Das Verfassungsgericht hat bemängelt, dass es erstens keine Bedürftigkeitsprüfung gibt, dass der Umfang viel zu groß ist, wenn 90 % betroffen sind, und dass es zweitens keine Bedürftigkeitsprüfung bei größeren Unternehmen gibt. Das Verfassungsgericht hat gesagt: Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, zwar kleine Unternehmen von der Erbschaftssteuer auszunehmen, aber nicht einfach willkürlich alle. Aber das ist im Endeffekt passiert: Es wurde beklagt, dass es diese sogenannten Verwaltungsvermögen gibt. Es könne nicht sein, dass nicht betriebsnotwendige Vermögen, also 50 %, einfach mit hineingeworfen werden können und bei der Besteuerung überhaupt nicht relevant sind.
Wozu hat denn das Ganze geführt? Das Ganze hat zu absurden Zuständen geführt, dass Unternehmen nur zu einem Zweck gegründet wurden, nämlich die Erbschaftssteuer zu umgehen. Bis 2012 endlich ein Riegel vorgeschoben wurde, konnte mit einer solchen Konstruktion die Erbschaftssteuer umgangen werden. Das kann uns doch nicht kaltlassen. Selbst wenn in der Lohnsumme der Ausgangswert null war, also gar kein Mitarbeiter vorhanden war, konnte man dies fünf Jahre fortschreiben und, wenn es dann auch noch null war, weiter von der Erbschaftssteuer befreit werden. Eine tolle Sache, so etwas wünscht man sich doch!
Der Gesetzentwurf, den nun, nachdem das Bundesverfassungsgericht verlangt hat, dies bis zum nächsten Jahr zu ändern, der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, sah 20 Millionen Euro vor. Bis dahin wollen wir mal nicht so sein, schauen wir mal nicht so genau hin. Die CSU und der Bund der deutschen Industrie haben gleich aufgeschrien: „Oh mein Gott, unerträglich, damit wäre die Unternehmerschaft in Deutschland am Ende, es müssten doch mindestens 100 Millionen Euro sein, 20 Millionen Euro wären viel zu wenig.“ Darauf hat der Bundesfi
nanzminister gemeint, 20 Mitarbeiter seien vielleicht doch ein bisschen zu viel, und ging auf drei herunter. Sofort gab es wieder einen riesigen Aufschrei. Drei Mitarbeiter, das sei auf keinen Fall machbar, es müssten wenigstens die bisherigen 20 sein.
Dann kommen wir zur SPD. Ich glaube, die ganze Regelung ist mit dem Bundesfinanzminister Herrn Steinbrück maßgeblich mit betrieben worden. Die SPD hat gesagt, die Regelung, die Herr Schäuble vorschlage, sei im Lichte dessen, was das Verfassungsgericht sage, ein Rückschritt und verfassungswidrig. Heute sollte es im Bundeskabinett beschlossen werden. Jetzt hören wir, dass gestern eine Einigung erzielt wurde. In dieser Einigung ist nicht von 20 Millionen Euro, sondern von 26 Millionen Euro die Rede, und die SPD stimmt zu. Also, was bei 20 Millionen Euro verfassungswidrig war, ist bei 26 Millionen Euro jetzt zustimmungswürdig. Es muss mir mal jemand erklären, wie das zusammengeht. Aber das wird wahrscheinlich nur die SPD verstehen können, meine Damen und Herren Abgeordneten.
Dieser Gesetzentwurf wird vor allem zu einem führen, nämlich dazu, dass weiterhin versucht wird, die Steuerlast zu mindern oder ganz zu vermeiden. Heerscharen von Anwälten stehen bereit, um die Unternehmer in Deutschland vor der Erbschaftssteuer zu schützen, auch diese Eigentumsübertragung herzustellen und damit die Ungerechtigkeit in Deutschland zu vertiefen.
Wir sind angehalten, hier ein Zeichen zu setzen. Der Antrag, den Sie vor sich liegen haben, betrifft im Prinzip jedes Vermögen, das von einer Generation zur nächsten übergeht. Verschonungstatbestände sind klar, 500 000 Euro Freibetrag hat eh jeder Bürger. Was für das private Vermögen gilt, was für die Kapitalgesellschaft gilt, das gilt auch für das private Betriebsvermögen. Lassen Sie uns alle diese Sondertatbestände abschaffen; denn sie schaffen nur eines: Unklarheit; sie schaffen nur Umgehungstatbestände. Wir sollten diese Regelungen abschaffen.
Für die einbringende Fraktion hörten wir gerade Kollegen Scheel. Jetzt spricht Kollege von Breitenbuch für die Fraktion der CDU.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Als Grundrecht steht im Artikel 14 Grundgesetz: „Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet.“
Prof. Paul Kirchhoff schreibt in seinem Buch „Das Maß der Gerechtigkeit“ im Kapitel „Weitergabe von Rechtsgütern“ – ich zitiere –: „Die Weitergabe von Kultur, Tradition, Lebenssicht und menschlicher Erfahrung ist ein dem Tod vorausgehender Prozess des Erziehens in Jahren und
Jahrzehnten. Doch auch das Erbrecht gibt Eigentum nur als Freiheitschance an den Erben weiter. Wer eine ererbte Bibliothek nicht nutzen, eine Kunstsammlung nicht genießen, ein Unternehmen nicht führen, ein Vermögensdepot nicht verwalten kann, wird die im Eigentum angelegte Freiheit eher als Last erleben.“ Und weiter: „Die erbrechtliche Nachfolge im Vermögen der Erblasser wirkt sich auf das Denken, die Lebensplanung, die Kultur der Beteiligten aus.“
Ich möchte erweitern: Die Regelungen des Erbrechts wirken sich auf das Denken, die Lebensplanung, die Kultur in unserem Lande aus.
