Protocol of the Session on April 27, 2015

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Gibt es vonseiten der Fraktionen weiteren Redebedarf? – Herr Abg. Bartl, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Kollege Hartmann, wenn Sie die Leitlinien schon kennen, gehe ich davon aus, dass man sie Ihnen auch gegeben hat, damit es ein Feedback gibt. Insofern kann die Debatte durchaus hilfreich sein, dass Sie dieses oder jenes Argument aufnehmen und weiterleiten – das ist meine Hoffnung.

(Christian Hartmann, CDU: Prima!)

Deshalb stehle ich Ihnen jetzt noch einmal die Zeit, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen hier im Hohen Haus. Ich komme zu einigen Aspekten. Sie haben gesagt, es ginge im Grunde genommen nur um schwerste Straftaten. Wenn ich den vereinbarten Katalog zur Hand nehme, steht – nebenbei bemerkt – nicht darauf, dass die Vorratsdatenspeicherung dem Schutz des Staates dienen soll. Das habe ich heute zum ersten Mal gehört. Wenn das allen Ernstes in der Gesetzesbegründung im Vorwort steht, dann habe ich ein Déjà-vu. Bitte schön, aber warten wir einmal, man soll nie sagen, dass es das hier nicht gibt.

Das zweite Problem: schwerste Straftaten. Ja, das sind Terrorismusstraftaten. Auch Einschleusungen von Ausländern können schwerste Straftaten sein, aber auch das Verbringen von zwei Flüchtlingen von Tschechien über die grüne Grenze nach Deutschland. Unter Umständen ist das sogar mit Geldstrafen verbunden, aber hier ist es eine Anlasstat. Dann ist weiter im Kompromiss enthalten, das können Sie nachlesen – ich kenne es nur aus zweiter Hand –, dass es nicht nur um Delikte geht, sondern auch um Vorbereitung auf die Straftaten. Ich kann also auch bereits die Vorbereitung auf ein schweres Delikt als Anlass für die Vorratsdatenspeicherung nehmen. Prantl hat dazu in der Erörterung zur Vorratsdatenspeicherung ein schönes Beispiel, ein schönes Bild in der „Süddeutschen Zeitung“ gebracht, als er sagte: „…dass die Vorratsdaten auch genutzt werden können, wenn einer ohne Fahrkarte SBahn fährt. Man muss es nur als Vorbereitung für eine schwerste Straftat deklarieren.“ Das ist das Problem: dass es wieder eine derartige Ausdehnungsmöglichkeit gibt.

Noch ein weiterer Aspekt: Es geht nicht um die Frage, dass man für bestimmte polizeiliche ermittlungsbehördliche Aufgaben ein Rüstzeug vorhalten muss. Sie wissen selbst, dass es für anlassgestützte Notwendigkeiten die KÜ gibt, überhaupt eine Vielzahl von Instrumentarien, die man bereits nutzen kann. Die kann ich Ihnen anhand der §§ 10 a bis 100 i Strafprozessordnung durchdeklinieren. Das wissen Sie. Das Problem ist, dass es um 80 Millionen Menschen geht, die unter Generalverdacht gestellt werden.

Das zweite Problem ist, dass das Versprechen, die Daten seien sicher, nie im Leben passt. Wir haben derzeit in Deutschland 3 600 Telefonanbieter. Die Bundesdatenschutzbeauftragte hat in ersten Reaktionen auf die Richtlinie gesagt – sie ist die Kontrollbehörde dafür, dass alles passt –, sie brauche mit den momentanen Bordmitteln, die sie habe, 360 Jahre, um jedes einzelne Unternehmen einmal geprüft zu haben. Es geht also überhaupt nicht auf. Das ist hier letzten Endes eine Rückholaktion einer Sache, die europarechtlich zum Glück nicht mehr zu reparieren ist. Hier muss man den Grundrechten Vorrang geben.

Wir bitten darum, dass wir diese Debatte auch dafür nutzen, noch einmal darüber nachzudenken und auch den Kolleginnen und Kollegen auf der Bundesebene ein Signal zu geben.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Hartmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich versuche es in der gebotenen Kürze.

