Protocol of the Session on February 3, 2016

und zwar vor dem Hintergrund der Entwicklungen. Damit sind wir in der Tat, Herr Stange, bei der Frage von Abstiegsängsten. Ich möchte deutlich widersprechen, was Ihre Auffassung vom Staatsversagen oder vom Versagen der Staatsregierung angeht. Denn wenn wir dies in einen Kontext setzen, dann setzen wir es in den Kontext der Entwicklung des Freistaates Sachsen seit 1990.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wo ist das hergekommen? Aus einem desolaten Wirtschaftssystem ohne Perspektive, aus einem grauen, tristen Land, einer Diktatur mit sehr wenig Erkenntnissen über den Rest dieser Welt und erst recht keiner Erfahrung im Umgang mit ausländischen Mitbürgern.

(Protest von den LINKEN)

Aus dieser Entwicklung hat sich 1990 dieser Freistaat entwickelt. Mit Verlaub: Sie können den einen oder anderen Punkt durchaus kritisieren. Noch bleibt zu konstatieren, dass die letzten 25 Jahre bei allen bestehenden Herausforderungen sehr erfolgreiche Jahre für dieses Land waren – nicht zuletzt wegen der Leistungen, die die Menschen in diesem Land erbracht haben.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Natürlich ist es Aufgabe des Parlamentes und vor allem auch der Opposition, auf Themen hinzuweisen, die verbesserungswürdig sind. Wenn es sich aber bei einer pauschalen Negativdebatte über das Ende der Welt ergießt – um das einmal pointiert auf die Spitze zu treiben –, dann müssen Sie sich nicht wundern, dass sich permanente negative Botschaften auch in diesem Land zeitigen.

(Proteste von den LINKEN – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Zeigen Sie bitte nicht nur mit dem Finger immer auf die Staatsregierung und auf die Regierungskoalition, sondern reflektieren Sie, dass wir an dieser Stelle in einer gemeinsamen Verantwortung stehen – und zwar jeder auf seiner Seite.

(Zurufe der Abg. Horst Wehner, Rico Gebhardt und Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Dann ist die Frage, wie wir diese Entwicklung des Landes vorantreiben. Dabei bleibt mit Blick auf die Sicherheitslage schon zu konstatieren, dass wir insbesondere in den letzten zwei bis drei Jahren eine zunehmende Belastung haben. Es bleibt zu konstatieren, dass auch im letzten Jahr die Bevölkerung mit zusätzlichen Verunsicherungen zu kämpfen hatte und mit der Frage, wie es weitergeht, um welche Perspektiven es im Umgang mit über einer Million Menschen geht – mit der Frage, wie sich dieser Prozess entwickelt. Das können Sie doch aus dieser Debatte nicht herausnehmen und so tun, als ob wir es in normalen Zeiten mit einem zunehmenden Extrem zu tun haben. Nein, die Bevölkerung ist verunsichert, weil sie die Fragen stellt, wie mit einer Million Menschen, die in einem Jahr zu uns kommen, wie mit den Ansprüchen und Integrationsmaßnahmen umzugehen ist und wie sich das Zusammenleben organisieren soll. Mit all diesen Fragenstellungen bleiben viele Antworten offen.

Vor allen Dingen stellt sich die Frage: Wie geht es in diesem Jahr weiter? All diese Fragen verunsichern Menschen, natürlich auch in Fragen von Abstiegsängsten. Denn auch das gehört zur Wahrheit dazu. Viele Menschen in diesem Land haben gerade in den letzten 25 Jahren angefangen, etwas aufzubauen, was davor nicht möglich gewesen ist. Dabei stehen Verunsicherungen im Raum, die beantwortet werden müssen. Das kann nicht allein die sächsische Staatregierung, das kann vor allem auch nicht die sächsische Polizei allein, die zum Schluss den Buckel dafür hinhält. Natürlich ist das ein Nährboden, auf dem Hetzer, auf dem Populisten und auf dem Extremisten aufsetzen können, weil es eine gefährliche Melange ist, wo sie in der Verunsicherung Menschen abholen.

