Protocol of the Session on November 12, 2014

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Es wird jedoch an den Änderungsanträgen deutlich, dass in dieser Geschäftsordnung noch Luft nach oben gewesen wäre. Ein Punkt, nämlich die deutliche Verbesserung der Transparenz, wäre ein wirklicher Gradmesser für die Verbesserung von Transparenz, aber auch für einen fortschrittlichen Parlamentarismus gewesen. Die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen, wie es in anderen Landtagen bereits praktiziert wird, war leider nicht verhandelbar; sie hätten aber dem Landtag als ein Signal in Richtung Öffentlichkeit, Offenheit und Transparenz durchaus gut zu Gesicht gestanden.

Die Frage, wie transparent und offen ein Landtag sein kann und muss, ist für uns GRÜNE keine Frage einer Petitesse oder des Verfahrens. Immerhin geht es hier um die gewählte Volksvertretung, und an der Frage, wie offen und transparent sie agiert, lässt sich vielleicht einmal mehr ablesen, wie wichtig es der jeweiligen Parlamentsmehrheit mit dem Anspruch an staatliche Transparenz tatsächlich ist. Andere Landtage machen vor, dass auch durch die Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen die Plenarbehandlung und das parlamentarische Geschäft nicht im Chaos münden. Wir hätten uns da mehr Offenheit gewünscht.

Was wir aber sehr kritisieren müssen, sind zwei Punkte, die aus offensichtlich dogmatischen Gründen grundsätzlich nicht verhandelbar waren. Das eine: Der totgerittene Gaul des d'hondtschen Höchstzahlverfahrens, wie gerade angesprochen, gilt in Sachsen, solange die CDU regiert, offensichtlich immer noch als avantgardistisches Rennpferd. Warum können wir uns hier nicht einmal der Vielzahl anderer Landtage anschließen,

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

um endlich zu einem gerechteren Sitzzuteilungsverfahren zu kommen? Das ist und bleibt meiner Fraktion nach wie vor ein Rätsel. Ebenfalls ein Rätsel bleibt uns, warum jene Fraktionen, die der Landtag hier mit der Mehrheit des Hauses wählt – die Rede ist von den Beauftragten –, kein Rederecht bei ihren regelmäßigen Berichten im Plenum erhalten sollen. Warum man diese Möglichkeit nicht gibt, obwohl man ihnen eine Verantwortung und Aufgabe auch vonseiten dieses Hohen Hauses überträgt, entbehrt aus unserer Sicht jedweder Logik.

Eine Bewegung in den beiden vorgenannten Punkten hätte uns zumindest ermöglicht, hier eine breite Zustimmung auch unsererseits zu erzeugen – doch dieser Sprung ist dann der Koalition nicht gelungen. Unter normalen Umständen hätte sich mit Blick auf die vorliegende Geschäftsordnung meine Fraktion heute in Gänze enthalten. Durch den mehr als unglücklichen Start in Bezug auf die Frage der Geschäftsordnung und die dadurch entstandene rechtliche Unklarheit über die Frage, welches Quorum hier zum rechtssicheren Beschluss notwendig ist, ist es auch in unserer Fraktion zum Entschluss gekommen, durch die deutlichen Verbesserungen, die diese Geschäftsordnung beinhaltet, vor allem im Vergleich zur Geschäftsordnung der letzten Legislatur, und um auch einen Schaden von diesem Haus abzuwenden, wenn die heutige Geschäftsordnung an der Frage der Zweidrittelmehrheit scheitern würde, dass auch die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ihren Beitrag dazu leisten wird, dass wir heute eine rechtskräftige Geschäftsordnung in Kraft setzen können, die hoffentlich in den nächsten fünf Jahren eine gute Arbeitsfähigkeit für diesen Landtag ermöglicht. Ich betone nochmals: Unter normalen Umständen hätten wir uns enthalten; Teile meiner Fraktion werden allerdings dem Vorschlag heute zustimmen, um die notwendige Mehrheit sicherzustellen.

(Zuruf von der CDU: Wir danken herzlich!)

