Protocol of the Session on June 10, 2015

Was wollen wir in Sachsen? Sicher nicht diesen alten Kakao wieder aufrühren, sondern, Herr Schreiber, eine offene Diskussion, wie wir Weltoffenheit und Vielfalt auch in den Bildungsangeboten, die wir in den Schulen für die Kinder anbieten, und im Diskurs mit den Eltern fördern.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Gender ist kalter Kakao!)

Da müssen wir ernst nehmen, dass die Bundeszentrale für Aufklärung in einer aktuellen Studie festgestellt hat, dass Lehrer in vielen Fällen unsicher sind, weil sie im Vermitteln dieser Inhalte viel zu sehr auf sich gestellt sind, und zwar gegenüber den Kindern, aber auch als Partner der Eltern. Das müssen wir ernst nehmen. Wir müssen auch ernst nehmen, dass wir uns in einer Welt bewegen, in der kommerzielle Geschlechterbilder, Pornografie, Werbung auch das Bild von Kindern prägen. Ich glaube, da ist gute sexuelle Aufklärung nach wie vor geboten und gefragt.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Sie ist auch deshalb geboten und gefragt, weil Schule ein Ort sein soll, an dem offen – Herr Schreiber, da bin ich bei Ihnen – Vorurteile abgebaut werden sollen, und zwar frühzeitig und vorsorglich, ob gegenüber Behinderten, gegenüber Einkommensschwachen, gegenüber Homosexuellen oder gegenüber Menschen, die früher oder später merken, dass sie einem dritten Geschlecht angehören.

Wir wollen die Vielfalt von Lebensentwürfen zulassen. Wir wollen die Menschen nicht zwingen, sich festzulegen. Das muss Ziel unserer Debatte sein und nicht dieses Hin und Her.

Jetzt komme ich zum Handeln der Regierung. In der Antwort auf die Anfrage, auf die sich alle beziehen – sie stammt vom 21. Mai dieses Jahres –, hat mir die Ministerin geschrieben – ich zitiere –: „Der Orientierungsrahmen befindet sich weiterhin in Überarbeitung. Es ist beabsichtigt, die notwendigen Abstimmungen bis Ende 2015 abzuschließen.“ Man plane zum Entwurf noch eine wissenschaftliche Expertise. Das finde ich richtig. Sie haben mir nicht mitgeteilt, wen Sie einbeziehen; schade. Dann haben Sie mitgeteilt, dass der Orientierungsrahmen im Ministerialblatt veröffentlicht wird, wenn er fertig ist.

Genau aus dieser Antwort ergibt sich – erstens – kein klarer Zeitplan. Das kann Gründe haben. Dazu werden Sie vielleicht noch etwas sagen. Es dauert uns aber zu lange.

Zweitens ergibt sich auch nicht die Möglichkeit, das noch im Landtag zu diskutieren. Insofern ist es doch völlig legitim, dass die Fraktion diesen Antrag stellt. Wir werden dem auch zustimmen.

Wir wollen vor allem, dass geklärt wird, dass wir eine neue Handlungsgrundlage für die Schulen und für die Lehrer bekommen, auf dass ein besserer Dialog mit Eltern und Kindern möglich ist. Das gilt auch für die Lehrer, die diesen Rahmen brauchen. Das braucht ein weltoffenes und vielfältiges Sachsen. Stimmen Sie dem zu!

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Das war Frau Jähnigen, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Jetzt sind wir am Ende der ersten Rednerrunde angekommen. Wir können eine weitere eröffnen. Das wird auch begehrt. Frau Falken, Sie sprechen erneut für die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Gedanken und die Idee der inhaltlichen Debatte, der inhaltlichen Auseinandersetzung in dem zweiten Redebeitrag meiner Fraktion gern noch einmal aufgreifen. Ich glaube, das ist genau der Knackpunkt.

Die inhaltliche Debatte haben wir in der letzten Legislaturperiode sehr ausführlich geführt. Wir haben über Anträge eine Anhörung durchgeführt, die sehr, sehr inhaltsreich war. Da bin ich ganz nah bei Herrn Schreiber. Aber was ist denn danach passiert? Es ist nach dieser Debatte nach meinem Verständnis gar nichts passiert. Es ist weder innerhalb der Staatsregierung, noch im Rahmen des Kultusministeriums und schon gleich gar nicht in der Gesellschaft eine Debatte diesbezüglich angestoßen worden, um Maßnahmen zu finden, die hätten eingeleitet werden können.

Natürlich brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte. Nur in der Schule kann man diese Aufgabe nicht lösen. Aber die Schule hat den Vorteil, dass wir alle Schülerinnen und Schüler erreichen. Das tun wir im Moment nicht.

