Protocol of the Session on September 16, 2015

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das erzählen Sie uns schon ein halbes Jahr! Die Reaktion ist, dass Sie Veranstaltungen absagen!)

Ich bin froh, dass die Fachkommission Polizei ihre Ergebnisse in wenigen Monaten vorlegen wird – Ende dieses Jahres. Herr Kollege Hartmann hat es ebenfalls gesagt: Wir als Koalition werden auch kurzfristig handeln,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach, kurzfristig!)

durch Einführung der Wachpolizei, wir werden für eine kurzfristige Entlastung bei der Polizei sorgen. Das ist das eigentliche Problem bei der gesamten Gemengelage, aber nicht dieser Popanz, den Sie hier aufgebaut haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ihr sagt: „Wir haben alles richtig gemacht“! Merkt ihr eigentlich nichts? – Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich lasse Sie sich erst einmal alle beruhigen.

(Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich glaube nicht, dass Sie eine Pause haben wollen.

(Christian Piwarz, CDU: Herr Gebhardt bräuchte mal eine!)

Gut, ich frage jetzt erst noch die Fraktion der AfD, die an der Reihe ist. – Bitte schön, Herr Abg. Hütter. Danach folgt die Fraktion GRÜNE, und anschließend hat Herr Abg. Bartl noch einmal das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte noch einmal ganz kurz auf die Thematik des Polizeieinsatzkräftemangels zurückkommen. Am 6. August habe ich in einer Sitzung des Innenausschusses die Staatsregierung und die anwesenden Vertreter der Polizei gefragt, ob sie in Sachsen die Sicherheit von Asylbewerbern und Einwohnern gewährleisten könnten.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Jetzt: Vorsicht!)

Die Antwort war ein klares Ja, das sogar noch von einem süffisanten Lächeln unterlegt war, das dokumentieren sollte, für wie abwegig man meine Frage hielt. In der gleichen Sitzung hat übrigens auch der Kollege Christian Hartmann von der CDU-Fraktion eine ähnlich gelagerte Frage gestellt. Die Antwort war im Tenor die gleiche: Eine mögliche personelle Verstärkung der Polizei wurde als nicht notwendig erachtet. Man werde das – wie auch in der Vergangenheit – schon stemmen.

Die Realität in Heidenau, in Leipzig und andernorts zeigt, dass diese Einschätzung ein Fehler ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Wird von der Fraktion GRÜNE noch einmal das Wort gewünscht? Herr Fraktionsvorsitzender?

(Zuruf von den GRÜNEN: Nein, wir wünschen das Wort nicht!)

Gut. Dann Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für das Protokoll noch einmal etwas sortierter wiedergegeben, als es mein Fraktionsvorsitzender eingeworfen hat: Die ganze Bundesrepublik spricht darüber und regt sich darüber auf, dass in Sachsen qua Allgemeinverfügung, qua Verbotsverfügung der Polizei bzw. der Ordnungsbehörde Versammlungsrecht suspendiert wird. Darüber debattiert man in Berlin, in Brandenburg, in Thüringen, überall.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Dann lassen Sie sie doch debattieren!)

Und wir gehen leichten Fußes darüber hinweg. Wir erklären nur kurzerhand, wir dürften uns doch nicht über die Polizisten aufregen, die „hielten nur ihren Arsch hin“. Richtig!

(Christian Piwarz, CDU: Na!)

Dafür, dass sie das tun müssen, ist ein Stück weit auch das Parlament zuständig. Hier liegt letzten Endes die Verantwortung. Durch den Personalabbau ist genau diese Situation entstanden.

(Beifall bei den LINKEN)

Die Lösung des Problems, dass das auf Kosten der Polizeibeamten geht, funktioniert aber nicht durch die Aushöhlung des Versammlungsrechts. Das geht so nicht. Hier geht es um eine prinzipielle Verständigung. Artikel 23 kommt aus diesem Haus. Wenn Artikel 23 der Verfassung zur Disposition gestellt zu sein scheint, wenn auch nur dieser Anschein besteht, dann muss dieses Haus zuallererst hintreten und muss sagen: Nein, Herrschaften – Exekutive, Ministerielle und dergleichen mehr –, die Verfassung ist von dieser Seite zu lesen. Zuerst kommen die Freiheitsrechte und Grundrechte und dann das Grundrecht auf Sicherheit.

(Geert Mackenroth, CDU: Das ist Quatsch!)

Genau das Problem bleibt. Herr Kollege Pallas, bei allem Respekt und aller Kollegialität: Wenn Sie mir erklären: Wenn ich schon die Überschrift lese, dann brauche ich den Antrag gar nicht mehr zu lesen – –

(Christian Piwarz, CDU: Das stimmt! Das geht uns aber bei Ihren Anträgen oft so!)

Wenn ich bei dieser Problematik der Zuspitzung also schon nicht mehr aus dem Parlament heraus auf das Problem aufmerksam machen kann – –

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Ja, das glaube ich Ihnen ja auch, aber selbst bei aller Rhetorik: Wir müssen uns darüber verständigen, dass wir in den Augen der Bundesrepublik Deutschland, in den Augen der anderen Länder dabei sind, in einer Art und Weise mit dem Versammlungsrecht umzugehen, dass man sagt: Um Gottes willen, nur nicht in Sachsen auftreffen und dort hineingeraten. Das kann so nicht sein.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben alle gesprochen. Jetzt bitte ich die Staatsregierung, das Wort zu nehmen. Herr Staatsminister Ulbig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Als Vertreter der Staatsregierung möchte ich zuallererst einmal deutlich klarstellen: Versammlungsfreiheit ist für uns als Staatsregierung ein hohes Gut, das wir nicht durch irgendwelche Demonstrationsverbote leichtfertig aufs Spiel setzen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das haben Sie uns im Frühjahr auch schon gesagt, Herr Minister!)

