Protocol of the Session on June 19, 2014

Das war eine Kurzintervention. Gibt es eine Reaktion? – Das ist nicht gewünscht.

(Arne Schimmer, NPD: Darauf kann sie gar nicht antworten! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Besteht weiterer Redebedarf in dieser Runde? – Bei der FDP; bitte, Herr Biesok.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich den Titel der Aktuellen Debatte anschaut – „… Wer schützt unsere Verfassung vor dem Verfassungsschutz …“ –, denkt man, dass es etwas Neues gibt oder dass zumindest ein Bezug zur Verfassung gesucht wird; dass zumindest einmal schlüssig dargelegt wird, wo es ein Schutzbedürfnis der Verfassung vor dem Verfassungsschutz gibt. Eine derartige Darlegung ist dem Kollegen Schimmer leider nicht gelungen, und ich glaube, dazu ist er auch intellektuell nicht in der Lage.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Lassen Sie mich die Aufgaben des Verfassungsschutzes noch einmal kurz darlegen. Der Verfassungsschutz schützt uns vor Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, er schützt uns vor Linksextremismus und Linksterrorismus, er schützt uns vor Ausländerextremismus und Ausländerterrorismus.

Die NPD ist ganz klar einzuordnen: Sie ist rechtsextremistisch und hat sicherlich auch Beziehungen zum Rechtsterrorismus gehabt. Sie versuchen hier dadurch, dass Sie den NSU in die Ecke des Verfassungsschutzes und irgendwelcher nachrichtendienstlichen Tätigkeiten rücken,

(Holger Szymanski, NPD: Da gehört er auch hin!)

Ihre eigene Nähe zum NSU zu leugnen und die Verantwortung in andere Bereiche zu schieben.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: So ist das! – Beifall bei der FDP und der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Auch wenn es keinen Spaß macht: Verfolgt man die Pressemitteilungen auf der Homepage der NPD-Fraktion, so bekommt man den Eindruck, dass es sich beim NSU um eine Erfindung staatlicher Behörden zur Rufschädigung der NPD handelt, um nichts anderes. Das ist schlicht gelogen.

Ich möchte hier eine Bemerkung zitieren – sie ist die prägnanteste: „Die Kartenhäuser über das NSU-Phantom brechen in sich zusammen.“

Meine Damen und Herren, der NSU ist kein Phantom und auch keine Erfindung des Verfassungsschutzes, sondern Sie versuchen hier einfach nur Ihre Verstrickung in diesen Gesamtkomplex zu leugnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Holger Szymanski, NPD)

Ihre Motivation ist dabei klar: Sie wollen selbst Ihre rechte Gesinnung damit leugnen. Sie wollen leugnen, dass Sie selbst zu Recht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen. Sie wollen sich hier als Märtyrer und als

Opfer präsentieren, obwohl Sie es nicht sind. Sie sind nahe dran gewesen an den Tätern, und das ist hier deutlich hervorzuheben.

Die FDP hat sich sehr kritisch mit der Position des Verfassungsschutzes auseinandergesetzt.

(Holger Szymanski, NPD: Oje!)

Ja, das haben wir schon mehrmals gesagt, und wir haben auch deutliche Missstände festgestellt; ich habe auf diesem Podium deutlich dazu Stellung genommen. Wir sind der Meinung, dass es hier einen Restrukturierungsbedarf gibt. Das bedeutet aber nicht, dass wir davon ausgehen, dass der Verfassungsschutz in irgendeiner Weise so gehandelt hat, dass er der Verfassung geschadet hat und dass sich hieraus ein Bedürfnis herleitet.

Wir treten dafür ein, dass es innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz und den Kriminalitätsbekämpfungsbehörden im Freistaat Sachsen gibt. Gerade diese Verzahnung hat nicht genügend stattgefunden und dadurch haben sich Aufklärungsdefizite ergeben, als es um die Aufbereitung oder die Verfolgung des NSU ging.

Meine Damen und Herren, ich möchte diese Aktuelle Debatte auch dazu nutzen, zu Herrn Meyer-Plath Stellung zu nehmen. Mein Vorredner hat die Position, die Herr Meyer-Plath im Landesamt für Verfassungsschutz bei der Führung von V-Leuten hatte, deutlich überzogen. Nach dem, was wir wissen, ist er nicht der V-Mann-Führer gewesen, und er hat nicht aktiv eingegriffen.

Ich bin Herrn Meyer-Plath sehr dankbar dafür, was er mit dem Landesamt für Verfassungsschutz gemacht hat, wie er es umstrukturiert hat. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, wie er offen kommuniziert und dieses Landesamt für Verfassungsschutz aus der Ecke einer „drögen Behörde mit Schlapphüten“ herausführt in eine kommunikative Behörde, die darüber aufklärt, wie Extremismus hier im Freistaat Sachsen funktioniert.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich möchte es an dieser Stelle sagen, auch wenn es eine NPD-Debatte ist: Ich bin, ehrlich gesagt, entsetzt, Frau Köditz und Herr Jennerjahn, wie Sie eine Gesinnungsschnüffelei betreiben, weil Herr Meyer-Plath einer studentischen Burschenschaft angehört.

(Bravo-Ruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU – Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung)

Ich habe selbst in einer alten Universitätsstadt mit vielen Burschenschaften studiert – mir persönlich war das fremd –; aber ich habe auch Burschenschaftler kennengelernt, die sehr, sehr auf dem Boden dieser Verfassung stehen und die jederzeit und im vollen Umfang für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einstehen, und hierzu zähle ich auch Herrn Meyer-Plath.

