Das Problem ist letzten Endes: Die Debatte beschäftigt sich bereits damit, wie das Gesetz so angelegt werden kann, dass es nicht in den Bundesrat muss. Denn man befürchtet schon wieder, dass die Länder, die SPD- oder grün oder links regiert sind, im Bundesrat Schwierigkeiten machen könnten. Also werden jetzt Verrenkungen gemacht, und zwar unter Beteiligung des Kollegen Maas, um das aus dem Bundesrat herauszuhalten. Auch deshalb ist es kein rein bundespolitisches Thema.
Drittens: Hier geht es schlicht und ergreifend um eine programmierte Grundrechtsverletzung mit Vorsatz. Herr Kollege Dr. Dreher, es gibt kein Grundrecht auf Sicherheit, gegen das man abwägen könnte.
(Dr. Stefan Dreher, AfD: Sie haben das rechtlich ja überhaupt nicht verstanden, Herr Kollege! Ich gebe Ihnen Nachhilfe!)
Wir haben kein Grundrecht auf Sicherheit. Wir haben Grundrechte in der Verfassung, aber kein Recht auf Sicherheit.
Ja, aber körperliche Unversehrtheit wird mit Sicherheit nicht mit der Vorratsdatenspeicherung gewährleistet. 0,006 % Aufklärungsquotensteigerung in der Geltungszeit der Datenschutzrichtlinie! Das Max-Planck-Institut hat unter Rückgriff auf Zahlen des Bundeskriminalamts festgestellt, dass die Daten, die in dem halben Jahr der Geltung der Datenschutzrichtlinie seinerzeit gesammelt wurden, bei einschlägigen Delikten zu einer Erhöhung der Aufklärungsquote um 0,006 % geführt hat, also im Promillebereich. Erzählen Sie mir doch nichts vom Pferd. Erklären Sie mir doch nicht, dass man Vorratsdatenspeicherung haben will, weil man die Aufklärung zum Schutze von Menschenrechten oder Freiheitsrechten oder dem Schutz von Leben und Gesundheit perfekter machen will! Dafür ist sie ungeeignet; das ist bewiesen.
Es geht darum, dass man über diesen Weg nicht mehr und nicht weniger als die Kommunikationsverbindungsdaten von 80 Millionen Menschen in Deutschland speichern kann. Von 80 Millionen Menschen sollen erst einmal vorsorglich Daten gespeichert werden mit der Maßgabe: Wenn die Polizei sie irgendwann einmal brauchen könnte, dann wollen wir sie erst einmal haben. Das ist nicht die Denke des Rechtsstaates, das ist die Denke eines Überwachungsstaates. Sorry, ich weiß doch, wovon ich rede.
Ja, ich bin schon immer geständig. Insofern, glaube ich, wir laufen sehenden Auges wiederum in das Urteil mindestens des Europäischen Gerichtshofs, wenn wir nichts dagegen tun. Man bekommt es vielleicht noch konform zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts hingebastelt. Das hat Kollege Baumann-Hasske ganz zutreffend gesagt; Respekt, Herr Kollege, absoluten Respekt. Aber das Luxemburger Urteil sagt ganz eindeutig – dort gibt es auch keine Seitengasse, in die ich mich flüchten kann –, es ist verboten, dass die Daten von Personen gespeichert werden, „bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte“. Diese Ansage ist eindeutig.
Ich weiß nicht, wie man mit dem Richtlinienkompromiss da herauskommen möchte. Wir waren der Überzeugung, die VDS sei rechtlich tot. Jetzt wollen wir es auch politisch beerdigen. Nun lebt es wieder auf. Es tut mir leid, dass der von mir durchaus geschätzte Berufskollege Maas in der Sache umgefallen ist. Das hätte ich nicht gedacht. Er hat noch im Dezember 2014 in der Twitter-Community erklärt: „Mit mir wird es das nie geben.“ Welche Mächte
letzten Endes auf der hohen Ebene wirken, wird man sehen. Ich werde in einem zweiten Beitrag noch etwas zu Einzelregelungen sagen.
Herr Kollege Bartl, ich gebe Ihnen gern einmal ein Privatissimum im Bereich Verfassungsrecht, wenn Sie möchten.
Ich habe nicht gesagt, es gibt eine Grundrechtsabwägung. Wir haben einmal das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, und das ist nicht schrankenlos, sondern das hat seine Schranke unter anderem in der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dieses Denkschema ist in sehr vielen verfassungsrechtlichen, strafprozessualen Entscheidungen und Rechtsetzungsakten der Fall. Das ist allgemein üblich. Ich habe nicht behauptet, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein Grundrecht ist. Aber das können Sie mir gern erklären. Das ist meine Frage.
