Beispielsweise standen im Fall der Westsächsischen Entsorgungs- und Verwertungsgesellschaft mbH, kurz: WEV, die Behördenvertreter im Januar 2008 und auch später direkt neben den Lkws, die den Abfall nach Sachsen-Anhalt transportiert haben. Das war damals und ist auch heute noch rechtlich nicht zulässig. Vertreter der WEV haben diesen Behördenvertretern umfassend und klar dargestellt, dass der Abfall weitertransportiert wird. Das steht auch so in den Überwachungsprotokollen. Davon gewusst haben will die zuständige Landesdirektion jedoch erst im November 2008.
Es gibt eine Reihe von Anhaltspunkten, Überwachungsberichte und eine E-Mail aus dem Umweltministerium, die belegen, dass der Umstand seit Langem bekannt sein musste. Aber, mit Verlaub, das Verschleiern und Lügen geht bis heute weiter. Selbst Staatsminister Kupfer hat den Umweltausschuss nachweislich falsch informiert. Bei seiner Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss habe ich mir, ehrlich gesagt, aber dann die Frage gestellt: Weiß er wirklich von nichts und seine Beamten führen ihn hier vor, oder ist das nur Bluff, und er stellt sich dumm?
Wichtige Äußerungen bleiben wegen der Nichtöffentlichkeit dieser Umweltausschusssitzung, wie gesagt, weiterhin nicht öffentlich.
Ich halte allerdings für mich fest, dass Minister Kupfer offenbar nicht die Stärke hat, öffentlich zu äußern, dass ihn seine Behörden zu seinem Amtsantritt falsch oder gar nicht informiert haben. Er hat nicht die Kraft dazu zu stehen, dass er möglicherweise Konsequenzen aus seinen Fehlern ziehen musste. Ich habe nicht den Eindruck, dass er wirklich über den Dingen seines Ministeriums im Abfallwirtschaftsbereich steht und die Zügel in der Hand hält.
Ich fasse zusammen: Eine Frage im Komplex Behördenhandeln war für uns, wann die zuständigen Stellen wie gehandelt haben. Der Mehrheitsbericht spricht hier davon, dass „unverzüglich“ gehandelt worden sei. Das Wort „unverzüglich“ bedeutet „ohne selbst verschuldetes Verzögern“.
Halten wir fest: Eine Anzeige gegen die WEV wegen eines rechtswidrigen Abfallverbringens im Zusammenhang mit den italienischen Abfällen wurde am
19. Dezember 2008 durch die Landesdirektion erstattet, also knapp anderthalb Jahre nach Beginn des Tatzeitraumes und elf Monate nach einem aktenkundigen Bekanntwerden gegenüber den fachlich zuständigen Behörden. Dabei hätte eine korrekt durchgeführte Plausibilitätskontrolle bereits im Rahmen des Antragsverfahrens zur Notifizierung des Abfalls aus Italien mit der Schlüsselnummer 19 05 01 zu einer eingehenderen Prüfung führen müssen, die den gesamten Vorgang sicherlich nicht hätte zustande kommen lassen.
Der Abfall war komplett falsch deklariert. Die österreichischen Behörden haben das Problem zutreffend bereits im Juni 2007 auf den Punkt gebracht. Die sächsischen Behörden haben irgendetwas geantwortet, um den Transport nicht zu verzögern, aber die Angelegenheit nicht weiter geprüft.
Im CDU-Bericht ist zu dem Sachverhalt ausgeführt – ich zitiere –: „Die WEV in Cröbern hat Teile des Abfalls 19 05 01 aus Italien entgegen den Notifizierungen nach Naundorf zu der Sortierungs- und Vermarktungsgesellschaft (SVG) in Sachsen-Anhalt abgesteuert. Dies entsprach nicht den gesetzlichen Vorschriften. Die staatlichen Behörden in Sachsen haben den Vorgang ermittelt und die Staatsanwaltschaft hat entsprechend reagiert. Ein Fehlverhalten staatlicher Behörden ist daraus nicht herzuleiten.“
Mit anderen Worten: Keinerlei Unrechtsempfinden, obwohl erheblich zeitverzögert gehandelt wurde, dabei die gesamte Information vorlag und der gesamte Vorgang bei einer vernünftig durchgeführten Plausibilitätskontrolle gar nicht erst so weit fortgeschritten wäre.
