und die anderen machen sich über uns nur noch lustig, wie am Freitagabend in der heute-Show.
Sie, Herr Ministerpräsident, meinen, es seien nur einige wenige, die uns diese Probleme machten. Viele Sachsen wiederum verstehen überhaupt nicht, warum gerade sie im Fokus der öffentlichen Kritik stehen – darunter viele CDU-Abgeordnete hier im Parlament –, und zeigen mit den Fingern auf andere. Aber dazu komme ich noch.
Ob wirtschaftliche, soziale oder kulturelle Innovationen: Die Bevölkerung unserer Region ist seit 800 bis 1 000 Jahren immer ganz vorn mit dabei auf der Welt. Das galt allerdings leider teilweise auch für die Schattenseiten der Geschichte. So hatte Nazi-Deutschland in Sachsen besonders starke Stützen. Wir sollten also heute keine Zeit mit dem Versuch vergeuden, Mythen zu retten, sondern der Wirklichkeit ins Auge sehen und daraus Konsequenzen ziehen; denn so wie derzeitig geht sächsisch tatsächlich nicht mehr, keinen Monat, keine Woche, keinen Tag mehr.
Herr Ministerpräsident! Ich habe Sie zweimal in diesem Landtag für Ihre Worte zum Thema rechte Gewalt und Rassismus ausdrücklich gelobt und Ihnen meinen Respekt gezollt – sorry, ein drittes Mal tue ich das nicht; denn ich glaube Ihnen kein Wort mehr.
Sie, Herr Tillich, als Mann der moralischen Empörung mit den entsprechenden Zitaten für die Medienlandschaft, und die Herren Kupfer, Krauß und Kretschmer als politisches Rauschmittel für den sächsischen provinziellen Alltagsrassismus.
Die Ergebnisse sind eine Serie von durch nichts zu rechtfertigenden Vorfällen, deren vorerst letzte spektakuläre Tatorte Clausnitz und Bautzen sind.
Es war der CDU-Fraktionsvorsitzende Kupfer, also Sie, Herr Kupfer, der in der vorletzten Woche in der „Freien Presse“ den Satz gesagt hat – Zitat –: „Die Bevölkerung braucht ein Zeichen in der Flüchtlingskrise, dass jetzt Schluss ist.“
(Widerspruch bei der CDU – Christian Piwarz, CDU: Das wissen Sie doch nicht, Herr Gebhardt! Das ist widerlich, was Sie gerade machen!)
Es war also tatsächlich nur eine Frage der Zeit, wann erstmals ein solches Verbrechen am Tatort beklatscht und die Feuerwehr an der Arbeit gehindert wird.
Solange wir solch eine Stimmungslage in der Mitte der Gesellschaft in Sachsen haben, sind Clausnitz und Bautzen potenziell überall. Es kann sich jederzeit und überall wiederholen. Hören Sie also auf, weltfremd von der Radikalisierung an den Rändern zu sprechen oder davon, dass einige wenige das Ansehen des Landes besudelten. Das ist eine gemeingefährliche Verharmlosung, Herr Tillich.
Auch wir LINKE sind Teil der Gesellschaft. Auch uns ist es nicht gelungen, einen ausreichend großen Beitrag zur Befriedung in der Bevölkerung zu leisten. Es gebietet aber der Respekt vor der Realität, dass der Einfluss einer seit 25 Jahren dauerregierenden Partei wie der CDU vielleicht doch ein bisschen größer ist als der Einfluss einer Partei, die seit 25 Jahren in der Opposition ist.
Solange Sie mir die alleinige Verantwortung für die 40 Jahre davor anlasten, werde ich die CDU nicht aus ihrer Verantwortung für das entlassen, was wir seit 25 Jahren im Freistaat Sachsen erleben.
Nun stellt der Bautzener CDU-Landtagsabgeordnete Marko Schiemann fest – Zitat –, „Schuld an der existenziellen Verunsicherung der Bevölkerung sei eine Niedriglohnpolitik, die viele außer Landes getrieben habe, und diejenigen, die noch da seien, sähen sich in Konkurrenz mit Migranten um schlecht bezahlte Jobs.“ Herr Schiemann, Sie vertreten den Wahlkreis Bautzen seit einem Vierteljahrhundert in diesem Hohen Haus. Herr Schiemann, Sie haben sicherlich achtmal einen CDUMinisterpräsidenten mit gewählt, der, egal wie er hieß, Niedriglohnpolitik betrieben hat.
Wer hat bis zuletzt sogar bundesweit gegen den Mindestlohn gekämpft? – Die sächsische CDU und der sächsische Ministerpräsident.
Herr Schiemann, ich will Ihnen noch ein wenig weiter auf die Sprünge und auf den Weg der Erkenntnis verhelfen. Es war Ihre CDU, die mit ihrer feudalistischen Leuchtturmpolitik die sozioökonomischen Fundamente der Regionen ignoriert hat. Es war Ihre CDU, die die Axt an die Verwurzelung von so vielen Menschen angelegt hat. Sie, die selbst ernannte Partei der sächsischen Heimat, haben Hunderttausende aus der Heimat vertrieben,