Meine Damen und Herren, die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen klingen zum Teil vernünftig. Tatsache ist aber auch – deswegen müssen Sie von der CDU hier besonders vorsichtig sein –, dass die aktuelle Lage ein Ergebnis Ihrer eigenen Politik ist.
Deshalb schließe ich mit einem Satz, der uns im Gedächtnis bleiben sollte, wenn wir über längere Vorratsdatenspeicherung, Verschärfungen des Waffenrechts und Ähnlichem reden: Wer die Freiheit für die Sicherheit opfert, wird letztlich beides verlieren.
Frau Dr. Petry, AfDFraktion, hatte gerade das Wort. Gibt es Redebedarf bei den GRÜNEN? – Das ist nicht der Fall.
Wir könnten jetzt eine dritte Rederunde eröffnen. Wir tun das auch; denn Kollege Hartmann schreitet für die CDUFraktion zum Rednerpult.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich wollte ich nicht noch einmal an das Mikrofon treten. Aber die Ausführungen von Frau Petry bedürfen einer kurzen Klarstellung.
Niemand von uns will die Freiheit für die Sicherheit opfern. Es geht darum, sowohl das eine als auch das andere zu gewährleisten. Deswegen ist es wichtig, die Unterschiede genau herauszuarbeiten und über dieses Thema nicht schwarz-weiß zu diskutieren. Ich sage es noch einmal sehr klar: Die Behauptung, die aktuelle Asyl- und Flüchtlingssituation, die uns tatsächlich vor große Herausforderungen stellt, habe pauschal etwas mit dem internationalen Terrorismus, den aktuellen Entwicklungen in Paris und den Handlungen der Bundesregierung und der Sicherheitsbehörden in Hannover zu tun, ist eine Verkürzung, die dem Thema nicht gerecht wird.
Erstens. Wir brauchen in sicherheitspolitischen Fragen eine gesamteuropäische Antwort. Staatsschutz, Geheimdienste und Polizei der EU-Staaten müssen in die Lage versetzt werden, potenzielle Attentäter schnellstmöglich zu identifizieren und zu überwachen, und zwar über die
Grenzen hinweg. Die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden muss gestärkt werden. Wir brauchen die personelle und materielle Aufstockung. Das ist ganz klar. Das haben der Ministerpräsident und mein Fraktionsvorsitzender deutlich gemacht.
Wir brauchen die Aufklärung in den Gefährdungsmilieus und in Regionen, in denen das Gefährdungspotenzial am höchsten ist. Auch Sachsen muss sich den Herausforderungen stellen, allerdings ohne so zu tun – das wäre eine unzulässige Behauptung –, als ob die sächsische Sicherheitsarchitektur eine defizitäre Struktur aufweise oder in der Gesamtbetrachtung so zu bewerten sei, dass eine Entwicklung wie die in Paris möglich werde. Wir werden die Ausstattung der sächsischen Polizei an das erforderliche Maß anpassen. Der Ministerpräsident und der Innenminister haben deutlich gemacht, dass sie dafür sind, die notwendige Stärkung der Bereitschaftspolizei, aber auch des Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamtes vorzunehmen. Die sächsischen Sicherheitsbehörden als Teil der deutschen und diese wiederum als Teil der europäischen Sicherheitsarchitektur stellen sich gemeinsam den Herausforderungen.
Zweitens. Es bedarf der konsequenten Verfolgung der Attentäter, der Mittäter und derjenigen, die für sie organisatorisch und logistisch unterwegs sind. Insoweit müssen wir auch grenzübergreifend konsequent handeln.
Drittens. Natürlich geht es auch um Integrationspolitik. Diejenigen, die hier herkommen, weil sie vor Terrorismus in ihrer Heimat fliehen, müssen hier eine Bleibeperspektive haben. Sie haben sich aber an unsere Regeln und Normen, die Teil unserer Lebenswirklichkeit sind und auf einem gesellschaftlichen Konsens beruhen, zu halten.
Viertens. Wir brauchen eine effektive Sicherung der Außengrenzen, eine Kontrolle – ja. Der Bundesinnenminister hat angekündigt, dass Deutschland mit dem Registrierungsverfahren eine deutlich bessere Kontrolle erreichen wird. Kontrolle und geordnete Verfahren – das ist eine Herausforderung, auf die zügig reagiert werden muss.
Wenn Sie das meinen, dann ist das eine Diskussionsgrundlage. Aber die Theorie, der Asylsuchende, der Flüchtling habe per se Gefährdungspotenzial, ist falsch. Wir werden weiterhin unsere humanitäre Verantwortung wahrnehmen, und zwar in den Grenzen dessen, was möglich ist, was wir leisten können. Auf der anderen Seite geht es um die Sicherung unserer Bevölkerung. Insoweit liegt der Schwerpunkt der Maßnahmen auf der besseren Steuerung der polizeiliche Strukturen und der Sicherheitsarchitektur sowie der geordneten Durchführung von Prüfverfahren, um einen Missbrauch, den wir alle nicht ausschließen können, zu vermeiden.