Ein anderes Beispiel zum zeitverzögerten Handeln gefällig? Bei der S. D. R. Biotec kam es erst fünf Jahre nach einer umfangreichen Nachgenehmigung der Anlage, bei der die Frage nach dem Handlungsprozedere hätte gestellt werden müssen, zur ersten Untersagungsverfügung und ein Jahr später zur Einstellung des Betriebes. Auslöser waren hier jahrelang ignorierte Hinweise aus der Bevölkerung, die irgendwann nicht mehr ignoriert werden konnten, als Proben von der Deutschen Umwelthilfe vorlagen. Weitere Beispiele finden sich in unserem Bericht.
Unverzügliches Handeln sieht für mich anders aus. Die Behauptung, dass sächsische Behörden in allen betrachteten Fällen nicht frühzeitig hinreichende Hinweise gehabt hätten, die eine eingehendere Prüfung hätten nach sich ziehen müssen, ist meines Erachtens nicht haltbar.
Ich komme zum nächsten Punkt. Eine Behauptung im Bericht der Mehrheit lautet: „Der Untersuchungsausschuss hat bei der Vernehmung der Zeugen und der Sichtung der Akten festgestellt, dass die weit überwiegende Mehrheit der Unternehmer sich an die gesetzlichen und sonstigen Regelungen hält.“
Diese Behauptung kann von uns überhaupt nicht nachvollzogen werden. Wie können Sie eigentlich beweisen, dass sich die weit überwiegende Mehrheit der Unternehmer an die gesetzlichen und sonstigen Regelungen hält? Schließlich haben wir nur eine Handvoll von Unternehmen betrachtet. Bei all diesen als Entsorgungsfachbetrieb zertifizierten Unternehmen können wir diverse Missstände beweisen. Ich kann und will die Branche gar nicht unter Generalverdacht stellen, aber die von Ihnen aufgestellte Behauptung ist doch etwas kühn. Sie hätte zumindest als Vermutung gekennzeichnet werden müssen.
Noch etwas zu den Ungereimtheiten im CDU-Bericht. Ich zitiere: „Der 1. Untersuchungsausschuss hat nach einer Besichtigung der Anlage in Cröbern, der Anhörung zahlreicher Zeugen sowie der Sichtung zahlreicher Unterlagen festgestellt, dass sowohl die Zentraldeponie Cröbern als auch die MBA“ – die Mechanisch-Biologische Abfallbehandlungsanlage – „am gleichen Standort nicht überdimensioniert sind.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rufen Sie doch einmal bei der WEV an und fragen Sie, wie die MechanischBiologische Abfallbehandlungsanlage denn so läuft. Die Antwort ist, dass diese MBA seit geraumer Zeit nur noch im Einschichtbetrieb betrieben werden kann, weil die Abfälle fehlen. Ich weiß nicht, wie Sie so etwas nennen. Für mich entspricht dieser Tatbestand einwandfrei der Überdimensionierung einer Anlage. Das ist eine Tatsache, die nicht wegzudiskutieren ist. Auch dafür lagen frühzeitig Warnungen vor. Andere Bundesländer haben sich rückblickend klüger als Sachsen angestellt. Sie haben die Entwicklungen gesteuert und sich mit der Abfallwirtschaft ausgetauscht.
Was wir hier in Sachsen haben, ist kein Marktversagen, sondern der Markt wird perfekt. Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger, die ihre Gebühren dafür hergeben müssen, dass Vattenfall mit der Müllverbrennungsanlage schwarze Zahlen schreiben kann. So viel auch zum „Partner der Region“.
Noch ein letztes Beispiel aus dem CDU-Bericht. Zitiert werden ungeeignete Zeugen, die nicht vor Ort waren und die zu untersuchenden Proben gar nicht selber genommen, sondern von der Abfallfirma entgegengenommen haben.
Ich rede von der Frage, ob und inwiefern das sogenannte Immobilisierungsverfahren überhaupt funktionieren
konnte. Der Nachweis der dauerhaften Beständigkeit des Immobilisats ist hierbei die zentrale Frage. Ein von ihnen ignorierter Zeuge, Prof. Bidlingmaier, hat die Anlage vor Ort untersucht und kommt zu einem vernichtenden Ergebnis.
Und es geht noch weiter: Behörden anderer Bundesländer, die seit 1999 wiederholt nachfragen, ob und wie das Verfahren überhaupt funktioniert, werden mit weitgehend ungeprüften Angaben des Anlagenbetreibers wieder weggeschickt.
Ein Jahr später, nämlich 2008, nachdem die öffentlichen Hinweise und die Medienberichterstattung erdrückend geworden sind, handeln die Behörden und stellen kritische Fragen. Dann kann es dem Umweltministerium einerseits nicht schnell genug gehen, andererseits hätte ich mir mehr fachliche Unterstützung für das Landratsamt gewünscht, zumal ein Mitarbeiter des ehemaligen Sächsischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, heute beschäftigt im Referat Wertstoffwirtschaft des Umweltministeriums, einige Expertisen dazu besitzen sollte.
