Protocol of the Session on October 8, 2015

(Beifall bei den LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Pegida und seit der AfD hat sich die Stimmung in diesem Lande geändert. Wir erleben gerade einen traurigen Höhepunkt, tatsächlich auch mit Angriffen gegen Journalistinnen und Journalisten. In der letzten Woche wurde in Dresden einem Journalisten ins Gesicht geschlagen, ein anderer wurde getreten, und die Täter sind in der johlenden Menge untergetaucht. Am Sonntag wurde in Sebnitz eine Journalistin mit einem Aufkleber „Lügenpresse“ gebrandmarkt und von johlenden Menschen fotografiert. Wir haben es letzte Woche in Erfurt bei der AfD-Demonstration erlebt. An der Stelle ist auch der Link zwischen Pegida und der AfD vorhanden. Was Höcke dort artikulierte – man muss sich das einmal anschauen –, ist unerträglich. Der Ton ist rechtspopulistisch bis hin zu rassistischen Formulierungen, bei denen sich die AfD hier in diesem Landtag und allen voran Frauke Petry nicht wegducken kann.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Journalisten leisten eine engagierte Arbeit in unserer Gesellschaft und einen wichtigen Beitrag dafür, die Wirklichkeit in dieser Gesellschaft in den Medien abzubilden. Ich möchte ihnen Respekt zollen und Danke sagen.

(Detlev Spangenberg, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Angriffe auf Journalisten sind nicht hinnehmbar. Es sind Angriffe auf die Meinungsfreiheit und auf die Pressefreiheit. Es sind Angriffe auf die Demokratie. Angriffe auf die Demokratie müssen zurückgewiesen werden und in diesem konkreten Fall auch durch Polizeischutz für betroffene Journalistinnen und Journalisten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Spangenberg, bitte.

Herr Neubert, Sie haben eben die Presse so gelobt. Ist Ihnen bekannt, dass diese Presse, die sie eben so hochgehalten haben, mich in Verbindung mit einer Veranstaltung der NPD im Herbst 2014 gebracht hat, in der ich angeblich auf einem Friedhof mit der NPD war? Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass die gleiche gelobte Presse mir unterstellt hat, dass ich einem Verein angehört habe, der die Grenzen von 1937 gefordert hat? Ist Ihnen das bekannt?

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn Pegida und AfD Journalisten und Medien beschimpfen und mit Hass überziehen, dann muss man sich nicht wundern, wenn das zu Drohungen, Einschüchterungen und Gewalt gegen Journalisten führt. Lügenpresse ist ein Kampfbegriff, der sich in Gewalt manifestieren kann.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Wenn Pegida und die AfD über Flüchtlinge als durchweg kriminell und islamistisch sprechen, dann muss man sich nicht wundern, wenn das zu Angriffen auf Flüchtlinge und zu Brandanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte führt.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Sie sollten zuhören. Das ist undifferenziert und populistisch, was Sie gerade sagen!)

Wenn Pegida und AfD Politiker und Politikerinnen als Verräter am deutschen Volk bezeichnen, dann führt das zu Angriffen auf Flüchtlingshelfer, Bürgermeister, Politiker und auf Büros oder auf den letzten Landesparteitag der LINKEN.

(Beifall bei den LINKEN)

Der Ton hat sich verschärft. Die Eindimensionalität der Stammtische hat sich auf den Straßen, auf den Rednertribünen und in den Landtagen wiedergefunden. Eine solche Eindimensionalität ist nicht geeignet, Themen zu debattieren und Lösungen zu finden, sondern sie delegitimiert demokratische Strukturen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Man kann trefflich über Kritik an Medien und Politik diskutieren. Ich habe noch eine Minute Zeit und werde das hier nicht ausführen. Es ist im höchsten Maße legitim, dass sich Teilgesellschaften, wie Wirtschaft, Politik und Medien mit Kritik auseinandersetzen, diese diskutieren und Schlüsse daraus ziehen. Und das passiert auch. Es gibt aber zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Das eine ist eine demokratiestärkende Form zur Weiterentwicklung der demokratischen Einrichtungen und das andere ist eine demokratiezerstörende Form. Das ist das Rezept von AfD und Pegida.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Frauke Petry, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Petry?

Danke, Herr Rößler.

Können Sie bitte erklären, was Sie damit meinen, dass die Eindimensionalität der Straße, also das Demonstrieren der Bürger, Demokratie zerstört und Demokratie delegitimiert?

Das habe ich so nicht gesagt, aber ich versuche es noch einmal zu skizzieren.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Ich habe Sie gerade zitiert!)

Wenn in unserer Gesellschaft – und da schließe ich an Herrn Dierks an – Themen und Positionen auf drei Sätze reduziert werden und man dann zum nächsten Thema übergeht, auf das man einhaut und für sich sozusagen eine Distanz schafft, dann wird das der Komplexität von

Politik – es tut mir leid, billiger bekommen Sie es nicht – nicht gerecht.

