Protocol of the Session on December 16, 2015

Im SMWK arbeitet man daran, dass die Einwerbung von europäischen Forschungsfördergeldern besser vonstatten geht und nicht nur an einzelnen Universitäten, sondern landesweit erfolgreich vorangetrieben werden kann.

Nicht zuletzt stärken wir die interregionale Zusammenarbeit zum einen mit über 250 Millionen Euro in diesem Bereich und zum anderen durch eine Erhöhung der Förderbeträge und Absenkung der Hürden im bürokratischen Bereich. Die Verbindungsbüros sind neu aufgestellt und gestärkt worden. An dieser Stelle auch mein Dank an alle Parlamentarier, die sich im parlamentarischen Forum Mittel- und Osteuropa engagieren. Auch das ist ein persönlicher Beitrag zum Austausch in Europa.

(Ganz vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Nicht zuletzt nehmen wir auch Events wie die Kulturhauptstadt Breslau in den Blick, um dort stärker für den europäischen Gedanken zu werben.

Kurzum: Die Debatten werden wir weiter führen können, aber es passiert schon einiges. Ich kann nur dazu aufrufen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir den EUAusschuss dafür nutzen – und damit meine ich uns alle.

Wenn es gute Vorschläge gibt, bin ich mir sicher, die Macht wird mit uns sein, denn die Europäische Union hat es nötig.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Heiterkeit des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Das war Kollege Mann für die SPD-Fraktion. Jetzt wäre die Fraktion DIE LINKE am Zuge, so sie denn sprechen wollte. –

(Enrico Stange, DIE LINKE: Wir sind sprachlos, Herr Präsident!)

Die AfD? – GRÜNE? – Soll eine dritte Rederunde eröffnet werden?, frage ich die einbringenden Fraktionen. – Das ist nicht der Fall. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Herr Staatsminister Jaeckel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten des Sächsischen Landtags! Das Thema Europapolitische Strategie der Staatsregierung weckt das Interesse vieler Abgeordneter des Sächsischen Landtags, wie ich um diese Uhrzeit feststelle. Die rege Debatte zeigt, dass Sie inhaltlich und methodisch interessiert sind an dem, was wir tun.

Die Vorredner haben schon auf die methodische Verabredung im Europaausschuss hingewiesen. Ich will das nicht noch einmal wiederholen, aber ich will erwähnen, welche methodischen Überlegungen dort eine Rolle gespielt haben und warum wir in der Regierungskoalition diesen Weg gewählt haben, den Herr Mann und Herr Schiemann beschrieben haben.

Wir betreiben seit Jahren eine erfolgreiche sächsische Europapolitik. Beispiele dafür finden sich in dem Antrag in Spiegelstrichen und es ist kaum möglich, in einer parlamentarischen Debatte wie dieser in die tatsächlichen Details und Inhalte der Komplexität europäischer Politikgestaltung einzusteigen. Deshalb werde ich notgedrungen auch bei der Beschreibung der Schwerpunkte der europäischen Strategie, die wir als Staatsregierung in Brüssel verfolgen, hier mit einigen Überschriften arbeiten müssen, aber trotzdem dem Wunsch nachkommen, den die Oppositionsfraktionen beschrieben haben, an einigen Stellen konkreter zu werden.

Lassen Sie mich mit der Methodik einsteigen. Wir haben in der sächsischen Verwaltung nur begrenzte Kapazitäten für die europäische Ebene. Wir verfügen nicht über einen Apparat, in dem sich 2 000 Mitarbeiter nur mit der Europapolitik beschäftigen.

Auch ich halte es für wünschenswert, dass wir uns im Zusammenhang mit der Europapolitik mit außen- und sicherheitspolitischen Fragen beschäftigen. Das sage ich insbesondere Frau Klotzbücher und den anderen Abgeordneten, die darauf eingegangen sind. Nur hat die Sächsische Staatsregierung auf diesen Gebieten nicht die Gesetzgebungs- und schon gar nicht die Verwaltungs

kompetenz. Wir werden in diesen Angelegenheiten nur als politische Stimme wahrgenommen, aber wir haben keine Vollzugsmöglichkeiten, um insoweit etwas für den Freistaat Sachsen zu erreichen.

