Protocol of the Session on September 17, 2015

Sehr geehrte Frau Köditz! Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, hätte ich Ihnen eine Frage gestellt, dann hätte ich gefragt, ob Sie denken, dass es für den Bürger oder den Polizisten ein Unterschied ist, ob er von einem Linksextremisten oder von einem Rechtsextremisten eine Flasche an den Kopf geworfen bekommt.

Frau Köditz, möchten Sie erwidern? – Nein. Herr Hartmann, Sie wünschen?

Eine Kurzintervention.

Das ist leider vertan. In diesem Tagesordnungspunkt haben Sie schon zwei Kurzinterventionen gehabt.

Dann hat sich das erledigt. Danke.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Aussprache fort. Ich rufe die SPDFraktion auf. Herr Abg. Homann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns mit der Situation in Heidenau noch einmal intensiver auseinandergesetzt, da in den vergangenen Wochen in der Debatte immer wieder klar geworden ist, dass die Ausschreitungen und die Übergriffe, die wir nicht nur in Heidenau und nicht nur in Sachsen erleben, das Ergebnis einer teilweise sehr schwierigen gesellschaftlichen Stimmung sind. Ich möchte dafür werben, dass wir alle miteinander ein bisschen aus unseren Schützengräben herauskommen.

Ich weiß nicht, welche Erfahrungen Sie in Ihren Wahlkreisbüros machen, aber die Situation verändert sich insofern, als wir es nicht mehr nur mit platten Vorurteilen von, sagen wir mal, nicht den Hellsten am Stammtisch zu tun haben, sondern wir sind mehr und mehr mit Verschwörungstheorien befasst, mit Vorurteilen, die eingebettet sind in geschlossene, sehr krumme gesellschaftliche Analysen. Auch dafür gibt es einen Grund und es gibt einen Unterschied zu allen Diskussionen zu antidemokratischen Einstellungsmustern der letzten Jahrzehnte. Das erste Mal ist in einer Studie klar geworden, dass es eine relevante Gegenöffentlichkeit gibt, die sich rund um das „Compact“-Magazin von Jürgen Elsässer, verschiedene Querfrontler und Internetseiten herum positioniert hat, die in diesem Land Hunderttausende von Menschen erreicht, die sich von dem Journalismus, den wir bisher hatten, von dem ich sage, dass es Qualitätsjournalismus ist, verabschiedet haben. Man wird dort bombardiert mit Verschwörungstheorien, Unwahrheiten, schlichtweg mit Lügen.

Deshalb sage ich, wir müssen noch stärker aus dieser Debatte heraus, wo Links- gegen Rechtsextremismus steht. Wir müssen unsere Analyse dahin gehend überprüfen, wie wir mit diesen Dingen umgehen. Ich will Ihnen eine Erfahrung vom Bäcker heute morgen erzählen. Früher war es die „BILD“-Zeitung, die für die Leute, die sauer oder enttäuscht oder der Meinung waren, es sind zu viele Ausländer in Deutschland, ein Zuhause geboten hat. Heute erlebe ich beim Bäcker, wie zwei Leute vor mir sagen, „die ‚BILD‘-Zeitung ist auch nur noch ein linkes Schmierblatt“, weil sie seit vier Wochen eine Kampagne fährt, die versucht, uns dabei zu unterstützen, in diesem Land unsere Willkommenskultur weiter zu verbessern.

Das heißt, es gibt Leute, die sind komplett von den gesellschaftlichen demokratischen Diskursen abgehängt. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir auf diese neue Situation stärker eingehen. Das bedeutet aber, dass wir

selbst nicht den Fehler machen dürfen, immer wieder in die alten Analysemuster zu verfallen. Das wäre meine Überlegung für die zweite Runde.

