Protocol of the Session on July 8, 2015

Bitte, fahren Sie fort.

Ich fahre fort. – Die Sachlage ist angesichts des Urteils und der vorzunehmenden Abwägung zwischen der Steuergerechtigkeit und dem lebenswichtigen Kapitalstock der Unternehmen sicher nicht einfach. Die Linksfraktion hat aber keinen tauglichen Vorschlag unterbreitet. Er lässt Unternehmen in großer Unsicherheit zurück, negiert aber vor allen Dingen eindeutige Urteilszüge des Bundesverfassungsgerichts. Schon in der Ausschusssitzung ist klar geworden, Herr Scheel, dass die Linksfraktion bei uns in Sachsen keine so wertvollen Unternehmen sieht und stattdessen in anderen Bundesländern räubern will. Sie haben vorhin ganz bewusst auf den Westen verwiesen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Weil dort die meisten Unternehmer sind, oder!)

Dazu möchte ich sagen: Viele westliche Familienunternehmen haben auch bei uns in Sachsen investiert, das heißt, auch ihre Erbsituation schlägt damit direkt oder indirekt auf uns durch.

Vor dem Hintergrund des Länderfinanzausgleiches und der Verhandlungen darüber ist die Art, im Westen räubern zu wollen, wie Sie hier vorgehen, unredlich.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Lachen des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Wir sitzen alle in einem Boot.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das sieht man an Frau Kraft, wie sie sich gerade solidarisch mit dem Osten verhält! – Zuruf von der CDU: Wie bitte?)

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! 70 % der Deutschen sehen in der Erbschaftssteuer Wettbewerbsnachteile für Familienunternehmen im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften, die davon nämlich nicht betroffen sind. In der Schweiz wurde ein entsprechender Volksentscheid negativ beschieden. Man schlachtet nicht die Kuh, die man in Zukunft mit melken will.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Oder Ihre Kollegin Frau Schaper hat ja heute schon aus der Bibel zitiert. Da ging es um den Ochsen.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Kollege von Breitenbuch sprach für die CDU-Fraktion. – Kollege Pecher tut jetzt das Gleiche für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wir jetzt wissen, hat das Bundeskabinett heute über den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetze an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts befunden.

Es wurde bereits gesagt: Notwendig wurden die Änderungen, da das Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember 2014 einzelne Regelungen für verfassungswidrig erklärt und bis Mitte 2016 eine Neuregelung gefordert hat. Damit ist erst einmal festzustellen, dass die Bundesregierung im Zeitplan ist. Das ist vollkommen in Ordnung.

Es ist von Herrn Breitenbuch schon gesagt worden, was vom Bundesverfassungsgericht kritisiert worden ist. Es ist ja auch nicht alles kritisiert worden, sondern einzelne, konkrete Dinge wurden für verfassungswidrig erklärt, insbesondere dass die Betriebe mit bis zu 20 Beschäftigten komplett von der Lohnsummenregelung ausgenommen worden sind oder dass das Thema Bedürfnisprüfung nicht berücksichtigt worden ist. Das hat ja der Kollege Scheel nachgewiesen, was das Thema Cash-GmbHs betrifft. Nach meinem Kenntnisstand und nach dem, was wir uns anschauen konnten, wurde das in dem jetzigen Entwurf des Bundeskabinetts auch berücksichtigt.

Man muss einen Spagat unternehmen, um eine verfassungsgemäße Erbschaftssteuerregelung hinzubekommen, die insbesondere Artikel 20 Grundgesetz berücksichtigt,

und dem Anspruch zu genügen, die Existenz von kleinen und mittelständischen Betrieben nicht zu gefährden. Dazu sage ich: Als Ossi ist mir die Jacke näher als die Hose in Ostdeutschland. Wir haben hier die reale Gefahr, wenn es so umgesetzt würde, wie es in Ihrem Antrag enthalten ist, dass wir im Erbfall wirklich Betriebe hätten, die den Bach runtergehen. Das – das muss ich auch als Sozialdemokrat sagen – will ich nicht.

(Beifall bei der SPD – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Es wird immer nur behauptet! Das ist eine reine Behauptung! Unglaublich!)

Im Übrigen hat der Referentenentwurf noch eine ziemlich intensive parlamentarische Debatte vor sich. Ich kann mir nicht vorstellen – das muss ich Ihnen ehrlich sagen –, dass die Meinung der Linksfraktion im Deutschen Bundestag auch nur ansatzweise mit dem Inhalt Ihres Antrags übereinstimmen wird. Wir werden sehen, wie die Debatte läuft.

