Was gehört zu Solidarität? Solidarität heißt natürlich, dass der Starke den Schwachen stützt, heißt, dass der Leistungsfähige demjenigen gibt, der weniger leistungsfähig ist. Das heißt, dass Länder, denen es wirtschaftlich besser geht, im Solidarsystem der Bundesrepublik Deutschland – immerhin einem Bund von Ländern, denn die Länder machen den Bund –, in dieser Solidargemeinschaft füreinander einstehen.
Aber in den letzten Jahren mussten wir einiges miterleben, was zu einer Konkurrenz der Länder führt. Der Begriff des Wettbewerbsföderalismus macht die Runde, und immer neue Aufgaben sollen die Länder unter sich aufteilen. Ich erinnere nur an die beamtenrechtlichen Regelungen. Wir haben mittlerweise 17 beamtenrechtliche Regelungen innerhalb von Deutschland. Das kann kein guter Zustand sein, und das ist auch kein guter Zustand.
Vor uns liegen immense Herausforderungen. Ich erinnere daran: 2020 wird der Solidarpakt für die ostdeutschen
Länder auslaufen. Es wird weiterhin keine oder nur noch sehr geringe Förderung aus der Europäischen Union geben. Die Schuldenbremse mit all ihren Wirkungen wird vom Bund aus in Kraft treten. Das heißt, auch die Möglichkeit der Kreditaufnahme für Investitionen wird nachlassen. Zudem wird und muss dieser Länderfinanzausgleich neu gestaltet werden. Es liegt eine Klage der Länder Bayern und Hessen vor, und wie ich gestern dem „Focus“ entnehmen durfte, hat jetzt auch BadenWürttemberg angekündigt, dass sie eine Klage in Erwägung ziehen, da sie nicht der Auffassung seien, dass am 18. Juni, also am Donnerstag der nächsten Woche, ein vernünftiger Kompromiss zustande kommen werde.
Diese Fragen im Hinblick auf den Zeitpunkt 2020 sind Schicksalsfragen für den Osten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und wir müssen uns ihnen stellen. Aber welche Informationen bekommen wir von der Landesregierung?
Ich darf daran erinnern: Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD im Bund sah vor, eine Kommission einzurichten. Das war im Jahr 2013. Ein Jahr zuvor hatten sich die Präsidenten der deutschen Landtage mit einer „Dresdner Erklärung“ zu Wort gemeldet, hier in Dresden, haben verdeutlicht, dass sie mit am Tisch sitzen wollen, dass die Parlamente sogar mit Stimmrecht mit am Tisch sitzen müssen, wenn es um ihre Zukunft geht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Was ist aus den Versprechungen geworden? – Nichts. Es gibt Kamingespräche, Kamingespräche und Vorschläge, die vorgelegt werden – zu ihnen werde ich in der zweiten Runde noch einmal kommen –, und es gibt mittlerweile – auch da wundere ich mich, dass wir in keiner Weise im Hinblick auf Informationen eingebunden werden – offensichtlich einen Brief der ostdeutschen Ministerpräsidenten an Wolfgang Schäuble. Es wäre schön, wenn wir da vielleicht auch einmal mit eingebunden werden könnten.
Wie lange, meine Damen und Herren von der CDU und von der SPD, wie lange, Herr Ministerpräsident – er glänzt leider mit Abwesenheit –, wollen Sie eigentlich noch warten, bevor der Sächsische Landtag in die Behandlung dieser Fragen einbezogen wird? Wollen Sie warten, bis sie gescheitert ist oder ein Formelkompromiss zustande gekommen ist?
Vielleicht liegt das daran, dass Sie an der Entsolidarisierung mitgewirkt haben. Ich darf an Folgendes erinnern: Im Jahr 2011 musste sich der Kollege Ministerpräsident Tillich in der „FAZ“ mit Blick auf Nordrhein-Westfalen äußern: Jemand muss die Politik disziplinieren“, und in der „Sächsischen Zeitung“ vom 15. April 2012 stand: „Tillich für Sanktionen für hoch verschuldete Bundesländer“. Ja, wer meint denn, ein stolzes Land wie NordrheinWestfalen derart brüskieren zu müssen und dann mit den Konsequenzen nicht leben zu können?!
Meine Damen und Herren, Sie sollten weniger großmäulig sein, Herr Ministerpräsident Tillich, Sie sollten nicht den Lehrmeister spielen, sondern stattdessen den Landtag informieren und versuchen, eine gemeinsame, von Respekt getragene Kommunikationslösung für den Länderfinanzausgleich zu finden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Ich möchte auch von dieser Stelle einen Dank für die Solidarität unter den Bundesländern klar zum Ausdruck bringen. Das System des Länderfinanzausgleichs ist ein Beispiel, das seinesgleichen sucht.
