Protocol of the Session on July 9, 2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion DIE LINKE wird sich deshalb bei diesem Antrag enthalten – nicht, weil die Richtung verkehrt ist, sondern weil es wieder nur um ein Modellprojekt geht, das nicht ausfinanziert ist, und weil wir stattdessen einen grundsätzlich anderen Ansatz für die Weiterentwicklung der sächsischen Kitas brauchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Jetzt ergreift für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Kersten das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestern durfte sich die AfD von der SPD sagen lassen, dass es ihr widerstrebe, über einen Antrag zu sprechen, in dessen Erarbeitung weniger Zeit investiert wurde, als letztlich hier in diesem Hohen Hause darüber gesprochen wird. Ich kann Ihnen heute dieses Kompliment zurückgeben.

(Beifall bei der AfD)

Beim Lesen des Antrags war ich ein wenig erstaunt. Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren weiterentwickeln – mein erster Gedanke dazu war, dass die ureigene Aufgabe der Familie, die Erziehung der eigenen Kinder, verstärkt in staatliche Hände gegeben werden soll; dass Eltern ihre oftmals wenige private Zeit, die sie noch mit ihren Kindern verbringen können, noch öfter in staatlichen Einrichtungen, also unter staatlichem Einfluss, zubringen sollen. Trägt dieser Antrag vordergründig die SPD-Handschrift? Die aktuell von unserer Familienministerin geforderte 24-Stunden-Kita lässt dies durchaus vermuten.

Im Antrag werden Erfahrungswerte aus Sachsen aufgeführt und in der gerade einmal eine halbe Seite währenden Begründung positive Erfahrungen aus anderen Bundesländern genannt. Welche das aber sein sollen, erfährt der geneigte Leser nicht. Gerade diese wären nun aber interessant gewesen. Auch werden neue Wege der Familienbildung erwähnt; aber auch hier erfahren wir nicht, welche dies sein sollen. In der Begründung erfahren wir vor allem, wofür Kitas gut sind. Das, meine Damen und Herren, ist aber nun wahrlich nicht neu. Unscharfe bzw. gar keine Ausführungen sind zur Zielgruppe der Beratung oder zu Art und Anzahl der Einrichtungen, die künftig zu Eltern-Kind-Zentren entwickelt werden sollen, formuliert.

Der vorliegende Antrag lässt der Konzepterstellung einen orientierungslosen Spielraum und genau hier liegt für uns das Problem: Es ist nicht abzuschätzen, ob das aus dem

Antrag resultierende Konzept zu unterstützen wäre oder nicht.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Ich habe mir daher einmal die Mühe gemacht, nach Informationen bzw. Konzepten über bereits vorhandene Eltern-Kind-Zentren zu suchen, und möchte einige Aspekte nennen, unter deren Berücksichtigung Eltern-KindZentren aus unserer Sicht durchaus sinnvoll sein könnten.

Positive Erfahrungen waren beispielsweise zu ElternKind-Zentren in sozialen Problemgebieten zu finden. Dazu zählen manchenorts die zu DDR-Zeiten errichteten Neubaugebiete. Zahlreicher Leerstand mit der Folge von Rückbauten, vielfältige Struktur und somit Veränderungsprozesse sowie ein hoher Anteil an einkommensschwachen bzw. vom Erwerbsleben ausgeschlossenen Haushalten, soziale Konfliktpotenziale und prekäre Lebenssituationen als auch oftmals von Armut bedrohte Familien sind kennzeichnend für diese Gebiete.

(Patrick Schreiber, CDU: Haben Sie den Antrag gelesen, Frau Kersten?)

Parallel zum Anstieg sozialer Probleme kann hier der Bedarf an erzieherischen Hilfen wachsen. In genau solchen Gebieten können Eltern-Kind-Zentren positive Wirkungen haben. Also einzelne, gezielt entwickelte Eltern-Kind-Zentren ja; flächendeckende lehnen wir allerdings ab.

(Patrick Schreiber, CDU: So steht es im Antrag!)

In Bezug auf das zu erstellende Konzept erwarten wir die klare Benennung, wer wie und in welchem Umfang die entsprechenden Angebote umsetzt. Die Entwicklung einer Kita zu einem Eltern-Kind-Zentrum bedeutet gleichzeitig, dass auch die Mitarbeiter der Kita mit neuen Aufgaben konfrontiert werden. Diese sind aber mit ihrer täglichen Arbeit bereits voll ausgelastet. Das Konzept muss auf diesen Punkt eingehen: Wo kommt die Arbeitsleistung her? Werden neue Stellen vor allem in der Kita, die ihre grundsätzliche Betreuungsarbeit weiter absichern muss, geschaffen?