In den letzten zehn Jahren haben wir eine erhebliche Veränderung der Kriminalitätsstrukturen in Deutschland, in Europa und in der Welt erfahren, eine deutliche Zunahme von Internetkriminalität, von Rückgriffen auf

Telekommunikationsdaten und eine Verlagerung auch auf das Internet und auf diese Daten. Diesen Herausforderungen muss sich auch der Staat stellen, insbesondere in den Bereichen von internationalem Terrorismus und Extremismus. Das muss in einem Ausgleich mit den Grundrechten und den entsprechenden geltenden rechtlichen Bestimmungen passieren. Wie das im Einzelnen austariert wird, ist in der Tat eine Sache, wie es zum einen durch Juristen, durch den Bundesgesetzgeber, durch den Bundesjustiz- und den Bundesinnenminister vorgegeben wird und zum anderen in jedem Fall einer Überprüfung vor Gerichten standhalten muss.

Es ist im Übrigen falsch, wie es von der AfD dargestellt wird, einfach so zu tun, als ob nur mehr Streifenpolizisten auf der Straße das Problem lösten.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Das haben wir nicht gesagt, Herr Hartmann! – Dr. Stefan Dreher, AfD: Hören Sie zu, was ich gesagt habe!)

Nein, die neuen Herausforderungen in dieser Struktur stehen vor einer ganz anderen Situation. Wir reden über einen gesamtheitlichen Ansatz der Veränderung der Sicherheitsarchitektur. Sicherlich lässt sich trefflich – das tun wir gerade – auch über die Ausstattung der Polizei und die Struktur der Sicherheitsarchitektur sprechen. Das befreit uns aber nicht von der Frage, wie wir uns diesen Herausforderungen, insbesondere den neuen Medien und der entsprechenden Datenvernetzung, stellen.

Kurzum, wir glauben, dass es notwendig und erforderlich ist, im besonderen Einzelfall unter klaren Bestimmungen hier auch die Möglichkeiten der Vorratsdatenspeicherung zu nutzen und die entsprechenden Rahmen so zu strecken, dass sie den geringsten Grundrechtseingriff zur Folge haben. Deshalb glauben wir, dass es der richtige Weg ist. Wir werden den Kurs von Bundesinnen- und Bundesjustizminister unterstützen und vorantreiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Möchte noch jemand zur Debatte sprechen? – Dann beende ich die 2. Aktuelle Debatte. – Entschuldigung, ich habe die Staatsregierung vergessen. Das war keine Absicht. Herr Minister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aus der Sicht des Vertreters der Staatsregierung möchte ich zu diesem Thema einige Worte sagen und klarmachen, dass das, was aus der Perspektive des Bundes vorgelegt worden ist, durchaus vernünftig ist, dass ich das begrüße und dass das ein erster wichtiger Schritt zu einer wirkungsvollen Ermittlungsarbeit im digitalen Zeitalter ist.

Man kann unterschiedlich darüber diskutieren, aber wenn man es zu versachlichen versucht, stellt man sich die

Frage: Worum geht es? Im Kern geht es darum, schwere Straftaten aufzuklären und sich dabei auf dem gleichen technischen Level zu bewegen wie die Straftäter.

(Zuruf von der CDU: Das schaffen wir nie!)

Herr Bartl, Sie haben das Thema der aufgeführten Katalogstraftaten angesprochen. Sie müssen auch im Einzelfall schwer wiegen. Natürlich geht es neben terroristischen Dingen um Leib, Leben, Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung – alles sehr vernünftige Rechtsgüter. Aus dem Ausländerrecht gibt es zum Beispiel einen Punkt „Einschleusen mit Todesfolgen“. Ich möchte für mich und meine Kollegen erklären, dass solche Tatbestände doch geeignet sind und dass ich dann in der Lage sein möchte, mit technischen Mitteln auch Vernetzungen zu erkennen und solche Straftaten aufzuklären, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es geht doch im Moment darum, überhaupt noch potenzielle Spuren haben zu können, denen nachgehen zu können, weil uns teilweise die Hände gebunden waren.