Hier haben wir jetzt einen Antrag der Linksfraktion im Sächsischen Landtag. Das sächsische U-Boot hat sein Periskop ausgefahren, schaut in die weite Welt, wirft einen scheelen Blick hinaus und weiß alles besser. Wir werden sehen, wie die Diskussion läuft. Auf alle Fälle sind die Punkte, die jetzt enthalten sind, auch was die Bedürfnisprüfung betrifft oder die Frage der bis zu drei Beschäftigten – ich will das aber alles gar nicht aufzählen, weil darüber noch intensiv diskutiert wird –, ein Kompromiss in der Großen Koalition im Bundestag, der dafür der zuständige Gesetzgeber ist. Deswegen tue ich mich immer ein bisschen schwer damit, wenn hier tiefschürfende Debatten zu Gesetzgebungsverfahren geführt werden, für die wir gar nicht zuständig sind und über die wir gar nicht zu befinden haben, sondern im Zweifelsfall nur über unsere Abgeordneten einen Rat geben können, sich so oder so zu verhalten. Ich weiß nicht, ich habe es noch nicht geprüft, ob der Bundesrat hier überhaupt zustimmungspflichtig ist oder eine Initiative starten könnte.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das ist eine Ländersteuer!)

Das entzieht sich meiner Kenntnis, das will ich gern zugeben.

Ich kann mir vorstellen, dass der Antrag der LINKEN, der alle Tatbestände dort abschafft – – Es kann nicht das Ziel sein, eigene kleine und mittelständische Betriebe zu gefährden. Das kann auch nicht das Ziel der LINKEN sein.

Es geht bei dieser Debatte darum, das Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 zu berücksichtigen. Das ist die Intention des Verfassungsgerichtes. Es ist auch gut so, dass das Verfassungsgericht so entschieden hat, dass man sagt: Es darf nicht sein, dass sich Vermögen nur durch Erbe immer weiter anhäufen, ohne dass der Erbe irgendetwas dazu getan hat und dort letztendlich kumuliert. Wir wissen, 10 % haben 70 % des Vermögens in der Bundesrepublik in einer Hand. Dass hier eine Abschöpfung über Steuern

legitim ist, ist vollkommen in Ordnung. Allerdings muss man auch sehen, dass die Erbschaftssteuer 1 % des Steueraufkommens ausmacht. Selbst wenn es gelingt, hier signifikant Größenordnungen herauszuholen, haben wir als Landesparlament bei anderen Steuerarten, Stichwort: Länderfinanzausgleich usw., wesentlich wichtigere Dinge vor uns als das Thema der Erbschaftssteuer.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, dass wir jetzt eine spannende Debatte im Bundestag vor uns haben. Als Sozialdemokrat habe ich das Vertrauen, dass dieser Kompromiss, der heute im Bundeskabinett beschlossen wurde, zielführend ist. Wie es jetzt aufgeschrieben ist, können die sächsischen Klein- und mittelständischen Unternehmen sehr gelassen in die Zukunft schauen, was das Thema Erben betrifft.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Nach Kollegen Pecher, der für die SPD-Fraktion sprach, folgt jetzt für die AfD Frau Kollegin Dr. Petry.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Fraktion DIE LINKE! Ein Antrag aus Ihren Reihen zur Abschaffung von Steuerprivilegien hat uns nicht verwundert. Sie begründen dies damit, dass die Erbschafts- und Schenkungssteuern in den vergangenen Jahren gesunken seien bei gleichzeitig gestiegenen vererbten Vermögen.

Herr Scheel, Sie haben es gerade wiederholt: Es geht um 2,6 Billionen Euro in Deutschland bis zum Jahr 2020, und danke, dass Sie es konkretisiert haben. Es ging darum, dass einige wenige im Westen viel erben werden.

Nun sind wir hier in Sachsen, und deshalb frage ich mich, warum Sie uns nicht die Zahlen für Sachsen genannt haben, wenn dieses Thema für Sachsen so relevant ist. Dass Sie keine Zahlen genannt haben, ist sehr aussagekräftig.

Jeder, der Unternehmer in Mitteldeutschland oder in Sachsen ist, weiß, dass gerade im Osten Deutschlands die Klein- und mittelständischen Unternehmen mit sehr geringen Kapitalquoten und Kapitalrücklagen überwiegen. Gerade diesen Unternehmen sagen Sie nun ins Gesicht, dass eine Abschaffung jeglicher Privilegien von Ihnen gewünscht ist. Das ist geradezu ein Schlag ins Gesicht der mittelständischen Wirtschaft in Sachsen. Wenn Sie dazu relevante Zahlen haben, sollten Sie sie vorlegen, bevor Sie einen derartigen Schaufensterantrag einbringen.

(Beifall bei der AfD)

Anstatt sich über Umverteilung Gedanken zu machen, sollten Sie lieber den Unternehmerinnen und Unternehmern Planungssicherheit bezüglich des Generationenübergangs verschaffen; denn da, wo sich Unternehmen gründen, wo Risiken eingegangen werden, wo Vermögen manchmal in Jahrzehnten aufgebaut wird zulasten privater

Vermögen, sollte nicht schon wieder der Staat parat stehen, um auf dieses Vermögen zuzugreifen. Jeder, der schon einmal erlebt hat, wie schwierig Unternehmensübergänge, Generationenübergänge sind, weiß davon ein Lied zu singen.