Ich will in dem Zusammenhang sagen, dass wir noch eine ganze Menge zu tun haben. Ich bin gespannt, ob Frau Ministerin Köpping dann etwas zum Sachsenmonitor sagen wird. Ich weiß, dass wir auf dem Wege sind, und das Versprechen lautet, dass er nächstes Jahr kommt. Aus der letzten Legislaturperiode kann ich mich daran erinnern, dass die Angst bestand, dass, sobald die NPD aus dem Sächsischen Landtag fliegt, das Problem für erledigt erklärt wird. Ich weiß, wir müssen noch vieles Weitere tun, aber dass sich diese Koalition auch nach dem Ausscheiden der NPD dazu entschieden hat, die Gelder für das Programm „Weltoffenes Sachsen“ weiter aufzustocken, ist ein klares Signal dafür, dass wir dieses Problem in unserer Gesellschaft weiter ernst nehmen und konsequent bekämpfen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Nun folgt die AfD-Fraktion. Herr Abg. Barth, bitte. Sie haben das Wort.

Kommen wir erst einmal auf Heidenau zurück. Eine Woche später meldet in Heidenau das Bündnis „Dresden Nazifrei“ ein Willkommensfest für die Flüchtlinge an. Zum gleichen Zeitpunkt soll am Abend durch eine neu gegründete Bürgerinitiative in Heidenau eine erste Demonstration durchgeführt werden. Zudem hatten linke Kreise eine Großdemonstration in Dresden angekündigt. Vor diesem Hintergrund und auch vor dem Hintergrund der Geschehnisse, von denen ich in meinem ersten Redebeitrag gesprochen habe, sah sich das Landratsamt veranlasst, ein Versammlungsverbot zu verhängen, und das, wie wir jetzt wissen, mit unzureichendem polizeilichen Notstand begründet.

Jetzt stellt sich mir eine entscheidende Frage. Ich bin am Freitagmorgen mit dem Auto nach Dresden gefahren, wusste von dem bestehenden Versammlungsverbot und hörte im Radio, dass der Herr Cem Özdemir mit ein paar Blechen Kuchen nach Heidenau kommt und das Willkommensfest besuchen will. Ich machte mir Gedanken und kam zu folgender Einstellung: Wenn das Fest im Praktiker-Baumarkt, sozusagen auf dem Hoheitsgebiet des Hausrechtsinhabers, stattfindet und nicht in der Öffentlichkeit, dann ist das völlig in Ordnung. Das Willkommensfest hat aber tatsächlich geplant auch außerhalb dieses Praktiker-Baumarktes stattgefunden, nämlich auf der Wiese hinter dem Hammer-Baumarkt wurde Ball gespielt und Ähnliches.

Deshalb frage ich die Damen und Herren der GRÜNEFraktion: Wie passt es zusammen, dass man trotz eines vermeintlich bestehenden Versammlungsverbots – das dann zugegebenermaßen noch aufgehoben wurde – zu einer Demonstration im öffentlichen Raum, hier das Flüchtlingsfest, aufrufen kann? Ich frage Sie: Wie stehen Sie zu Recht und Gesetz in unserem Land?

(Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Bitte kommen Sie zum Schluss.

(Valentin Lippmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Lippmann.

Herr Barth, das war ein wenig absehbar, was Sie erzählt haben. Erstens ist die bloße Ankündigung, eine solche Veranstaltung zu besuchen – es war zu diesem Zeitpunkt klar, dass gegen diese Veranstaltung Rechtsmittel eingelegt wurden –, nicht verboten.

Zweitens komme ich zu der Frage, wie Sie es persönlich mit Versammlungsverboten handhaben. Warum war die halbe AfD-Fraktion beim G-7-Gipfel, bei dem bekanntermaßen eine Versammlungsverbotszone existierte – wenige Meter von hier entfernt –, präsent, ignorierte diese, führte eine Versammlung in der Versammlungsverbotszone durch und war am Ende der Meinung, dass alles nicht so schlimm und die richtige Entscheidung gewesen sei?

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Hierbei zeigt sich wieder einmal Folgendes: Wenn es um die anderen geht, ist alles ganz schlimm. Vielleicht fassen Sie sich bei dieser Frage einmal an die eigene Nase. Das, was Sie dort begangen haben, wäre nach denselben Maßstäben ein Rechtsbruch.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war die Kurzintervention von Herrn Lippmann.

(André Barth, AfD, rennt zum Mikrofon der CDU-Fraktion.)

Herr Barth, Sie müssen nicht so rennen. Dort ist auch ein Mikrofon. Ich sehe, wo Sie langlaufen. Möchten Sie erwidern? – Bitte.

