Mit so etwas identifizieren Sie sich indirekt, indem Sie das dulden. Eine Katastrophe, das sage ich Ihnen ganz ehrlich.
Sie hat ja gestern über die Würde des Menschen gesprochen. Die sollte ja unantastbar sein. Aber die immerhin 16 Angriffe in Connewitz, das sind anscheinend keine Menschen gewesen, die da angegriffen wurden. Da war sie ja dabei. Ich sage ja: Tolerierung, Duldung ist Unterstützung dabei. Also, die Würde des Menschen ist anscheinend auch parteipolitisch unterschiedlich zu bewerten. Heute Morgen hat der Ministerpräsident gefordert – –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Titel des Antrages „Der Abgeordnete im Rechtsstaat – Freiwild für Polit-Chaoten“ gelesen habe, war ich mir nicht ganz sicher, was die AfD-Fraktion damit beabsichtigt.
Die Unsicherheit wuchs auch mit der Berichterstattung vom Bundesparteitag der AfD, bei der Äußerungen von und gegen politisch Tätige vorgenommen wurden, die ich diesem Hohen Hause lieber ersparen möchte. Aber vielleicht geht es ja in dem Antrag auch ein wenig um die Selbstfindung der AfD.
Meine Damen und Herren, nun zum Antrag selbst. Ein Blick in den Duden zeigt: „Freiwild“ bedeutet im eigentlichen Sinne „zur Jagd freigegebenes Wild“, und das Wort wird häufig als Metapher für Menschen benutzt, die der Willkür anderer schutzlos ausgeliefert sind.
Was hat das mit Abgeordneten im Rechtsstaat und mit dieser Debatte zu tun? Nun, das ist die Frage, wie es der Titel Ihres Antrages, werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD, suggeriert: eine vermeintliche Tatsachenlage:
Dem ist nicht so, denn wir leben weder in einer Bananenrepublik noch in einer Diktatur. Was aber stimmt, ist, dass auch – ich betone: auch – Abgeordnete verbal und nonverbal in einer nicht akzeptablen Art und Weise angegriffen werden: durch persönliche Beleidigungen und Beschimpfungen, durch Aufrufe zu Gewalttaten, durch Beschädigungen von Bürgerbüros, in denen sie vor allem für Bürgerinnen und Bürger vor Ort da sein wollen.
Dennoch, meine Damen und Herren, ist der Bogen weiter zu spannen. Es geht nämlich nicht nur um Abgeordnete, sondern es geht um nicht weniger als um unsere Demokratie, um unsere Gesellschaft, um den Schutz aller Bürger, die sich engagieren möchten.
Ich erinnere: Ziel von Angriffen waren in massiver Form auch unsere Polizisten. Es gab Angriffe auf die Justiz, in besonders schwerer Form in Leipzig. Gäste unseres Landes, so das amerikanische Konsulat in Leipzig, wurden schwer attackiert. Es werden Bürger, die sich um die Beherbergung von Asylbewerbern bemühen, mit Morddrohungen belegt, und es werden Brandanschläge auf Asylbewerberunterkünfte oder auf Bahnanlagen verübt. Solchen Angriffen, sehr geehrte Damen und Herren, wird medial meist eine große Bedeutung beigemessen. Dennoch werden sie von einer Minderheit ausgeführt, und auch deshalb sind solche Eingriffe klar zu verurteilen.
Demokratie und Gesellschaft werden nicht von allen respektiert, deshalb sind sie immer Gefahren ausgesetzt. Wir als Demokraten – dazu zähle ich den übergroßen Teil der Bevölkerung – haben die Pflicht zu zeigen, dass die politische Auseinandersetzung eben nicht mit Gewalt funktioniert und nicht auf Beleidigungen jeglicher Art setzen darf, sondern dass alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen sind, sich im Rahmen der vielfältigen demokratischen Möglichkeiten einzubringen und Gesicht zu zeigen. Wir als Volksvertreter sollten ihnen dabei zur Seite stehen und uns mit ihnen auf eine Stufe begeben.
