Protocol of the Session on February 29, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb ist für jeden Demokraten klar: Solche Untaten sind ein Angriff auf unsere Werte, auf unsere Grundordnung, ja, auf uns selbst. Es ist ein Angriff auf Sachsen, auf Deutschland und alles, was Europa ausmacht. Jeder solcher Angriffe ist einer zu viel, jede Rede, die dazu anstiftet, ebenfalls. Wir alle gemeinsam müssen diese Angriffe abwehren. Radikalismus bekämpft man nicht mit Radikalismus!

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der AfD – Beifall bei der Staatsregierung)

Vielmehr müssen Staat und Gesellschaft in Sachsen so stark sein, so überzeugend, so vertrauenswürdig, dass Rechtsextremismus sich nicht ausbreiten kann. Ein deutschlandweit bekanntes Bild dieser Geschlossenheit ist die Menschenkette am 13. Februar. Alljährlich schaffen wir dort eine Einheit, ein gemeinsames Verteidigen unserer Werte, wie ich es mir überall und immer wünsche. Genau dieses Miteinander will ich stärken und vergrößern durch konkrete Politik für alle Menschen in Sachsen, damit sie wissen: Wir kümmern uns um sie, von der Ausbildung über die medizinische Versorgung bis zum 800-Millionen-Euro-Programm für Kommunen. Wir

kümmern uns, wenn in der Lausitz fast 1 000 Arbeitsplätze bei Bombardier verloren gehen sollen. Wir müssen den vielen Menschen, die mit der Flüchtlingspolitik hadern, Gesprächsangebote machen, damit wir gemeinsame Antworten finden – sonst suchen sie sich diese woanders. Dann würden wir die Populisten und rechtsextremen Rattenfänger stärken, und genau das, genau das will ich nicht.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wie bei meiner ersten Regierungserklärung erkläre ich auch jetzt: Ich will Ministerpräsident aller Sachsen sein. Ich will zusammenführen und nicht ausgrenzen, zusammenführen auf dem Boden von Moral, Sitte, Anstand, Demokratie und Recht.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe im letzten Herbst beim 25. Jubiläum unseres Sächsischen Landtags angesichts der Gräben, die wir überall im Land spüren, und der Fremdenfeindlichkeit in Sachsen auf die Verletzlichkeit der Demokratie hingewiesen.

Ich sehe für die Stärkung der Demokratie drei wesentliche Aufgaben: Erstens. Wir müssen den Staat und die politische Bildung stärken. Zweitens. Wir brauchen eine starke Zivilgesellschaft und einen intensiveren Dialog mit den Bürgern auf allen Ebenen. Drittens. Wir brauchen eine erfolgreiche Integration und eine sachliche Debatte in der Flüchtlingspolitik, die unserer humanitären Verantwortung und den Möglichkeiten und Grenzen unserer Gesellschaft gerecht wird.

Zum starken Staat: Es ist falsch, Sachsen vorzuwerfen, wir hätten in den vergangenen Jahren nichts gegen den Rechtsextremismus getan.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nach den ersten rechtsextremistischen Straftaten wurde 1991 die Sonderkommission Rechtsextremismus – oder „Soko Rex“, wie sie im Volksmund heißt – gebildet. Das 2013 gegründete operative Abwehrzentrum zur Ermittlung extremistisch motivierter Straftaten hat mehrere Hundert Ermittlungsverfahren gegen rechtsextremistisch motivierte Straftaten durchgeführt. Die weit überwiegende Mehrheit der Fälle ist aufgeklärt. In der Justiz haben wir Sonderdezernate zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität eingerichtet. Eine Vielzahl von Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte ist aufgeklärt. In vielen Fällen sitzen Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Das ist das Schrittmaß, welches ich erwarte: ermitteln, anklagen und verurteilen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Das Internet hat sich zu einem Tatort entwickelt. Soziale Netzwerke sind zu Echoräumen von Fremdenhass und Extremismus geworden. Hier zeigt sich ein erschreckendes Bild geistiger Verrohung, die oft der Vorbote und Wegbereiter von Gewalt ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das ist nicht zu tolerieren. Deshalb verfolgen wir intensiv diese Fälle und überall in Sachsen sind zahlreiche Verurteilungen wegen rechter Hetze im Internet erfolgt.

