Protocol of the Session on June 10, 2015

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Frank Kupfer, CDU)

Ich war gerade beim Wiederaufbaubegleitgesetz, darin waren auch so schöne Stichworte wie „Besitzeinweisung“ enthalten. Wir können also ganz schnell Besitz einweisen, Menschen enteignen usw., das können wir alles machen. Ich glaube, das ist kein demokratisches Vorgehen; ich hatte darüber auch schon einmal referiert.

Ich würde gern noch zum Thema Eigenvorsorge kommen, weil niemand etwas dazu gesagt hat. Wir brauchen die Menschen auch in der Eigenvorsorge. Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir zum Beispiel mit einer Elementarschadenversicherung umgehen. An dieser Stelle möchte ich gern noch einmal Herrn Ministerpräsidenten Tillich zitieren, und zwar aus seiner Regierungserklärung vom 19. Juni 2013:

„Die Allianz ist gerade dabei, Versicherungsverträge umzuschreiben, das heißt, neu abzuschließen. Es soll dann Eigenbeteiligung enthalten sein. Ich habe gesagt: Lassen Sie das jetzt sein, die Menschen haben jetzt ganz andere Sorgen.“

Kurze Zeit später wurde bekannt, dass die Versicherungsverträge doch geändert und den Menschen schlechtere Konditionen angeboten wurden. Da hat es die Allianz einen Dreck geschert, dass der Herr Ministerpräsident etwas anderes wollte; er hat mit seinem Versicherungsgipfel eine ziemliche Bauchlandung erlitten.

Im Übrigen: Der letzte Versicherungsgipfel ist schon einige Jahre her. Worüber reden wir denn – wenn überhaupt – noch, wie wir die Menschen bei einem nächsten Hochwasser mitnehmen? Zücken wir dann wieder unsere Elementarschadenrichtlinie und sagen „Ihr seid selbst schuld! Eigenvorsorge! Ihr müsst euch versichern!“? Ich meine, wir haben lange genug darüber diskutiert. Ich sehe nur nicht, dass wir da einen Schritt vorwärtsgekommen sind, aber man kann mich diesbezüglich gern korrigieren.

Wir hatten auch eine spannende Diskussion zum Thema Vorkaufsrechte, aus der hervorging, wie wir Hochwasserschutz umsetzen. Die Vorkaufsrechte haben wir eliminiert. Ich weiß bis heute nicht, wo wir die Grundstücke für die Kommunen herbekommen sollen, wenn sie nicht

den ersten Zugriff haben. Da muss ich sagen: Wir könnten Stunden darüber diskutieren, nur, einig werden wir uns diesbezüglich nicht.

Es geht darum: Herr Günther hat vorhin gesagt, dass wir einmal sehen müssen, wie die Zukunft aussieht. Müssen wir immer wieder aufbauen, oder haben wir vielleicht ein Hochwasserrisiko, bezüglich dessen wir sagen: „Also die Schäden, die uns erwarten, sind überschaubar“?

Ich möchte zum Schluss meines Redebeitrags den Menschen danken. Ich glaube, es liegt im Wesen des Menschen, dass er wieder aufbaut. Es ist gut, dass es so ist. Es ist auch gut, dass es Regierungen gibt, die dann meinen, das Richtige getan zu haben, zum Beispiel mit Förderrichtlinien. Die kann man immer kritisieren, aber das ist dann eben die persönliche Note der Regierung. Es ist gut, dass Menschen motiviert worden sind, die dann auch mitziehen. Wir sind aber, glaube ich, noch nicht am Ende einer ordentlichen Hochwasserschutzstrategie für unser Land angekommen. Da haben wir noch viel zu tun.

(Frank Kupfer, CDU: Das haben wir immer gesagt: Das ist eine Generationenaufgabe!)

Ich hoffe, dass diese vielen hämischen Bemerkungen, die hier im Hause schon einmal gefallen sind – dass derjenige eben selbst schuld ist, der keine Eigenvorsorge trifft –, nie wieder kommen.

