Protocol of the Session on April 10, 2014

Wir sind nicht nur das größte Land in der Europäischen Union, wir sind bei Licht betrachtet auch der größte wirtschaftliche Gewinner der Europäischen Union.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU – Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Aber das können Sie nicht erkennen, weil Sie Europa nach wie vor mit der Perspektive eines Blickes durch den Sehschlitz eines Panzers wahrnehmen.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und der CDU – Holger Szymanski, NPD: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

Bei den Zwischenrufen von Herrn Gansel ist ihm dann auch noch der Stahlhelm in die Stirn gerutscht, da hat er gar nichts mehr gesehen.

(Heiterkeit bei der FDP und der CDU)

Die Alternative, die Sie darbieten, ist angeblich ein Europa der Vaterländer, wie Sie es hier formulieren. Aha, wenn man bei Ihnen in die Programme schaut, dann wird es eine völkische Gemeinschaft. Aha. Oder etwas schärfer formuliert: Wenn Sie unter sich sind, wird von rassischen Grenzen gesprochen. Dann stelle ich die Frage: In welchen Grenzen denn? Hätten Sie einmal eine Jahreszahl, welche Grenzen Sie haben möchten? Es sind bestimmt nicht die Grenzen von heute. Oder sagen Sie: Ja, es ist in Ordnung, wir leben in den Grenzen von heute und die werden nicht ohne gegenseitiges Einvernehmen verändert? Es wäre schön, wenn Sie sich hierzu bekennen würden. Das wäre einmal ein Angebot für Europa, wenn die NPD sagt: Ja, wir akzeptieren die Grenzen, wie sie in Europa bestehen, zumindest werden sie nicht ohne gegenseitiges Einvernehmen aller Beteiligten verändert.

(Holger Szymanski, NPD: Das steht bei uns im Parteiprogramm!)

Das wäre doch mal eine Maßnahme. Das trauen Sie sich aber nicht, weil Sie genau wissen, dass hinterher die Kameraden wegbleiben, die für Sie die Plakate kleben.

(Holger Szymanski, NPD: Erzählen Sie nicht so einen Quatsch!)

Die Klischees, die Sie bemüht haben, meine Damen und Herren, tragen nicht weiter. Wenn Sie Nein zu dieser EU sagen, bleiben Sie die Antwort nach der Alternative schuldig. Sie bleiben sie nicht nur uns schuldig, sondern auch Ihren Mitgliedern wie auch den erhofften Wählern. Außer einem allgemeinen Gemaule und relativ unsubstantiierten Angriffen bringen Sie in der Europapolitik nichts zustande.

(Beifall bei der FDP und den LINKEN)

Die Europäische Union ist nicht nur ein Friedensbündnis zwischen den Mitgliedsstaaten. Das klingt profan, aber man muss sich die Ausgangslage wirklich einmal vor Augen halten. Vor 100 Jahren ist der Erste Weltkrieg ausgebrochen, die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Ich weiß, damit haben Sie weniger Probleme. Eine solche Art der Konfliktlösung ist Ihnen wahrscheinlich näher als den anderen hier im Hause.

(Holger Szymanski, NPD: Erzählen Sie nicht solchen Mist! Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt habe?)

Gleichwohl erforderte dieser „Waffengang“, dieses „Völkerringen“, um im damaligen Sprech zu bleiben, 60 000 Tote.

(Zuruf von der NPD: 60 000?)

60 000 Tote: Jeden Tag vom 1. August 1914 bis zum 9. November 1918.

Das muss man sich einmal vorstellen.

(Jürgen Gansel, NPD: Die Liberalen im Reichstag haben den Kriegskrediten auch zugestimmt, Ihre Vorgänger!)

Überlegen Sie einmal, wie viele Einwohner in der Stadt wohnen, in der Sie leben, und stellen Sie diese Zahlen einmal gegenüber. Nun wissen Sie ungefähr, mit welchen Ausgangspositionen dieses 20. Jahrhundert, welches zum Glück hinter uns liegt, gestartet ist. Unabhängig von dieser wirklich großartigen Leistung der Schaffung einer Friedensordnung in Europa gibt es ganz konkrete Vorteile, für Deutschland, Sachsen und jeden Bürger in Sachsen.

(Holger Szymanski, NPD: Wir sehen den Frieden auf Europas Straßen bei den Demonstrationen!)

Ich habe es bereits gesagt: Deutschland lebt vom Export. Allein deswegen hat sich die Europäische Union mehr als einmal bezahlt gemacht. Wir können unsere Waren ohne Zollabgaben und Steuerbelastungen in die anderen Länder der Europäischen Union ausführen. Meine Damen und Herren, das sichert auch in Sachsen Arbeitsplätze. Wir haben es einmal überschlagen. Es sind rund 40 000

Arbeitsplätze in Sachsen, die unmittelbar mit dem Export in die Länder der Europäischen Union verbunden sind.