Ich würde darauf wie folgt antworten: Genau dort beginnt das Problem, wenn ich Grundrechte gegen Ordnung abwäge. Das beginnt schon beim Brockdorf-Urteil. Das Brockdorf-Urteil hat gezeigt, wie schwierig es ist, das Kriterium der Ordnung in die Grundrechtsabwägung, hier mit dem Versammlungsverbot, mit freier Meinungsäußerung usw., hineinzubringen. Wenn wir in der Grundrechtsabwägung bei der Speicherung von Telekommunikationsdaten allen Ernstes davon ausgehen, dass ich diese heranziehen kann, um Grundrechte zu suspendieren, dann wird es schwierig. Zumindest das Ordnungskriterium und die Frage der staatlichen Sicherheit sind ein kompliziertes Feld in der Abwägung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Ansage des Kollegen Bartl sehr dankbar, dass wir noch in eine dritte Runde gehen. Dann haben wir jetzt Zeit und müssen die Diskussion nicht so beschleunigt miteinander führen.
Ich möchte noch einmal voranstellen: Es ist nicht Sache dieses Hohen Hauses zu bewerten, zu unterstellen, zu interpretieren und zu mutmaßen, was den Bundesjustiz
minister, den Bundesinnenminister und den Deutschen Bundestag in seiner Entscheidungskompetenz treibt.
Aber gut, Sie können auch den ganzen Tag damit zubringen. Richtig ist: Im Rahmen eines solchen Verfahrens wird es einen Zeitpunkt geben, in dem wir uns als Freistaat Sachsen mit dem Thema auseinandersetzen. Richtig ist – ich bin Frau Friedel sehr dankbar, dass sie das deutlich gemacht hat –, dass man in einer Koalition auch Themen unterschiedlich diskutieren kann und miteinander eine Lösung findet, und das im Rahmen der geltenden bundesrechtlichen Vorschriften. Das werden wir zum geeigneten Zeitpunkt alle miteinander tun. Was dann in welcher Form notwendig ist, wird sich zeigen, wenn die Rahmenbedingungen fachlich zu diskutieren sind.
Derzeit ist es so, dass es eine Richtlinie gibt, die davon spricht, was Bundesjustizminister und Bundesinnenminister miteinander vereinbaren. Wenn die Fraktion DIE LINKE in diesem Hohen Haus einen Reflex hat, das möglichst schnell zu verhindern, dann ist es im Rahmen des parlamentarischen und des politischen Diskurses durchaus ihr gutes Recht. Nur muss man diese Auffassung nicht teilen.
Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass das Thema Vorratsdatenspeicherung eines ist, das im Rahmen einer ganzheitlichen Sicherheitsarchitektur zu bewerten und zu diskutieren ist. Natürlich stehen im Mittelpunkt das Grundrecht des Einzelnen und auch das Grundrecht als Abwehrrecht des Bürgers gegenüber dem Staat, aber auch als Mitwirkungsrecht und als Schutzrecht gegenüber Dritten. Auf der anderen Seite steht die Verantwortung des Staates, für den Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger Sorge zu tragen. Es ist auch so, dass Grundrechte in diesem Land nicht schrankenlos gewährleistet werden. Sie finden ihre Grenzen dort, wo sie Rechte anderer berühren, oder aber da, wo sie den Staat in seiner Existenz und Struktur gefährden.
Genau da, meine sehr geehrten Damen und Herren, bedarf es eines Grundrechtsabwägungsprozesses und einer Entscheidung, wie ich mit Themen umgehen möchte. Es ist durchaus Recht und Privileg eines unabhängigen Bundesverfassungsgerichtes wie auch eines Europäischen Gerichtshofes, solche Fragen zu bewerten und über sie zu befinden. Wir werden uns auch mit diesen Urteilen auseinandersetzen und sie bewerten müssen. Jetzt geht es darum, eine Regelung zu finden, die aus unserer Sicht die Grundrechtsausübung des Einzelnen nicht unnötig beschränkt und vor allen Dingen nicht unzulässigerweise beschränkt, auf der anderen Seite aber dafür Sorge trägt, dass der Staat der Sicherheitsarchitektur, den Sicherheitsbedürfnissen und dem Schutz seiner Bevölkerung Rechnung trägt.
