Protocol of the Session on November 20, 2015

Danke schön.

(Oh-Rufe von der CDU und der SPD)

Herr Wild, das war jetzt aber nicht Ihr Redebeitrag, den Sie hier noch vorgesehen hatten?

(Heiterkeit)

Gut. Herr Fritzsche, Sie möchten erwidern?

Sehr geehrter Herr Wild, ich hatte ja versucht, das schon in meinem Redebeitrag darzustellen. Wären Sie bereit gewesen, in eine Debatte, in eine fachliche Debatte über Für und Wider der Nutzung der Länderöffnungsklausel einzutreten, dann wären wir ja dazu bereit gewesen. Aber Sie haben sich auch im Rahmen der Stelle, wo diese Debatte zu führen wäre, nämlich als Punkt innerhalb der sächsischen Bauordnung, dieser Debatte entzogen. Das ist die Realität.

Ich frage mich, was Sie jetzt – abgesehen davon, dass Sie nicht auf meinen Redebeitrag Bezug genommen haben – sagen wollten. Sie müssen sich doch einmal mit der Realität vertraut machen, auch wenn Sie immer von einer 10-H-Regelung sprechen, was das bedeuten würde auch in der planerischen Umsetzung.

Das Thema Verhinderungsplanung dürfte Ihnen auch vertraut sein und die daraus resultierenden rechtlichen Folgen für den gesamten Außenbereich, der damit wieder für die Privilegierung der Windenergie zur Verfügung steht und eben nicht durch eine abschließende Konzentrationsplanung über die Regionalplanung geordnet ist – diese Folgen, also diese Verspargelung der Landschaft, die Verspargelung unserer Kulturlandschaft, wollen wir nicht. Aber genau dafür würden Sie Tür und Tor öffnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Wild, die Fraktion AfD hat noch vier Minuten Redezeit; Sie könnten dann gern noch einen Redebeitrag halten.

(Gunter Wild, AfD: Ich möchte direkt darauf antworten!)

Das gibt es nach der Geschäftsordnung nicht, wenn ich Sie freundlich darauf hinweisen darf. – Herr Böhme, ich bitte um Entschuldigung, ich hatte das nicht gesehen. Jetzt sind Sie dran; Sie haben das Wort.

Herr Präsident, wir haben ja alle genug Zeit zum Freitagnachmittag.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt hier zum wiederholten Male einen Antrag der AfD-Fraktion zu behandeln, der die faktische Abschaffung oder die faktische Verhinderung von allen neuen Windenergieanlagen in Sachsen fordert. Sie wollen hier eine Klausel einführen, die damals von der sächsischen CDU/FDP-Koalition in der letzten Legislatur zusammen mit dem Freistaat Bayern im Bundesrat festgelegt wurde, die es den Ländern ermöglicht, eine sogenannte Länderöffnungsklausel einzuführen; also eine Sonderregelung im Bundesbaugesetzbuch, mit der man von den bisherigen Regeln abweichen und eigene Abstände zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung festsetzen kann.

Wir alle wissen: Das einzige Bundesland, das diese Ausnahme bisher real umgesetzt hat, ist das CSU-geführte Bayern – für mich noch nie ein großes Vorbild – gewesen. Mit der Konsequenz ist es dort wie auch hier, dass dort so gut wie keine neuen Windenergieanlagen mehr gebaut werden können – und gerade das in einem Land, in dem der Energiehunger doch enorm groß ist.

Die Umsetzung der Länderöffnungsklausel ist noch bis zum 31. Dezember 2015 in den Ländern möglich und mit Ihrem Antrag wollen Sie genau diese Frist verlängern. Warum eigentlich? Sie hatten doch jetzt gut ein Jahr Zeit, einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten und hier ins Plenum einzubringen. Das wäre meiner Ansicht nach auch deutlich einfacher gewesen als die jetzige Forderung, dass die Landesregierung nach Berlin zum Bundesrat fahren muss und die anderen Bundesländer auffordert, diese Frist zu verlängern. So viel als kleiner Tipp.

Stattdessen haben Sie jetzt schon den dritten oder vierten Antrag ins Plenum gebracht, jeweils nur mit ein paar Zeilen als Forderung und mit einer riesigen Begründung – drei Seiten sind es diesmal –, und die Forderung ist immer sehr einfach gehalten, und das zum wiederholten Male. Ich kann Sie auch zum wiederholten Male beruhigen: Wir werden Ihren Antrag ablehnen – auch, weil Herr Urban, der jetzt gar nicht mehr im Saal ist, gerade noch von den negativen Eigenschaften, zum Beispiel toten Vögeln, gesprochen hat, die an Windkraftanlagen kommen, oder auch angeblich hohen Kosten.

Dazu kann ich nur sagen: Sie vergessen einfach die gravierenden Auswirkungen der anderen Energiequellen, gerade der fossilen Energiequellen. Das sind der massive Wasser- und Flächenverbrauch bei Kohle oder die Gefahr bei Atomkraft, die große Verschmutzung bei der Förderung von Öl und Gas – noch nie ein Wort von Ihnen dazu gehört. Windkraft lässt zwei Vögel im Jahr zu Schaden kommen. Das ist natürlich schlimm; aber es ist immer noch die beste Energieversorgung, die die wenigsten schädlichen Auswirkungen hervorruft.

