Protocol of the Session on April 30, 2015

Das war Kollege Krasselt für die CDU-Fraktion. – Wir fahren in der Rednerreihe fort. Für die SPD spricht jetzt Frau Kollegin Kliese.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst freue ich mich sehr, dass wir auch heute zu dieser Debatte wieder Gebärdensprachdolmetscher im Hause haben, und möchte an dieser Stelle noch einmal den Wunsch von mir persönlich und von meiner Fraktion, den bestimmt viele hier im Raum teilen, bekräftigen, dass wir das künftig nicht nur zu Debatten haben sollten, die speziell die Belange für Menschen mit Behinderung und ihre Problemlagen berühren, sondern dass sicherlich auch einmal eine Regierungserklärung für einen gehörlosen Menschen interessant wäre.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen ist ein inklusionspolitisches Entwicklungsland – noch. Entwicklungsland heißt auch, es entwickelt sich. Ich glaube, die Schritte werden etwas größer. Was sollen wir ihnen sagen, Horst Wehner? Was sollen wir denen sagen, die nicht sehen können, die in der Mobilität Probleme haben? Ich möchte ihnen sagen, dass es losgeht, dass es endlich losgeht.

Sechs Jahre ist es her – Volkmar Zschocke sagte es –, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft trat. Anlässlich dieses 6. Jahrestages fand vor dem UN-Ausschuss in Genf die erste sogenannte Staatenprüfung statt. Das heißt, es wurde überprüft, wie 17 einzelne Länder, die diese Erklärung unterzeichnet haben, den Anspruch der Konvention erfüllt haben. Die Ergebnisse dieser Staatenprüfung habe ich mit sehr großer Spannung erwartet, und sie wurden am 17. April veröffentlicht.

Für die Bundesrepublik Deutschland gab es Lob und Tadel. Lob gab es dafür, dass ein nationaler Aktionsplan entwickelt und auch schon in einigen Teilen umgesetzt wurde. Positiv wurde auch bewertet, wie hochkarätig die Delegation der Deutschen in Genf besetzt war. Während das Thema Menschen mit Behinderung früher eher ein Schattendasein fristete, als Nischenthema galt, sind es heute führende Menschenrechtspolitiker und auch Staatssekretäre auf Bundesebene, die sich mit diesem Thema befassen. Das Thema ist Chefsache geworden, und das ist auch genau der richtige Platz dafür. Hier ist ein deutlicher Wandel erkennbar.

Es gab allerdings auch Kritik an Deutschland. Das ist eine Kritik, die auch Sachsen betrifft, nämlich die Bewusstseinsbildung auf Länderebene für die Rechte, die mit der UN-Konvention verbunden sind. Diese seien deutlich ausbaufähig. Welche Instrumente gibt es nun, um an dieser Bewusstseinsbildung zu arbeiten? Das Wirkungsvollste ist wohl – und das schreibt die Konvention auch vor – das Erarbeiten und Umsetzen von Aktions- und Maßnahmenplänen. In ihnen sind verbindliche Maßnahmen nicht zuletzt zur Bewusstseinsbildung enthalten. Diese erstrecken sich über alle Ministerien. Dazu gehören Maßnahmen für das Verwaltungshandeln, für bauliche Barrierefreiheit, für Öffentlichkeitsarbeit und vieles mehr. In Sachsen fehlt das bisher.

Die Versäumnisse der Vergangenheit können wir nicht mehr ändern. Aber wir können aus der Not eine Tugend machen. Wir können zum Beispiel aus den Erfahrungen anderer Bundesländer, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, lernen.

Ich danke den Oppositionsfraktionen ausdrücklich dafür, dass sie dafür sorgen, dass dieses Thema auch heute nach den Haushaltsverhandlungen gebührenden Platz in diesem Plenum einnimmt. Ich betrachte das nicht als Misstrauen. Ich betrachte es als Bekräftigung; denn mit Ihren Anträgen bekräftigen Sie unsere Festlegungen aus dem Koalitionsvertrag. Dazu gehört auch, dass alle Gesetze, Richtlinien und Verordnungen im Laufe der nächsten Jahre überprüft werden müssen, wenn sie Menschen mit Behinderungen betreffen. Die Forderung der GRÜNEN, was das angeht, ist für uns nachvollziehbar.