Zum Sachverhalt: Der Antrag der Linksfraktion hat zum Ziel, die Landesregierung möge sich für folgende Ziele bei der Neuregelung der Erbschaftssteuer in Deutschland einsetzen:
erstens, dass alle steuersenkenden Sonderausnahmen für ererbtes bzw. geschenktes Betriebsvermögen gestrichen werden, sowie
zweitens, dass zur Sicherung der Liquidität bei ererbten Betriebsvermögen unternehmens- und arbeitsplatzsichernde Modelle zur Erbschaftssteuerzahlung ermöglicht werden, um insbesondere Betriebsübergänge in die nächste Generation zu erleichtern.
Die Ausgangslage ist das Bundesverfassungsgericht. Es hat mit Urteil vom 17. Dezember 2014 die bisher im Gesetz enthaltenen Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt. Zwar liege es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden, sprich keine juristischen Personen, zur Sicherung ihres Bestandes und zur Erhaltung der Arbeitsplätze steuerlich zu begünstigen. Die Privilegierung betrieblichen Vermögens sei jedoch unverhältnismäßig, soweit sie über den Bereich kleiner und mittlerer Unternehmen hinausgreife, ohne eine Bedürfnisprüfung vorzusehen.
Ebenfalls unverhältnismäßig sei die Freistellung von Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Einhaltung einer Mindestlohnsumme und die Verschonung betrieblichen Vermögens mit einem Verwaltungsvermögensanteil von bis zu 50 %.
Es gibt einen Vorschlag von Bundesfinanzminister Schäuble, der jetzt überarbeitet wurde. Ich möchte kurz erwähnen: Die Freigrenze von 26 Millionen Euro ist möglich, wenn Wirtschaftsgüter mindestens zu 50 % dem Betriebszweck dienen; bei Familienunternehmen von 52 Millionen Euro. Das Privatvermögen kann gegebenenfalls zur Hälfte zur Begleichung der Steuerschuld herangezogen werden. Begünstigtes Betriebsvermögen kann zu 85 % bei fünf Jahren Behaltensfrist oder zu 100 % bei sieben Jahren Behaltensfrist verschont werden. Es geht um Mindestlohnsummen, Verschonungsabschläge, Bedürfnisprüfungen usw. usf. Es wirkt auf mich sehr kom
Was fordert der Antrag der Linksfraktion in der Sache? – Die Streichung aller steuersenkenden Sonderausnahmen, also die Behandlung ererbten Betriebsvermögens wie anderes Vermögen, zum Beispiel Aktienfonds. Die Forderung der Linksfraktion geht damit weit über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus.
Für entstehende Liquiditätsprobleme sieht die Linksfraktion eine Stundungsmöglichkeit vor. Hört, hört!
(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Wie es der wissenschaftliche Beirat vorgeschlagen hat! – Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE, hält eine Broschüre hoch)
Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sieht die Stundung der Steuerschuld nicht als ausreichende Entlastung an. In der Randnummer 154 des Urteils heißt es wörtlich – ich zitiere –: „Eine Stundung bewirkt keine ebenso effektive Entlastung wie eine Befreiung.“
Warum die Antragstellerin trotz dieser eindeutigen Passage in dem Urteil trotzdem die vom Gericht negierte Stundung als vermeintlich bessere Lösung im Gesetz haben will, bleibt ihr Geheimnis, Herr Scheel.
Die fehlende Liquidität der Betriebe – darauf läuft es hinaus – muss dann erst wieder aus versteuerten Gewinnen als Eigenkapital aufgebaut werden und fehlt für Wachstum und Innovation oder auch zum Auszahlen der weiteren Erben. Dagegen laufen Abschreibungen. Trotzdem: Der Liquiditätsaufbau nach dem Entzug aus dem Betrieb ist teilweise beachtlich, gerade wenn man bei Familien auch das Auszahlen der weiteren Erben ernsthaft berücksichtigt.
Fazit: Die Gefahr einer Substanzbesteuerung ist vorhanden. Kollege Peter Patt wird darauf für die sächsische Situation noch eingehen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege, geben Sie mir recht, dass das Privatvermögen derjenigen, die dieses Betriebsvermögen erben, in den meisten Fällen zumindest dafür ausreicht, die Erbschaftssteuer zu bezahlen, dass also keine Entnahme aus dem Betriebsvermögen notwendig ist?
Ich möchte ganz deutlich für die sächsische Situation sagen, Herr Scheel: Vielleicht ist es Ihnen ein bisschen fern, dass in diesem Land in den 25 Jahren Betriebe aufgebaut wurden. Diese 25 Jahre reichen oft nicht aus, um die Substanz schuldenfrei zu haben und die Neu- und Anschlussinvestitionen durchführen zu können, wenn das Vererben ansteht.
Sie haben auf der einen Seite Ansprüche der weiteren Erben und auf der anderen Seite einen Betrieb, der weiterlaufen muss und diesen Liquiditätsentzug eben nicht verträgt. So.
Nein! Es ist genau die richtige Antwort auf Ihre von mir erwartete Frage – sagen wir es einmal so herum.
(Heiterkeit bei der CDU – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Fahren Sie fort! – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)