Bei Ihrem vorletzten Antrag vor der Sommerpause hier im Landtagsplenum, bei dem Sie ein Moratorium für Windkraftanlagen gefordert haben, begründeten Sie die Notwendigkeit des Ausbaustopps mit den Gefahren des sogenannten Infraschalls. Das haben Sie heute wieder getan, und Ihre Begründung des jetzigen Antrags sind ja praktisch die kompletten drei Seiten. Auch damals haben wir schon ausführlich dazu gesprochen; ich kann Ihnen gern noch einmal einen Absatz aus meiner letzten Rede dazu vortragen:

Windenergieanlagen emittieren auch nicht im hörbaren Infraschall, der in unmittelbarer Nähe sogar von einigen wenigen, meist jungen Menschen, insgesamt unter zwei Prozent der Bevölkerung, wahrgenommen werden kann. Er führt wie anderer Lärm zu den allgemein bekannten Auswirkungen wie Stress, Kopfschmerzen oder Konzentrationsschwäche. Doch Sie vergessen auch wieder bei Ihrem jetzigen Antrag, dass es Hunderte weitere Quellen

für Infraschall in der natürlichen Umwelt gibt. Jede Straße in Deutschland ist lauter als ein Windrad – sowohl hörbar als auch im Infraschallbereich. Hinzu kommen Quellen wie Klimaanlagen, Züge, Pumpen, Hochdruckreiniger, Drucker und selbst der natürliche Wind oder Wellenbrechen erzeugen Infraschall.

Genau das erschreckt mich, nämlich Ihre Scheinheiligkeit, die immer hinter diesen Anträgen steckt; denn Sie fordern ja jetzt wieder nur die Umsetzung der Länderöffnungsklausel, was die Aussetzung von Neubauwindkraftanlagen hervorbringen würde. Das heißt, alle bestehenden Anlagen würden weiterlaufen und auch dort wäre Infraschall weiter die Gefahr für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Darum kümmern Sie sich anscheinend gar nicht. Sie wollen einfach nur den Neubau und das Repowering – also den Bau von Anlagen, die leiser und effizienter sind – verhindern. Das geht mir einfach nicht in den Kopf hinein.

Ähnliches gilt für die 10-H-Regelung und die Länderöffnungsklausel. Wenn Sie diese einführen – das hat ja auch die Anhörung im Zusammenhang mit dem Antrag unserer Fraktion im März dieses Jahres gezeigt –, gibt es dann praktisch keine Spielräume mehr für den energetischen Ausbau von Windnutzung in Sachsen. Selbst wenn es sie gäbe, heißt das doch in der Konsequenz, dass in den siedlungsnahen Räumen – also dort, wo Menschen wohnen – auf eine gewisse Weise eh schon Menschen beeinträchtigt sind, und die Anlagen, die ökologisch nicht so hochwertig sind, eben keine Windenergieanlagen mehr errichtet werden dürfen und der Druck in Siedlungskerngebieten, Naturschutzgebieten, naturbelassenen Gebieten dann umso mehr steigt. Auch das kann doch letztendlich nicht das Ziel sein.

Außerdem macht doch der Landes- und erst recht der Bundesgesetzgeber zu Recht keine Bauleitplanung und auch keinen Flächennutzungsplan in den Kommunen und in den Regionen. Wo kommen wir denn hin, wenn sich jetzt auf einmal das Land und der Bund in jede regionale Planungshoheit einmischen? Sinn und Zweck von Planung ist doch, die Möglichkeit zu haben, die konkreten regionalen örtlichen Gegebenheiten aufzunehmen, anzuschauen und zu verbessern.

Deshalb ist die Regelungsebene von Bund und Land relativ abstrakt und das muss auch so bleiben, damit die konkreten Dinge, zum Beispiel Geländetopografie oder auch Windhäufigkeit usw., und auch das Bundesimmissionsschutzgesetz den Regionen überlassen und dort geregelt werden kann.

Insofern bleibt mir nur noch der letzte Satz zu sagen: Wir werden Ihren Antrag, den Neubau von Windenergieanlagen – also die 10-H-Regelung – einzuführen, ablehnen, und das zum wiederholten Male.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Nun die SPD-Fraktion; Herr Abg. Vieweg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Urban – aber Herr Urban ist leider schon weg. Sehr geehrter Kollege Wild, wie ernst es der AfD mit dieser Debatte ist, zeigt sich daran, dass Herr Urban fast schon fluchtartig den Saal verlassen hat.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns eine ernsthafte fachliche Debatte führen. Noch einmal: Schon weil Herr Urban den Saal verlassen hat, zweifle ich ausdrücklich an, dass die AfD diese Debatte wirklich ernst nimmt.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und den GRÜNEN)

Beim Lesen des Antrags der AfD ist mir unser großartiger Karl Valentin eingefallen. Von ihm ist überliefert: Es ist alles gesagt, nur noch nicht von allen.