Lieber Herr Scheel, selbstverständlich ist es durchaus spannend zu hören, dass Sie hier vorn ein Plädoyer der Nachhaltigkeit halten
und auch durchaus die Schwäche in der Struktur des Freistaates und seiner Finanzmittel erkannt haben. Wir als Koalitionsfraktionen würden uns natürlich auch freuen, wenn Sie derartige Überlegungen vor einem halben Jahr bei Ihren Änderungsanträgen berücksichtigt
Was bedeutet denn der Finanzausgleich für Sachsen? Rund eine Milliarde Euro erhielt Sachsen 2014 durch den Länderfinanzausgleich. Betrachtet man alle seine Stufen, kommt man sogar auf ungefähr 4,6 Milliarden Euro. Das sind immerhin 30 % des Gesamtetats, der zurzeit von nur drei Bundesländern – Bayern, Baden-Württemberg und Hessen – gespeist wird. Fakt ist, dass Bayern und Hessen im März 2013 eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht haben. Ziel ist es nun – 2013 auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert –, eine grundsätzliche Neustrukturierung im Länderfinanzausgleich noch in dieser Legislaturperiode hinzubekommen.
Lieber Herr Scheel, Sie kritisieren das fehlende Wissen um die Punkte, die Sachsen in diesem Zusammenhang nach Berlin sendet. Aber auch Ihnen sollte bekannt sein, nicht zuletzt durch Ihren Ministerpräsidenten in Thüringen, dass es eine Einigung aller fünf ostdeutschen oder der neuen Bundesländer gibt, die sich im März auf ein gemeinsames Grundsatzpapier verständigt haben, wonach gerade die flächendeckende Finanzschwäche in den Ostländern ausgeglichen werden soll. Unter anderem ist dort berücksichtigt, dass zukünftig die kommunalen Finanzkräfte bis zu 100 % im Ausgleichssystem berücksichtigt werden, nicht mehr wie bis jetzt nur zu 64 %. Dass dies ein richtiger Schritt und wichtig ist, haben nicht zuletzt auch die Gutachten von Herrn Prof. Dr. Wieland und Herrn Prof. Dr. Thomas Lenk bestätigt.
Auch das Bundesfinanzministerium hat im April seine Vorstellungen zu einem neuen Länderfinanzausgleich in Eckpunkten veröffentlicht. Was wir dort wiedergefunden haben, sind unter anderem der Wegfall des Umsatzsteuervorwegausgleichs, die vollständige Einbeziehung der kommunalen Finanzen, ein zusätzlicher Umsatzsteueranteil für die einzelnen Länder und die Einbeziehung anderer Bundesprogramme in den Länderfinanzausgleich. Sie haben es selbst auch schon angesprochen: Nun ist für den 18.06. die Verständigungsrunde in Berlin bzw. die Einigung avisiert. Ungewiss ist an der Stelle aber noch, was in welchem Umfang dort erreicht werden kann.
Wir als Sachsen fordern klar, dass solide haushaltende Länder nicht dafür bestraft werden, dass sie ihre Finanzen in Ordnung halten. Wir wollen, dass Sachsen mit seinem soliden Haushalt nicht hintanstehen muss, und wir fordern die strukturellen Nachteile – gerade wie wir sie hier im Freistaat haben – auch weiter als zu berücksichtigende Punkte im Papier.
Ebenso klar ist – und das gehört ein Stück weit zur Ehrlichkeit dazu –, dass man hier nicht Kostenträger reicher Bundesländer sein darf, sondern auch die Rolle des Bundes und der Mittel, die der Bund dort einstellt, in dem System neu beachtet werden müssen.
– Gut. Meine sehr geehrten Damen und Herren! So viel in der ersten Runde. Mein Kollege Breitenbuch wird das Ganze dann noch weiter vertiefen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solidarität ist hier angemahnt worden – ja. Ich möchte mich dem Dank anschließen. Die DDRBürger haben die Wende, die friedliche Revolution, gestaltet. Den größten Teil davon haben die sogenannten Bundis – wie wir sie damals genannt haben – bezahlt: die
Ja, wir in Sachsen haben mit diesem Geld gut gewirtschaftet und dieses Land gut aufgebaut. Dem gebührt natürlich Dank. Der Finanzausgleich ist eine Grundlage, für die wir letztendlich ebenfalls unseren Beitrag leisten; denn es wird immer vergessen, dass auch unsere Steuern, die wir erheben, in diesen Finanzausgleich eingehen.