Dennoch sollten wir aus dem bisherigen Verfahren einige Punkte mitnehmen. Es wäre sicherlich für zukünftige Geschäftsordnungen hilfreich und zur Aufrechterhaltung eines reibungslosen Parlamentsbetriebes mehr als sinnvoll, die Abstimmung über die Geschäftsordnung vielleicht zukünftig – Kollege Scheel hat das schon angesprochen – nicht mehr in dem Maße von der Bildung einer Regierung abhängig zu machen, sondern weiter im Vorfeld dafür zu sorgen, mit den anderen Fraktionen ins Gespräch zu kommen und unabhängig von der Frage einer Regierungsbildung eine Geschäftsordnung auszuhandeln.

Ein starkes Parlament entsteht schlicht aus einem Selbstbewusstsein als starkes Legislativorgan. Vor diesem Hintergrund würde es für den Sächsischen Landtag sicher hilfreich sein, sich nicht mehr primär von der Regierungsbildung in Fragen der Geschäftsordnung, was die Zeitpunkte angeht, abhängig zu machen. Zum anderen hoffe ich, dass die offene Debatte unter den Parlamentarischen Geschäftsführern und den Fraktionen zur Frage dieser Geschäftsordnung, die sehr fruchtbar und in den

letzten Wochen auch sehr umfassend war, nicht nur dem Umstand geschuldet ist, dass aufgrund der Problematik mit der Inkraftsetzung die entsprechenden Mehrheitsverhältnisse entstanden sind, sondern dass sie tatsächlich Maßstäbe für den zukünftigen Umgang miteinander und für den zukünftigen Umgang mit der Geschäftsordnung setzt.

In diesem Sinne freue ich mich auf die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren, und ich hoffe, dass der auch häufig in diesem Zusammenhang mit der Geschäftsordnung beschworene neue Geist der Koalition Früchte trägt.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Mit Herrn Kollegen Lippmann, der für die GRÜNEN sprach, sind wir am Ende der ersten Rederunde angekommen. Meine Frage: Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Sollen wir eine zweite Rederunde eröffnen? – Das sehe ich nicht. Damit können wir die Aussprache beenden.

Meine Damen und Herren! Mir liegt eine ganze Reihe von Änderungsanträgen in der Reihenfolge ihres Eingangs vor. Es sind insgesamt sieben. Ich schlage Ihnen vor, dass wir in entsprechender Anwendung des § 46 Abs. 4 Satz 1 über diese Änderungsanträge in der Reihenfolge ihres Eingangs abstimmen sollten. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Ich rufe nochmals die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags auf. Wir stimmen ab über den Antrag der Fraktionen CDU und SPD, Drucksache 6/222. Wir stimmen jetzt über die vorliegenden Änderungsanträge in der Reihenfolge ihres Eingangs ab.

Ich rufe zuerst auf die Drucksache 6/240, Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion GRÜNE. Dieser Änderungsantrag wäre jetzt einzubringen. Ich sehe, dass Sie das tun werden, Herr Kollege Lippmann.

Verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Das Thema d'Hondt und Zählverfahren ist bereits in den Reden des Kollegen Scheel und in meiner Rede angesprochen worden. Der jetzt vorliegende Änderungsantrag hat zum Ziel, zukünftig ein anderes Sitzzuteilungsverfahren für die Besetzung der Gremien hier im Landtag zu etablieren. Aus unserer Sicht ist das d'hondtsche Höchstzahlverfahren mehr als antiquiert. Der Bundestag verwendet nunmehr seit geraumer Zeit ein anderes Verfahren.

Das d'hondtsche Höchstzahlverfahren ist dafür bekannt, dass es insbesondere bei starken Größenunterschieden zwischen den Fraktionen in hohem Maße verzerrend wirkt und nicht in der Lage ist, tatsächlich eine adäquate Abbildung der Mehrheitsverhältnisse in den Gremien zu vollziehen. So müssen als Nebeneffekt, um die Mindestvertretung von Fraktionen in den Gremien zu gewährleisten, die Gremiengrößen deutlich erhöht werden. Dies ist

aus unserer Sicht ein enormer Nachteil, der sich aus dem d’hondtschen Höchstzahlverfahren ergibt.