Es ist wahrscheinlich typisch linke Politik, dass man als Staat in die Handlungsfähigkeit von Unternehmen eingreift und glaubt, damit der Wirtschaft und der Bevölkerung auch noch etwas Gutes zu tun. Das erinnert sehr an DDR-Zeiten, aber das ist nicht richtungsweisend für eine unabhängige mittelständische Wirtschaft in Sachsen. Noch dazu kommt mir in dieser Diskussion viel zu wenig zum Tragen, dass uns in der Tat – auch wenn es dazu Bedenken vom Verfassungsgericht gibt – die Doppelbesteuerung beunruhigen sollte. Aber offensichtlich haben sich die Bürger und auch Unternehmer und Politiker schon gleich gar an Doppelbesteuerung im Laufe eines Unternehmerlebens oder eines Bürgerlebens gewöhnt.

Wir möchten uns daran nicht gewöhnen. Wir halten Doppelbesteuerung nach wie vor für nicht richtig und werden uns auch aus diesem Grund gegen die Abschaffung der von Ihnen geforderten Privilegien einsetzen. Wenn Sie Ungerechtigkeit beklagen, Herr Scheel, liebe LINKE-Fraktion, dann sorgen Sie mit uns gemeinsam dafür, dass sächsische Unternehmen wirtschaftlich einen Freiraum zum Wachstum erhalten. Befreien Sie sie von Bürokratie, Zwangsmitgliedschaften und vor allem vom Generalverdacht, ständig Steuern und Abgaben hinterziehen zu wollen.

Sachsen hat auch nach 25 Jahren gerade einmal das wirtschaftliche Niveau des Saarlandes oder Bremens erreicht, hat also noch lange nicht zu Bundesländern vergleichbarer Größe, zum Beispiel Rheinland-Pfalz, aufgeschlossen. Hier sollten wir unsere Kreativität einbringen, anstatt in das immerwährende linke Prinzip der Umverteilung einzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Die Fraktion GRÜNE; Frau Schubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014 festgestellt, dass eine steuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen durchaus möglich ist, wenn diese Begünstigung ausreichend mit dem Gemeinwohl, mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen zu begründen ist. Kassiert wurden die steuerbegünstigenden Vorschriften, die auf mehr als 90 % der Unternehmen in Deutschland anwendbar sind und somit den gesamten Bereich der Unternehmenserbschaften besserstellen.

Die Bundesregierung muss nun bis zum 30. Juni 2016 das Urteil umsetzen. Wir GRÜNEN begleiten den Prozess und die Diskussionen zum Thema. Uns sind auch die Für und Wider sowie die verschiedenen Standpunkte der

Länder zum jetzigen Zeitpunkt bekannt. Der Gesetzentwurf zur Neuregelung der Erbschaftssteuer stand heute auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts, und wie bereits am Montagabend der Presse zu entnehmen war, habe man einen Kompromiss erarbeitet, der beschlussfähig sei. Das werden wir sehen.

Als sächsische GRÜNE interessieren uns vorrangig die Auswirkungen auf Sachsen. Dabei werden wir aber nicht aus den Augen verlieren, dass Sachsen auch von den Ländern mitfinanziert wird, die ihre wesentlich höheren Steuereinnahmen heute einer stabilen und international wettbewerbsfähigen, überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmenslandschaft verdanken und die – anders als die beim Verkauf entstehenden Töchter internationaler Unternehmensgruppen – tatsächlich vor Ort traditionell Verantwortung übernehmen und auch komplett vor Ort steuerpflichtig sind.

Zu Ihrem hier vorliegenden Antrag möchte ich anmerken: Sie fordern im ersten Punkt die Streichung aller steuersenkenden Sonderausgaben, und im zweiten Punkt wollen Sie gleichzeitig unternehmens- und arbeitsplatzsichernde Modelle der Erbschaftssteuerzahlung einführen. Das halten wir für widersprüchlich. Auch ist aus Ihrem Antrag nicht erkennbar, wie dies a) in der Umsetzung aussehen könnte bzw. wie Sie b) ohne Ausnahmeregelung zu einer gerechten und praktikablen Regelung kommen wollen und was c) der Mehrwert Ihres Antrages ist.

Wir GRÜNEN sind auch für ein gerechtes Erbschaftssteuergesetz. Doch jährliche Erlöse aus starken Unternehmen mit Tradition bringen auf Dauer mehr Nachhaltigkeit als sprudelnde Einmalerlöse aus dem Vererben. Hier gilt es, einen geeigneten Mittelweg zu finden. Die Position der LINKEN zielt wohl kaum auf diesen Ausgleich ab.