Die Debatte hat nicht stattgefunden, und die Reaktionen sind ausgeblieben.

Frau Staatsministerin, wenn nicht wir den Antrag auf die heutige Tagesordnung gebracht hätten und Frau Jähnigen nicht eine Kleine Anfrage gestellt hätte, dann würden wir doch heute noch nicht wissen, wann wir diesen neuen Orientierungsrahmen – möglicherweise am Ende dieses Kalenderjahres – sehen. Das heißt, nur über diese parlamentarischen Möglichkeiten, die wir haben, können wir dieses Thema immer wieder in die inhaltliche Debatte bringen. Wir hatten es das letzte Mal im Ausschuss gemacht – sehr bewusst im Ausschuss gemacht. Herr Schreiber, Sie wissen, dass wir darüber lange gesprochen haben, dass wir es lieber im Ausschuss als im Plenum machen. Aber die Zeit ist vorbei. Jetzt ist für mich der nächste Schritt im Parlament möglich. Das heißt: Wir haben dazu einen entsprechenden Antrag eingebracht.

Diese scheinheilige Diskussion möchte ich gern noch einmal ansprechen, und zwar diese scheinheilige Diskussion: Die Eltern entscheiden, was die Schüler in der Schule lernen. – Das steht im Übrigen in der Sächsischen Verfassung. Aber an welcher Stelle lassen Sie das denn wirklich zu? Sie lassen es immer nur an der Stelle zu, wenn Sie als CDU der Auffassung sind: Wir müssen die Kinder schützen, die dürfen das gar nicht wissen. Da schieben wir mal die Eltern vor, und dann klappt das schon.

Bei allen anderen Entscheidungen und bei allen anderen Fragen, die die Schulen im Freistaat Sachsen betreffen, haben Sie die Eltern nicht einbezogen. Wie weit sind denn die Eltern einbezogen worden, als der Astronomieunterricht gestrichen worden ist, als Geschichte und Geografie in der 10. Klasse in der Mittelschule als Wahlfach eingeführt worden ist? Ich könnte die Palette noch weiter verlängern. Ich nenne die Oberstufenreform. Schauen Sie sich doch an, was dabei herausgekommen ist. Dazu haben sie die Eltern überhaupt nicht befragt. Sie haben vielleicht von Gremien mal eine Stellungnahme eingeholt, aber auch das schon sehr, sehr vorsichtig.

Schauen wir uns doch einmal an, was an der Schule wirklich passiert. Haben Sie sich die Lehrpläne einmal angeschaut? Sie haben das Thema „Der Unterschied von Mann und Frau“ in der Grundschule in der 3. Klasse in Ethik und in Sachkunde. Wobei, wenn wir an die Anhörung denken, es dort auch Erläuterungen gab, dass die gar nicht so weit weg sind von dieser Formulierung „Männer und Frauen“.

Dieses Thema wird dann noch einmal in der 5. Klasse behandelt, wenn es um die Fortpflanzung geht. Dabei geht es um die Wirbeltiere, und ganz zum Schluss ist der Mensch in der Fortpflanzung dran. Dann gibt es das Thema noch einmal in der 8. Klasse in Biologie zur sexualen Entwicklung – das ist richtig –, aber auch mit wenigen Stunden und in einem Einstundenfach in der Biologie.

Wir müssen uns ernsthaft darüber Gedanken machen, dass die Lehrpläne zu diesem Thema modern ausgestaltet und neu angepasst werden; von mir aus gern mit Beteiligung der Eltern. Damit habe ich doch überhaupt kein Problem. Aber wir müssen es angehen. Wir als Parlament haben die Aufgabe, die Staatsregierung und das Kultusministerium zu beauftragen, diese Aufgaben umzusetzen. Das tun wir mit unserem Antrag.

Deshalb bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Gibt es nach Frau Falken weiteren Redebedarf? – Herr Kollege Schreiber, bitte. Sie wollen gleich vom Mikrofon sprechen?

Es kommt darauf an, welche Länge Ihr Redebeitrag jetzt hat.

Nur ganz kurz auf die Rede von Frau Falken noch einmal reflektiert.

Aha.

Frau Falken, es ist nicht so, dass nichts passiert ist. Ich denke, ein Signal nach der Anhörung und nach dem Antrag, der damals die Grundlage für diese Anhörung gewesen ist, gab es, und es ist sehr wohl etwas passiert. Wir haben es jetzt auch schriftlich vorliegen, dass dieser Orientierungsrahmen überarbeitet wurde, sozusagen in den letzten Zügen ist, in diesem Jahr darüber noch abgestimmt und er hoffentlich dann auch veröffentlicht wird.