Allerdings haben wir im Koalitionsvertrag dafür einen anderen Weg eingeschlagen. Wir haben gesagt, wir wollen die jetzige Gesetzeslage weiterentwickeln zu einem Inklusionsgesetz. Da es sich um ein Artikelgesetz handelt, würde das eine solche Normenprüfung beinhalten. Im Rahmen eines Artikelgesetzes – Horst Wehner und ich wissen, wie das gehen könnte – hätten wir die Möglichkeit, alles auf die Normen zu überprüfen. Das heißt, wenn die Weiterentwicklung zum Inklusionsgesetz kommt, wäre Ihr Antrag obsolet.

Nun haben wir das an das Teilhabegesetz geknüpft. Wir haben gesagt, in Verbindung mit dem vorliegenden Teilhabegesetz kommt bei uns die Normenprüfung. Erst dann ist es sinnvoll. Frau Schaper sagte gestern in ihrem Redebeitrag, dass es wohl so wäre, dass das Teilhabege

setz nicht käme und dass damit dieser Punkt nicht verfängt. Ich weiß nicht, woher Sie die Gewissheit nehmen, dass das Teilhabegesetz nicht kommt.

Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich vor zwei Wochen im Deutschen Bundestag in einer Besprechung mit der zuständigen Staatssekretärin, Frau Lösekrug-Möller, mit Ulla Schmidt und Verena Bentele, der Bundesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderung, war. Sie alle sind maßgeblich dafür zuständig. Sie gehen davon aus, dass das Teilhabegesetz kommen wird. Ein Problem ist im Moment die finanzielle Entkopplung, die noch nicht bereitgestellten Mittel. Aber darum wird gekämpft. Ich gehe davon aus, dass wir für unsere Arbeitsgrundlage in Sachsen noch in dieser Legislaturperiode das Teilhabegesetz haben werden.

Ich bin also in der recht erfreulichen Lage, Ihre Anträge ablehnen zu können, weil ich glaube, dass wir die Dinge, die Sie fordern, tun bzw. tun werden. Wir haben sogar schon damit begonnen, indem wir 10 Millionen Euro für den Aktions- und Maßnahmenplan mit dem gestrigen Haushaltsbeschluss verabschiedet haben – 10 Millionen Euro für einen Aktions- und Maßnahmenplan und dessen Umsetzung.

Ich möchte zum Vergleich sagen, was wir bisher im Bereich Schulen hatten. Hier haben wir jetzt 5 Millionen Euro. Vorher hatten wir 600 000 Euro. Ich sehe hier einen deutlichen Fortschritt.

Meine Damen und Herren! Inwiefern ein Zwischenbericht, wie ihn die GRÜNEN in ihrem Antrag fordern, zur Erarbeitung des Planes nützlich ist, kann man noch diskutieren. Ich halte es auf jeden Fall für sinnvoll und denke, dass es auch in den Plänen des Sozialministeriums so vorgesehen ist, dass regelmäßig ausführlich im Sozialausschuss oder auch in anderen Ausschüssen berichtet wird; denn es wird alle Ministerien betreffen.

Sie haben noch die Anregung gebracht, dass wir das Institut für Menschenrechte, speziell die Monitoringstelle, in die Erarbeitung einbeziehen sollten. Wenn wir den Antrag von Ihnen jetzt ablehnen, heißt das nicht, dass wir diesen Wunsch nicht überlegen werden.

Es ist sicherlich im Rahmen der Zusammensetzung der Kommission eine Überlegung wert, wie man auch die beratenden Gremien entsprechend konstituiert und wer dazugehören wird. Ich selbst halte die Monitoringstelle für hoch kompetent, denn es ist ja die Stelle, die ganz Deutschland in dieser Hinsicht überwacht, und insofern halte ich das für einen sinnvollen Vorschlag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum ersten Staatenbericht hat die Monitoringstelle des Deutschen Instituts für Menschenrechte einen Parallelbericht eingereicht. Aus diesem geht deutlich hervor, welche Schwächen es bei der Einbeziehung der betreffenden Gruppen gab. Die Konvention schreibt ja vor: Nichts über uns, nichts ohne uns. Der Parallelbericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte hat uns mitgegeben, dass dieser Einbezug der Gruppen eben nicht ideal gelaufen

ist. Ich glaube, das ist eine Sache, die wir hier in Sachsen besser machen können, weil wir eben jetzt erst anfangen.