Ich möchte abschließend nochmals davor warnen, die Asyl- und Flüchtlingsdiskussion mit dieser schwierigen Situation zu verknüpfen. Das wird dem Thema in keiner Weise gerecht.
Kollege Hartmann hat die dritte Rederunde eröffnet. Gibt es von den anderen Fraktionen in dieser Runde Redebedarf? – Das ist nicht
der Fall. Nochmaligen Redebedarf gibt es auch bei der Staatsregierung nicht. Die 1. Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht. Sie fliehen vor politischer Verfolgung, Hunger und Umweltzerstörung. Vor allem aber fliehen sie vor Krieg. Ein Teil dieser Menschen wird länger oder auch lange in Deutschland bleiben. Sie sollen hier sicher und anständig leben können. Und sie sollen sich integrieren können. Deshalb muss es für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft grundsätzlich darum gehen, mit aller Kraft auch für diese Menschen Bildung, Ausbildung und Arbeit zu organisieren, damit möglichst wenige in gesellschaftliche Isolation rutschen; denn bekanntlich steht Isolation der Integration mehr als entgegen.
Die besten Mittel für Integration sind Bildung, Ausbildung und Arbeit. Wissenschaftliche Studien belegen das. Es scheitert dennoch immer noch an der Umsetzung. Dabei sind die Voraussetzungen angeblich so gut wie selten. Der Arbeitsmarkt präsentiert sich in guter Verfassung. Die Arbeitslosenquote ist so niedrig wie seit 1990 nicht mehr. Zumindest tragen Sie, meine Damen und Herren von der CDU, diese Zahlen immer wie eine Monstranz vor sich her. Sollten diese Zahlen stimmen, dann können Sie nicht das Gegenteil behaupten, wenn es um Flüchtlinge geht.
Zu oft werden auf dem Weg zur Integration die Hürden gesehen, anstatt sie entschlossen zu überspringen. Im Januar dieses Jahres unterbreitete die Handwerkskammer zu Leipzig ein Angebot – ganz sicher nicht nur aus altruistischen Motiven. Wenn es das Interesse der Kammern gibt, ihre Ausbildungszentren voll zu kriegen, dann frage ich mich, wieso dieses Angebot nicht genutzt wird und die unterschiedlichen Interessen nicht zusammengebunden werden. Das Konzept beinhaltet neben der Berufsausbildung den Spracherwerb, eine Unterkunft und sogar die Mitgliedschaft in einem Sportverein. Bis dato hat kein Flüchtling seinen Ausbildungsplatz in Leipzig angetreten. Wie kann das sein?
Ja, der geklärte Aufenthaltsstatus. Bundesaufgabe, wissen wir. Die Große Koalition hat zur Asylgesetzgebung
einiges beschlossen, so die Verkürzung der Arbeitsverbote. Nun sind mit dem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz diese Lockerungen zum Teil wieder zurückgenommen worden. Asylsuchende sind nun verpflichtet, bis zu sechs statt bisher drei Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben, Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Herkunftsländern sogar bis zum Ende des Asylverfahrens.
Weil in dieser Zeit keine Erwerbstätigkeit erlaubt ist, reden wir über ein Arbeitsverbot von sechs Monaten bzw. bis zum Ende des Asylverfahrens. An diesem Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz war die Sächsische Staatsregierung beteiligt, nämlich im Bundesrat. Hier zeigte sich zweierlei: Erstens kann sich die Staatsregierung nicht herausreden und auf die Bundesebene verweisen, denn sie hat dazu Ja gesagt, und zweitens geht es ganz schnell, wenn sie will; denn nicht erst am 1. November, sondern mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 24. Oktober trat das Gesetz in Kraft. So konnten bereits in der letzten Oktoberwoche Abschiebungen forciert werden. Das geht doch völlig in die falsche Richtung, meine Damen und Herren. Wer auf gestiegene Flüchtlingszahlen mit Asylrechtsverschärfung reagiert, macht die Flüchtlinge zu den Schuldigen an der herbeigeredeten Flüchtlingskrise und gibt den fremdenfeindlichen Protesten im Nachhinein noch recht.
Die CDU kann offenbar davon nicht genug bekommen, wie das Papier der drei Fraktionsvorsitzenden SachsenAnhalts, Sachsens und Thüringens zeigt. Fischen am rechten Rand, nichts anderes ist das, meine Herren Fraktionsvorsitzenden. Kein einziger junger Flüchtling bekommt so einen Ausbildungsplatz. Was wäre denn gewesen, mit der Unterzeichnung eines Ausbildungsvertrags ein Bleiberecht für die Dauer der Ausbildung und mindestens zwei Jahre danach im Job zu beschließen? Die Handwerkskammern könnten ihre Angebote endlich in die Tat umsetzen. Das wäre gewesen.