Das Thema Solidarität darf nicht erdrückend sein. Der Finanzausgleich regelt mit seinen Ebenen, ob wir in Richtung Bund den vertikalen oder unter den Ländern den horizontalen Finanzausgleich haben. Er darf nicht erdrückend sein und er darf vor allen Dingen nicht nivellieren. Er darf nicht gleichmachen. Der Finanzausgleich ist keine Gleichmacherei. Das wäre systemfremd.
In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass es jedem unbenommen ist, sich zu informieren. Die Informationen sind vorhanden – das Gutachten, die Position der Länder. Hier muss ich den Ministerpräsidenten – auch im Namen der Koalition – in Schutz nehmen. Ich finde es gut, dass sich die fünf Bundesländer auf einen Sprecher geeinigt haben, der die Interessen auch ihres Ministerpräsidenten und des Landes Thüringen in den Finanzverhandlungen vertritt. Ich bin sehr überzeugt, dass unser Ministerpräsident das leisten wird.
Ich finde es begrüßenswert, und in diesen Verhandlungen sehe ich auch Chancen. Ich sehe zum Beispiel Chancen in Übergangsfristen von einem System in ein wie auch immer geartetes neues System. Ich sehe auch in dem Thema Schulden eine Chance. Das Gutachten spricht von teilweisen Entschuldungen. Es gibt jetzt schon diesen Stabilitätsbeirat. Hier muss ich in Richtung Koalitionsfraktion CDU sagen: Natürlich hat es mir wehgetan, dass vor einigen Jahren hier ein Minister stand, von Geberland gesprochen und mit Fingern auf andere Länder gezeigt hat. Unsere Sachsenrendite, unsere Schuldentilgung ist teilweise durch Kreditaufnahmen der westdeutschen Bundesländer, insbesondere NRW, entstanden. Das dürfen wir, bitte schön, nicht vergessen.
Ich finde es unanständig von Einzelnen, die heute noch mit Fingern auf diese Länder zeigen, die uns solidarisch mitfinanzieren, dass sie die Kredite aufnehmen. Das halte ich für nicht gut. Wir müssen uns gemeinsam in den Verhandlungen überlegen, wie für die Zukunft, da wir ja die Schuldenbremse haben – nicht nur wir, sie werden alle Länder haben –, eine Chance besteht, mit entsprechenden Schuldenbegrenzungen und Schuldenschnitten wieder Handlungsfähigkeit in bestimmten Ländern herzustellen und damit auch Ungerechtigkeiten abzubauen. Ich finde es begrüßenswert, wenn man die Konnexität in diese Verhandlungen hineinnimmt, nämlich dass das, was der Bund bestellt, letztendlich auch vom Bund bezahlt wird. Ich finde es richtig, dass zuerst die Ministerpräsidenten, die Länder in der Ländersolidarität, insbesondere der ostdeutschen Bundesländer, hier die Gespräche führen
und versuchen, Zielkorridore einzubauen, und wir dann sehen können, was für uns gut und was schlecht ist.
Fakt ist – und das ist meine persönliche Überzeugung –, es wird ein neues System geben, wie immer es geartet sein wird. Es wird auch Gewinner und Verlierer geben. Die Frage ist, wie groß das auseinanderdividiert. Aber auf der anderen Seite, das muss ich ganz deutlich sagen, ist der Freistaat Sachsen sehr gut aufgestellt, diese Herausforderung zu meistern. Natürlich werden wir versuchen, das Beste auch für Sachsen herauszuholen. Aber wir sind für die Zukunft gut aufgestellt. Ich hoffe, dass wir vielleicht schon bis zum nächsten Jahr Klarheit und Ergebnisse haben, weil wir darauf die ambitionierten Vorhaben der Koalition für das Haushaltsjahr 2017/2018 aufbauen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen, die den Haushalt Sachsen betreffen, die uns klar machen, dass ein Drittel unserer Einnahmen nach wie vor aus Ausgleichszahlungen kommt, sind uns alle bekannt. Klar ist auch, dass alle ostdeutschen Länder – und auch die westdeutschen Länder – sich 2019/2020 auf eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs einstellen müssen. Wir schließen uns der Aufforderung an die Staatsregierung an, mehr Informationen zu bekommen. Denn es kann in der Tat nicht sein, dass dies dem Sächsischen Landtag und auch dem Ausschuss für Haushalt und Finanzen weitgehend vorenthalten wird. Das ist nicht nur eine Aufgabe der Staatsregierung, sondern der Landtag muss hier ausreichend beteiligt werden.