Herr Bartl, ich will anerkennen, dass der Antrag so, wie Sie ihn eingebracht haben, deutlich moderater gewesen ist – so habe ich es wahrgenommen –, als er in Schriftform

vorgelegen hat. Das will ich anerkennen. Die Debatte hat sich natürlich an der einen oder anderen Stelle zugespitzt, weil nämlich wirklich suggeriert wird, die Staatsregierung würde – sozusagen als Staatsregierung – dafür sorgen, dass Versammlungsverbote erlassen werden, und das sei sozusagen das Grundprinzip. Dem will ich konsequent entgegentreten. Dem ist nicht so. Dafür gibt es auch keine Grundlage.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ja, es hat Entscheidungen gegeben. Die Allgemeinverfügung im Januar: Darüber haben wir diskutiert, darüber haben wir auch hier im Hohen Hause debattiert. Ich habe wahrgenommen, dass bei dieser Entscheidung nicht alle gejubelt haben, aber die konkrete Gefahr im Kern doch deutlich geworden ist und dass man in gewisser Weise zumindest Verständnis gehabt hat. Das will ich aus meiner Sicht so sagen. Denn aus meiner Sicht wäre es verantwortungslos gewesen, beim Vorliegen einer konkreten Gefahr anders zu handeln.

Im Übrigen hat es im Nachgang auch in anderen Ländern – ich erinnere an den Rosenmontag in Braunschweig und an den Frankfurter Henningerturm – auch außerhalb Sachsens Entscheidungen von Polizeipräsidenten gegeben, die sich auf einer vergleichbaren Grundlage bewegten. Sie haben gleichermaßen aufgrund des Vorliegens einer konkreten Gefahr entschieden.

Nun zur neuerlichen Verfügung. Dazu hat Polizeipräsident Kroll im Innenausschuss schon erste Ausführungen gemacht. Es sind dazu Anträge und Kleine Anfragen gestellt worden, deswegen will ich den Sachverhalt hier nicht vertiefen. Nur so viel: Das Bundesverfassungsgericht hat nicht etwa gesagt, dass die Allgemeinverfügung falsch war, sondern es hat lediglich in der Folgenabwägung gegen die Entscheidung der Versammlungsbehörde gesprochen und betont, dass der zugrunde liegende Notstand nicht ausreichend begründet wurde. Das heißt, man hätte gründlicher abwägen und darlegen müssen, welche Gefahrenlage für die Polizei und die Versammlungsteilnehmer bestand und welche Indizienwirkung die Ausschreitungen des Vorwochenendes für die bevorstehende Lage hatten.

Daher mag die Entscheidung vor Ort aus der heutigen Perspektive und mit etwas Abstand durchaus diskussionswürdig bleiben. Wir haben das auch mit den Versammlungsbehörden ausgewertet. Wir haben auch mit den Polizeibehörden dazu noch einmal gesprochen. Aber damals schien sie – jedenfalls der Polizeiführung – aufgrund der Lageanalyse geboten, und es ist richtig, auch das will ich klar sagen. Die Polizei hat die Basis für die Entscheidung der Versammlungsbehörde geliefert – auch das, um es noch einmal klar und deutlich auszusprechen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eins möchte ich in dieser Diskussion zu diesem Antrag noch einmal deutlich machen und ein Stück weit auf den Kern eines anderen Problems hinweisen: Die Versammlungsfreiheit schützt ausschließlich friedliche Versammlungen – Herr

Modschiedler hat darauf hingewiesen –, nicht Gewaltausbrüche, auf welcher Seite des politischen Spektrums diese auch immer stattfinden mögen.

Dort, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir durchaus ein Kernproblem, weil sich nämlich in der letzten Zeit viele Demonstrationslagen genau in eine solche Richtung auswachsen. Da wird teilweise schon im Vorfeld Stimmung gemacht, gezielt Gewalt gegen Menschen, gegen Polizeibeamte oder gegen den politischen Gegner in Aussicht gestellt, so wie es die Polizeiführung dann im konkreten Fall bei ihrer Lageanalyse zugrunde gelegt hat.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Gewalt und das gegenseitige Streitigmachen der Versammlungsfreiheit hat eben nichts mit friedlichem Versammeln oder Demonstrieren zu tun und schon gar nicht mit einer freien Meinungsäußerung. Hier geht es um Eskalation. Da gilt es dann, an dieser Stelle auch klar und deutlich Grenzen zu ziehen. Das gilt es auch für die Zukunft. Dabei wird von uns natürlich auch nicht zwischen der einen, der guten, und zwischen der anderen, der schlechten Meinungsäußerung und unerwünschter Meinungsäußerung unterschieden. Das dürfen wir gar nicht.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Die Grenze bildet hier die strafrechtliche Relevanz und nicht die dahinterstehende Gesinnung. Deshalb verkennen der Antrag und ein Teil der Diskussion dieses Kernproblem. Die Staatsregierung und die Versammlungsbehörden gefährden doch nicht das Versammlungsrecht. Das Versammlungsrecht wird durch diejenigen gefährdet, die es als Deckmantel für eine Gewalteskalation missbrauchen,

(Beifall bei der CDU)

und dem gilt es sich entsprechend entgegenzustellen. Wenn uns das gelingt, dann wird es auch in Zukunft unproblematisch sein, eine ungehinderte Grundrechtsausübung weiter im Freistaat Sachsen durchzuführen.