Sachsen befindet sich mittlerweile mit der Bezugnahme auf das d'hondtsche Höchstzahlverfahren auch im bundesweiten Vergleich zu anderen Landtagen in einer Minderheitenposition. Die überwiegende Mehrheit der anderen Landtage hat sich vom d’hondtschen Höchstzahlverfahren verabschiedet. Das hat seine Gründe. Es ist unverständlich, warum wir hier im Sächsischen Landtag nach wie vor daran festhalten wollen, obwohl dieses Zählverfahren im Wesentlichen nur dazu führt, dass sich ein enorm verzerrtes Bild bei der Besetzung von Ausschüssen und Gremien ergibt, und überdies dadurch unnötig große Gremien geschaffen werden, was durch das hier vorgeschlagene und vom Bundestag praktizierte sowie auch in vielen Wahlrechten praktizierte System nach Sainte-Laguë/Schepers ohne Probleme aufzulösen wäre.

Deswegen beantragen wir die Änderung des § 15 Abs. 2.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Lippmann. Das war die Einbringung. Jetzt ergreift vom Mikrofon 5 aus der Kollege Piwarz das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Erlauben Sie mir, die Entgegnung gleich vom Saalmikrofon aus zu machen; das spart etwas Zeit.

Es ist ein immer wiederkehrendes Thema, welches Zählverfahren wir anwenden. Wir haben darüber auch lange mit den parlamentarischen Geschäftsführern diskutiert. Fakt ist: D'Hondt ist ein anerkanntes Zählverfahren in Deutschland, das nicht nur in Sachsen, sondern auch in anderen Bundesländern angewandt wird. Es lohnt sich ein Blick nach Niedersachsen, wo die GRÜNEN in der Regierung sind – dort wird d'Hondt angewandt. Was in Niedersachsen funktioniert, kann ja eigentlich aus Sicht der GRÜNEN in Sachsen nicht falsch sein. Insofern halten wir aus guten Gründen an diesem Verfahren fest.

Ich will noch eine Anmerkung machen, weil Kollege Lippmann hier den Eindruck erweckt hat, als ob dann teilweise kleinere Fraktionen nicht mehr hinreichend beteiligt wären. Das hat mich etwas verwundert, weil in den Beratungen beispielsweise zum Thema Stärke der Ausschüsse die Situation aufkam, dass dort, wo es möglich gewesen wäre, zusätzliche Ausschüsse zu besetzen, eher eine Einvernehmungsregelung hergestellt wurde, weniger Ausschusssitze vorzusehen, damit die Arbeitsbelastung für die kleineren Fraktionen nicht zu groß wird.

(Zuruf der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)

Danke, Frau Jähnigen. Dass Sie jetzt hineinschreien, das hat mir gerade noch gefehlt für diesen Tag! – Man muss schon klar bei einer Linie bleiben: entweder das eine wirklich durchziehen und sagen, wir wollen die Arbeitsbelastung so halten, dass wir sie als kleine Fraktion gewährleisten können, oder nach den Redezeiten der

großen Fraktionen schreien, dann müsste man die Arbeit aber auch leisten. Das ist ein Widerspruch.

Auch aus diesem Grund bleiben wir bei d'Hondt als Zählverfahren und lehnen diesen Änderungsantrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Kollege Piwarz. Jetzt ergreift für die Fraktion DIE LINKE Kollege Scheel vom Mikrofon 1 aus das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Widerspruch gilt es ja produktiv zu machen, Kollege Piwarz. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir eine ausufernde Debatte zu der Frage hatten, weil es eigentlich nicht verhandelbar war. Es geht aber um eine Grundsatzfrage.

Natürlich ist d'Hondt ein anerkanntes Zählverfahren; das will niemand in Abrede stellen. Die Frage, die eigentlich durch die Fachwelt klar war, ist, dass es Ungerechtigkeiten produziert, weil der einfache Teiler größere Fraktionen bevorteilt. Nun kann ich sagen, wir gehören ja auch zu einer der größeren – insofern habe ich nicht einmal das Problem. Ich finde aber, grundsätzlich sollte man sich die Frage stellen, ob man die eigene Stärke durch ein Zählverfahren noch mehr unterstützen möchte. Das ist die Frage, vor der Sie stehen – am Ende auch vor der Gewissensfrage –: ob Sie bereit sind, eine kleine Änderung im Zählverfahren vorzunehmen. Sie vergeben sich dadurch nichts, wenn Sie kleineren Fraktionen auch personell mehr Möglichkeiten der Einbringung ihrer Vorstellungen geben. Das ist die einzige kleine Frage, die Sie für sich zu beantworten haben.