Natürlich ist diese Europäische Union nicht perfekt. Die Krisen und Haushaltskrisen der südeuropäischen Länder hatten dies gezeigt. Es wird in der Tat noch Regelungen brauchen, mit denen wir die gegenseitigen Haushalts- und Wirtschaftspolitiken koordinieren können. Wir brauchen ein Regelwerk, welches Sanktionen vorsieht, die auch tatsächlich angewendet werden.

Wir Deutsche haben nicht unbedingt Grund, als Erster mit erhobenem Zeigefinger an die anderen heranzutreten. Die Maastrichtkriterien in Höhe von 3 % maximaler Nettokreditaufnahme des Bruttoinlandsprodukts sind von Deutschland als erstem Land gebrochen worden. Hat es Sanktionen gegeben? Nein, hat es nicht. Insgesamt 60 Mal haben die Mitglieder der Europäischen Union gegen diese Regelungen verstoßen. Keinem ist etwas passiert.

Dazu sage ich Folgendes ganz deutlich: Meine Damen und Herren, das muss sich ändern. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich eine Position zur Europäischen Union einnehme, wie Sie dies tun. Ich möchte die Europäische Union nicht abschaffen. Ich möchte sie besser machen, und zwar für alle Bürger. Sie sollen noch mehr Vorteile haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Die Förderprogramme für Studenten und Auszubildende sind angesprochen worden. Gegenwärtig sind es über 1 800 Sachsen, die pro Jahr im Ausland studieren. Wenn diese aus dem Ausland zurückkommen, werden sich die wenigsten dort eine Gesinnung zulegen wie die Ihre. Ich glaube, dass Auslandserfahrung tatsächlich ein gutes Mittel ist, um von bestimmten Klischees, Ängsten und Vorstellungen wegzukommen, meine Damen und Herren. Wir danken der Europäischen Union, dass sie diese Programme ermöglicht hat.

Schließlich komme ich noch auf ein Thema zu sprechen; das wiederhole ich immer wieder gern. Wir haben im mehrjährigen Finanzrahmen von 2014 bis 2020 erneut dafür gesorgt, dass Sachsen mehr Mittel der Europäischen Union als andere Länder und Regionen in der Bundesrepublik Deutschland erhält.

(Jürgen Gansel, NPD: … die zurückfließen ins deutsche Steuergeld!)

Von 2007 bis 2013 sind rund 4 Milliarden Euro in Sachsen aus den Mitteln der Europäischen Union ausgegeben worden. Das ist weit mehr, als der sächsische Steueranteil an den Beiträgen Deutschlands für die Europäische Union ausmacht. Das muss man auch einmal zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und den LINKEN)

Lassen Sie mich das Ganze noch einmal in einen größeren Zusammenhang stellen. Bis zum Jahr 2004 befand sich Sachsen in einer Randlage in der Europäischen Union. Durch den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten hat sich dies geändert. Sachsen befindet sich jetzt wieder in einer europäischen Zentrallage. Das ist nicht ohne Probleme. Es bürgt für Sachsen aber gewaltige Chancen. Wir müssen sie nutzen. Diese Staatsregierung ist entschlossen, diese Vorteile und Chancen, die sich bieten, aus der Einigung Europas für Sachsen und für alle Menschen in Sachsen zu nutzen.

Meine Damen und Herren! Das Zeitalter

(Jürgen Gansel, NPD: … der FDP ist vorüber!)

der reinen Nationalstaaten oder völkischen Gemeinschaften, die sich gegenseitig am Lagerfeuer besingen, ist vorbei. Sie wird nicht wiederkommen. Das ist auch gut so, meine Damen und Herren. Die Europäische Union ist nicht problemfrei. Sie ist aber eine Lösung für viele Probleme, an denen wir sonst zu knabbern hätten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Gansel, Sie wünschen?

Ich würde gern vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen.

Sie hatten bereits zwei Kurzinterventionen in diesem Tagesordnungspunkt.

Damit ist es nicht mehr möglich, eine weitere Kurzintervention vorzutragen.

Meine Damen und Herren! Die 2. Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs

Gesetz über Musterverfahren in Kommunalabgabenstreitigkeiten

im Freistaat Sachsen

Drucksache 5/14073, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht nur die Einreicherin, die Fraktion DIE LINKE. Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Roth. – Bitte, Frau Roth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kommunalabgaben sind eine streitige Rechtsmaterie, zugegebenermaßen nicht nur hier in Sachsen. Seit Inkrafttreten des Sächsischen Kommunalabgabengesetzes am 1. September 1993 ist eine Vielzahl von Überprüfungen durch Widerspruchsbehörden und Verwaltungsgerichte in Sachsen zu verzeichnen, deren Verfahrensgegenstand Fragen aus dem Kommunalrecht berühren.