(Dr. Frauke Petry, AfD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Petry?

Bitte.

Wären Sie bereit, komplexer und differenzierter auf solchen Demonstrationen Ihren Standpunkt darzulegen, ohne die Bürger zu beschimpfen?

Frau Petry, ich war bei Pegida-Demonstrationen und habe es mir angeschaut. Ich war letzte Woche in Thüringen und habe mir die Demonstration der AfD angeschaut, eine Demonstration mit Björn Höcke, einem Menschen, bei dem ich das Gefühl habe, dass die Argumentation nahe an der Argumentation von Goebbels ist. Ich empfehle allen im Haus, sich die Rede im Internet anzuhören. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, ich werde nicht auf einer Demonstration sprechen – zumal es definitiv auch ziemlich schwer ist –, wo ich als Volksverräter beschimpft werde von einer Masse von Menschen. Das werde ich nicht tun. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Neubert für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt hat die SPD-Fraktion das Wort. Es wird von Herrn Kollegen Mann ergriffen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Titel dieser Debatte – ich will ihn nicht noch einmal wiederholen – hat mich fragen lassen: Was soll diese Debatte, ja, was sollen alle Ihre Debatten, werte Kollegen von der AfD? Kritik um der Kritik willen?

Beschaut man Ihre Reden und Ihre Bilanz hier im Plenum, muss man schon denken, wir leben in einem gar gruseligen Land. 80 % Ihrer Kleinen Anfragen beschäftigen sich mit Innenpolitik. Mehr als 50 % Ihrer wenigen Anträge beschäftigen sich mit Innenpolitik. Es wird das Bild gezeichnet einer – ich nenne es Ihrer – Wirklichkeit: Die Kriminalität steigt ständig, entgegen durchaus differenzierter Statistiken, Sucht und Drogen überall, Bedrohung von außen, und wenn es nicht aus dem Ausland kommt, dann ist es die EU. Deswegen erlauben Sie es mir, zu Ihrer Debatte Ihre eigene Rolle nach einem Jahr hier im Sächsischen Landtag zu hinterfragen, wie es Herr Dierks schon begonnen hat.

Die AfD bringt es nicht einmal auf die Hälfte der Initiativen anderer, auch kleinerer Oppositionsfraktionen. Unter Ihren gerade einmal 19 Anträgen hier im Plenum finden sich mehrere, die gerade einmal einen Satz lang sind. Mit Verlaub: Der Mut zu Deutschland, der sieht bei Ihnen ganz schön verzagt aus. Sie trauen sich noch nicht einmal selbst etwas zu. Ihnen reicht es, mit diesen Anträgen Schlagworte an die Wand zu werfen, und Sie erwarten

dann von der Regierung, diese Gedanken auszukleiden. Ist das tatsächlich eine gestaltende Opposition? Ist das Selbstbewusstsein? – Nein. Ihnen reicht es, Angst für Deutschland zu verbreiten – vermutlich der echte Titel der AfD.

Mich beschleicht wirklich das Gefühl mit Blick auf die Debatte, die wir gerade eben hatten: Wenn Sie und Ihre Fraktionskollegen im Jahr 1989 Verantwortung gehabt hätten, dann wäre das nichts geworden mit der deutschen Einheit.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das sagt die richtige Partei! – Uwe Wurlitzer, AfD: Das sagt die SPD!)

Sie hätten den Westdeutschen vermutlich eingeredet, mehrere Millionen Wirtschaftsflüchtlinge sind nicht zu schultern, und den Ostdeutschen erzählt, der Russe würde doch noch kommen.

Vermutlich hätte es eine Pressemitteilung gegeben, dass Sie durchaus Schnittmengen mit Bewegungen sehen, die die Mauer wieder aufbauen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Ja, wer so austeilt, der muss sich auch einmal Kritik anhören.

Gestern erst sprach Herr Wippler hier wieder,

(Uwe Wurlitzer, AfD: Wippel!)

nachdem wir eine differenzierte Debatte zu Ihrem Antrag hatten, von „Parteiengezänk“. Gerade eben hat Frau Muster wiederholt von „den Politikern“ gesprochen. Man fragt sich: Sind Sie denn schon hier angekommen? Sind Sie denn Teil des Parlaments?

(Jörg Urban, AfD: So wie die SPD werden wir nicht! Dort möchte ich nicht ankommen!)

Haben Sie Ihre Oppositionsrolle verstanden, wie es die Pflicht eines Parlamentariers ist, so, wie wir alle einen Amtseid auf dieses Land abgelegt haben? – Nein, diesen Eindruck habe ich nicht.