Protocol of the Session on February 4, 2016

Dieses Förderprogramm ist wichtig und notwendig, um Ehrenamt zu unterstützen. Nur möchte ich auch die Frage stellen: Reicht dieses Förderprogramm, wird bürgerschaftliches Engagement wirklich angemessen unterstützt?

Gehen wir einmal von den 10 Millionen Euro aus. Ich weiß, es gibt noch andere, kleinere Förderrichtlinien. Herr Homann hatte auch darauf hingewiesen: Jugendarbeit wird extra gefördert. Aber ich bleibe trotzdem einmal im Bereich des ehrenamtlichen Engagements. Mit diesen 10 Millionen Euro können wir maximal 22 727 Personen mit der genannten Aufwandspauschale fördern. Nun gehen wir einmal davon aus, dass es in Sachsen viel mehr Menschen sind; Frau Dietzschold hatte die Zahl für die Bundesebene genannt. In Sachsen liegt diese Zahl bei weit über einer Million Menschen, die letztendlich ehrenamtlich tätig sind. Das heißt, es gibt eine Vielzahl von Initiativen und Einzelpersonen – vor allem Einzelpersonen –, die überhaupt keine Förderung bekommen, weil sie in den Richtlinien gar nicht vorgesehen sind, zum Beispiel Helferinnen und Helfer gerade in der Flüchtlingsinitiative, also Einzelpersonen oder Personengruppen, die Initiativen und nicht Vereine sind. Das heißt, alle Förderrichtlinien sind an den Vereinsstatus gekoppelt, und demzufolge gibt es sehr viele Menschen, die ehrenamtlich viel Arbeit wegtragen und nie eine Förderung bekommen. Hier müssten wir auf jeden Fall nachsteuern.

Was soll Ehrenamt wirklich tun, und was ist gesellschaftliche Arbeit? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, weil ich selbst in vielen Bündnissen zum Teil sehr aktiv involviert bin, sodass ich sagen kann: Es gibt viel Arbeit,

aber es ist eigentlich nicht alles Ehrenamt. Vielmehr hat man vielerlei Arbeit, die früher anderweitig geleistet wurde, aus den Förder- und Beschäftigungsprogrammen wie ABM, Kommunal-Kombi – –

Die Redezeit!

Die Bürgerarbeit hat man abgebaut.

Frau Junge, die Redezeit geht zu Ende!

Ja, ich komme gleich zum Ende. – Letztendlich versucht man jetzt, vieles in das Ehrenamt hineinzudrücken.

Ich werde den zweiten Teil des Gedankens dann in der zweiten Runde noch beenden.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Junge sprach für die Fraktion DIE LINKE, und jetzt kommt für die AfDFraktion Herr Kollege Wurlitzer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich möchte mich bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren der Koalition, bedanken, dass Sie dieses Thema „Wir für Sachsen – bürgerschaftliches Engagement wird gestärkt“ als Debattenthema gewählt haben. Eine Gesellschaft kann sich durchaus daran messen lassen, wie stark das Engagement ihrer Bürger bei ehrenamtlichen Tätigkeiten ist. Wir führen zu diesem Thema viel zu wenig Debatten. Ich glaube, dass wir das Potenzial bürgerlichen Engagements noch lange nicht ausgeschöpft haben, auch wenn mit der Erhöhung der Förderung ein wichtiger und richtiger Schritt gegangen wurde.

Wer profitiert vom ehrenamtlichen Einsatz? Am Beispiel der freiwilligen Feuerwehr zum einen der Staat, weil die Menschen geschützt werden und das durch einen wesentlich geringeren finanziellen Aufwand gewährleistet werden kann, als es mit hauptamtlichen Feuerwehrleuten der Fall wäre. Als Zweites natürlich die Bürger, die geschützt werden dort vor Ort, und als Drittes aber auch die ehrenamtlichen Helfer selbst, die eine weitere Aufgabe in ihrem Leben haben, persönliche Kontakte knüpfen und pflegen können, vor allem aber – wenn wir von der freiwilligen Feuerwehr ausgehen – auch die Kinder und Jugendlichen, die zum einen von der Straße weg sind und eine sinnvolle Tätigkeit aufgenommen haben und zum anderen lernen, strukturiert zu arbeiten, lernen Verantwortung zu übernehmen und am Ende auch lernen, im Team zu arbeiten. Dies lässt sich für viele andere Bereiche ebenfalls anwenden, auch wenn nicht immer alle Aspekte zutreffen.