(Frank Kupfer, CDU: Wer hat das gesagt? Quatsch!)

Bitte kommen Sie zum Ende.

Das wissen Sie genau, Herr Kupfer.

(Beifall bei den LINKEN)

Wird von der AfDFraktion das Wort gewünscht?

(Dr. Frauke Petry, AfD: Nein!)

Es wird nicht gewünscht. Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein!)

Es gibt keinen Bedarf mehr. Ich frage noch einmal in die Fraktionen: Wird von weiteren Fraktionen noch einmal das Wort zur Debatte gewünscht? – Dann bitte ich jetzt Herrn Staatsminister Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Debatte hat gezeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, das Thema einmal in einem solchen Rahmen zu diskutieren, obwohl ich auch feststellen musste, dass das eigentliche Debattenthema ja die Schadensbeseitigung, der Wiederaufbau war, nicht so sehr der Hochwasserschutz – auch wenn er in unmittelbarem

Zusammenhang damit steht. Ich möchte mich im Wesentlichen auf die Thematik des Wiederaufbaus beschränken.

Natürlich ist das Hochwasser im Jahr 2013 im Vergleich zum Hochwasser 2002 zwar flächendeckender gewesen, trotzdem kann man aber schon feststellen – um das hier einmal zu würdigen –, dass die Maßnahmen zum Hochwasserschutz greifen und dass wir deutlich weniger Schäden hatten, was erst einmal positiv ist. In einzelnen Fällen – zum Beispiel wird die Stadt Eilenburg immer wieder genannt – hat der aufgewandte Hochwasserschutz inzwischen Schäden verhindert, die deutlich über dem Aufwand lagen. 27 Millionen Euro hat der Hochwasserschutz in Eilenburg gekostet. Nach Schätzungen wurden damit im Jahr 2013 Schäden verhindert, die sich im Umfang von etwa 80 Millionen Euro bewegt hätten. Dass wir hier auf einem völlig falschen Weg wären, ist nicht der Fall.

Wir sind uns einig, dass es ein komplexes System ist. Darüber können wir gern auch zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal debattieren. Wir haben seit 2002 2,1 Milliarden Euro für Schadensbeseitigung und präventiven Hochwasserschutz aufgewendet. Bis 2020 werden es noch einmal 500 Millionen Euro sein. Ich hoffe, dass wir dann ein ganzes Stück weiter vorangekommen sein werden und bei zukünftigen Hochwasserereignissen deutlich besser geschützt sind.

Die Schäden, die wir erneut zu beklagen hatten, lagen in einem Umfang von 2,3 Milliarden Euro – Schäden, die durch Eigenmittel, Spenden und Versicherungsleistungen beseitigt werden. Wir hatten Soforthilfen in Höhe von 85 Millionen Euro; auch das möchte ich an dieser Stelle noch einmal erwähnen. Wir haben noch während des Hochwassers die Einrichtung des Wiederaufbaustabs vollzogen – erst in der Staatskanzlei, später dann im Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft. Verhandlungen mit Bund und Ländern zum Aufbauhilfefonds 2013 mit einem Gesamtvolumen von 8 Milliarden Euro wurden aufgenommen; für Sachsen waren damals 1,8 Milliarden Euro angedacht. Ich denke, dort sind auch Erfahrungen aus dem Jahr 2002 genutzt worden, um schnell und möglichst unkompliziert zu helfen. Auch das ist hier verschiedentlich schon angesprochen worden. Frau Kollegin Springer nannte es eine Straffung der Richtlinien. Wir haben nur noch eine Richtlinie und zwei Bewilligungsstellen; zuvor gab es 20 Richtlinien. Ich denke, da ist der richtige Weg eingeschlagen worden.