Oft waren die Verkehrsdaten gelöscht, als es Ermittlungsansätze gegeben hat. Das bedeutet, dass potenziell wichtige Spuren eben längst verloren waren. Wenn wir über „Charlie Hebdo“ sprechen, kann man natürlich – Herr Baumann-Hasske – zu Recht sagen: „Das furchtbare Verbrechen konnte nicht verhindert werden.“ Aber wenn wir uns das genau ansehen, wissen wir, dass die Auswertung der Kommunikationsdaten sehr schnell Informationen dazu gebracht hat, woher die Waffen kamen, welche Rollen die Frauen gespielt haben. Am Ende hat die Datenauswertung sehr viele Informationen gebracht, die wir auf unserer Rechtsgrundlage von uns im Moment nicht hätten zutage fördern können.

Sie wissen auch, dass ich darüber schon einmal sprach: Wir haben im Rahmen der Innenministerkonferenz – im Übrigen haben daran auch die SPD-Innenminister mitgearbeitet – eine Vollerhebung gemacht und gefragt, in wie vielen Fällen die Auskünfte nicht mehr erteilt werden konnten. Das waren bundesweit 76 %. In knapp der Hälfte der Fälle waren die zugrunde liegenden Daten der einzige Ermittlungsansatz. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus vernünftig und berechtigt. Diesbezüglich wird dieser Kompromiss auch helfen, die Zahl in Zukunft zu verringern.

Aus der Sicht der Staatsregierung hat der Bund bei den geplanten Maßnahmen mit Augenmaß agiert oder, Herr Lippmann, um es vielleicht so zu sagen: „maasvoll“ das Thema angepackt, weil es die Balance zwischen Datenschutz und Sicherheitsbedürfnis entsprechend gewährleistet.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, klar.

Herr Bartl, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, Herr Minister. Hat sich die Staatsregierung mit dem Thema bereits befasst und eine abschließende Meinung gebildet, und zwar insbesondere zu der Frage, ob sie erwartet, dass das Gesetz in den Bundesrat kommt?

Innerhalb der Staatsregierung haben wir das Thema noch nicht debattiert, aber wir haben eine Telefonschaltkonferenz auf Innenministerseite gehabt. Alles, was ich dort zur Kenntnis genommen habe, läuft darauf hinaus, dass es kein zustimmungspflichtiges Gesetz wird, also sprich, dass es auf der Bundesebene allein entschieden werden kann.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Darf ich nachfragen?

Möchten Sie noch eine Frage des Abg. Bartl beantworten?

Ja.

Herr Staatsminister, angesichts des Umstandes, dass offensichtlich einer der in der Regierung vertretenen Koalitionspartner Probleme mit dem Gesetz hat – ich weiß nicht, für wen Sie jetzt gerade sprechen; wahrscheinlich für die CDU: Ist es vorgesehen, dass sich das Kabinett noch einmal mit dem Vorhaben befasst oder man anmahnt, dass es doch in den Bundesrat kommt, weil zum Beispiel bei der Frage der Umsetzung der Gefahrenabwehr Länderrelevanz vorliegt?

Herr Bartl, derzeit spreche ich als zuständiger Minister für die Staatsregierung. Ob, und wenn Ja, wie wir uns innerhalb der Staatsregierung zu dem Thema abstimmen werden und müssen, hängt davon ab, ob es am Ende ein zustimmungspflichtiges Gesetz wird oder nicht. Ich gehe davon aus, dass die beiden Herren – Bundesminister Maas und de Maizière – alles schon geprüft haben, und dass das, was ich in der Telefonschaltkonferenz gehört habe, am Ende auch so kommt.

Vielen Dank.

Deswegen möchte ich an dieser Stelle schließen. Ich habe über den Kompromiss gesprochen und denke, dass er sich in der Praxis beweisen muss. Aus meiner Sicht ist es ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Es geht darum, dass notwendige Dinge verhältnismäßig und dementsprechend angepackt werden. Für die sächsischen Ermittlungsbehörden wird es zumindest eine wertvolle Hilfe sein. Ich denke, wenn es dann wirklich zur Aufklärung von schweren Straftaten dient, ist es nicht nur für die Ermittlungsbehörden gut, sondern auch für die Menschen im Land. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass die Leitlinien am Ende eine vernünftige Rechtsregelung finden werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich schließe die 2. Aktuelle Debatte.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

2. Lesung des Entwurfs