Meine Damen und Herren von der NPD, schauen Sie sich einmal Artikel 117 der Verfassung an. Der Artikel 117 unserer Verfassung gibt uns einen Auftrag, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Wenn Sie hier schon über die Verfassung richten und die Korrelation zur Verfassung herstellen, dann arbeiten Sie bitte einmal Ihre eigene historische Vergangenheit, Ihre Bezüge zur NSDAP auf. Ich glaube, dann wären Sie näher dran an der Verfassung als mit dieser Debatte, die Sie hier zu führen versuchen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsregierung – Jürgen Gansel, NPD: Sie sind wohl nicht bei Trost! – Weitere Zurufe von der NPD)

Das war Herr Kollege Biesok für die FDP-Fraktion. Nun gibt es eine weitere Kurzintervention von Herrn Schimmer.

Ja, vielen Dank für die Worterteilung, Herr Präsident. – Ich möchte doch noch einmal auf Herrn Biesok antworten: Herr Biesok, wenn Sie sagen, der Verfassungsschutz schützt uns vor dem Rechtsextremismus, wie ist es dann aus Ihrer Sicht heraus zu erklären, dass beispielsweise der gesamte Thüringer Heimatschutz – die Gruppierung, in der Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe politisch sozialisiert wurden – von V-Leuten nur so durchsetzt war? 40 von 120 Mitgliedern des Thüringer Heimatschutzes waren VLeute. Der Anführer, der Spiritus Rector, der die Leute immer aufgestachelt hat, Tino Brandt, war ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes. Er hat insgesamt 200 000 D-Mark von den Geheimdiensten, vom Thüringer Verfassungsschutz bekommen. Das ist eine Riesenschweinerei!

Lesen Sie doch mal das Buch von Stefan Aust und Dirk Laabs! Lesen Sie doch einmal nach, wie der Mann plötzlich agil war mit einem großen Geländewagen, mit vier Handys Ende der Neunzigerjahre, wie er auch für andere seiner Kameraden durchaus Strafen bezahlt hat! Sie wollen uns hier weismachen, der Verfassungsschutz schützt uns vor dem Rechtsextremismus? Das glauben Sie doch selbst nicht!

Das Nächste ist doch: Diese Gruppen, aus denen der NSU kam, waren ähnlich unterwandert wie manche oppositionelle Gruppe in der früheren DDR, dass mehr als die Hälfe der Mitglieder dem Geheimdienst angehörten. Die waren vollkommen durchsetzt, die waren immer auf dem Schirm. Machen Sie sich doch einmal kundig! Bringen Sie sich auf den neusten Stand zum gesamten NSUKomplex! Das war ein Komplex, der immer massiv vom Staat beobachtet und gesteuert wurde.

Sie sagen, Herr Meyer-Plath hat ja nie aktiv eingegriffen. Das ist doch völliger Blödsinn! Machen Sie sich doch auch hierzu einmal kundig! Herr Meyer-Plath hat bei einem wegen versuchten Mordes verurteilten Straftäter

erst einmal das Gericht getäuscht und ihm Hafterleichterung verschafft, hat ihn danach auch wieder mobil gemacht. Er hat ihn ständig an allen Wochenenden in Brandenburg von einem Skinheadkonzert zum nächsten gefahren. Das ist alles nachzulesen im Buch von Stefan Aust. Er hat ihn mit Telefon versorgt, er hat sich ständig um ihn gekümmert.

Nur die entscheidende Quellenmeldung, –

Die Redezeit ist zu Ende.

– dass sich die drei in Chemnitz aufhalten und sich Waffen besorgen wollen, ging unter. Und das sollen wir nicht thematisieren dürfen? Sie glauben doch wohl selbst nicht, dass wir uns daran halten, Herr Biesok!

(Beifall bei der NPD)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Schimmer. Darauf reagiert jetzt Herr Kollege Biesok.

Herr Schimmer, noch einmal zum Verständnis: Ein V-Mann bekommt Geld dafür, dass er Informationen liefert. Er bekommt kein Geld dafür, dass er Organisationen steuert. Das ist schon einmal der grundsätzliche Unterschied.

(Lachen bei der NPD – Jürgen Gansel, NPD: Wie naiv sind Sie denn?)

Sie haben hier vorgetragen, Sie hätten weitergehende Informationen über Herrn Meyer-Plath. Mir liegen auch Informationen vor, aber ich halte mich an Verschwiegenheitsregeln, die mir im Rahmen der PKK auferlegt sind.

(Zurufe von der NPD)

Daran halte ich mich. Das unterscheidet mich auch von einigen Kollegen, die hier im Plenum sitzen; da gehen nämlich Informationen – rein zufällig – heraus, weil da ein sehr enger Zusammenhang auch in zeitlicher Hinsicht bestanden hat.

Ich wehre mich nicht dagegen, dass man diese Fragen thematisiert. Ich wehre mich dagegen, dass man versucht, eine Mordserie mit terroristischem Hintergrund so darzustellen, als sei sie ein Produkt staatlicher Behörden. Das war es nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Jürgen Gansel, NPD: Zumindest mit staatlicher Duldung!)

Wir sind am Ende der ersten Runde angekommen. Ich eröffne die zweite Runde. Das Wort hat die Einbringerin, die NPD-Fraktion. Herr Szymanski, bitte nehmen Sie das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Herrn Biesok ist von Herrn Schimmer eigentlich alles gesagt worden.

Frau Köditz, zu Ihnen: Was ich mit dem Nationalsozialistischen Untergrund zu tun haben soll, erschließt sich mir auch nach Ihrer Rede immer noch nicht.