Wir haben damit etwas erreicht – das muss ich sehr deutlich sagen –, denn es ist richtig, dass ein Orientierungsrahmen, der zehn Jahre alt ist, nicht mehr der aktuellste ist und dass auch gesellschaftliche Entwicklungen an dieser Stelle weitergehen. Aber, ich wiederhole mich. Ich halte es dennoch für einen populistischen Weg, erst recht vor dem Hintergrund, weil Sie wissen, dass letzte Woche der Christopher Street Day stattgefunden hat. Ich verstehe nicht, dieses Thema hier im Plenum so zu fahren, wohl wissend, dass das eine inhaltlich-fachliche Debatte ist. Ich kann meinerseits die Staatsregierung an der Stelle nur bitten, dass wir die Möglichkeit haben, wenn wir es wollen, im Schulausschuss über diesen Orientierungsrahmen zu sprechen.

Ich gebe Ihnen recht, es ist sinnvoll und notwendig, um diesen Orientierungsrahmen dann in den Schulen umzusetzen, dass man sich die Lehrpläne bezüglich dieses Orientierungsrahmens und seines Inhalts genau anschaut. Aber auch das ist, glaube ich, unbenommen und steht überhaupt nicht strittig im Raum.

Zu den Eltern und deren Beteiligung. Wir werden jetzt keine Volksbefragung machen und fragen, ob man mit dem Orientierungsrahmen einverstanden sei. Das wird nicht funktionieren. Aber ich wiederhole: Das, was in Baden-Württemberg passiert ist, dass aus reiner Ideologie heraus in einer Zuspitzung auf das Maximum an Liberalität oder was weiß ich sozusagen einfach etwas veröffentlicht wird, wogegen die halbe Republik sturm läuft – ich übertreibe jetzt einmal –, ich glaube, das ist dem Thema nicht angemessen.

Deswegen ist es notwendig, über diese Frage, die sehr viel mit Intimität zu tun hat, zu reden. Das ist aus meiner Sicht der entscheidende Grund, warum sich Lehrer an dieser Stelle schwertun, da es eben nicht jedem Lehrer liegt, über solche intimen Dinge zu sprechen, weil es der jeweilige Lehrer auch nicht gelernt hat und weil solche Themen über Jahrzehnte ein gewisses Tabuthema gewesen sind. Aber auch das müssen wir thematisieren.

Das bekomme ich aber nicht hin, indem ich sage: Frau Müller, Sie mit Ihren 60 Jahren müssen jetzt auf die Schulbank, Sie müssen lernen, was Homosexualität ist, Sie müssen jetzt lernen, wie Sie das als Grundschullehrerin sozusagen einem Kind in der 4. Klasse beibringen. So

wird es nicht funktionieren. Da werden die Widerstände nur größer, und wir erreichen gar nichts.

Gibt es nach Herrn Kollegen Schreiber noch weiteren Redebedarf in dieser zweiten Runde? – Bitte.

(Oh!-Rufe von der CDU)

Meine Damen und Herren von den LINKEN! Ich bin heilfroh, dass meine Tochter schon aus der Schule ist. Bei der Entwicklung, die Sie vorhaben, wäre mir übel geworden. Das sage ich Ihnen ganz ehrlich.

(Beifall bei der AfD)

Sie verstehen auch nichts von Kindern, habe ich gemerkt.

(Lachen der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE – Zurufe von den LINKEN)

Hören Sie erst zu, vielleicht klatschen Sie dann. Sie sagten vorhin, die Kinder würden in der Schule Wörter benutzen, die sie nicht benutzen sollten, das wäre eine Diskriminierung und man müsste aufklären. Wissen Sie, dass Kinder in dem Alter oftmals gar nicht wissen, was sie sagen?

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Darum geht es doch!)

Sie benutzen einfach Schimpfwörter, die sie gar nicht verstehen. Sie verstehen nicht den Hintergrund. Das ist für sie einfach ein Wort, das sie dahersagen. Ich will Ihnen mal ein Beispiel nennen, das Sie kennen. Es gibt zurzeit den Modebegriff „Das ist geil!“. Ich bin eine andere Generation, und für uns hat der Begriff eine andere Bedeutung. Deswegen verwenden wir ihn nicht.

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Aber heutzutage ist sogar Schule geil, und alles Mögliche wird mit „geil“ bezeichnet. Der Begriff ist eine Katastrophe. Jeder benutzt ihn, aber niemand weiß eigentlich, was es heißt. Merken Sie, wo Sie dabei liegen? Sie haben keine Ahnung von Erziehung.

(Beifall bei der AfD)

Nehmen Sie Ihre Kinder und klären Sie sie auf! Hauptsache, Ihre Ideologie kommt nicht durch. Ich habe echt Angst davor, wenn ich Sie höre. Das muss ich ganz ehrlich sagen. Es ist ein Problem mit Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)