Protocol of the Session on February 3, 2016

Die Redezeit geht zu Ende.

Das ist wie immer sehr traurig, Herr Präsident.

(Heiterkeit)

Ich werde in der nächsten Runde vielleicht an dieser Stelle weitermachen.

Danke schön.

Es gibt genügend Gesamtredezeit.

Das war Herr Kollege Stange von der einbringenden Fraktion DIE LINKE. Jetzt ergreift Kollege Hartmann das Wort, genauso wie in der ersten Runde.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Ein paar Dezibel weniger!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Impuls der Debatte läuft, nun kann ich ein bisschen ruhiger sprechen. Es ist sehr misslich, dass wir nur 5 Minuten zur Verfügung haben. Wir können aber mehrere davon aneinanderreihen.

Herr Hütter, wenn der Populist anderen Populismus vorwirft, dann ist das schon eine sehr seltsame Situation.

(Beifall des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE – Heiterkeit bei der AfD)

Sie haben mir nicht ausreichend zugehört. Sie haben aber selbst gesagt, dass es daran liegen könnte, dass Sie den Gang zur Toilette höher priorisiert haben.

(Beifall bei der AfD und den GRÜNEN)

Insoweit komme ich nun zu meinen geschätzten Vorrednern: Ich hoffe, wir machen keinen Klamauk in diesem Hohen Haus daraus. Es geht tatsächlich darum, dass die Themen benannt und daraus – vor allen Dingen in einem kritischen Meinungsaustausch – gemeinsam Lösungsansätze erarbeitet werden.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Deswegen steige ich bei dem Punkt des Rechtsstaates und der folgenden Frage ein: Wo stehen wir? Herr Hütter, bitte verlieren Sie die Entwicklung der letzten Monate nicht aus den Augen, pauschalisieren Sie nicht und verlieren Sie auch nicht die Gesamtdiskussion, Entwicklung und Fragestellung, die sich in dieser Gesellschaft breit machen, aus den Augen.

Ich hatte es vorhin gesagt: Allein im Zeitraum Oktober bis Dezember gab es 276 Demonstrationen. Das ist ein signifikanter Anstieg. Ich kann Ihnen noch andere Zahlen liefern, beispielsweise auch in Bezug auf Asylbewerberheime. Es gab sechs Brandstiftungen im Jahr 2014 und 92 Brandstiftungen im Jahr 2015. Das ist eine signifikante Zunahme.

Es wird eine emotionale Debatte geführt, die quer durch diese Gesellschaft geht und mit der folgenden Frage verbunden ist: Wie stellen wir uns diesen Herausforderungen, gepaart mit Problemen, Sorgen, Ängsten und

Unruhe innerhalb dieser Gesellschaft? Deswegen war mein Einstieg so wichtig.

Ich möchte Folgendes deutlich machen: Ja, wir haben gemeinsam Probleme zu lösen. Wir sollten aber zuerst in den Mittelpunkt stellen, dass die Mehrheit der Gesellschaft nach wir vor verantwortungsvoll zu dieser Entwicklung steht, jedoch nicht freudig erregt ist. Sie trägt diesen Prozess aber mit. Sie erwartet zu Recht Antworten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jawohl, Frau Präsidentin.

Herr Hartmann, ich danke Ihnen für die Möglichkeit. Sie sprechen von Sorgen, Ängsten und Verunsicherungen in der Bevölkerung. Ich habe deshalb eine Frage an Sie als innenpolitischer Sprecher und Polizist zum Thema Bürgerwehren: Wie stehen Sie zu diesem Thema? Wenn in Einsiedel eine Bürgerwehr Autos anhält und Personenkontrollen vornimmt, wie es mehrfach vorgekommen ist und in der Öffentlichkeit darüber anstatt über die rechtlichen Grundlagen und Befugnisse von Bürgerwehren gesprochen wird, dann würde ich gern wissen, wie Ihre Position dazu aussieht. Ich vermisse diese. Der Innenminister hat sich dazu geäußert. Wie lautet Ihre Position als innenpolitischer Experte?