Dann hilft es nichts, wenn wir uns gegenseitig Staatsversagen oder Oppositionsgedöns vorwerfen, sondern es ist die Frage, wie wir in einer gemeinsamen Verantwortung mit diesen Herausforderungen umgehen, die in einer Verunsicherung dieser Gesellschaft in der Entwicklung der letzten Monate verstärkt zu suchen ist, die sicherlich viele Rahmenbedingungen hat, die auch weiter zurückreichen. Ich sage doch nicht, dass die Diskussion in einzelnen Punkten nicht berechtigt ist, aber die Pauschalisierung hilft an dieser Stelle niemandem.

(Einzelbeifall bei der CDU)

Ich komme zum Schluss der Debatte, zumindest aus Sicht der CDU-Fraktion. Wir sind der Überzeugung: Der Rechtsstaat ist in dieser Staatsregierung, in diesem Parlament, in seinen Staatsorganen bis hin zur Justiz, gut

aufgehoben. Die letzten 25 Jahre waren für uns gute und erfolgreiche Jahre mit allen Herausforderungen, die sich daraus ergeben. Die Lehre der aktuellen Entwicklung ist natürlich eine Stärkung der sächsischen Polizei und auch der Justiz.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Deswegen verbietet sich doch Ihr Debattenbeitrag an dieser Stelle, so zu tun, als ob Wachpolizei etwas mit Bürgerwehren zu tun hätte.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Es gibt eine Kurzintervention. Herr Stange bitte.

Zunächst einmal will ich festhalten, dass es der DDR-Führung wohl niemand hätte durchgehen lassen, ihr komplettes Versagen 1989 auf das Kriegsende 1945 zurückzuführen. Deshalb ist 25 Jahre nach der Wende die Herleitung der problemhaften Entwicklung, die wir heute haben, auf die DDR nicht mehr tragfähig, so glaube ich.

(Proteste bei der CDU – Andreas Nowak, CDU: Das wünscht ihr euch!)

Das zum Ersten. Zweitens: Billiglöhne, Altersarmut, Personalabbau – und zwar massiver Personalabbau in allen staatlichen Bereichen – sowie das jetzt krisenhafte Reaktionsmuster der Staatsregierung, das haben Sie organisiert. Das haben nicht wir organisiert, das haben Sie organisiert – in allen Bereichen. Auch das muss der Ehrlichkeit halber dazugesagt werden.

(Kopfschütteln bei der CDU)

Da können Sie den Kopf schütteln, das ist einfach so. Wir haben nicht regiert in den letzten 25 Jahren.

(Frank Kupfer, CDU: Das ist ja unerträglich!)

Das mag unerträglich für Sie sein, das müssen Sie aber aushalten.

(Zurufe von der CDU)

Fakt ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger bei diesen Bürgerversammlungen, die sicherlich in einem sehr aufgeheizten Klima stattfinden, sehr konkrete Fragen stellen: Sicherstellung von Kitas, Sicherstellung von Polizeistreifen – das sind ganz konkrete Fragen, darauf könnte man als Staatsregierung ganz konkret antworten. Darauf, auf diese Ursachen, haben wir hingewiesen. Das können Sie nicht einfach als Populismus abtun. Das wollte ich Ihnen noch einmal ins Stammbuch schreiben.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Hartmann, bitte.

Nun, Herr Stange, die Anregung nehme ich doch gerne auf. Es geht überhaupt nicht darum, der ehemaligen Staats- und Parteiführung der DDR etwas vorzuwerfen, weil Sie sich auch auf Grundlage bestehender Beziehungsgeflechte an der einen oder anderen Stelle betroffen fühlen,

(Zuruf von den LINKEN)

sondern es geht um eine Gesamtwahrnehmung. Der Freistaat Sachsen oder das Königreich Sachsen, das wirtschaftlich zu den stärksten gehörte, kam über einen Nationalsozialismus, über den Zweiten Weltkrieg, über Reparationssituationen, über die sowjetische Militäradministration bis hin zur DDR in diese Situation – ich kann das selber sagen, denn ich habe noch an Maschinen aus dem Jahr 1923 Energieelektroniker lernen dürfen – im Jahr 1989. Wir sind also an den verschiedenen Stellen aus einer total desolaten Situation eines tristen, grauen Alltags gekommen. Natürlich ist es so, und die Menschen haben sich etwas aufgebaut. Sie können doch jetzt nicht so tun, als ob das alles nicht stattgefunden hätte.