So gibt es trotzdem eine Vielzahl ehrenamtlicher Tätigkeiten, ohne die unsere Gesellschaft nur schwer existieren könnte. Ich glaube allerdings, dass es nicht ausreichend ist, die Förderzeiträume zu erhöhen. Vielmehr müssen wir

die Rahmenbedingungen so schaffen, dass die Ehrenamtler sich mit den eigentlichen Aufgaben beschäftigen können und nicht nebenbei tagtäglich allerlei verwaltungstechnische und bürokratische Hürden meistern müssen.

Wir müssen dem Ehrenamt mehr gesellschaftliche Aufmerksamkeit schenken und können nicht davon ausgehen, dass es schon irgendjemand machen wird. Man kann mit Anerkennung, Akzeptanz und Dankbarkeit das geldlich nicht aufwiegen. Die Feuerwehrmänner und -frauen der freiwilligen Feuerwehr sind genauso wichtig wie die Oma, die im Kindergarten vorliest, oder der Fußballtrainer, der in Problemvierteln Kinder und Jugendliche trainiert. Man könnte diese Liste ewig fortsetzen.

Ich möchte es ganz kurz am eigenen Beispiel festmachen: Ich habe lange Zeit ehrenamtlich gearbeitet, habe mit 18 Jahren einen Verein gegründet, in dem wir Kinder und Jugendliche mittels zoologischer Arbeit von der Straße geholt haben. Wir haben in der Zeit von 1990 bis 2006 mit ganz wenigen Mitteln 750 Kinder von der Straße geholt. Der überwiegende Teil dieser Jugendlichen hat eine ordentliche Ausbildung, steht mit beiden Beinen fest im Leben und ist mittlerweile eine feste Stütze der Gesellschaft geworden.

Wir haben damals auch eine Entschädigung bekommen. Diese war zwar wesentlich geringer als die Entschädigung, die heute gezahlt wird. Damit wir aber überhaupt arbeiten konnten, haben wir diese Mittel in den Verein und in die Arbeit gesteckt, weil diese Rahmenbedingungen eben nicht vorhanden waren.

Ich glaube, es gibt jede Menge Potenzial, das der Freistaat und die Kommunen ausschöpfen müssen. Ich glaube, dass der Nutzen klar auf der Hand liegt, denn die Vorredner haben all das auch schon gesagt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Nach Herrn Wurlitzer – er sprach für die AfD-Fraktion – spricht jetzt Kollege Zschocke für die GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition will heute stolz berichten, wie sie bürgerschaftliches Engagement in Sachsen stärken will. Das ist zunächst richtig und notwendig, da bürgerschaftliches Engagement nun einmal der Kern einer lebendigen und verantwortungsbewussten Zivilgesellschaft ist. Ohne die zahlreichen Initiativen und Vereine würde vieles überhaupt nicht funktionieren. Denken Sie beispielsweise an die ländlichen Räume, wo Ehrenamtliche sehr viel von dem kompensieren, was vorher eingespart wurde. Das gilt auch für das, was vor Ort im Naturschutz- und Kulturbereich, beim Sport, in der Jugendarbeit, aber vor allen Dingen auch in der Flüchtlingshilfe dringend gebraucht wird.

Gerade hier haben wir im letzten Jahr eine überwältigende Hilfsbereitschaft in Sachsen erlebt. Die Ehrenamtlichen

waren zur Stelle, wo die staatlichen Strukturen gänzlich unvorbereitet waren. Viele von ihnen waren im Dauereinsatz. Zahlreiche neue Initiativen sind entstanden für praktische Dinge. Das ging teilweise ganz schnell und unbürokratisch, beispielsweise bei den Deutschkursen, die Ehrenamtliche anbieten, beim Besorgen von Kleidung und Möbeln, von Dingen des täglichen Bedarfs, bei der Begleitung von Arztfahrten, Amtsgängen usw. Gemessen an dem, was Ehrenamtliche hier leisten und dem Staat ersparen – das muss ich einmal deutlich sagen –, ist es fast schon ein wenig peinlich, wenn hier die Koalition die staatliche Unterstützung so hervorhebt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich will die einzelnen Maßnahmen, zum Beispiel die Erhöhung der Dauer der Ehrenamtsförderung, die Ehrenamtskarte oder die vielfältigen Auszeichnungen und Preisverleihungen nicht kleinreden, aber der große Wurf ist es eben nicht. Es wird vielmehr herumgedoktert und es wird versucht, das wiedergutzumachen, was beispielsweise bei der Verkürzung der Ehrenamtsförderung auf acht Monate angerichtet wurde.