Frau Zais, ich sage herzlichen Dank für die Gelegenheit, außerhalb der Redezeit über dieses Thema sprechen zu können. Ich bin innenpolitischer Sprecher. Ich bitte aber mit dem Begriff des Experten vorsichtig umzugehen. Dieser wird hier sehr inflationär verwendet

Ich sage Folgendes ganz klar: Das Gewaltmonopol liegt als Erstes beim Staat. Zweitens ist es nicht die Aufgabe der Bevölkerung, die staatlichen Aufgaben der Sicherung zu übernehmen. Insoweit müssen wir Folgendes hinterfragen: Wie können wir als Staat die Sicherheit vor Ort – sowohl im objektiven als auch im subjektiven Sinne – anders und besser organisieren? Ich erteile eine klare Absage an die Selbstkontrolle oder die Selbstübernahme von polizeilichen Aufgaben durch die Bevölkerung. Das kann nicht der Sinn und Zweck sein. Das unterscheidet sich von der Frage, über die man reden kann: nach dem wachsamen Nachbarn.

Ich sage aber Folgendes ganz klar: Wenn die Bevölkerung zum Selbstschutz und der Übernahme polizeilicher Aufgaben greift, dann ist die Grenze klar überschritten. Insoweit trennt sich das. Deswegen bedaure ich auch den Debattentitel – damit beende ich die Beantwortung dieser Frage –, durch den ein Kontext zwischen Wachpolizei und Bürgerwehr in dieser Art hergestellt wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit komme ich zurück zum Thema. Wo sehe ich derzeit den Rechtsstaat in Gefahr? Ich sehe ihn insbesondere auch – nicht

nur, aber auch – in dem Punkt „linksextremistische und linksautonome Gewalt“ in Gefahr.

(Beifall des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Das brauchen Sie von der linken Seite nicht herunterzuspielen. Wenn wir genau auf das schauen, was wir in den letzten Monaten in Leipzig erleben konnten, dann ist das eine ernst zu nehmende Gefahr auch in Bezug auf die Entwicklung. Es ist nicht hinnehmbar, dass es in Leipzig linksextremistische Randalierer gibt, die nicht nur Polizeidienststellen und staatliche Institutionen, sondern auch Übergriffe auf Unbeteiligte und die Bevölkerung vornehmen. Das ist nicht hinzunehmen. Allein im Dezember 2015 sind bei einem Einsatz 69 Bedienstete der sächsischen Polizei verletzt worden. Es ist ebenfalls nicht hinzunehmen, dass, wenn wir uns die Statistik einmal anschauen, wir 62 770 Straftaten gegen Polizeibeamte im Jahr 2014 konstatieren mussten. Nein, ich möchte damit gegenüber dem Rechtsextremismus nicht relativieren.

Wir sehen selbst an den Zahlen, dass wir hier auch ein Problem haben. Wir sind im deutschen Vergleich aktuell der traurige Spitzenreiter bei der Entwicklung rechtsextremistischer Strukturen. Dagegen müssen wir deutlich mehr tun. Das werden wir in den entsprechenden Diskussionen in den nächsten Monaten verstetigen müssen. Wer auf dem rechten Auge sieht, der darf auf dem linken Auge aber nicht blind sein und umgekehrt. Es geht um einen gesamtgesellschaftlichen Diskussionsprozess und um Lösungen in jeder Frage.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn von den linken und rechten Rändern die Angriffe auf die Mitte der Gesellschaft und die Radikalisierung der Gesellschaft passieren, dann stellen wir in der Tat den Rechtsstaat langfristig infrage, wenn wir uns dem nicht stellen. Ein letzter Punkt – ich werde in der dritten Runde der Debatte darauf näher eingehen – beleuchtet die Frage, wie wir mit der veränderten Sicherheitssituation umgehen: mit der Aufrüstung und Stärkung der sächsischen Polizei auf der einen Seite und den entsprechenden Instrumenten der Steuerung auf der anderen Seite und insbesondere mit der Wahrnehmung, wie wir zwischen der Feststellung von Straftaten und deren Ahndung einschließlich der Rahmenbedingungen miteinander umgehen.

