Das geht so nicht, Herr Kollege Breitenbuch. Sie haben genug Redezeit für die CDU-Fraktion. Sie können dann in einer zweiten oder dritten Runde antreten. Jetzt wäre die Möglichkeit für eine Kurzintervention gewesen, die sich dann auf den vorhergehenden Redebeitrag bezogen hätte. – Das ist nicht der Fall. Also machen wir weiter.
Das Wort hat jetzt die SPD-Fraktion. – Es besteht kein Redebedarf zum Antrag? – Dann gehen wir weiter. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Es besteht kein Redebedarf. Erneut die NPD? – Es besteht wiederum kein Redebedarf.
Damit treten wir in eine weitere Rednerrunde ein. Für die einbringende CDU-Fraktion könnte Herr Kollege von Breitenbuch das Wort ergreifen, und er tut das auch.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mir ist es persönlich wichtig, hier noch einmal etwas zu sagen, weil ich mich darüber geärgert habe, als Frau Klepsch „rückwärtsgewandt“ sagte. Wir sind den Menschen zugewandt, die damals Leid erfahren haben – ganz persönlich –, und wir versuchen, dieses Leid heute an uns heranzulassen. Ich denke, es ist ein guter Zug, dass wir das als Landtag hier tun. Ich wundere mich, warum Sie sich in Ihrer Argumentation so sperrig zeigen, warum Sie nicht locker sein können, dieses Leid anzunehmen und daran zu erinnern. Sie versuchen hier Bögen zu machen und Schlingen zu ziehen, anstatt einfach zu sagen, dass es dieses Leid gab, dass diese Menschen Heimat verloren haben, dass sie Opfer gebracht haben, und daran erinnern wir.
Ich glaube, das liegt an Ihrem kollektivistischen Bild von der Gesellschaft und vom Menschen. Sie schaffen es nicht, den einzelnen Menschen zu sehen, sondern denken immer in den Strukturen, die ihn umgeben, und an die Gruppe, in der er lebt. Das ist der Unterschied zu uns, zur CDU – wie auch zur FDP –: Wir sehen den einzelnen Menschen. Für den machen wir Politik, und darum entscheiden wir uns auch für dieses Heimatgedenken.
Herr Kollege Breitenbuch, könnte es sein, dass es an der Programmatik der Linksfraktion liegt, die sich immer noch nicht von ihrem schweren SED-Erbe verabschiedet hat? Denn diese Reaktion, die Frau Klepsch hier eben gezeigt hat, dass es rückwärtsgewandt sei, das wurde bis 1989 doch immer uns vorgeworfen, die sich um Flüchtlinge und Heimatvertriebene gekümmert haben. Das war doch immer in deren Duktus, das Rückwärtsgewandte. Könnte das damit zusammenhängen?
Ich sehe absolut, dass das im Zusammenhang steht. Das ist der zweite Punkt, den ich hier ansprechen möchte: Auch meine Familie wurde aus Sachsen vertrieben. Ich sehe mich also auch hier in dieser Tradition, dass man betroffen ist. Insofern freue ich mich, dass die Familien, die aus Sachsen vertrieben worden sind, teilweise wieder da sind, teilweise aber auch sächsische Wurzeln fühlen, gleich, ob sie in Baden-Württemberg oder im Ruhrgebiet wohnen, dass sie sich damit verbunden fühlen, was wir hier heute beschließen wollen.
Gibt es in dieser Runde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Es gibt eine Kurzintervention an Mikrofon 7; Herr Gansel.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Kurzintervention bringen und meinen Vorredner etwas korrigieren. Die hier wieder deutlich gewordene Gleichgültigkeit – ja, Verachtung – der drei linken Fraktionen gegenüber den deutschen Heimatvertriebenen würde ich weniger auf deren kollektivistisches Gesellschafts- und Menschenbild zurückführen, sondern vielmehr auf den typisch linken neudeutschen Selbsthass, ein geradezu psychopathologischer Selbsthass, den mittlerweile viele Linke mit der Muttermilch aufgesogen haben, der dazu führt, dass es Linken in dieser Bundesrepublik überhaupt nicht mehr möglich ist, von der Existenz deutscher Opfer zu sprechen und die objektive Existenz deutscher Opfer anzuerkennen. Nach linker Philosophie kann der Deutsche immer nur Täter sein.
Aufgrund dieses psychopathologischen Gesellschaftsbildes, dieses nationalen Selbsthasses können Linke auch nicht unverklemmt zugeben, dass es nach 1945 Hundertausende deutsche Soldaten gegeben hat, die in alliierten Kriegsgefangenenlagern gestorben sind. Deswegen
können Linke auch nicht zugeben, dass es 1945 die Vergewaltigung Hunderttausender deutscher Frauen – vor allem durch die Rote Armee – gegeben hat. Deswegen können Linke auch nicht trauern angesichts des Schicksals von mehr als 15 Millionen deutschen Heimatvertriebenen. Deswegen können Linke auch nicht trauern angesichts der Bombentoten von Dresden: weil die Linken – zumindest die Nachkriegs-Linken – in diesem Land von nationalem Selbsthass zerfressen sind. Das macht sie nicht nur politikunfähig, sondern das macht die Linken moralisch geradezu verachtenswert.
