Protocol of the Session on September 16, 2015

Das alte Motto „Viel hilft viel“ wird nicht mehr funktionieren. Das heißt, nicht mehr Geld ist das Thema, sondern Geist, Ideen, Konzepte.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wenn wir von einer notwendigen Arbeitsmarktpolitik reden – die ich auch für richtig halte –, dann muss man sagen: Die beste Arbeitsmarktpolitik sind funktionierende Unternehmen, denen es gut geht. Sie schaffen hochwertige Arbeitsplätze, denn die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

In der Förderstrategie heißt es umzusteuern. Wir müssen uns auf die Situation einstellen. Erstens, die Exportförderung: Daran arbeitet die Regierung, und dort müssen wir noch besser werden. Zweitens brauchen wir die Förderung von Produktivität und hochwertige Arbeitsplätze. Es kann nicht mehr wie in der Vergangenheit sein, dass wir Arbeitsplätze, egal welcher Art, direkt fördern oder unsere Förderung direkt davon abhängig machen – dann fördern wir nur noch einen Verdrängungswettbewerb –, sondern wir müssen Produktivität fördern.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen Innovation fördern und Produkte, die weltmarktfähig sind. Dann entstehen die entsprechenden Arbeitsplätze. Das heißt auch – dem stimme ich ausdrücklich zu –: Die Aufwendungen, die Anstrengungen für Forschung und Entwicklung müssen sich deutlich erhö

hen. Wir brauchen niedrigschwellige Angebote, gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen, damit sie hier vorankommen.

Der dritte Bereich, meine Damen und Herren – neben der Konjunktur und der Struktur –, ist der Bereich des Verkehrs, den ich in so einer wichtigen Debatte nicht unter den Tisch fallen lassen möchte. Verkehr sorgt für Leben. Ja, wir sind in einer günstigen geografischen Lage in Europa, aber wir sind verkehrspolitisch im Windschatten, und das betrifft insbesondere den Eisenbahnverkehr.

Der Bundesverkehrsminister hat 2,7 Milliarden Euro zusätzlich für den Bundesverkehrswegeplan lockergemacht. Wenn man sich die Listen anschaut und verzweifelt nach sächsischen Vorhaben sucht, dann ist dort nur eines verzeichnet: die Ortsumfahrung in Hoyerswerda mit 14 Millionen Euro. Das ist schön für Hoyerswerda, aber ansonsten findet Sachsen nicht statt. Von 2,7 Milliarden Euro nur 14 Millionen Euro – das sind 0,5-Prozentpunkte, und wer den Königsteiner Schlüssel kennt mit gut 5 %, der weiß, dass Sachsen um das Zehnfache das Nachsehen hat.

Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir fertige Planungen. Wir müssen vorbereitet sein für zusätzliches Geld vom Bund und auch von der Europäischen Union.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Sachsen hat es in der Vergangenheit gezeigt, wir hatten die Planungen. Wo wäre es denn sonst möglich gewesen, eine Flughafenlandebahn in Leipzig und Halle neu zu bauen – 3 600 Meter gedreht, damit der Anflug nicht über die beiden Städte läuft. Mit jeder Tonnage können Sie dort fast zu jeder Tages- und Nachtzeit starten und landen. Das betrifft nicht nur die beiden Antonows, die startbereit an der Landebahn stehen, nicht nur die „Touristenbomber“, sondern auch Frachtflugzeuge.

Deswegen ist DHL von Brüssel nach Leipzig gekommen – mit hochwertiger Technologie, mit hochwertiger Logistik und den entsprechenden Arbeitsplätzen. Das ist sächsische Verkehrspolitik, die wir in diesem Land brauchen – keine kleinteiligen Lösungen, sondern großer Entwurf.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ein Thema, das mich sehr umtreibt – Sie hatten es in Ihrer Rede angesprochen, Herr Dulig –: Wir profitieren natürlich auch von den Seehäfen Hamburg und Bremen, aber wir sind bei der Eisenbahnverbindung abgeschnitten. Die Deutsche Bahn denkt über einen neuen Eisenbahnkorridor nach; Hannover – Kassel durch die Mitte Deutschlands ist der bestehende.

