Meine Damen und Herren von der CDU! Auch wenn Sie sich tapfer dagegen wehren, ich bin davon überzeugt, dass sich das streng gegliederte Schulsystem in Sachsen in seiner jetzigen Form überlebt hat und dass es ein Fehler ist, die Ausbildung junger Menschen ausschließlich darauf zuzuschneiden.
Unser Modell macht darüber hinaus mit einem Widersinn des sächsischen Bildungssystems Schluss, der ungleichen Ausbildungszeit für die verschiedenen Lehrämter. Dieser Ansatz wurde in der genannten Anhörung selbst von konservativen Experten unterstützt. Es liegt auf der Hand, dass jede Altersgruppe ihre ganz eigenen Herausforderungen mit sich bringt und dass gerade die Jahre in der Grundschule von besonderer Bedeutung sind. Andere Inhalte sind da gefragt, nicht aber eine kürzere Ausbildung, es sei denn, man will die Voraussetzungen für eine schlechtere Bezahlung schaffen.
Die Lebenssituation der sächsischen Schülerinnen und Schüler ist so vielfältig wie die Gesellschaft als Ganzes. Im Klassenzimmer kommen die verschiedensten sozialen und kulturellen Hintergründe, unterschiedliche Stärken und Schwächen und variierende Bedürfnisse zusammen. Moderne Lehrerinnen und Lehrer müssen dazu befähigt werden, mit dieser Diversität umzugehen. Deshalb sehen wir für alle Lehrämter die verpflichtende Integration von inklusiver Pädagogik vor. Wir gehen noch einen Schritt weiter. Die angestrebte voll umfängliche Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung macht hochspezialisierte Lehrerinnen und Lehrer neuen Typs notwendig. Zu diesen Zwecken wollen wir das Lehramt für Sonderpädagogik als Lehramt für Inklusionspädagogik deutlich aufwerten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grau ist alle Theorie, das Leben ist es nicht, erst recht nicht das Leben der Lehrenden. Entsprechend diesem Credo haben wir die Praxiselemente in unserem Lehrerbildungsgesetz deutlich ausgeweitet. Gleich am Anfang des Studiums stehen ein Orientierungs- und ein Berufsfeldpraktikum. Besonders Letzteres soll nicht nur Einblicke in das Leben im klassischen Lehrerberuf geben, sondern auch zeigen, welche anderen beruflichen Perspektiven sich für Lehramtsstudierende bieten, sollten sie zum Beispiel im Orientierungspraktikum feststellen, dass dieser klassische Lehrerberuf doch nichts für sie ist. Damit wollen wir der inakzeptablen hohen Zahl von Studienabbrüchen entgegenwirken.
Darüber hinaus sehen wir vor, dass ein ganzes Semester in der Masterphase dem Sammeln von praktischen Erfahrungen durch die Studierenden vorbehalten wird, Erfahrungen, die im folgenden Studienverlauf mit der Theorie
der Ausbildung abgeglichen und reflektiert werden können. Ein ähnliches Ziel verfolgt unser 18-monatiger Vorbereitungsdienst, der als sogenannter rhythmisierter Vorbereitungsdienst bereits während des Masterstudiums begonnen werden kann.