Meine Damen und Herren! Die Wirklichkeit in Sachsen zeigt uns, dass wir unseren Kampf gegen das Extreme und Radikale in unserer Gesellschaft noch mehr verstärken

müssen. Der Staat muss deutlich Stärke zeigen und durch konsequente und schnelle Strafverfolgung und Verurteilung deutlich machen: Hier bei uns gibt es null Toleranz.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Durch das Gewaltmonopol des Staates müssen wir unsere Bürger wie auch die Menschen, die zu uns nach Sachsen kommen, schützen und rechtsfreie Räume verhindern. Dazu braucht es die personelle Verstärkung von Polizei und Justiz.

Den geplanten Stellenabbau setzen wir aus.

Mindestens 500 junge Polizistenanwärter pro Jahr wird es, beginnend ab diesem Jahr, geben. Es ist wichtig, dass gerade junge, gut ausgebildete Sachsen den Weg zu Polizei und Justiz und in die Verwaltungen bei uns finden, damit wir mit neuen Ideen, starker Haltung und einer Leidenschaft für das Heimatland die Aufgaben auch bewältigen.

Es geht zudem um eine konkrete Arbeit der Polizei. Wir wollen die mobilen Einsatz- und Fahndungsgruppen stärken, damit die extremistische Szene spürt: Der Verfolgungsdruck ist da. Er erhöht sich, und er wird weiter zunehmen. Wir wollen damit die Effizienz der Gefahrenabwehr erhöhen und die Durchsetzungsfähigkeit der Polizei verbessern; denn hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, hinken wir im Ländervergleich hinterher. Das muss sich auch ändern. Ich will, dass unsere Polizisten vergleichbare gesetzliche und technische Möglichkeiten haben wie in anderen Ländern.

Neben dem Dank an unsere Polizistinnen und Polizisten für ihre Arbeit ist mir wichtig: Wir müssen die Autorität der Polizei stärken und den Respekt gegenüber den Polizistinnen und Polizisten in unserer Gesellschaft vergrößern.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Zu einem starken Staat gehört auch, sich gegen die Feinde der Demokratie zur Wehr zu setzen. Sachsen hat sich bereits frühzeitig für ein Verbot der NPD starkgemacht und den Anstoß für das Verfahren gegeben. Als Präsident des Bundesrates werde ich morgen den Antrag der Länder begründen. Als Ministerpräsident habe ich persönlich erlebt, wie die NPD und ihre Anhänger gegen staatliche Einrichtungen und Amtspersonen hetzen. Sie wollen nichts anderes, als die freiheitlichdemokratische Grundordnung der Bundesrepublik

Deutschland beseitigen. Weil Rechtsextreme den Staat bekämpfen, dem wir dienen wollen, müssen wir die Rechtsextremen und ihre Sympathisanten bekämpfen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! An der Schnittstelle zwischen Staat und aktiver Bürgerschaft arbeiten die Polizei, unsere Schulen, die Akteure der politischen

Bildung und zahlreiche Projekte, die der Freistaat Sachsen seit Jahren fördert. Eine entscheidende Rolle spielen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, Lehrer und Polizisten. Ich erwarte von ihnen, dass sie Anwälte des Staates, Verteidiger unseres Grundgesetzes und auch Vorbilder im Kampf gegen Radikalisierung und Extremismus sind.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich bitte, dass sie aus innerer Überzeugung und demokratischem Dienstauftrag heraus die richtigen Prioritäten setzen und entschieden handeln. Gerade von uns im öffentlichen Dienst muss das Signal der Offenheit, der Unterstützung und der Rückendeckung für alle ausgehen, die sich um Demokratie und Weltoffenheit bemühen. Wir müssen Engagement ermöglichen und nicht verhindern.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Bei der Dankesveranstaltung am Freitagabend haben mir Flüchtlinge und schon länger bei uns in Sachsen lebende Ausländer berichtet, dass sie nicht nur an Sprachproblemen in Verwaltungen und anderswo scheitern, sondern auch das Gefühl haben, dass ein unvoreingenommener Umgang mit Fremden manch einem der Mitarbeiter noch schwerfalle. Wenn das so ist, müssen wir das ändern. Wir wollen helfen, die Sprachkompetenz zu verbessern, und die Überzeugung befördern, dass wir für Menschen und keine abstrakten Vorgänge Dienstleistungen erbringen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Ein wichtiger Lernort der Demokratie sind unsere Klassenzimmer. Deshalb wollen wir Lehrerinnen und Lehrer unterstützen und deutlich besser befähigen, unsere Werte und Gesellschaftsordnung zu vermitteln, sich den tagesaktuellen Debatten zu stellen und Diskussionen mit den Schülern offensiv zu führen. Wir werden daher die Lehrpläne anpassen, um noch mehr Platz für die politische Bildung im Unterricht zu schaffen.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Schwerpunkt bilden dabei die Ober- und die Berufsschulen. Grundsätzlich müssen wir bei der politischen Bildung darauf achten, dass wir die richtigen Schwerpunkte setzen und die richtigen Zielgruppen erreichen, moderne Methoden einsetzen und uns mit Partnern vernetzen. Unser Ziel ist, dass aus starken Schülern starke Demokraten und weltoffene Sachsen werden. Ich wünsche mir, dass diese Bildungsziele durch die Erziehung in den Elternhäusern unterstützt werden.