Wir brauchen eine Anbindung nach Südeuropa und Südosteuropa. Hierfür bietet sich Sachsen geradezu an. Wir brauchen also eine Verbindung zwischen der Ostsee und Adria – genauer gesagt zwischen Berlin und Prag –, und in der Mitte zwischen Berlin und Prag liegt Dresden. Hier brauchen wir mehr Anstrengungen vom Land,

nämlich eine deutliche Initiative in Richtung Planung des Tunnels durch das Erzgebirge von Heidenau bis auf die tschechische Seite. Das würde auch Verkehrsströme ins Land lenken, und zwar nicht auf der Autobahn, sondern auf der Schiene, die umweltfreundlich ist. Wir wären geopolitisch in ein Hochgeschwindigkeitsnetz in Europa eingebunden. Wir würden für sächsische Unternehmerinnen und Unternehmer Aufträge akquirieren können und gleichzeitig noch den Lärm aus dem Schienenverkehr aus dem Elbtal holen.

Das heißt, wir brauchen Planungsanstrengungen und eigenes Landesgeld, um das voranzutreiben, den Bund und die Europäische Union zu drängen, hier einzusteigen. Das ist eine strategische Aufgabe, die wir jetzt anpacken müssen, damit Sachsen im verkehrspolitischen Verbund in der Eisenbahn nicht weiter abgehängt wird.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, der AfD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren, wir schaffen das moderne Sachsen. Das wirft die Frage auf: Wie sieht das moderne Sachsen aus und wie schaffen wir es, dort hinzukommen? Aus meiner Sicht – und da ist die Innovationsökonomie angesprochen – gibt es drei Punkte.

Der erste Punkt ist Technologie. Die haben wir in Sachsen, wir haben auch die Ideen. Manchmal müssen wir uns fragen, ob nicht die Vermarktung, der Absatz und das Marketing dazugehören.

Der zweite Punkt sind Talente. Auch die haben wir. Aber die Demografie zeigt uns: Das Erwerbspersonenpotenzial sinkt schneller als die Bevölkerung; es wird zu einem knappen Gut werden.

Technologie haben wir, Talente haben wir. Aber ein drittes „T“ ist die Toleranz. Herr Dulig, Sie haben es angesprochen: Ohne Sachsen als weltoffenes Land, ohne eine Kultur, die hier Spitzenkräfte und Talente weltweit anzieht und ihnen ein Zuhause bietet, nützt die beste Wirtschaftsförderung nichts.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, den LINKEN und der Staatsregierung)

Unser Land hat Schaden im Image genommen, und zwar nachhaltig – nicht nur national, sondern auch international. Wir müssen alles tun, damit wir wieder weltoffen werden – nicht nur für die Wirtschaftseliten, sondern auch für die Wissenschaftseliten, die wir dringend nicht nur in Dresden, sondern in ganz Sachsen brauchen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, den LINKEN und der Staatsregierung)

Wir brauchen eine Neuausrichtung der Wirtschaftsförderung in Sachsen. Wir brauchen eine moderne Verkehrspolitik, die insbesondere bei der Eisenbahn die Magistralen in Europa – Ostsee, Adria – nicht aus dem Blick verliert, und wir brauchen vor allem wieder den Mut zu großen Lösungen. Wir brauchen Mut zu großen Projekten, so wie in der Vergangenheit. Bei allen kleinteiligen Einzelprojek

ten, die für sich genommen richtig sind, brauchen wir aber kein Sammelsurium von kleinen Maßnahmen, sondern wir brauchen wieder den großen Wurf in Sachsen. Den möchte ich in den nächsten Jahren vorantreiben. Nur so kommen wir wieder in die Modernität und werden modern und attraktiv werden auch für andere Nationen und andere Länder.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, den LINKEN und der Staatsregierung)

Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Prof. Wöller. Jetzt schließt sich mit Herrn Kollegen Baum die SPD-Fraktion an.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn Herr Staatsminister Dulig und wir heute darüber sprechen, dass wir das Sachsen von morgen schaffen, dann möchte ich im Folgenden stärker darauf eingehen, dass wir damit auch zwangsläufig intensiv über das Thema Strukturwandel sprechen – eigentlich für die Lausitz –; Strukturwandel 2.0.

Die Botschaft muss doch konkret für diese Region – darauf konzentriert sich mein Redebeitrag – lauten: Die Lausitz als eine vom ersten Strukturwandel und seit über 25 Jahren am stärksten betroffene Region stellt sich den Herausforderungen und sieht für sich Chancen im Ergebnis einer klugen Wirtschafts- und Verkehrspolitik. Dafür müssen wir aber gemeinsam heute die Weichen für morgen stellen.