Es wurde auch schon angesprochen, dass wir einen Wechsel vollzogen haben: hin zur Abrechnung erst nach Rechnungsvorlage. Der Sinn des Ganzen war, Rückforderungen möglichst zu vermeiden; denn früher gab es einen Vorschuss, was zu erheblichen Problemen geführt hat. Ich denke, auch damit ist der richtige Weg gegangen worden. Denn Anträge auf Kredite über die SAB, um Vorfinanzierungen zu leisten, sind gerade von den Kommunen nicht gestellt worden, sondern sie waren in der Lage, über ihre Kassenmittel oder Kassenkredite vorzufinanzieren. Wenn

das aber der Fall gewesen wäre, hätte es auch dort Möglichkeiten gegeben.

Die Eigenvorsorge wird honoriert. Versicherte werden gegenüber Nichtversicherten bessergestellt. Auch das ist, wie ich denke, ein richtiger Ansatz, und das sollte auch so bleiben. Gerade aus dem privaten Bereich fanden wir bis zum 31.12.2014 6 300 Anträge vor, eingereicht bei der SAB von Privaten, Vereinen und Unternehmen. Der Zuschussbedarf betrug 360 Millionen Euro und übertraf die Prognose natürlich deutlich. Erst in den letzten Wochen ging ein Großteil der Anträge ein, deshalb ist dieser Mehrbedarf auch durchaus zu begründen.

Zur Bearbeitung in der SAB möchte ich auch eine Zahl nennen. Die Kollegen in der SAB haben inzwischen 99 % aller vollständig eingereichten Anträge verbeschieden. Ich denke, auch das ist eine Leistung, die man einfach anerkennen sollte.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nun sind die Kommunen auf der Zielgeraden der Antragstellung. Dort ist ja ein anderes Verfahren gewählt worden. Es wurden Wiederaufbaupläne eingereicht, also können wir schon relativ genau abschätzen, welches Schadensvolumen dort vorhanden ist. Bis Anfang des Jahres konnte noch nachgemeldet werden. Da gab es bestimmte Fälle – hier ein Extrembeispiel: Der Schaden an einem Feuerwehrgerätehaus wurde auf 30 000 Euro geschätzt. Bei näherem Hinschauen hat man festgestellt, dass die Fundamente unterspült sind und dass komplett abgerissen und neu aufgebaut werden muss. Jetzt liegt der Schaden bei mehr als 1 Million Euro. Solche Fälle konnten, glaube ich, bis zum Februar nachgemeldet werden. Jetzt haben wir eine relativ konkrete Schadensübersicht und können auch die geschätzten 481 Millionen Euro Mehrbedarf gegenüber dem ursprünglichen Ansatz relativ sicher kalkulieren.

Trotzdem ist es wichtig, da wir diese Mittel noch vom Bund bekommen müssen. Wir als Freistaat Sachsen haben Gott sei Dank die moderierende Funktion in diesem Prozedere, aber wir müssen das untersetzen. Deshalb ist es wichtig, dass bis zum 30.06.2015 die Anträge von den Kommunen gestellt werden. Wir stehen in sehr engem Kontakt zu den Kommunen, den Landratsämtern, den Gemeinden. Wir haben sie auch unterstützt und beraten. Ich habe mich diese Woche noch einmal an alle Landräte gewandt: Sollte es irgendwo noch Probleme geben, dann sollen sie das bitte schnell noch melden. Unser Wiederaufbaustab steht in engem Kontakt mit ihnen. Ich gehe fest davon aus, dass die Kommunen und die Landkreise es schaffen werden, bis zum 30.06. ihre Anträge vollständig einzureichen – damit meine ich zahlenmäßig vollständig; dass man immer noch etwas nachmelden oder nachreichen kann, ist natürlich auch klar. Dann haben wir eine sichere Verhandlungsposition gegenüber dem Bund, um die noch notwendigen Mittel auch zu bekommen.

Ich weiß, es war sehr, sehr anspruchsvoll, was wir von den Kommunen erwartet haben. Deshalb ist es an dieser

Stelle auch einmal Zeit, zu würdigen, was sie bisher erreicht und bewältigt haben. Ich bin völlig optimistisch, dass wir das in den nun noch verbleibenden drei Wochen schaffen werden. Die Kommunen sind auf einem guten Weg.