Ich muss Ihnen dazu aber auch sagen – das wissen Sie vielleicht aus Ihrer Form der Bürgerarbeit –: Beteiligung ist nicht immer ein Beschleuniger. Beteiligung kann auch dafür sorgen, dass Dinge manchmal ein bisschen länger dauern. Beteiligung sorgt auch dafür, dass es mehr Enttäuschungen gibt, aber wir werden uns für diese Form von Beteiligung starkmachen.

Ich danke Ihnen für Ihre Anträge. Sorgen Sie auch weiter dafür, liebe Oppositionsfraktionen, dass der Druck hier nicht nachlässt. Bestärken Sie uns. Wir freuen uns über diese Bestärkung und denken aber, dass wir uns bereits auf den Weg gemacht haben mit den Beschlüssen, die wir gestern hier im Hause gefasst hatten.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Nach Frau Kliese, SPDFraktion, spricht jetzt Herr Wendt für die AfD. – Herr Wendt, Sie müssen noch warten. Ich sehe dort eine Kurzintervention von Frau Schaper.

Ich bin in der erfreulichen Lage, Frau Kliese, Ihnen mitteilen zu können, dass ich nicht gesagt habe, dass das Gesetz nicht kommen wird. Ich habe vielmehr gesagt, dass wir nicht wissen, ob es in dieser Legislatur kommen wird, und dass es deshalb sehr sinnvoll ist zu beginnen.

Ihr Vorhaben ist sehr lobenswert. Wir bedanken uns, dass Sie anerkennen, dass wir das als Antrag einbringen. Ich möchte aber bitten, uns richtig zuzuhören und bei diesem Thema nicht mit Unterstellungen anzufangen.

(Beifall bei den LINKEN)

Frau Kliese, möchten Sie auf diese Kurzintervention von Frau Schaper reagieren? – Nein. Dann gehen wir weiter. Herr Wendt hat jetzt das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, dass die Anträge der Linksfraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nachvollziehbar sind. Jedoch sind sie nicht notwendig.

Warum nicht? Weil die Kollegen der Fraktionen von CDU und SPD bereits erwähnt haben, dass im Koalitionsvertrag auf Seite 19 festgelegt worden ist, dass die Staatsregierung im Jahr 2015, also in diesem Jahr, unter Beteiligung der Akteure der Behindertenhilfe und Selbsthilfe und der kommunalen Spitzenverbände einen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Konvention erarbeiten wollen und dies auch hoffentlich durchgeführt wird.

Der Aktionsplan soll erstens strategische Ansätze und konkrete Handlungsmaßnahmen zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Gesellschaft, zweitens den

Zeitraum der Umsetzung, drittens die Verantwortlichkeiten und viertens notwendige Kosten enthalten.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Selbst die Einbeziehung und die Notwendigkeit einer Monitoringstelle sollten wir den Verantwortlichen im SMS überlassen. Ich habe bereits an mehreren Sitzungen im SMS teilgenommen. Der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, Herr Pöhler, ist sich meines Erachtens seiner Aufgaben bewusst und möchte diese umsetzen.

Mein Vorschlag wäre, erst einmal das Jahr abzuwarten, zu schauen, inwieweit der Aktionsplan alle wichtigen Themen besetzt und ob dieser realisierbar ist. Erst dann, wenn wirklich Bedarf bestehen sollte, kann mittels Anträgen nachgebessert werden.

Es gibt noch einiges zu tun, aber es ist ja nicht so, dass die Verantwortlichen nur Däumchen gedreht hätten. Ich habe den Eindruck, dass dies im Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz verstärkt vorangetrieben wird und auch in der Vergangenheit schon vieles auf den Weg gebracht worden ist.