Eine gute grundständige Ausbildung kann allerdings keine Wunder vollbringen, wenn es um den dramatischen Fachkräftemangel an unseren Schulen geht. Um diesem Lehrermangel wirksam zu begegnen, schlagen wir zwei Aufbaumasterstudiengänge vor: einen für Pädagogik und einen für Fachwissenschaften. Sie sollen interessierten Inhabern geeignete Abschlüsse ermöglichen, um die notwendigen Kompetenzen zu erwerben, um als Seiteneinsteiger den Lehrerberuf ergreifen zu können. Anders als bei den bisherigen zaghaften Versuchen der Staatsregierung wollen wir damit nicht nur Menschen ansprechen, die es sich leisten können, das Programm in Vollzeit zu absolvieren, sondern durch ein berufsbegleitendes oder Teilzeitstudium auch eine breitere Interessengruppe erreichen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eingangs skizziert, vor welchen Problemen und Herausforderungen wir in den kommenden Jahren stehen. Mit dem heute eingebrachten Gesetzentwurf geben wir eine Lösungsstrategie vor. Auf ihrer Grundlage und unter Einbeziehung der Hochschulen und Bildungsträger können wir es schaffen, nicht nur die Versorgung unserer Schulen mit gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern sicherzustellen, sondern auch das sächsische Bildungssystem in das 21. Jahrhundert zu holen.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Reform der Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Lehrerausbildungsreformgesetz) an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien – federführend – und an den Ausschuss für Schule und Sport zu überweisen. Nach § 44 Abs. 5 der Geschäftsordnung ist dieser Gesetzentwurf auch an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Wer dem Vorschlag der Überweisung an die genannten Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist das so einstimmig beschlossen, und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
In der Aussprache zunächst die einbringende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dann die CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, NPD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN steht bereits Frau Abg. Jähnigen am Rednerpult. Frau Jähnigen, Sie haben das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Verkehrsprognosen sollen die Grundlage für richtige Entscheidungen bei Straßenneu- und -ausbau geben und nach dem Bau einen Soll-Ist-Vergleich ermöglichen – genauso wie die Steuerschätzungen vor Aufstellung des Haushaltsplanes und die Haushalts- und Vermögensrechnung zum Schluss, mit der wir die Regierung dann als Parlament entlasten – oder auch nicht.
Anders gesagt, gerade in Zeiten knapperer Finanzen sind Verkehrsprognosen ein echtes Machtinstrument. Folge von Straßenneubau ist häufig, dass die vorhandenen Straßen zu Kommunalstraßen herabgestuft werden und unser Straßennetz, das überörtlich schon besonders dicht ist, trotz der sinkenden Bevölkerung noch dichter wird. Dabei steigen die ständigen Kosten für den Straßenunterhalt pro Kopf der Bevölkerung noch mehr an.
Zum verantwortlichen Wirtschaften jeder Regierung muss es gehören, anhand der früher getroffenen Prognosen und der real eingetretenen Verkehrsbelegungen die Investitionen ins Straßennetz ständig neu zu berechnen. Das müsste also so selbstverständlich sein wie die jährliche Haushaltsrechnung im Staat oder im Unternehmen. Nicht so bei CDU und FDP in Sachsen. Die heilige Kuh Straßenneu- und -ausbau bleibt hier von jeder Kontrolle ausgenommen. Sie verwenden Prognosen aus den Neunzigerjahren und tun so, als ob die Bevölkerung bei uns in Sachsen nicht besonders stark schrumpfen würde. Es gibt nicht einmal eine Stelle in der Verwaltung, die systematisch die für Straßenbaumaßnahmen verwendeten Prognoseannahmen sammelt – das sehen Sie an den lückenhaften Antworten auf unsere Anfrage – und die einen nachträglichen Vergleich mit der realen Entwicklung anstellt.
Sehr geehrte Damen und Herren von CDU und FDP! Wie war das doch mit den sinkenden Einnahmen und der Schuldenbremse? Wer die Schuldenbremse ernst nimmt, müsste sich endlich diesen Fragen stellen. Da Sie das bis heute nicht tun, war es wieder Aufgabe der grünen Oppositionsfraktion, mit einer Großen Anfrage Licht ins Dunkel zu bringen.
Vorab: Die Auskunftsfreudigkeit der Staatsregierung blieb mäßig. Wir mussten extra mit Kleinen Anfragen nachhaken, damit das Ganze verständlich wurde. Bei den Ver
kehrsbelegungen haben Sie gleich einmal zur Recherche an Dritte verwiesen. Dieses Verhalten dürfte Kalkül gewesen sein; denn etliche Fleißarbeit später war uns klar: Die nur widerwillig und scheibchenweise gegebenen Antworten auf unsere Fragen sind brisant. Die Gegenüberstellung der Prognosen – also das Soll mit den realen Verkehrsbelegungen, dem Ist – zeigte bei den Aus- und Neubauprojekten der sächsischen Staatsstraßen im Durchschnitt circa 40 % Überhöhung der Prognosen auf. 40 % zu viel! Bei den Ausbau- und Neubauprojekten der sächsischen Bundesstraßen – auch geplant in Sachsen – lag im Schnitt eine Überhöhung von 30 % vor.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU! Was würden Sie mit einem Finanzminister machen, wenn er sich im Soll gegenüber dem Ist um 30 % verschätzen würde? Beim Straßenbau werden solche Fehleinschätzungen stillschweigend seit vielen Jahren hingenommen. Hier wurde und wird Geld vergeudet – plant und baut der Freistaat doch immer noch auf Basis der offenkundig häufig falschen Prognosen weiter. Hier liegt eine systematische Verzerrung vor. Das erklärt auch, dass Sie wie der Teufel das Weihwasser eine öffentlich zugängliche Evaluation der sächsischen Straßenbauprojekte und der derzeit fachlich höchst umstrittenen Verkehrsprognose scheuen.