Zu Ihrer Betrachtungsfrage von Verantwortung: Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass der Einbruch, den wir Anfang der Neunzigerjahre so signifikant und so nachhaltig erlebt haben, mit nicht existenten und nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrukturen zu tun hat, mit denen man am freien Markt nichts anfangen konnte, weil man nicht mehr Kohlrüben gegen Motoren tauschen konnte. Das hat etwas mit der Frage zu tun, wie wir dieses Land aufgebaut haben.

Hier sind wir bei der zweiten Wahrheit. Sie können natürlich den ganzen Tag erzählen, was man alles noch mehr an Geldausgaben hätte realisieren müssen.

(Zuruf von den LINKEN)

Die Wahrheit ist: Dieses Land hat es durch Transferleistungen insbesondere aus den alten Bundesländern bis heute – wir sind immer noch zu 40 % transferabhängig –, geschafft, sich aufzubauen, aber eben mithilfe anderer. Das bedingt, dass Sie schon einmal die Frage beantworten, nicht nur, wo Sie so nonchalant das Geld ausgeben und beklagen, dass man es hätte noch vielfältiger machen können, sondern auch, wo eigentlich das Geld herkommt, das als Ressource letztlich die Grundlage für das bietet, was Sie ausgeben, und Sie sollten eine Prioritätenwichtung zwischen den Themen vornehmen. Ganz so einfach, meine Damen und Herren von den LINKEN, können wir Sie hier auch nicht aus der Verantwortung lassen. Ich glaube, das gehört zur Wahrheit dazu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Die Redezeiten sind nun abgelaufen. Die 2. Aktuelle Debatte ist damit beendet.

(Zurufe: Der Minister muss noch etwas sagen!)

Herr Minister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Aktuellen Debatte halte ich es natürlich für mehr als richtig und notwendig, dass ich als Vertreter der Staatsregierung Position beziehe. Deshalb will ich zuerst klar und deutlich sagen: Gewalt und Angriffe, egal gegen wen, ob gegen Flüchtlinge, Helfer oder Politiker, sind nicht hinzunehmen, und sie sind mit aller gebotenen Härte durch Polizei und Staatsanwaltschaft zu verfolgen.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das, was jetzt zumindest im Antrag und zu Teilen in der Diskussion vorgetragen wurde, dass die Staatsregierung diesem Auftrag, diesem Anliegen nicht nachkomme, möchte ich deutlich zurückweisen und sagen: Das ist falsch, insbesondere beim Thema Angriffe gegen Flüchtlinge. Ja, es ist richtig, die politisch motivierte Kriminalität, Angriffe gegen Asylbewerberunterkünfte, Angriffe gegen Menschen in diesen Unterkünften, all das hat im Jahr 2015 zugenommen, insbesondere die Gewaltdelikte.

Richtig ist aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren: Auf diese Entwicklung hat die Staatsregierung reagiert. Wir haben unsere Strukturen entsprechend angepasst und gehandelt. Die konsequente Bearbeitung solcher Angriffe zentral im operativen Abwehrzentrum ist der erste Punkt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal deutlich sagen, dass ich das, was Herr Merbitz als Leiter und die Kollegen dort tun, durchaus schätze. Dass dort bestimmte Stimmungslagen angesprochen werden,

dagegen gibt es auch nichts einzuwenden. Es ist nur gelegentlich darauf zu achten, welche Worte und welchen historischen Kontext man verwendet.

Als zweites Thema geht es mir um den koordinierten Einsatz von mobilen Fahndungs- und Einsatzgruppen als Präventivmaßnahme. Drittens werden quartalsmäßig entsprechende Lagebilder zu diesem Thema erstellt. Viertens haben wir gemeinsam, mein Kollege Gemkow und ich, ein Sonderdezernat unter dem Dach INES eingerichtet, und – das möchte ich an dieser Stelle auch sagen – es gibt Ermittlungserfolge, die vorzuweisen sind: beispielsweise gegen drei Tatverdächtige, die für mehrere Anschläge auf Asylunterkünfte, Abgeordnetenbüros und linksalternative Wohnprojekte in Freital und Dresden verantwortlich gemacht werden, oder bei den Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte in Meißen und DresdenProhlis, je zwei teils geständige Tatverdächtige, die sich bereits in Untersuchungshaft befinden, oder auch bei dem Brandanschlag auf eine bewohnte Asylbewerberunterkunft in Crimmitschau im November 2015. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft Zwickau gegen drei auch in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte, denen versuchter Mord in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung zur Last gelegt wird.