(Beifall des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass nicht nur fiskalische, sondern auch baurechtliche Auflagen nach der Sächsischen Bauordnung die Umsetzung beeinflussen werden, gerade wenn es um die Thematik der Barrierefreiheit geht. Aber seitens des Sächsischen Immobilien- und Baumanagements wird – und das ist zu begrüßen – größtenteils und wenn möglich gewissenhaft so geplant. Auch die Vertreter der Menschen mit Behinderungen werden nach meinem jetzigen Kenntnisstand in diesen Prozess umfänglich einbezogen.

Wichtige Punkte, die umgesetzt werden müssen, stehen auf der Agenda und sollten im Aktionsplan die entsprechende Beachtung finden. Ich möchte einige wenige Punkte nennen. Die Liste wäre sicherlich noch viel, viel länger.

Das wäre zum einen die Barrierefreiheit auch im ländlichen Raum, im öffentlichen Personennahverkehr, an Schulen, in Museen, Krankenhäusern, Verwaltungsgebäuden usw. Des Weiteren sollte beispielsweise auch barrierefreies Wählen – das wurde bereits angesprochen – möglich gemacht werden. Erleichterungen beim Studium und der Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten sollten Bestandteil des Aktionsplanes sein. Aber auch die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften und Lehrern, die beispielsweise im schulischen Bereich bisweilen zu wünschen übrig lässt, sollte weiter forciert werden. Wir dürfen auch demografische Aspekte nicht aus den Augen verlieren, da in Sachsen mittlerweile 50 % der Menschen mit Behinderungen über 65 Jahre alt sind.

Zuletzt möchte ich noch einmal betonen, dass wir als AfD ein qualitativ gutes Förderschulsystem befürworten, ein Förderschulsystem, welches Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf gerecht wird. Hierbei sollen Kinder

mit sonderpädagogisch erhöhtem Förderbedarf genauso individuell unterstützt werden wie Begabte und Hochbegabte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist richtig und wichtig. Dies findet im Koalitionsvertrag bereits Berücksichtigung. Deshalb werden wir uns bei beiden Anträgen der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Mit Herrn Kollegen Wendt, AfD-Fraktion, ist die erste Rederunde zum Abschluss gekommen. So denn der Bedarf bestünde, könnten wir eine weitere eröffnen. Gibt es weiteren Redebedarf bei den einbringenden Fraktionen? – Gibt es überhaupt Redebedarf aus dem Rund der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Damit hat die Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Klepsch.

Sehr geehrter Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich freue mich, dass wir nach der vorhergehenden Debatte „Deutsch als Arbeitssprache“ jetzt wie selbstverständlich hier Gebärdensprachdolmetscher stehen haben.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist uns allen – das ging aus den Ausführungen der Vorredner deutlich hervor – ein wichtiges Anliegen.

Nun haben nicht zuletzt CDU und SPD im Koalitionsvertrag das Thema „Erarbeitung des Landesaktionsplanes im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention“ als festen Bestandteil aufgenommen.

Meine Damen und Herren! Das Grundanliegen der beiden Anträge ist bereits in Arbeit. Wir haben nach der Regierungsbildung im Haus die Strukturen neu ausgerichtet. Die Themenfelder „Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“ und „Eingliederungshilfe für behinderte Menschen“ sind in einem Referat gebündelt.

Wir haben eine Projektgruppe mit zunächst Mitarbeitern meines Hauses installiert, die die Erstellung des Aktionsplanes steuern wird. Der Landesbeirat für die Belange behinderter Menschen wurde informiert. Der Behindertenbeauftragte der Staatsregierung ist ebenfalls eingebunden. Die Federführung für die Erarbeitung des Landesaktionsplanes – auch das wurde noch einmal angesprochen – liegt beim Ministerium für Soziales und Verbraucherschutz, also bei mir auf dem Tisch. Aber es ist – das möchte ich an dieser Stelle deutlich hervorheben – nicht nur eine Aufgabe des Sozialministeriums, sondern der Landesaktionsplan umfasst alle Ministerien.