(Beifall der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

Natürlich, meine Damen und Herren, ist es gut, dass 10 Millionen Euro im Doppelaushalt eingestellt sind, aber dieses Förderprogramm „Wir für Sachsen“ ist eben nur ein Tropfen auf den heißen Stein und nur ein erster kleiner Baustein zur nachhaltigen Stärkung des Ehrenamts.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der bürokratische Aufwand ist in vielen Bereichen nach wie vor sehr hoch. Denken Sie zum Beispiel an die sperrigen Anträge im Bereich der Förderrichtlinie „Integrative Maßnahmen“. Das ist teilweise wirklich sehr lebensfern und hemmt Engagement.

Wie gesagt: Preisverleihungen durch die Minister sind ein wirklich schöner und wertvoller Beitrag zur Wertschätzung – natürlich auch der Empfang beim Ministerpräsidenten. All das ersetzt aber nicht die notwendigen praktischen Hilfen, die die Vereine und Ehrenamtlichen brauchen – sei es beim Vereinsrecht, beim Fundraising oder bei der Nachwuchsgewinnung. All das wirkt und hilft den Ehrenamtlichen, sich selbst zu helfen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das heißt, Ehrenamt braucht wesentlich mehr als Aufwandsentschädigung und Anerkennung. Ehrenamt in Sachsen braucht vor allem professionelle Unterstützung. Die Förderrichtlinie „Wir für Sachsen“ ist an dieser Stelle noch nicht überarbeitet worden, obwohl hier wirklich strukturell einiges verbessert werden müsste. Engagement sollte nicht überfordern und frustrieren. Die Engagierten müssen professionell begleitet und weitergebildet werden. Die Förderrichtlinie bezieht diese Kosten für Begleitung und Schulung nach wie vor nicht ein. Das haben wir von Anfang an auch kritisiert.

Über die Förderrichtlinie müssen meiner Meinung nach Qualifizierungsprogramme für Ehrenamtliche finanziert werden. Das steht übrigens auch im Koalitionsvertrag, Herr Homann. Seit Oktober liegt Ihr Antrag, den Sie vorhin genannt haben, unbearbeitet im Sozialausschuss, wo Sie die Staatsregierung zur Weiterentwicklung der Förderrichtlinie beauftragen.

An dieser Stelle daher also die klare Ansage: Nicht so viel reden, sondern machen! Unsere Unterstützung haben Sie dabei, Herr Homann.

(Beifall bei den GRÜNEN – Henning Homann, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Herr Homann.

Vor ungefähr drei Wochen hat das zuständige Gremium der sächsischen Bürgerstiftung getagt. Wissen Sie, was dort vereinbart wurde?

Ich habe diesem Gremium nicht beigewohnt. Ich kenne Ihren Antrag – ich finde Ihren Antrag gut. Ich möchte, dass wir Ihren Antrag so schnell wie möglich auf den Weg bringen.

Aber Sie kennen es nicht?

Meine Damen und Herren! Ein Ehrenamtlicher engagiert sich auch nicht nur, weil er 40 Euro im Monat bekommt. Die Anzahl der vielen Ehrenamtlichen ist auch kein Verdienst der Staatsregierung. Im letzten Engagementbericht der Bundesregierung ist das auch ablesbar, wie sich Ehrenamt verändert. Deshalb sehen wir hier auch eine ganz große Herausforderung, vor allen Dingen bei der Nachwuchsgewinnung und bei der Motivation von Ehrenamtlichen. Auf diese große Herausforderung müssen wir uns alle in den kommenden Monaten einstellen.

Ein weiterer Punkt, bei dem wir vom Reden zum Handeln kommen müssen, ist der Abbau von Hemmnissen für bürgerschaftliches Engagement. Im Haushaltsplan 2015 hatten wir Mittel für ein Forschungsprojekt „Engagementförderung in Sachsen“. Dieses sollte aufzeigen, wo die Hemmnisse für die Ausweitung des bürgerschaftlichen Engagements liegen und wie diese überwunden werden können.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Auch diese Ergebnisse, meine Damen und Herren, sollten wir schnellstmöglich auswerten, damit wir zu den richtigen Schlussfolgerungen kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mit dem Kollegen Zschocke für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind wir am Ende der ersten Rednerrunde angekommen.

Jetzt eröffnen wir eine zweite Runde. Sie beginnt wieder mit Frau Kollegin Dietzschold, die für die einbringende CDU-Fraktion spricht.