Deshalb kommt es darauf an, dass wir uns auf wichtige Themenfelder konzentrieren. Dabei geht die Staatsregierung nach folgendem Modell vor: Wir suchen Themenfelder, die für Sachsen hinreichend große Bedeutung haben und die nicht bereits durch den Bund, die Länder insgesamt oder andere Mitgliedsstaaten in ausreichendem Maße vertreten werden.

Es gibt durchaus Themenfelder, die in ausreichendem Maße von anderen EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel vertreten werden. Ob uns das gefällt oder nicht: Die Braunkohleverstromung wird von der Republik Polen in Brüssel weiterhin mit Vehemenz vertreten. Frau Maicher, es hat keinen Sinn, dass ich als Europaminister jetzt mit dem Ansinnen hingehe, Polen zu bekehren, dass wir in der europäischen Braunkohlepolitik alles anders machen müssen. Polen ist bekannt, dass wir in dieser Frage eine andere Position vertreten. Der polnische Botschafter in Berlin und auch die Unternehmer aus Polen sprechen mit uns über die Braunkohlestrategie.

An dieser Stelle wiederhole ich das, was in der Sächsischen Staatsregierung „common sense“ ist: dass es sich bei der Braunkohlentechnologie um eine Übergangstechnologie handelt, die jedenfalls – jetzt nenne ich eine Zahl, die ich für sehr wahrscheinlich halte – in den nächsten 15 bis 20 Jahren für eine preiswerte Energieversorgung in Deutschland genutzt werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Es ist wichtig, dass Sie wissen, nach welcher Methode wir arbeiten; sonst sehen Sie in dem Wust der vielfältigen europäischen Themen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Wir versuchen, sächsische Interessen insbesondere im Verbund mit anderen Regionen wirksam zu vertreten. Ich will ein Beispiel bringen, damit Sie sehen, wie das konkret abläuft:

Herr Mann hat das Thema „KETs“ angesprochen. Wir wissen definitiv – es gibt entsprechende Stellungnahmen der Staatsregierung –, dass es langfristig nicht ausreichen wird, dass wir als Staatsregierung unseren Mikroelektronik- und Chipstandort Dresden weiter unterstützen und zudem Bundesgelder einfordern. Wir wissen mittlerweile, dass das nur im europäischen Verbund mit Grenoble, den Niederlanden und Italien funktionieren wird. Aufmerksame Politikverfolger hier in Sachsen werden wissen, dass der Ministerpräsident im „Handelsblatt“ einen Namensartikel veröffentlicht hat, in dem er – ich will es zusammenfassen – davon spricht, dass wir so etwas wie den Airbus der Mikrochipindustrie brauchen. Das ist etwas, was wir massiv in Brüssel promoten.

Das tun wir natürlich nicht allein. Unsere Durchschlagskraft wäre gar nicht ausreichend. Wir tun das mit den entsprechenden Regionen Italiens – deshalb war der

Ministerpräsident unlängst in Lazio –, der Niederlande und natürlich Frankreichs.

Jetzt möchte ich zu einigen Aspekten der EU-Förderung etwas sagen. Das Thema ist hier – auch lautstark – kleingeredet worden; ich finde das unangemessen. Die EUFörderung ist das zentrale Element gewesen, mit dem wir in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten im Freistaat Sachsen Unterstützung auf vielen Feldern der Politik leisten konnten. Deshalb wird unser Fokus weiterhin auf der EU-Förderung liegen.

Ich wage jetzt einen Blick in die Zukunft: Was erwartet die Staatsregierung diesbezüglich? Ich bin insoweit auch in Kontakt mit Herrn Lehmann, der uns im AdR vertritt; dort werden die Themen vordiskutiert.