Sie machen nicht einmal bei allen Verkehrsbauten Kosten-Nutzen-Untersuchungen. Das erinnert schon an Planwirtschaft. Haupterkenntnisse unserer Großen Anfrage sind: Die Annahmen für die Prognosen gehören dringend auf den Prüfstand. Die notwendigen statistischen Daten liegen vor und können ohne größeren Zusatzaufwand ausgewertet werden, um dann die Kosten-NutzenUntersuchungen und die Planungen zu überarbeiten.
Aber die Realität ist noch schlimmer. Offenbar hat die Regierung auch 2013 die knappen Bundesmittel für den Erhalt des Straßennetzes für Sachsen zweckentfremdet. Nach Auskunft der Bundesregierung wurden 22 % der für den Erhalt der sächsischen Bundesstraßen in diesem Jahr vom Bund überwiesenen Gelder von Ihnen in den Neubau abgezweigt. Bei den Bundesstraßen hätte Sachsen 2013 eigentlich 8,4 Millionen Euro zur Verfügung gehabt; die Straßenbauverwaltung steckte aber mit 31 Millionen Euro fast das Vierfache in den Neubau. Bei den Autobahnen sieht es ähnlich aus.
Umgekehrt ist die Lage bei der Erhaltung. Statt der vom Bund vorgegebenen 62,1 Millionen Euro flossen nur 48,3 Millionen Euro in den Substanzerhalt der Bundesstraßen. Sachsen finanziert also auch weiter Neubauprojekte zulasten des Erhalts. Dabei muss jedem klar sein: Wenn wir nicht kontinuierlich in den Erhalt unserer
Straßeninfrastruktur investieren, haben wir es bald mit Schlaglochpisten und bröckelnden Brücken zu tun.
Die CDU-geführte Regierung aber lässt die falschen Prognosen weiterlaufen und schaufelt weiter Geld in den Neubau.
Die neue Prognose, Herr Minister – Sie werden ja dazu noch etwas sagen –, ist eine Fortsetzung der alten. Warum? Weil Sie zu lange vielen Menschen vor Ort falsche Hoffnungen gemacht haben.
Für den künftigen Bundesverkehrswegeplan haben Sie immer noch aufgrund der angeblich überarbeiteten Prognose eine viel zu lange Liste von alten Straßenbauprojekten im Umfang von knapp 1,8 Milliarden Euro angemeldet. 1,8 Milliarden Euro sächsische Anmeldung zum Bundesverkehrswegeplan! Dabei ist schon im jetzigen, aktuellen Bundesverkehrswegeplan von den baureifen Straßenbauvorhaben bundesweit mit 6,5 Milliarden Euro eine große Summe unterfinanziert. Das ist doch nicht realistisch! Sie haben die Prognosen doch nicht wirklich überarbeitet, und öffentlich erklärt haben Sie sie schon gar nicht! Die Fachleute haben sie ja zerrissen. Agieren Sie einmal ehrlich!
Meine Kleine Anfrage 5/13902 zeigt die Probleme im Straßennetz auf. Zwar ging 2009 der Anteil sächsischer Bundesstraßen in schlechtem oder sehr schlechtem Zustand um 4 % auf 37 % zurück; bei den flächenmäßig doppelt so langen Staatsstraßen stieg allerdings der Anteil der Straßen mit schlechtem und sehr schlechtem Gesamtzustand um 4 % auf 63 % an. Im Klartext: Insgesamt hat sich der Zustand überörtlicher Straßen verschlechtert. Besonders die Staatsstraßen stehen beim Ablauf Ihrer Regierungszeit schlechter da, vom kommunalen Straßen- und Wegenetz ganz zu schweigen. Das evaluieren Sie als Regierung gar nicht erst.
Dieser Sanierungsstau, dieser schleichende Verfall ist die Folge der einseitigen Orientierung auf Straßenneubau durch alle CDU-Regierungen nach der Wende und auch durch Sie, Herr Verkehrsminister Morlok.