Darüber hinaus – ich habe es bereits erwähnt – sind die Ziele für die Konzeptentwicklung nur vage gesteckt. Es muss klar herausgestellt werden, welche konkreten Probleme sich durch die Einführung von Eltern-KindZentren bekämpfen lassen. Wer ist die Zielgruppe? Das Konzept eines Eltern-Kind-Zentrums muss inhaltlich einen Schwerpunkt erhalten. Der vorliegende Antrag unterstellt gewissermaßen, jede Familie sei auf Beratung angewiesen und würde vom Eltern-Kind-Zentrum profitieren.

(Patrick Schreiber, CDU: Wo steht denn das?)

Er unterstellt es.

(Patrick Schreiber, CDU: Also steht es so nicht im Antrag!)

Dazu möchte ich aber nochmals deutlich sagen: Erziehung ist Familiensache.

(Beifall bei der AfD – Patrick Schreiber, CDU: Begründung Satz eins, Frau Kersten!)

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass ich persönlich es für skandalös halte, dass der Landesverband Sachsen des Deutschen Familienverbandes keine institutionelle Förderung erhält. Ein Verband, welcher sich als erster Ansprechpartner für Familienfragen sieht, welcher sich die Unterstützung von Familien auf die Fahnen geschrieben hat, arbeitet mit gerade einmal drei ehrenamtlichen Mitarbeitern.

(Beifall bei der AfD)

Ich kann nur hoffen, dass dieser Verband in die Konzeptionierung einbezogen wird.

Wir werden uns zu dem Antrag der Stimme enthalten, sind aber auf das angekündigte Konzept gespannt und hoffen, wenn es denn da ist, dass wir es auch zu Gesicht bekommen.

(Beifall bei der AfD)

Als Nächstes erhält die Fraktion GRÜNE das Wort. Wir hören erneut Herrn Kollegen Zschocke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass sich endlich auch Sachsen auf den Weg macht, Kindertagesstätten gezielt darin zu unterstützen, Eltern-Kind-Zentren zu gründen. Die Familienformen sind heute vielfältiger als früher, ebenso die Lebenslagen von Familien. Alleinerziehende, Eltern oder Kinder mit Behinderung, Familien mit Migrationshintergrund, Regenbogenfamilien – um nur einige Beispiele zu nennen –, alle sind ganz unterschiedlich gefordert.

Ziel von Eltern-Kind-Zentren ist es, auf die verschiedensten Bedürfnisse von Eltern und Kindern reagieren zu können. Der Antrag der Koalition nimmt die Familie als Ganzes in den Blick – ich gehe davon aus, auch alle verschiedenen Familienformen. Wie Ihr Begründungstext hervorhebt, bieten Eltern-Kind-Zentren die Chance, auch neue Wege in der Familienbildung zu gehen.

Wir als GRÜNE sind der Überzeugung, dass Kitas eine sehr große Rolle spielen, wenn es darum geht, der Benachteiligung von Kindern entgegenzuwirken. Erzieherinnen und Erzieher, die den ganzen Tag mit den Kindern zusammen sind, wissen um die Stärken und Schwächen der Familien, kennen den Entwicklungsstand des Kindes, sind nah dran an den Familien und können erkennen, welche Unterstützung benötigt wird. Sie haben oft einen sehr direkten und auch persönlichen Zugang zu den Eltern.

Es wäre gut, wenn Sie sich mit der Erarbeitung des Konzeptes nicht allzu viel Zeit ließen. Denn in der Tat steht Sachsen in Bezug auf dieses Thema nicht am An

fang. Frau Klepsch hat schon darauf hingewiesen: 2007 ist im Auftrag des Staatsministeriums für Soziales bereits ein pädagogisches Handbuch unter dem Titel „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“ veröffentlicht worden. Schon damals gab es ein Landesmodellprojekt in Zusammenarbeit mit dem Landesjugendamt.

Wenn Sie heute ein neues Modellprojekt initiieren, dann prüfen Sie bitte auch, welche gelungenen Ansätze es in Sachsen bereits gibt. Holger Gasse hat den Blick schon auf die Kinder- und Familienzentren in Leipzig gelenkt. Die Stadt hat auf eigene Initiative 14 Kitas modellhaft zu Kinder- und Familienzentren weiterentwickelt, die aber unterschiedliche Konzepte verfolgen und sich auch am Bedarf im jeweiligen Stadtteil orientieren. Doch eines ist allen gemein: Sie haben sich zu einem Anlaufpunkt für die gesamte Familie entwickelt, beziehen die Eltern mit ihren Bedürfnissen in den Kita-Alltag ein und haben sich für den Stadtteil geöffnet.

Durch gute frühkindliche Bildung können Nachteile, die Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres sozialen Umfeldes haben, frühzeitig ausgeglichen oder zumindest abgemildert werden. Dazu hat unsere Fraktion schon mehrere Initiativen gestartet und vor drei Jahren zum Beispiel einen entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Wir hätten diesen sicherlich – in aktualisierter Form – als neuen Antrag zur Stärkung von Kindertageseinrichtungen in Ortsteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf vorlegen können. Aber wenn ich hier etwas gelernt habe, dann ist es Folgendes: Wenn wir etwas vorschlagen, dem Sie inhaltlich zustimmen, dann lehnen Sie das ab.