Die EU-Förderung wird sich verändern. Sie wird nicht mehr allein so aufgestellt sein, dass bestimmte Branchen unterstützt werden und ein produzentenfreundliches Umfeld geschaffen wird. Die Förderpolitik wird mit weiteren sozioökonomischen Themen befrachtet werden. Das kann man mögen oder nicht mögen. Es wird sicherlich darum gehen, das Thema des nachhaltigen Wirtschaftens in der Europäischen Union anders aufzusetzen. Wir werden vor der Frage stehen, ob wir weiter einer Wachstumspolitik folgen wollen oder ob ein Umsteuern in der Wirtschafts- und Industriepolitik in Europa einsetzen muss. Eine weitere Frage wird sein, ob wir weiterhin so große Teile des EU-Budgets in den Agrarbereich geben können. Das sind alles Fragen, die auf der Agenda stehen und die derzeit eigentlich alle mit Nein beantwortet werden.

Es wird zu Veränderungen kommen. Die Sächsische Staatsregierung beobachtet diesen Prozess aufmerksam und versucht, dem auch in ihrer europapolitischen Strategie Rechnung zu tragen.

Lassen Sie mich einige weitere Themen ansprechen. Einige Vorredner haben behauptet, wir hätten keine Schwerpunkte, für die wir uns in Brüssel besonders engagierten. Dazu verweise ich auf den Dreiklang aus Forschung, Entwicklung und Innovation. Wir wollen die sächsische Innovationskraft, die Forschungs- und die Produktionslandschaft erhalten und ausbauen. Ich habe schon von den KETs gesprochen.

Das ist aber nicht alles. Wir kümmern uns intensiv um die Produktbereiche der Mikroelektronik und der Mikrochipindustrie. Die Europäische Union wird sich weiterhin mit den Themen Medizinprodukte und pharmazeutische Produkte beschäftigen. Der Chemiemarkt wird eine große Rolle spielen. Ich erinnere daran, dass wir in Nünchritz ein großes Chemiewerk haben. Viele Bereiche im „Silicon Saxony“ sind davon abhängig.

Wir werden weiterhin versuchen, unsere globale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, um in Wirtschaft und Wissenschaft eine der führenden Regionen Europas zu bleiben.

Wir werden im EU-Forschungsbereich weiter aktiv sein müssen. Wenn Sie sich die EU-Statistiken ansehen, dann stellen Sie fest, dass Sachsen und Deutschland insgesamt

nicht unbedingt zu den bestgerankten Ländern gehören, wenn es darum geht, EU-Förderung im Bereich der Forschungsmittel abzufordern. Besonders auffällig ist, dass Großbritannien insoweit regelmäßig auf Platz 1 steht. Wir müssen uns fragen, warum Deutschland nicht weit vorn steht. Warum sind wir eigentlich immer diejenigen, die in diesem Bereich etwas abgehängt sind?

Ich möchte dazu eine These formulieren: In den Antragsverfahren, die übrigens in der EU komplex sind, ist die englische Sprache zu verwenden. Damit sind bestimmte Universitäten bevorteilt. Wir sind insoweit einfach sprachlich im Nachteil.

Stichwort „Sprache“: Frau Maicher, Sie sagten, auch in der Bildungspolitik müssten wir uns stärker engagieren. Das bewegt mich. Ich weiß, dass es Herrn Schiemanns Anliegen ist; meines ist es auch. Mich stört – ich habe das hier im Landtag schon gesagt –, dass die französische Regierung den Deutschunterricht an den Schulen zurückführt. Ich will konkret werden – darüber habe ich im Ausschuss noch nicht berichten können; deshalb mache ich das jetzt kurz im Plenum –: Ich habe mir eine Vorlage zu unserer Partnerschaft mit der Bretagne erstellen lassen. Wir müssen versuchen, unsere sächsischen Schulen, Oberschulen und Gymnasien, die Französischunterricht anbieten, in Kontakt mit den französischen Schulen zu bringen. Es darf nicht sein, dass wegen des Sprachproblems Partnerschaften wegbrechen.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Die Schüler müssen die Sprache erst einmal erlernen dürfen!)

Klar. Aber die Sprachkontakte drohen wegzubrechen. Ich habe Kontakt zu französischen Lehrern, die es bedauern, dass sie im nächsten Jahr die Sprachaustausche zwischen den Schulen nicht mehr organisieren können, weil die französische Regierung den Sprachunterricht in Deutsch einschränkt.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Warum? Wegen Sparmaßnahmen!)