Wir sagen den Chaoten von rechts und links ganz klar: In Sachsen haben wir einen verlässlich funktionierenden und demokratischen Rechtsstaat. Diesen werden wir Abgeordnete im Parlament sowie auch mit und bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort durch klare Positionen im politischen Handeln verteidigen. Unsere Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Richterschaft bieten jenen, die sich nicht an diese grundsätzlichen demokratischen Spielregeln halten wollen, mit allen rechtsstaatlichen Mitteln Paroli, und jeder Einzelfall von Angriffen auf unsere demokratischen Grundsätze wird von Polizei und
Justiz ernst genommen und entsprechend geahndet. Deshalb kann und soll sich jeder politisch bürgerschaftlich frei engagieren, ganz gleich, ob er frei gewählter Abgeordneter ist oder sich ehrenamtlich politisch engagieren möchte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man muss ja Herrn Spangenberg fast dankbar sein, dass er bei seiner Aufzählung nicht die üblichen Begrifflichkeiten verwendet hat, dass das „Anschläge“ gewesen wären und „Terrorgefahr“; denn das steht dann zu solchen Aufklebern mit in den Pressemitteilungen der AfD.
Ich habe gestern angesichts dieser Aktuellen Debatte in meiner Fraktion einmal eine kurze Umfrage gestartet, welche Angriffe auf Politiker und ihre Büros es denn bei uns so gegeben hat. Ich lese es einmal ganz kurz vor, ohne weitere Zahlen, es ist nur die Erwähnung von Tatsachen: Briefkasten gesprengt, totes Huhn vor der Tür, eingeschlagene Scheiben, Drohbriefe, anonyme Bedrohungen, ganze Häuser beschmiert, Komplettentglasungen im Wochenrhythmus,
verbale Angriffe, Morddrohungen, Kot und Tierkadaver im Briefkasten; Türschilder abgerissen, beschmiert, weggeworfen.
Warum betone ich das noch einmal so? Die Liste ist lang, und jede einzelne Tat ist zu verabscheuen. Aber wir müssen mit unserer Sprache aufpassen: Was ist ein Aufkleber, und was ist wirklich ein Anschlag, bei dem Menschenleben in Gefahr kommen könnten? Aus meiner Sicht betreibt die AfD bei ihrer Darstellung einfach nur Effekthascherei.
Denken wir an den Fall Göttingen. Ich darf Sie noch einmal daran erinnern: Die Tagespresse berichtete zunächst unter Berufung auf einen Parteisprecher der AfD, in einem Lokal sei durch Vermummte ein Tisch umgestoßen und Petry mit Fruchtsaftbeuteln beworfen worden.
In der Zeitschrift der AfD, „Sachsen aktuell“, hieß es kurze Zeit später, das Restaurant sei gestürmt, Petry beworfen und erheblicher Sachschaden angerichtet worden. Die Göttinger Polizei widersprach dieser Darstellung – die Göttinger Polizei! – aber bereits am folgenden Tag. Demnach hat es keine Verletzungen gegeben, keine
(Zurufe der Abg. Christian Piwarz, CDU, und Valentin Lippmann, GRÜNE – Weitere Zurufe von den LINKEN)
Ungeachtet dessen sprach der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Herr Dreher, noch Tage später – –
(Dr. Stefan Dreher, AfD: Dr. Dreher, bitte, Frau Köditz! – Christian Piwarz, CDU: Ich fordere einen Untersuchungsausschuss! – Patrick Schreiber, CDU: Herr Bartl soll den Vorsitzenden machen! – Zurufe von den LINKEN)
Noch Tage später wurde in einer Pressemitteilung über Anschläge gegen unliebsame Politiker, wie jüngst gegen die AfD-Fraktionsvorsitzende Frauke Petry, berichtet.