Zu der Öffnungsklausel ist in diesem Hohen Haus alles gesagt. Aber offensichtlich können Sie, die Abgeordneten der AfD-Fraktion, nicht richtig zuhören. Ich verweise auf meine Redebeiträge in der 17. und der 19. Sitzung des Sächsischen Landtags, nachzulesen in den jeweiligen Plenarprotokollen. Ich habe also dazu bereits alles gesagt. Ich bin es leid, im Zweimonatsrhythmus dieselbe Sau durch das Dorf zu treiben und uns immer wieder zu erklären.

Herr Kollege Wild, ich sage Ihnen noch einmal deutlich: Es wird in Sachsen keine 10-H-Regelung geben. Daher besteht aus unserer Sicht überhaupt kein Anlass, die Frist zur Umsetzung der Länderöffnungsklausel zu verlängern, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern. Unabhängig davon würde sich dafür ohnehin keine Mehrheit finden, weder im Bundesrat noch im Bundestag. Dazu haben die Kollegen vorhin schon ausgeführt.

Die AfD versteckt sich hinter angeblichen gesundheitlichen Gefahren, die von Windenergieanlagen ausgehen. Sie zitieren in Ihrer Antragsbegründung etliche wissenschaftliche Studien und verweisen auf den Beschluss der 118. Sitzung des Deutschen Ärztetages. Sie reißen aber den Satz zum Stopp des Ausbaus einfach aus dem Kontext. In dem Beschluss heißt es nämlich weiter: „… damit der Ausbau und der Betrieb von Windenergieanlagen mit Bedacht, Sorgfalt, ganzheitlicher Expertise, Nachhaltigkeit und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung erfolgen kann.“

Ich sage Ihnen: Das liest sich genauso wie unser Koalitionsvertrag. Sie haben einige Wörter aus dem Kontext gerissen. Damit haben Sie das getan, was Sie immer tun: billigen Populismus betreiben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nur weil bisher nicht zu 100 % ausgeschlossen werden kann – kein Wissenschaftler würde eine Behauptung aufstellen und hinzufügen, diese sei zu 100 % sicher; sonst würde er seine Reputation aufs Spiel setzen –, dass von Windenergieanlagen keine gesundheitlichen Beein

trächtigungen ausgehen, heißt das nicht, dass alle Windenergieanlagen per se gefährlich seien.

Richtig ist, dass manche Menschen sehr sensibel reagieren, sei es auf Infraschall, sei es auf Handy-Strahlung, sei es auf andere menschengemachte Umwelteinflüsse. Ich schaue zu Volkmar Winkler. Er lebt seit 1998 inmitten von 58 Windkraftanlagen. Sie haben meinen Kollegen Volkmar Winkler heute gehört. Er ist gesund und noch gut bei Laune.

(Heiterkeit – Zuruf von der AfD: Deshalb ist er in der SPD!)

Ich sage Ihnen: Mit mehr Abstand der Wohnbebauung zu Windkraftanlagen erhöhen Sie die Akzeptanz nicht. Im Gegenteil, eine vom Bund geförderte Untersuchung der Universität Halle kommt zu dem Ergebnis: „Ein bedeutsamer Zusammenhang mit dem Abstand lässt sich weder für die Akzeptanz noch für die Stresswirkungen von Windenergieanlagen nachweisen, wenn der geltende Immissionsschutz eingehalten wird.“

Was heißt das? Das heißt: Demjenigen, der sowieso gegen Windkraft eingestellt ist, kann auch nicht durch Regeln, die einen höheren Abstand vorsehen, geholfen werden.

Kolleginnen und Kollegen von der AfD, seien Sie doch einfach ehrlich! Sagen Sie: Die AfD ist gegen die Energiewende. Die AfD ist gegen Fortschritt. Die AfD ist gegen umweltfreundliche Energieversorgung. – Seien Sie einfach so ehrlich, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Dann wären wir in der Debatte schon viel weiter. Geben Sie einfach zu: Die AfD will, dass der Freistaat Sachsen bei Zukunftstechnologien wie Windkraft abgehängt wird. Die AfD will zurück in das 20. Jahrhundert. – Ich sage: Die AfD will sogar zurück in das 19. Jahrhundert.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir im Freistaat Sachsen wollen genau das Gegenteil. Wir wollen, dass der Freistaat Sachsen auch beim Thema Energiewende im 21. Jahrhundert vorankommt. Nicht zuletzt aus diesem Grund haben wir gestern den Antrag zu Energieforschung und Speichertechnologien verabschiedet. Auch zu dem Thema Windenergie haben wir in den letzten Wochen und Monaten intensive Diskussionen geführt. Insoweit freue ich mich schon auf die Ausführungen des Innenministers.

Aus den genannten Gründen wird meine Fraktion natürlich – wie immer grüßt das Murmeltier – diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Ich rufe die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. Herr Abg. Dr. Lippold, Sie haben das Wort.