Ich bin gemeinsam mit der Kultusministerin intensiv unterwegs, um insoweit zu Verbesserungen zu kommen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich wünsche mir, dass wir dabei unterstützt werden.

Nächstes Stichwort: Ausbau der digitalen Infrastruktur und des digitalen Marktes. Ich möchte hier nicht so sehr in die Details gehen; denn methodisch werden wir über all das im Ausschuss noch einmal im Detail beraten.

Die Staatsregierung bietet an, dass die Staatsministerien, die diese Themen vertreten, im Ausschuss detailliert vortragen und dass wir uns dort mit den Anliegen auseinandersetzen und mit den Fraktionen debattieren, um dann die richtigen Schlüsse für unser Land ziehen zu können.

Ein Ziel ist die Schaffung eines einheitlichen Mobilfunkmarktes. Die Datenschutz-Grundverordnung ist schon erwähnt worden; sie wird uns intensiv beschäftigen. Es

geht um den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsbreitbandnetzen.

Zu den europäischen Investitions- und Strukturfonds habe ich in methodischer Hinsicht schon etwas gesagt. Das Anliegen der Staatsregierung ist es, den Verwaltungsaufwand weiter zu verringern. Ich darf darauf verweisen, dass das Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft im Zusammenhang mit der Förderung nach den LEADER-Prinzipien und beim ELER zum ersten Mal ein neues Modell angewandt hat. Ich bin traurig darüber, dass der Verwaltungsaufwand der EU-Strukturfonds um etwa 30 % zugenommen hat. Aufgabe der Staatsregierung wird es sein, immer wieder zu mahnen, dass es so nicht weitergehen kann. Interessant ist, dass Marianne Klingbeil von der Europäischen Kommission, also in Führungsfunktion, sich dafür interessiert, wie wir mit dem Vorhaben der Reduzierung des Verwaltungsaufwands umgehen.

Ich komme zu dem Punkt Migrationspolitik und Sicherung des Fachkräftebedarfs. Wohl kein Thema beschäftigt uns so wie dieses. Wir brauchen beides. Wir brauchen eine geordnete und gesteuerte Zuwanderung nach Europa. Dazu bedarf es einer gemeinsamen europäischen Strategie. Allen, die sich damit intensiver befassen möchten, kann ich nur empfehlen, die entsprechenden Papiere der EU-Kommission zu lesen. Wir werden mit der geordneten und gesteuerten Zuwanderung für die europäische Wirtschaft die richtigen Weichen stellen.

Ferner haben wir die Aufgabe, eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge auf der Ebene der EU-Mitgliedsstaaten zu erreichen. Dazu brauche ich sicherlich nicht viel zu sagen. Ich möchte nur erwähnen, dass Aufnahme, Unterbringung, Versorgung, Sprachausbildung und Berufsausbildung von Flüchtlingen und Asylsuchenden einerseits aus humanitären Gründen erfolgen, aber auch in deren Interesse liegen. Es kann zu einer Deckung des Fachkräftebedarfs kommen; das muss es aber nicht. Was mich zuversichtlich stimmt: Ich habe gestern und auch noch heute Gespräche mit mittelständischen Unternehmern geführt, die zugesagt haben, in ihren sächsischen Unternehmen Ausbildungsplätze für junge Zuwanderer, die sich engagieren wollen, zu schaffen. Beide Themen, Zuwanderung und Deckung des Fachkräftebedarfs, können zueinanderkommen, müssen es aber nicht.

Unsere Aufgabe ist es, hier den richtigen Pfad zu beschreiten.

Der vorletzte Punkt, weil ich dann noch etwas zur Energie sagen will, ist das Thema Deregulierung von Berufszugang und -ausübung. Die Europäische Kommission verfolgt ein Modell im Sinne einer Marktliberalisierung, nämlich die Deregulierung der freien Berufe und insbesondere der Meisterberufe im Handwerk weiter voranzutreiben. Das kann nicht sein. Wir wollen das Aus für den Meisterbrief verhindern. Wir wollen auch den Standard bei den freien Berufen erhalten.

(Beifall bei der CDU und der SPD)