Auf Landes- und kommunaler Ebene und in vielen Verbänden findet eine intensive politische Bildung statt, die wir weiter stärken werden, zum Beispiel auch die Landeszentrale für politische Bildung. Alle diese Aktiven leisten derzeit eine besonders wichtige und hilfreiche Arbeit. Deshalb möchte ich mich bei all diesen Menschen nochmals ausdrücklich bedanken.

(Beifall des ganzen Hauses)

Das vor zehn Jahren gestartete Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“ wollen wir weiterentwickeln und seine Wirkung deutlich verbessern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allein ein starker Staat und Fördermittel reichen nicht aus, um den Kampf gegen die Radikalisierung zu gewinnen. Es braucht eine starke und aktive Zivilgesellschaft in Kirchen, Gewerkschaften, Unternehmen, Verbänden und Vereinen. Auch jeder Einzelne ist in seinem täglichen Handeln gefragt. Es gilt sich einzumischen, wenn der Kollege rechte Sprüche klopft, wenn die Nachbarin zu fremdenfeindlichen Demonstrationen geht oder Jugendliche sich statt im Sportverein lieber in rechten Kameradschaften die Zeit vertreiben.

Mit unseren beiden Extremismuskonferenzen in Riesa und der Vier-Säulen-Strategie gehen wir den Weg, die Akteure in diesem Bereich besser zu unterstützen und zu vernetzen. Die Abwehrkräfte der Gesellschaft sind in Sachsen in den vergangenen Wochen noch einmal stärker geworden, zum Beispiel auch in Bautzen, wo nach dem Brandanschlag eine Plakataktion auf der Friedensbrücke gegen Gewalt und für eine weltoffene Stadt durchgeführt wurde.

Ich selbst war in Bautzen und habe mit dem Bürgermeister, engagierten Bürgern, Feuerwehrleuten und Polizisten gesprochen, um deutlich zu machen: Die Stadt und ihre Bürger sind jetzt nicht auf sich allein gestellt. Das Gleiche haben Herr Dulig in Bautzen und Frau Köpping in Clausnitz getan. Aus dem Engagement der vielen Sachsen ziehe ich die Zuversicht, dass wir ändern können, was jetzt schiefläuft. Daraus ziehe ich die Zuversicht, dass wir dabei erfolgreich sein werden. Aber es wird ein Prozess, und wir werden viel Ausdauer brauchen.

Ich habe gelernt, dass sich einige engagierte Bürger alleingelassen fühlen, dass sich in Initiativen nicht ausreichend unterstützt fühlen. Einige haben dazu auch deutlich öffentlich Kritik geäußert. Ich bin für die offenen Worte und den Wunsch nach Dialog dankbar. Ich sehe darin einen Auftrag an das Land, aber auch an die Kommunen, die Zusammenarbeit mit den Initiativen und Ehrenamtlern zu verbessern. Dabei scheint es nicht immer nur um das Geld zu gehen. Oft ist es auch der Wunsch, eine klare Haltung als Rückendeckung zu spüren.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Oft ist es auch der Wunsch, sich nicht allein zu fühlen. Deshalb wollen wir die Kommunen bei der Vernetzung und Strukturbildung im Ehrenamt zusätzlich unterstützen.

Menschen zusammenbringen, gemeinsam nach Lösungen suchen, das waren auch die Ziele unserer laufenden Dialogveranstaltungen, vor allem im Frühjahr 2015. Wir setzen sie fort.

Ganz klar gibt es für einen Dialog Regeln. Hetze und Fremdenfeindlichkeit sind Ausschlusskriterien, und wer

Menschen angreift und Häuser anzündet, hat kein Gespräch verdient, sondern eine harte Strafe.

(Beifall des ganzen Hauses)

Wer auf eine Demo geht, muss sich sehr gut überlegen, mit wem er da mitstreitet oder mitläuft. Wer teilnimmt, teilt auch das, was dort gesagt wird.