Bis hierhin bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Uwe Wurlitzer, AfD)

Herr Pallas, für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist richtig, dass die Gesellschaft in Teilen aus den Fugen zu sein scheint. Die Themen unserer Zeit polarisieren: die Flüchtlingssituation, zunehmende Radikalisierung in einigen Gruppen der Gesellschaft, Hass und Gewaltkriminalität. Dabei erscheint der demokratische Rechtsstaat noch zu oft als

schwach. Das muss sich ändern. Das verunsichert natürlich. Es führt auch dazu, dass nicht, wie in den letzten Jahren häufig zu erkennen ist, die sogenannten Ränder der Gesellschaft, die es eigentlich nicht gibt, gestärkt werden und zu Gewalttaten neigen. Es führt in zunehmendem Maße, das erleben wir seit einem Jahr, zu einem Extremismus der Mitte. Für diesen muss sowohl wissenschaftlich als auch politisch und verwaltungsmäßig gerade in diesem Freistaat Sachsen ein besserer Umgang gefunden werden.

Wir dürfen nicht aus dem Blick verlieren, dass wir nicht in den klassischen Mustern und Schemata von Links- und Rechtsextremismus denken. Wir müssen im Augenblick mit anderen Gefahren aus der Mitte der Gesellschaft heraus für die Demokratie und den Rechtsstaat rechnen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Wir müssen diese Entwicklung umkehren. Dazu bedarf es ganz klar politischer Entscheidungen, die gute Rahmenbedingungen schaffen. Es bedarf solcher Behörden, die durch schnelle, richtige und schlagkräftige Entscheidungen wieder durchgängig zeigen, dass der Rechtsstaat existiert und dass er sich auch durchzusetzen vermag. Das betrifft Fragen der inneren Sicherheit genauso wie beispielsweise die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend bezahlbarem Wohnraum oder die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen, meine Damen und Herren.

Genau das tut diese Regierung, sehr geehrte Damen und Herren. Sie wird dabei von den Koalitionsfraktionen unterstützt, von CDU und SPD. Das zieht sich von den Koalitionsverhandlungen bis zum heutigen Tage durch; da müssen wir uns überhaupt nicht verstecken. Ich möchte nur einige Schlagworte bringen, um das auch deutlich zu machen.

Erstmalig in der sächsischen Geschichte haben wir eine extra Staatsministerin für Integration und Gleichstellung für diese so wichtigen Themen. Bereits bevor die Zahlen derart nach oben gegangen sind, haben wir, hat die Landesregierung diese Entscheidung getroffen. Bereits in diesem Haushalt haben wir die Mittel für den Komplex Asyl und Integration vervielfacht. Wir haben bereits in diesem Haushalt die Einstellungszahlen bei der Polizei und ihre Ausstattung verbessert. Wir haben in der Justiz zusätzliche Stellen geschaffen. Wir haben durch die Einsetzung der Fachkommission Polizei und der Personalkommission Öffentlicher Dienst überhaupt erst ermöglicht, dass wir genau ermitteln können, wie viel Personal wir im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen in den Behörden benötigen, um die Sicherheit weiterhin auf einem hohen Niveau zu gewährleisten.

Über die Aussagekraft dieses Berichtes können wir uns an anderer Stelle gern unterhalten. Heute möchte ich nur konstatieren, dass die jetzt festgestellten 1 000 Stellen Mehrbedarf durch diese Koalition abgedeckt werden. Wir werden ausreichend qualifiziertes Personal einstellen und ausbilden.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Aber das dauert!)

Aber wir handeln eben auch kurzfristig, und das ist ebenfalls unsere Aufgabe als regierungstragende Fraktionen und als Landesregierung. Deshalb und nur deshalb haben wir uns entschieden, das Instrument der Wachpolizei wieder ins Leben zu rufen, mit den bekannten Rahmenbedingungen. Es freut mich außerordentlich, dass vor drei Tagen die ersten 50 Bewerberinnen und Bewerber den Lehrgang begonnen und diesen in einem Vierteljahr abgeschlossen haben werden, –

Bitte zum Ende kommen!

– sodass im Laufe der nächsten Monate dieses Jahres insgesamt 550 Wachpolizistinnen und Wachpolizisten die Zeit überbrücken helfen, bis wir die zusätzlichen Polizeibeamten ausgebildet haben werden.

Herr Pallas, die Redezeit ist zu Ende.

Ich komme jetzt zum letzten Satz, Frau Präsidentin.

Sie haben schon weit überzogen. Ich würde Sie bitten, – –