Ja. Herr Lippmann, ich komme zur Sachverhaltsaufklärung. Wegen dieser Demonstration oder Aktion, die Sie beschrieben haben, haben wir uns belesen. Wir mussten feststellen, dass es sich vermutlich um eine Ordnungswidrigkeit handelt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das wäre bei Herrn Özdemir genauso!)

Deshalb kritisieren wir mit dem neuen rechtlichen Bewusstsein Ihr Verhalten.

(Beifall bei der AfD – Unruhe im Plenum)

Meine Damen und Herren! Das war die Erwiderung von Herrn Barth auf die Kurzintervention von Herrn Lippmann. Damit ist die zweite Runde der Aktuellen Debatte abgeschlossen. Ausreichend Redezeit hat die Fraktion der CDU. Alle

anderen Fraktionen haben nur noch Sekunden übrig bzw. deren Redezeit ist schon aufgebraucht.

Herr Hartmann, Sie möchten in einer dritten Runde noch einmal sprechen?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Frau Zais, ich bitte um Entschuldigung. Sie haben noch 24 Sekunden.

(Petra Zais, GRÜNE: Ich dachte, ich habe noch 26 Sekunden!)

Nein, hier stehen noch 24 Sekunden. Die Uhr lügt nicht.

(Zuruf der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

Nein, gestern ging es sehr gerecht zu. Das wird es auch jetzt. Frau Zais, bitte, Sie haben noch 24 Sekunden. Herr Hartmann, ich bitte um Vergebung.

In aller Kürze, Herr Präsident. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Heidenau – das ist nicht die Absicht der GRÜNEN – soll nicht stigmatisiert werden.

(Zuruf von der CDU: Das ist zu spät!)

Wenn wir über Strategien beim Kampf gegen Rassismus reden, ist Folgendes ganz klar: Die Stärkung der Zivilgesellschaft ist eine entscheidende Strategie. Heidenau steht nicht nur für rassistische Ausschreitungen und rechtsextreme Strukturen. Heidenau steht auch für eine starke Zivilgesellschaft, genau wie Freital, Dresden und Chemnitz. Das möchten wir ausdrücklich abschließend noch einmal betonen. Das ist die Hoffnung, die wir haben. Das macht uns Hoffnung. Darin unterscheidet sich die Situation gegenüber den Jahren 1990, 1991 und 1992.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Das war Frau Zais für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Nun folgt Herr Hartmann. Sie sind an der Reihe und haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, in gebotener Kürze darauf einzugehen.

Wir haben eine sehr intensive und bewegte Debatte erlebt. In einem Punkt sind wir uns einig: Es geht um die Frage eines gesellschaftlichen Diskurses, den wir alle miteinander zu führen haben. Er ist in eine aktuelle Entwicklung eingebettet. Die Intensität der Debatte, der Ereignisse und einzelner Vorkommnisse sind untrennbar mit der aktuellen Herausforderung der Flüchtlings- und Asylpolitik verbunden. Das Entscheidende ist, dass wir diesen gesellschaftlichen Diskurs offen und unter Einbindung der gesamten Bürgerschaft und Gesellschaft miteinander führen, um die Deutungshoheit in dieser Diskussion nicht linken oder rechten Rändern zu überlassen.

Hierbei ist die Herausforderung – ich bin wieder bei den Punkten, die gestern und schon so manches Mal in diesem Hohen Hause diskutiert wurden –, dass Sorgen und Ängste in der Gesellschaft, ob Sie sie nun mögen oder nicht, bestehen. Es besteht die Erwartung an die Politik und Verantwortungsträger, Antworten darauf zu geben, was auf uns zukommt. Welche gesellschaftlichen Herausforderungen sind zu gestalten? Es stellt sich durchaus eine legitime Frage: Wie halten wir es in der partikularen Gesellschaft mit dem Islam und seiner Rolle? Wie ist eigentlich das Rollenverständnis in einer Gesellschaft, die eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat in der politischen Entscheidungsebene führt? Wie sehen das die Menschen, die es gewohnt sind, in einem Einklang zwischen religiösem und politischem Handeln zu stehen? Wie sollen die Leistungssysteme und Perspektiven unserer Gesellschaft sich in Zukunft darstellen?