Mit diesem Geld, das den Kommunen dann zur Verfügung steht – damit wird bis zu 100 % der Schadensbeseitigung gefördert –, werden wir die Schäden im Wesentlichen beseitigen können. Ich denke, das wird erfolgreich sein. Aber man muss natürlich in die Zukunft schauen. Wir dürfen nicht vergessen, dass bei aller Solidarität in Deutschland, für die ich mich an dieser Stelle auch noch einmal herzlich bedanken möchte, natürlich unklar ist, ob wir in einem weiteren Schadensfall – ich hoffe, die nächsten hundert Jahre sind nicht wieder so kurz, sondern es wird längere Zeit dauern – noch einmal so viel Geld zur Verfügung haben. Das ist fraglich.

Damit sind wir beim Hochwasserschutz, der zügig weitergeführt werden muss. Wir sind aber natürlich auch bei der Eigenvorsorge. Wir dürfen nicht vergessen, sie immer wieder zu stärken, immer wieder zu ermahnen und darauf hinzuweisen, dass es ganz, ganz wichtig ist, Eigenvorsor

ge zu betreiben. Je weiter ein solches Hochwasserereignis zeitlich zurückliegt, umso mehr verschwinden die Bilder und die Emotionen, die mit einem Hochwasserereignis verbunden sind.

Deshalb halte ich es für sinnvoll, auch in den Kommunen immer wieder daran zu erinnern. Ich kann mir einen solchen „Tag des Hochwassers“ gerade in den Kommunen vorstellen, die in den Flusstälern liegen, um dies immer wieder zu zeigen und die Menschen zu ermahnen, Leute, vergesst nicht, was damals geschehen ist, und um dort authentisch darüber zu berichten.

Wir sind auf einem guten Weg. Ich bin überzeugt, dass wir ihn erfolgreich zu Ende gehen werden, und ich danke an dieser Stelle für die Idee dieser Debatte und unseren Menschen draußen für ihren Einsatz und die Initiative, die sie gezeigt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die 1. Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen. Wir kommen jetzt zu

2. Aktuelle Debatte

Länderfinanzausgleich – Solidarität am Ende?

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort, Herr Abg. Scheel. Danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. – Bitte, Herr Abg. Scheel.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Am Donnerstag nächster Woche sitzen die Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin zusammen, um über die Zukunft des Länderfinanzausgleichs eventuell zu entscheiden, auf jeden Fall aber zu beraten. Es ist traurig, vielleicht sogar beschämend, dass es der Ministerpräsident nicht für nötig hält, das Parlament des Freistaates Sachsen zumindest in seine Erwägungen zu Verhandlungspositionen einzubeziehen, sodass wir eine Aktuelle Debatte brauchen, um über das für den Freistaat Sachsen so wichtige Thema hier überhaupt zu reden.

Ich will einen Dank voranstellen, einen Dank an die Weisheit der Mütter und Väter des Grundgesetzes, den Dank, dass sie es geschafft haben, mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik klarzumachen, so erstens, dass wirtschaftlicher Erfolg ein flüchtiges Gut ist und nicht jedes Land, das jetzt an der Spitze steht, diese Position für alle Zeiten innehaben muss, und zweitens, dass der Wohnsitz eines Bürgers in Deutschland nicht von Nachteil dafür sein darf, welche Möglichkeiten er hat, gute Bildung zu bekommen, welche Möglichkeiten, seine Kinder aufzu

ziehen, und auch nicht dafür, wie die Sicherheit gewährleistet wird. Das war ein sehr weises Herangehen der Kollegen, die das Grundgesetz damals verabschiedet haben; denn sie haben eine Solidargemeinschaft der deutschen Länder begründet. Der Länderfinanzausgleich ist nicht zuletzt Ausfluss dieses Solidaritätsgedankens, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den LINKEN)