Im Jahre 2002 wurde in einem Forschungsvorhaben in Zusammenarbeit mit der Thüringer Landesanstalt für Umwelt die Mobilisierbarkeit von Schadstoffen in immobilisierten Abfällen in Form einer konzeptionellen Methodik bewertet. Sämtliche Forschungsergebnisse waren jedoch sechs Jahre später offenbar vergessen.
Die CDU findet das angewandte Verfahren offenbar immer noch unfehlbar, obwohl der Nachweis auf Nichtgefährlichkeit des Ergebnisses dieses Immobilisierungsverfahrens misslingt.
Zweitens. Maßnahmen bei auftretenden Unregelmäßigkeiten im Abfallsektor wurden teilweise mit erheblicher Verspätung eingeleitet.
Drittens. Die Schuld liegt nicht nur bei den anderen. Im Gegenteil: Das einseitige Schuldabwälzen ist ein gewollt schlauer, aber hilfloser und für mich gescheiterter, weil durchsichtiger Schachzug.
Was wir aus der Analyse der Fehler der letzten 20 Jahre im Bereich der Abfallwirtschaft als Probleme vor uns hertragen, wird uns noch viel Geld kosten. Ich denke an den Rückbau von Abfallanlagen und möglicherweise neue Funktionalreformen. Die bitterste Schlussfolgerung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Freistaates ist aber wohl, dass Gebührensteigerungen wohl auch in Zukunft ohne staatliches Steuern in der Abfallwirtschaft allein zu deren Lasten gehen werden.
Summa summarum scheint es so, dass unsere Fraktion gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diejenige Kraft in Sachsen ist, die über die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses hinaus aufzeigt, was getan werden muss, damit bis zum Jahre 2020 – dem Zeitpunkt, zu dem zahlreiche Anlagen abgeschrieben und bestehende Verträge beendet sind – im Rahmen eines Gesamtkonzeptes die Verwertung der Siedlungsabfälle und die stoffliche Verwertung im Interesse der Erfüllung
der Abfallhierarchie und einer Gebührenentlastung für die Bürgerinnen und Bürger neu zu organisieren sind. Denn das müsste eigentlich unser gemeinsames Ziel sein.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen. Das, was Frau Dr. Pinka gesagt hat, ist nicht ganz richtig.
In den Anhörungen im Ausschuss wurde durch die sachverständigen Zeugen in der Tat dargestellt, dass das Stabilisierungsverfahren, was die S. D. R. Biotec in Pohritzsch angewendet hat, nicht funktionierte – zumindest in den Fällen, wo es nachgewiesen werden konnte. Die Sachverständigen haben allerdings nicht gesagt – und das ist das, was Sie soeben in Ihrem Redebeitrag angeführt haben –, dass dieses Stabilisierungsverfahren an sich nicht funktioniert. Das wollte ich noch einmal richtiggestellt haben.
Ja; wir haben noch ein anderes Immobilisierungsverfahren. Wie gesagt, wir haben ja nur wenige Unternehmen geprüft, die Immobilisierungsfahren anwenden. Ein zweites war die ETU. Sie können sich erinnern, dass auch dort dieses Immobilisierungsverfahren nicht funktioniert hat und dass man sich später davon wieder getrennt hat. Also können wir zumindest schon bei zwei von zwei untersuchten Unternehmen nachweisen – das ist übrigens eine Quote von 100 % –, dass das Immobilisierungsverfahren nicht funktioniert. Deshalb habe ich gesagt, wir können uns draußen unterhalten, weil Sie und ich von der Chemie ein bisschen was verstehen. Da können wir auch mal im Detail darüber sprechen, warum das nicht gehen kann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte ergänzend und bestätigend zum Vortrag von Frau Dr. Pinka ausführen, dass insbesondere im Fall der ETU die entsprechenden Zeugen – sowohl die Geschäftsführerin als auch der Betriebsleiter – uns wirklich nur mitteilen konnten: Na, wir haben die Abfälle so lange gemischt, bis es dann gestimmt hat. So, und das ist Immobilisierung hochgefährlicher Abfälle. Das ist natürlich in hohem Maße bedenklich. Wie die CDU-Fraktion das hier gutreden und so tun kann, als ob hierbei keine Gefahren bestehen würden, das bleibt mir ein Geheimnis. Das liegt wohl an ihrer Voreingenommenheit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir starten zu einem regelrechten Feuerwerk von Abschlussberichten. In den nächsten Wochen werden wir noch über die Berichte des 2. und 3. Untersuchungsausschusses unterrichtet,