Gibt es eine Reaktion auf diese Kurzintervention? – Das ist nicht der Fall. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Auch das ist nicht der Fall. Dann hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Ulbig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Aus Sicht der Staatsregierung möchte und werde ich natürlich einiges zu dem Antrag der Koalitionsfraktionen sagen.
Zuerst eine Vorbemerkung: Bisher – so ist meine Erfahrung im Sächsischen Landtag – war es gut, richtig und durchaus auch geübte Praxis, dass man sich, wenn ein Antrag gestellt wird, in der Debatte zu diesem Antrag auch auf diesen Antrag konzentriert und bezieht. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich zumindest zum letzten Teil der Diskussion aus der Sicht der Staatsregierung folgende Anmerkung machen: Selbstverständlich ist es für die Staatsregierung – damit für den Freistaat Sachsen – ein Anliegen, sich dem Thema der Flüchtlinge und dieser Problematik, die wir derzeit weltweit haben, zu widmen. Sie haben wahrgenommen, dass das eines der wichtigsten Themen gewesen ist, das wir auf der Innenministerkonferenz in der letzten Woche in Bonn diskutiert haben, und dass wir uns gemeinsam dazu verständigt haben, dass es 10 000 syrische Flüchtlinge gibt, die zusätzlich zu dem Kontingent, das bisher beschlossen worden ist, nach Deutschland und damit in die jeweiligen Länder kommen können.
Das will ich nur zur Klarstellung sagen, um damit deutlich zu machen, dass es mitnichten darum geht, das eine gegen das andere auszuspielen und entweder/oder zu diskutieren, sondern wenn es darum geht, gibt es für mich ein Sowohl-als-auch.
Aber im Kern – und jetzt will ich auf das zurückkommen, was in der Diskussion gesagt wurde und im Antrag steht – reden wir heute über einen ganz konkret gestellten Antrag. Es geht um das Gedenken an Vertriebene. Ich kann aus der Perspektive der Staatsregierung sagen: Das ist
auch für uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein wichtiges Anliegen. Es ist nichts Verwerfliches, sondern – wie wir es gerade diskutiert haben – es ist für diese Bevölkerungsgruppe, die antragsgegenständlich ist, eine wichtige Angelegenheit.
Seit Beginn der Neunzigerjahre vertreten wir daher auch eine konsequente politische Linie – ich möchte es einmal so formulieren, meine sehr verehrten Damen und Herren, – durchaus gemeinsam mit unseren östlichen und südöstlichen Nachbarn. Dabei geht es uns – ganz anders als manche Einlassung von der NPD zu diesem Thema – um Versöhnung statt Revanchismus. Es geht uns um Bewahrung des gemeinsamen kulturellen Erbes statt um Konflikt und Abgrenzung.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, fördert das der Freistaat Sachsen jährlich mit rund 240 000 Euro. Das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen. Das sind zahlreiche Projekte. Ich will noch einmal einige nennen: die Stiftung Schlesisches Museum in Görlitz, die Zentrale Heimatstube der sächsischen Vertriebenen in Reichenbach oder das Collegium Bohemicum in Ústí nad Labem. Der Landesverband der Vertriebenen ist dabei für uns und für mich durchaus ein wichtiger Partner. Dort werden über seine Stiftung und die regionalen Gruppen Projekte gestaltet. Ganz aktiv ist er dort dabei. Er fungiert als Brückenbauer zu unseren Nachbarn. Beispielsweise werden mit eigenen Mitteln Kulturdenkmale in der Heimat erhalten. Es gibt eine enge Zusammenarbeit mit den dortigen Kommunen. Deshalb noch einmal herzlichen Dank, Frank Hirche, für das Engagement und den Einsatz.
Deshalb ist es nur folgerichtig, dass man sich in einem solchen Antrag auch mit diesem Thema auseinandersetzt, dass so etwas antragsgegenständlich ist. Die Staatsregierung begrüßt diesen Antrag.
Wir haben uns im Jahr 2003 schon einmal mit einem Antrag im Bundesrat für einen nationalen Gedenktag eingesetzt. Damals konnten wir uns nicht durchsetzen. Deshalb ist eine erneute Aktivität aus Sachsen heraus eine gute Sache. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sage ich zum Schluss: Nach meinem Verständnis soll dieser sächsische Gedenktag eine doppelte Funktion erfüllen – um noch einmal das aufzugreifen, was in dieser Debatte gelaufen ist –: zum einen natürlich und ganz selbstverständlich Gedenken und Mahnung an das Leid durch Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung in den Blick zu nehmen, aber zum anderen – und das sage ich auch – den Blick nach vorn zu richten für ein Europa der Regionen und das Überbrücken von Grenzen. Ich denke, das ist in einem Land, das in der Mitte, im Herzen Europas liegt, ganz wichtig. Deshalb empfehlen wir als Staatsregierung, diesen Antrag anzunehmen.