Wir machen dieses wirklich blöde Spiel nicht mit. Der heute von der Koalition vorgelegte Antrag findet unsere volle Zustimmung. Deshalb werden wir zustimmen. Wir sind gespannt auf das Konzept, das hoffentlich im Herbst vorgelegt wird, und werden prüfen, was neu daran ist. Wir wollen natürlich mitverfolgen, wie viele Eltern-KindZentren mit den jährlich eingeplanten 500 000 Euro bis zum Jahr 2016 entstehen werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wird von den Fraktionen weiter das Wort zu dem Thema gewünscht? – Das sieht nicht so aus. Dann frage ich die Staatsministerin. – Frau Ministerin Kurth, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Eltern – das sind die Experten für ihre Kinder. Eltern – das sind die ersten und in der Regel auch die wichtigsten Bezugspersonen der Kinder. Sie haben das verfassungsmäßige Recht und die Pflicht zur Erziehung ihrer Kinder.

Öffentlich verantwortete Kindertagesbetreuung kann, darf und möchte ihnen dieses Recht und diese Pflicht nicht abnehmen. Öffentlich verantwortete Kindertagesbetreuung hat aber den gesetzlichen Auftrag, die Erziehung in der Familie zu begleiten, zu unterstützen und zu ergänzen. Damit sind wir beim Kern des im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Auftrags, Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren weiterzuentwickeln.

Dazu drei Anmerkungen von meiner Seite:

Erstens. Im Grunde ist jede sächsische Kindertageseinrichtung per se ein Eltern-Kind-Zentrum. Hier wird Erziehungspartnerschaft gelebt. Im Sächsischen Bildungsplan ist das so formuliert: „… die institutionelle Kinderbetreuung stellt nicht nur eine Entlastung für Familien dar, sondern sie bietet ebenso Ressourcen, um soziale Netzwerke zu fördern und einen Beitrag zur Stabilisierung von Familien zu leisten. Familien sind auf der Suche nach sozialen Orten, an denen ein kommunikativer Austausch über die Grenzen der Kernfamilie hinweg stattfinden kann.“

Zweitens. Sowohl Familienbildung und Familienberatung als auch die Kindertagesbetreuung sind kommunale Aufgaben, die in Sachsens Städten, Gemeinden und Landkreisen in ganz unterschiedlicher Art und Weise erfüllt werden. Hier gibt es bereits etablierte Strukturen. Wir fangen also nicht bei null an, wie wir in den vorangegangen Beiträgen schon hören konnten.

Auch mit dem sächsischen Landesmodellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“ wurden vorhandene Strukturen der Familienbildung und der Kindertageseinrichtungen miteinander verbunden, um möglichst viele Familien in Sachsen mit erziehungsunterstützenden und präventiven Angeboten zu erreichen.

Bei der Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren sind deshalb vorrangig die Kommunen in der Verantwortung, natürlich mit uns als Partner. Ein Landesprogramm kann ihre Bemühungen unterstützen, um so entsprechende Strukturen aufzubauen oder weiterzuentwickeln.

Drittens. Die im Doppelhaushalt jeweils vorgesehenen 500 000 Euro – das ist schon erwähnt worden – sind also eine Starthilfe. Für das inhaltliche Konzept eines Modellprojekts wäre die Schaffung einer unterstützenden Struktur denkbar, die Fachkräften und Trägern zur Verfügung steht und möglichst nachhaltig Einfluss auf die Arbeit der

Kindertageseinrichtungen nimmt. Eine Entwicklung zu verstetigen und nachhaltig zu gestalten bedarf allerdings weiterer Überlegungen und Ressourcen, die wir gern gemeinsam einstellen.

Auch wenn wir die Personalsituation, beginnend ab September, in unseren Kindertageseinrichtungen verbessern, bindet die Fülle der Aufgaben, vor denen die Einrichtungen stehen, unsere Erzieherinnen und Erzieher stark. Ich denke hier beispielsweise an kurzfristig aufzunehmende Kinder von Flüchtlings- und Asylbewerberfamilien, für die derzeit keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Herr Gasse hat über die Situation in seinem Wahlkreis gesprochen.

Mit verantwortungsvollem Blick auf die Ressourcen ist es deshalb erforderlich, meine Damen und Herren, differenziert auf vorhandenen Strukturen und Ansätzen – auch das wurde bereits erwähnt – aufzubauen. Dies wird Thema der Gespräche meines Hauses mit den Kommunen und weiteren Partnern sowie dem Landesjugendhilfeausschuss sein.