Dafür sollen Daten für einen kurzen Zeitraum in einem kurzen Umfang gespeichert werden. Noch einmal deutlich: Standortdaten und die Nicht-Metadaten, das heißt keine inhaltlichen Daten, sollen vier respektive zehn
Wochen mit Höchstspeicherfristen versehen werden, und E-Mails sind komplett ausgenommen. Darüber hinaus wurden Hürden für die Zugriffe definiert. Diese Hürden sind ein umfassender Richtervorbehalt. Das heißt, es muss immer ein Richter entscheiden, und es kann nicht unter Gefahr in Verzug staatsanwaltschaftlich definiert werden. Es gibt einen engen Straftatenkatalog. Über den kann man trefflich streiten. Ich finde es richtig, dass es einen Straftatenkatalog gibt, in dem Straftaten, die sich gegen die staatliche Ordnung und gegen Leib und Leben richten, beihaltet sind. Ein besonderer Schutz für Berufsgeheimnisträger ist ebenfalls beinhaltet.
Auf der anderen Seite sollen die Standards der Technik definiert werden: Speicherung auf Inlandsservern, höhere Verschlüsselungsstandards, aber eben auch die Schaffung neuer Straftatbestände wie beispielsweise bei unrechtmäßiger Weitergabe – die Datenhehlerei. Man wird also einer aktuellen Entwicklung gerecht.
Kurzum, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich vermag die hier gezeigte Aufregung nur beschränkt zu verstehen. Wer den Staat schützen will und wer auf der anderen Seite in einer heute geführten Diskussion über die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses beklagt, dass Daten nicht mehr verfügbar seien, muss sich der Frage stellen, was ein ausgewogenes und verantwortungsvolles Verhältnis zwischen dem Schutz des Einzelnen, dem Schutz des Bürgers, der Grundrechtsausübung, und dem Schutz des Staates ist. Ich glaube, die jetzt vorgelegte Regelung des Bundesjustiz- und des Bundesinnenministers dient dazu, diesen vernünftigen Ausgleich zu finden. Wir finden sie grundsätzlich gut und glauben, wir sollten sie im weiteren Verfahren in aller Ruhe und ohne die emotionale Begeisterung, die hier im Raum steht, führen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist interessant zu sehen, wie eine Debatte von der Fraktion DIE LINKE angestoßen und über Grundrechte debattiert wird, die gerade bei der LINKEN manchmal nicht zu sehr zu Hause zu sein scheinen.
Umso mehr freuen wir uns darüber, dass wir auch im Sächsischen Landtag darüber sprechen können. Wir teilen aber den Optimismus der CDU-Fraktion nicht, dass das Vorantreiben von Vorratsdatenspeicherung die Probleme gerade bei Kriminalfällen zu lösen imstande ist, was sich die CDU offensichtlich davon erhofft.
Wir glauben, dass es vielmehr darum geht – weil Sie, Herr Hartmann, von einem ganzheitlichen Konzept sprachen –, im Bereich der Justiz und der Polizei die Aufgaben zu erfüllen, die Sie unserer Meinung nach gerade mit dem Koalitionsvertrag noch nicht ausreichend gewährleisten können. Wir brauchen zur Bekämpfung von Straftaten nicht so sehr die Vorratsdatenspeicherung, bei der immer noch nicht ganz klar ist, ob die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand bei der Datenspeicherung und Nutzen bei der Aufklärung von Straftaten gegeben ist.
Deshalb: Investieren Sie lieber in Polizei und Justiz, bevor wir die Vorratsdatenspeicherung vorantreiben, zumal der Trend zur Überwachung seit Jahren anhält und ich mich frage, ob wir nicht prinzipiell darüber sprechen sollten, inwieweit wir den „gläsernen Bürger“ vorantreiben wollen. Ich denke, als Demokraten sollten wir uns dem Trend viel mehr entgegensetzen.
Bürgerrechte bedürfen immer der Abgrenzung gegen das Sicherheitsbedürfnis bzw. der Einhaltung von Gesetzen. Aber in der Tat, dies kann man nicht isoliert betrachten. Deshalb ist die AfD-Fraktion der Meinung, es abzulehnen, dass Bedrohungsszenarien dafür genutzt werden, ein Klima der Angst zu produzieren, auf das die Bevölkerung nur allzu leicht hereinfällt. Hier ist eine differenzierte Aufklärung vonnöten. Wir möchten nicht, dass weitere Abkommen wie SWIFT, die Speicherung von Flugpassagierdaten oder auch das Forschungsprogramm INDECT dazu führen, dass Bürger sich in ihren Grundrechten und in ihrem Freiheitsbedürfnis immer weiter eingeschränkt sehen.