Das war Herr Staatsminister Ulbig. – Jetzt hätten die Einreicherinnen die Möglichkeit eines Schlusswortes. Die wird auch genutzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Frank Hirche, liebe Annekatrin, hat das vorhin ganz gut gesagt. Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht gewesen, wenn er einmal eine Veranstaltung der Heimatvertriebenen besucht hätte. Es gibt den Tag der Heimat. Den kann man sich anschauen. Der findet auch jedes Jahr statt, und dann muss man einfach mal schauen, wie die Veranstaltungen dort sind.
Wer einmal dort war, weiß auch, dass es Festreden gibt. In Dresden beispielsweise hält immer der Ordnungsbürgermeister, Herr Sittel, die Festrede. Diese Veranstaltung ist sehr ausgewogen und hat genau diesen großen Kontext und die Erinnerung an die geschichtlichen Zusammenhänge. Das wird nie ausgeblendet, sondern ist Teil dieser Veranstaltung.
Deshalb mache ich mir keine großen Sorgen, jetzt zu sagen, wie da ein Konzept und so etwas sein soll. Da sind die schon viel weiter. Das Interessante ist: Genau das, was du gesagt hast, steht in unserer Begründung ganz zum Schluss als Anspruch an den Gedenktag. Ich lese es einmal kurz vor: „Der Gedenktag hat daher das Ziel, nicht nur zurückzuschauen, sondern im Sinne eines Europas ohne Grenzen das Interesse der Jugend für Geschichte, Traditionen und Kultur zu wecken und zu fördern und die Erkenntnisse der Erlebnisgeneration an die junge Generation weiterzugeben.“
Das ist überhaupt kein Widerspruch, sondern meiner Ansicht nach genau dasselbe, was ich gerade im Wortbeitrag der LINKEN gehört habe. Das ist auch das, was Markus Ulbig gerade gesagt hat, wo schon Projekte laufen. Das wird also schon mit Leben erfüllt. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg und dürfen vielleicht auch nicht – Herr von Breitenbuch hat es vorhin gesagt – Schlingen ziehen und so etwas. Wir müssen positiv an die Sache herangehen. Ich glaube, das wäre ganz wichtig.
Ich will einen allerletzten Gedanken äußern, weil er mich immer wieder bewegt und mir das Thema Vertreibung sehr plastisch macht. Ich habe eine besondere Beziehung zu Bosnien-Herzegowina. Micha Weichert wird mir wahrscheinlich recht geben, weil er als Honorarkonsul für dieses Land tätig ist. Ich empfehle jedem, der ein bisschen Zeit hat, heute, jetzt einmal nach Bosnien-Herzegowina zu fahren und zu schauen, wie Vertreibung tatsächlich aussieht.
Ich war letzte Woche dort. Ich war in Mostar. Ich war in Livno, und ich war in Bosansko Grahovo, und ich war auf der kroatischen Seite in Knin. Das sind die Gebiete, wo damals der Bosnienkrieg am meisten gewütet hat. Wenn Sie dort einmal entlangfahren, sehen Sie verlassene Dörfer. Dort sehen Sie die Probleme ganz praktisch – heute, 19 Jahre, nachdem der Krieg vorbei ist. Wenn man dann noch weiß, welche Probleme es gibt, auch mit Rückkehrern, welche Angst sie haben, zurückzukommen
Auf kroatischer Seite wird beispielsweise gefördert, dass sie wieder in ihr Land zurückkommen. Trotzdem trauen sich so wenige. Was das für Landschaften bedeutet, was dieser Verlust von Heimat für Leute bedeutet, kannst du relativ nah, schon ein paar Meter hinter der Adria sehen. Du fährst nur ein Stück ins Hinterland und siehst das sofort. Das ist nicht so weit weg.
Die meisten kennen das alles nur aus dem Fernsehen. Dann ist das weit weg, und dann siehst du auch eher Südsudan oder so etwas. Fahr dorthin! Dann siehst du es. Dann weiß man es. Deshalb kann ich mir sehr gut vorstellen, wie das damals in Deutschland war, was das für die Leute bedeutet hat.
Deshalb: Geben wir uns einen Ruck, heute dieses kleine Zeichen zu setzen. Ich denke, der Gedenktag tut uns gut. Ich würde mich freuen, wenn es eine breite Zustimmung geben würde.
(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Annekatrin Klepsch, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)
Das war das Schlusswort der Einreicherinnen, darf ich sagen. Aber am Mikrofon 1 gibt es dazu eine Kurzintervention.
Ich höre gerade, Entschuldigung, Frau Kollegin, zum Schlusswort gibt es keine Kurzintervention, sogar wenn sie sich auf das Schlusswort bezöge.
Das war das Schlusswort. Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Abstimmung über den Antrag kommen, liegt mir ein Änderungsantrag vor, eingebracht von der SPD-Fraktion, Drucksache 5/14650. Soll dieser Änderungsantrag von der SPD-Fraktion eingebracht werden?