Mit Blick auf die Lausitz sieht man doch ganz deutlich, dass ein Strukturwandel nicht von heute auf morgen geschehen kann, sondern mit Augenmaß und Sensibilität für die Menschen und für die Region. Die Braunkohlennutzung wird so lange erforderlich sein, bis die erneuerbaren Energien und die dazugehörigen Speicher und Stromnetze in der Lage sind, die Versorgungssicherheit in gleichem Maße zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Uns und auch mir ist klar, dass die Braunkohlenverstromung in Zukunft zurückgehen wird, auch weil wir uns für den Ausbau der erneuerbaren Energien klar ausgesprochen haben und Sachsen die Energiewende zum Erfolg führen will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen also das eine tun – die erneuerbaren Energien ausbauen –, ohne das andere zu lassen – nämlich für die Arbeitsplätze in der Lausitz zu kämpfen.

Unser Ziel ist es, mit einer klugen und vorausschauenden Politik Alternativen für die Zeit nach der Braunkohlenverstromung zu entwickeln. Gute Beispiele hierfür gibt es bereits, wie Kollege Vieweg und ich erst in der vergangenen Woche bei unserem Besuch in Nordrhein-Westfalen erfahren durften, oder wie mit der Gründung des Deut

schen Kohlenstofftransformationszentrums im brandenburgischen Senftenberg im August zu erleben war.

Herr Kollege Brünler, viele Tausend Arbeitsplätze in der Braunkohle und in der Energiewirtschaft sind kein „Popanz“.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung sowie vereinzelt Beifall bei der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es kommt darauf an, wie viele!)

In Nordrhein-Westfalen schafft man bereits seit circa zwei Jahren die Voraussetzungen für den Strukturwandel in der dortigen Braunkohlenregion westlich von Köln. Es gab dazu eine Enquete-Kommission und im Ergebnis dessen liegt auch ein Enquete-Bericht mit Handlungsempfehlungen vor – dem übrigens alle Fraktionen im Düsseldorfer Landtag zugestimmt haben. Die nun in NordrheinWestfalen gebildete Innovationsregion Rheinisches

Revier – kurz: IRR – ist beispielgebend für uns.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle, meinen geschätzten NRW-Kollegen Guido van den Berg zu zitieren, der vor einiger Zeit folgende absolut zutreffende Aussage geprägt hat: „Man kann durchaus aus der Braunkohle Intelligenteres als nur Wasser warm machen und eine Turbine anwerfen. Wir wollen die Kohle aus dem Feuer holen und setzen damit die Braunkohle nicht in CO2 um, sondern wollen den Kohlenstoff im Produkt binden.“ Unser gemeinsames Ziel muss es also sein, die stoffliche Nutzung der Braunkohle voranzutreiben. Wir gehen damit auf einen Weg, den Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen und Rot-Rot in Brandenburg – jeweils mit breiter Unterstützung durch die jeweiligen CDU-Fraktionen – bereits eingeschlagen haben. Dieser Weg wird kein leichter sein.

(Heiterkeit)

Aber er könnte Arbeitsplätze in Größenordnungen erhalten oder schaffen – bei gleichzeitiger Verbesserung der Klimabilanz; denn der CO2-Ausstoß würde sich deutlich verringern.

Mit unserer klugen Wirtschaftspolitik unterstützen wir also Lösungen für den Strukturwandel. Die GRWFörderung für regionales Wachstum wollen wir damit als Instrument nutzen. Hierfür haben wir im aktuellen Doppelhaushalt jährlich 10 Millionen Euro bereitgestellt, auch um regionale Wirtschaftskreisläufe noch gezielter unterstützen zu können.

Auch die Fusionsfonds sind ein Instrument unserer Wirtschaftspolitik, welches helfen soll, sowohl die zum Teil schwierige Suche nach Unternehmensnachfolgen zu unterstützen als auch gezielt Hilfe anzubieten, wenn mehrere Unternehmen sich zusammenschließen wollen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich gilt es, auch weiterhin den Tourismus zu entwickeln. Ich nenne nur das Stichwort Tourismusförderung und das Stichwort „Tourismuskonzept 2020“. Nicht nur die Bergbaufolgelandschaften mit ihren vielen Seen sollen

nach und nach ihr touristisches Potenzial entwickeln. Naherholung und Erlebnistourismus werden immer stärker nachgefragt. Hier muss eine Tourismusförderung ansetzen und gezielt Destinationen außerhalb der großen Ballungszentren unterstützen.