Mit unserem Entschließungsantrag liegt Ihnen nun das Angebot vor, sich auf einer wissenschaftlich fundierten Grundlage die bitter nötige Auszeit beim Planen und Bauen zu nehmen, Planzahlen und Realität zu vergleichen und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Bremsen Sie endlich den Verfall des Straßennetzes! Seien Sie ehrlich gegenüber den Leuten vor Ort, bevor uns die Kosten weiter aus dem Ruder laufen!
vorliegenden Großen Anfrage versucht die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Ausbau der Straßeninfrastruktur im Freistaat infrage zu stellen. Als Instrument dazu soll der Vergleich der Prognosedaten und der Zählwerte dienen.
Der Freistaat Sachsen hat seine Verkehrsinvestitionen unter Berücksichtigung einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Entlastung innerstädtischen Verkehrs und von Städten und Gemeinden an wichtigen Verkehrsachsen durch Ortsumgehungen ausgerichtet. Dazu zitiere ich den Landesentwicklungsplan 2013: „Die bedarfsgerechte Entwicklung des klassifizierten Straßennetzes in Sachsen muss außer wirtschaftlichen Aspekten auch netzkonzeptionelle Überlegungen einfließen lassen.“
Mit genau diesen umgesetzten netzkonzeptionellen Überlegungen und dem erfolgten Ausbau des Straßennetzes ist es im Freistaat Sachsen gelungen, die Unfallzahlen im Zeitraum von 2001 bis 2011 um 11 % zu senken. Unfälle mit Personenschäden konnten um 30 % und Unfälle mit Todesfolge um 59 % gesenkt werden. Damit sind wir in einer sehr guten Lage.
Meine Damen und Herren! Jeder Euro, der zur Verkehrssicherheit beiträgt, ist gut angelegtes Geld – Prognosezahlen hin oder Zählwerte her. Richtig ist auch, dass die wirtschaftliche Entwicklung und die Ansiedlung an den ausgebauten oder neu entwickelten Verkehrsachsen zeigt, dass die Strategie der Straßennetzentwicklung richtig war. In den kommenden Jahren stehen erforderliche Lückenschlüsse, Unterhaltung und die bedarfsgerechte Sanierung von Straßen im Mittelpunkt. Das belegt das nachfolgende Zitat aus dem Landesentwicklungsplan 2013: „Der Freistaat besitzt heute ein dichtes, weit verzweigtes Straßennetz für den überörtlichen Verkehr. In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden umfangreiche Investitionen in dieses Netz getätigt.
Damit verfügt der Freistaat Sachsen im Wesentlichen über eine bedarfsgerechte Straßeninfrastruktur. In den kommenden Jahren gilt es, diese Infrastruktur unter Berücksichtigung des demografischen Wandels, der öffentlichen Haushalte (Folgekosten), der Minderung der Flächeninanspruchnahme und der Eingriffe in Natur und Landschaft zu optimieren, zu erhalten sowie Netzlücken bei Bedarf zu schließen.“
Besonders den Grundsatz 3.2.1 des Landesentwicklungsplanes 2013 empfehle ich an dieser Stelle zur Kenntnisnahme. Ich werde das hier nicht vortragen, weil das jeder nachlesen kann.
Darüber hinaus unterstützt der Freistaat auch die kommunale Ebene bei der Entwicklung und Unterhaltung ihres Straßennetzes. Dies hat der Freistaat in den letzten Jahren trotz Widerständen aus den Reihen der Opposition konsequent verfolgt.
Ein Hinweis, verehrte Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dresden und Pirna sind zwei traumhaft schöne Städte. Sie sind aber nicht geeignet, für das Städtestraßennetz in Sachsen als Bewertungs
grundlage zu dienen. Aus Ihren Forderungen, die Sie aufstellen, spricht zum Teil eine Lex Dresden oder die schlichte Ignoranz des Landesentwicklungsplanes 2013.
Ich möchte an dieser Stelle nur eine Ihrer Forderungen bewerten. Sie behaupten, Sachsen brauche eine zentrale Stelle im SMWA, die Prognosedaten und tatsächliche Verkehrsbelegungswerte öffentlich einsehbar sammelt. Wir behaupten: Genau diesen Aufwuchs an Bürokratie brauchen wir nicht.