Wenn man sich die Reaktion der Politik auf die Offerte der Handwerkskammer zu Leipzig ansieht, das Jahr der Berufsorientierung, kämen einem die Tränen vor Lachen, wenn es denn lustig wäre. Es gibt im Bundesbildungsministerium Überlegungen, das Jahr der Berufsförderung zu unterstützen, wenn die Betriebe oder die Handwerks
kammer eine Übernahme in Ausbildung im Anschluss garantieren. Ja, meine Güte, das ist doch genau die Offerte der Handwerkskammer.
Ein zweites Problem ist die Sprachausbildung. Viele gute Worte, aber keine Kostenträger. Hier könnte der Freistaat selbst agieren und muss nicht warten, bis der Bund irgendetwas beschließt. Ja, die Sprachausbildung kostet Geld, aber selten kann der Staat seine Mittel so punktgenau einsetzen wie hier. Aus unserer Sicht muss das Erlernen der Sprache sofort beginnen. In Sachsen wird derzeit Deutschunterricht fast flächendeckend ehrenamtlich erbracht. Mittelfristig machen wir die Ehrenamtlichen damit kaputt, das muss uns klar sein.
Integrationskurse wurden zumindest theoretisch erst jetzt für Geflüchtete geöffnet, die noch nicht anerkannt wurden, zum einen allerdings nur für Geflüchtete mit sogenannter positiver Bleibeperspektive, zum anderen sind Anbieter nicht in der Lage, ihre Angebote so schnell zu erweitern. Das Modell des Sprachunterrichts ist Stückwerk und so wird der Übergang in die Ausbildung maßgeblich erschwert. Also endlich her mit einem Landesprogramm zur Sprach- und Integrationsförderung!
Dann frage ich mich abschließend: Wo waren Sie denn bei der Pressekonferenz der sächsischen IHK? Ich war da. Dort wurde eine Studie – übrigens bundesweit die einzig belastbare – vorgestellt, die zeigt, wie hoch die Bereitschaft von 2 600 befragten sächsischen Unternehmen ist, Geflüchtete und Asylsuchende zu beschäftigen. 63 % wollen. Die Angebote, aber auch die Forderungen der sächsischen Handwerkskammern –
– sofort fertig – liegen auf dem Tisch. Passiert hier nun mal was?, frage ich die Damen und Herren der Staatsregierung. Wenn wir als Freistaat eine große Aufgabe bewältigen wollen, muss sich die Staatsregierung von altem Denken verabschieden –
Die 2. Aktuelle Debatte wurde von der einbringenden Fraktion, Frau Kollegin Neuhaus-Wartenberg, eröffnet. Vielleicht noch ein Hinweis: Diese Aktuellen Debatten sind in freier Rede zu halten. Ausformulierte Texte vorzutragen kann zur Folge haben, Frau Kollegin, dass ich Ihnen das nächste Mal einfach das Wort entziehen muss. Also bitte, Stichworte sind erlaubt.
Ich erinnere immer wieder daran: Stichworte, Zitate sind möglich, ich bitte allerdings darauf zu achten, keine ausformulierten Texte vorzutragen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Monaten begleiten uns intensive Debatten rund um die Flüchtlingskrise. Uns bewegen dabei viele grundsätzliche Fragen, wie die Beseitigung der Fluchtursachen in den Herkunftsstaaten, eine wirksame Begrenzung des Flüchtlingszustromes sowie eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas. Vor Ort bestimmen insbesondere Fragen in Bezug auf Form und Organisation der Unterbringung der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen sowie deren Verteilung auf die Kommunen die Tagesordnung.
Unabhängig von alledem und der Frage, wie viele Menschen in diesem Jahr berechtigt oder unberechtigt zu uns gekommen sind und noch kommen werden, bleibt festzustellen, dass viele von ihnen bleiben werden, ob als anerkannter Asylberechtigter oder als Geduldete. Die Debatte zum Thema Integration muss deshalb dringend und unmittelbar in diesem Zusammenhang und mit derselben Leidenschaft geführt werden. Deshalb ist es richtig, dass wir das heute tun. Integration ist kein Selbstläufer. Es gibt weder einen Handlungsleitfaden noch einen Masterplan. Sie wird uns jedoch über Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte hinweg begleiten, in sämtlichen Bereichen unserer Gesellschaft, und das intensiv. Deshalb ist es wichtig, dass wir sie mutig und aktiv angehen, und es ist auch wichtig, dass wir bei den Potenzialen von Zugewanderten und Einheimischen ansetzen und nicht bei den Defiziten.