Protocol of the Session on September 16, 2015

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Sie helfen den Menschen, die in ihren Heimatländern vielleicht durch andere verfolgt wurden, weil sie zum Beispiel, wie in Syrien, eine andere Religion haben. Diese Menschen tun es in Sachsen und in Deutschland teilweise bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit. Ich kann darüber berichten aus meiner eigenen Heimatstadt Baut

zen/Budyšin.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Juliane Nagel, DIE LINKE: Ja, weil das Innenministerium versagt!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europäische Migrationsagenda voranzubringen bedeutet, stärker die Lebensrealität in die Entscheidungen einzubinden. Das muss schnell geschehen. Die Entscheider müssen endlich begreifen, welche brutalen Veränderungen in Nordafrika stattgefunden haben. Ein Rückschritt in die brutalste Barbarei hat dort stattgefunden. Vor Jahren haben die Leute noch von Revolution gesprochen. Es ist brutalste Barbarei. Dort werden Menschen geköpft, hingerichtet.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Das ist von einigen noch bejubelt worden.

Ich kann nicht erkennen – das ist das Kritische –, dass die EU und die Nationalstaaten bisher ihren Gestaltungsspielraum zur Lösung der Flüchtlingsfragen vollständig genutzt haben, obwohl Italien und Griechenland immer wieder auf das Problem hingewiesen haben.

Wir haben in den letzten zwei Jahren eine Erosion des Rechts in Europa erlebt. Das Schengen-System mit all seinen Verpflichtungen – nicht nur Rechten, sondern auch Verpflichtungen – wurde nur auf den Flughäfen vollständig umgesetzt. Die schwierig zustande gekommene Dublin-Vereinbarung mit Verbleib in den sicheren Drittstaaten funktioniert schon aufgrund des Wohlstandsgefälles nicht mehr so, wie es von den Staaten geplant war.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das war von Anfang an eine Farce!)

Das ist nicht weiter hinnehmbar. Wenn die europäischen Regeln nicht eingehalten werden, dann ist es legitim,

(Beifall des Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU)

dass der Nationalstaat handelt, und die Bundesrepublik Deutschland hat gehandelt, und das ist richtig so.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Solidarität leisten die Menschen in Deutschland, wenn sie 800 000 Menschen aufgenommen haben.

(Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Niemand hat in Europa so vielen Menschen Zuflucht gegeben, wie es die Bundesrepublik Deutschland getan hat. Jede Nation, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat aber auch ein Recht darauf, eigene Sicherheitsinteressen umzusetzen. Jede Nation regelt im Aufenthaltsrecht den Aufenthalt von Bürgern in ihrem Staatsgebiet. Das ist legitim, das ist Hoheitsrecht, das ist in den arabischen Staaten genauso, wie wir das für uns in Anspruch nehmen. Deshalb sind Grenzkontrollen legitim und waren längst überfällig.

Wir brauchen eine Änderung der Dublin-Vereinbarung, wir brauchen keine neuen Regelungen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Warum haben wir die Grenzen aufgemacht, Herr Schiemann?)

Vielmehr muss ein Signal in die Herkunftsländer und in die Staaten mit Flüchtlingen in Nordafrika gesendet werden. Vier Millionen Menschen befinden sich dort in den Flüchtlingscamps, die versorgt werden müssen. Sie brauchen ein Signal, dass Europa ihnen vor Ort helfen wird.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Die Islamisten in den Bürgerkriegsländern müssen vertrieben werden. Syrien braucht einen Friedensplan, damit die Fluchtgründe endlich beendet werden. Europa muss dort die Energie einsetzen, damit die Menschen wieder in ihre Heimat zurückkehren können, damit sie sich auch in ihrer Heimat wieder engagieren und die Kriegsfolgen wieder beseitigen können.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Europa muss sich auf ein neues verlässliches Dublin-Abkommen verständigen. Wenn es zu einer Quotenregelung kommt, die alle fordern, dann werden die Flüchtlinge in den europäischen Staaten zugewiesen. Sie werden den Ländern in Quoten zugeteilt. Das bedeutet, dass die Flüchtlinge nicht selbst entscheiden können, in welchem Staat sie verbleiben.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die werden aber auch nicht dort bleiben, Herr Schiemann!)

Wir brauchen ein konsequentes Vorgehen gegen Schlepper, wir brauchen eine sehr starke Entwicklungshilfe, die

den nordafrikanischen Ländern hilft. Wir brauchen eine ehrliche – das sage ich aus fester Überzeugung als einer, der sich mit anderen ein Jahr lang um das Wohl der Flüchtlinge gekümmert hat – und offene Diskussion zum Thema Asyl.

Bitte zum Ende kommen.