Machen wir den Widerspruch produktiv, Kollege!

(Beifall bei den LINKEN – Christian Piwarz, CDU: Das ist für mich keine Gewissensfrage, Herr Scheel!)

Das war Herr Scheel für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag? – Ich kann keine weiteren erkennen.

Wir kommen zur Abstimmung und ich stelle die Drucksache 6/240, Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion GRÜNE, zur Abstimmung. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine.

(Zuruf – in Richtung SPD: Umdenken! – Allgemeine Heiterkeit)

Damit ist dieser Änderungsantrag Drucksache 6/240 bei vielen Jastimmen mit Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Drucksache 6/241, zu einem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion GRÜNE. Zur Orientierung: Es geht um die Öffentlichkeit der Ausschüsse. Ich bitte um Begründung und Einbringung. – Bitte, Herr Kollege Scheel.

Vielen Dank. Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser wunderbare Geschäftsordnungs-Paragraf ist überschrieben mit „Öffentlichkeit der Ausschüsse“. Der Inhalt dieses Paragrafen ist allerdings die Nichtöffentlichkeit der Ausschüsse. Das ist auch ein Widerspruch, den es aufzulösen gilt, und wir stellen deshalb hier den Vorschlag zur Debatte, ob es nicht möglich ist, grundsätzlich in öffentlicher Aussprache – transparent, vor dem Volk, vor den Menschen, die uns gewählt haben – Beratungen durchzuführen.

Ich denke nicht – weil das immer gern entgegnet wird –, dass das zu Schaufensterdebatten führen würde. Ich habe in den letzten Jahren eher die Erfahrung gemacht, dass erst dann überhaupt Debatten geführt werden.

(Einzelbeifall bei den LINKEN)

Aber ich habe vernommen, dass ein neuer Geist durch den Landtag weht. Wir wollen Belebung, wir wollen wirklich den Diskurs auch in den Ausschüssen suchen. Vielleicht wäre es die Frage der Öffentlichkeit, uns direkt vor den Bürgern die Debatte in den Ausschüssen zu liefern. Vielleicht wäre das ein erster Schritt, um diese Belebung herzustellen, und vielleicht können Sie sich überwinden, dem zuzustimmen.

Ich kann nur noch einmal darauf verweisen: Es sind nicht nur die Roten in Nordrhein-Westfalen, es sind auch die Schwarzen – Ihre Kollegen – in Bayern, die den Mut aufgebracht haben, sich mit dem Gesicht zum Volke in öffentlichen Ausschusssitzungen Debatten zu liefern. Daran ist bisher noch kein Parlament zugrunde gegangen, sondern unseres Erachtens ist die Zeit von Geheimkammern, von Geheimgremien, in denen man hinter verschlossenen Türen die Debatten führt, eigentlich vorbei. Vielleicht können Sie sich überwinden, durch die Herstellung der Öffentlichkeit der Überschrift des § 33 den entsprechenden Sinngehalt zu geben.

Ich danke für Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war die Einbringung des Änderungsantrages durch Herrn Kollegen Scheel, Linksfraktion. Jetzt kommt an Mikrofon 3 Herr Kollege Brangs, SPD-Fraktion – ich vermute, mit einer Gegenrede.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Scheel, wenn man eine neue Debattenkultur haben möchte, dann sollte man sich überlegen, wie man diese erreichen kann. Ich denke, wir können sie eher dadurch erreichen, dass wir in den Ausschüssen alle eine wirkliche Debatte über die Argumente führen, dass wir uns dort die Zeit dazu nehmen, uns auszutauschen, dass wir dort nicht so agieren, dass es Mehrheit und Minderheit gibt.