Denkverbote zur Bewältigung dieser riesigen und schwierigen Aufgabe sind falsch.

Frau Präsidentin! Wir erwarten von allen, die bei uns Zuflucht finden, dass sie die Regeln, die es in Deutschland und in Sachsen gibt, einhalten.

(Beifall bei der CDU)

Das bedeutet, dass Frauen auch die gleichen Rechte haben müssen wie Männer.

Bitte zum Ende kommen!

Ich bin am Schluss, Frau Präsidentin. Ich hoffe, dass wir uns noch einmal die Einwanderungsregelungen von Kanada anschauen. Dort ist es auch die Pflicht des Migranten, mehr für die Integration zu tun.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE – Zuruf von der AfD: Herr Schiemann, herzlichen Dank!)

Die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort. Herr Baumann-Hasske, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir eine große Kontroverse hatten, möchte ich – um das vielleicht wieder etwas einzufangen – zunächst meinen Dank an all diejenigen richten, die in den letzten Monaten als ehrenamtliche Helfer aus Bund, Ländern und Gemeinden in der Lage waren, so viele Flüchtlinge aufzunehmen und das vielleicht auch in den nächsten Monaten weiterhin tun werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich finde, das ist ein extrem gutes Signal, auch ein gutes Signal hier in Sachsen. Da wir in den vergangenen Wochen und Monaten ganz andere Signale aus Sachsen vernommen haben und Sachsen im Moment in der öffentlichen Wahrnehmung noch für etwas anderes steht, finde ich es positiv, dass auch dieses aus Sachsen kommt.

Meine Damen und Herren! Wir haben eine Ausnahmesituation, die auf Sicht der nächsten Monate andauern und hoffentlich nicht zur Regel wird. Die Herausforderungen für uns alle werden bleiben und unsere Kräfte fordern.

Meine Damen und Herren! Wenn wir die Probleme, die sich aktuell stellen, pragmatisch lösen wollen, dann müssen wir zugleich den Blick darauf richten, wie sich die Situation über den Tag hinaus verbessern lässt, wie sich die Lasten fair verteilen, wie sie sich international mindern lassen. Für diese Veränderungen ist Europa unentbehrlich. Herr Kollege Schiemann hat dazu eben sehr viel gesagt.

Ich habe es allerdings so verstanden, dass die aktuellen Grenzkontrollen, die wir jetzt in Deutschland wieder haben, zwar eine Atempause sind – so wie es im Moment genannt wird –, aber auch in Zukunft erforderlich sein werden und vor allen Dingen an den Außengrenzen der EU stattfinden und besser organisiert werden müssen. Das sehe ich in der Tat auch so.

Vor allem müssen wir darauf achten, dass die Staaten, die sich an den Außengrenzen der EU befinden, endlich die notwendige Hilfe erhalten, die sie schon so lange eingefordert haben.

Meine Damen und Herren! Es ist beschämend, wenn einige europäische Innenminister offensichtlich nicht bereit sind, sich auf gemeinsame Regeln und Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu einigen. Das möchte ich einmal ausdrücklich festhalten.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Sie scheinen nicht zu erkennen, dass ein solches Verhalten nicht nur geeignet ist, die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik zu behindern, sondern auch geeignet sein kann, den Zusammenhalt innerhalb der EU insgesamt zu gefährden.

Beruhigend ist, dass eine Lösung – oder zumindest wesentliche Schritte hin zu einer Lösung – nicht erst im Oktober zu erwarten sind, sondern, wie wir ja gestern den Nachrichten entnehmen konnten, möglicherweise bei einem Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs bereits in der kommenden Woche in Angriff genommen werden.

Die Regeln, über die gesprochen werden muss und die im Rahmen einer europäischen Migrationsagenda neu zu fassen sind, bedürfen angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen, die im Moment nach Europa strömen, in der Tat einer Überprüfung. Daher, Kollege Barth, kann ich Ihren Vorwurf, Europa halte sich nie an eigene Regeln, so nicht stehen lassen. Wenn Sie schon vor Jahren gewusst haben, dass wir in Europa Millionen Flüchtlinge und in Deutschland circa 800 000 Flüchtlinge zu erwarten haben, dann hätten Sie schon früher Vorschläge dazu machen können, wie sich Europa und wie sich Deutschland auf die Aufnahme solcher Flüchtlingsströme hätte vorbereiten können, wie es im Grundgesetz und in der Europäischen Verfassung steht. Solche Vorschläge hätte ich von Ihnen, ehrlich gesagt, nicht erwartet – das will ich gern konzedieren –, aber diese wären dann angemessen gewesen.

(Jörg Urban, AfD: Die gab es, die Vorschläge!)