Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Allen Fraktionen dieses Hauses ist die Bedeutung einer passgenauen Berufswahl für Schulabgänger und Studienanfänger bewusst. Genauso sehen alle Fraktionen Handlungsbedarf, wenn 10 % der Schüler eines Jahrgangs ohne Abschluss von der Schule gehen. Dieser schlampig zusammengestrickte SPDAntrag wird der Wichtigkeit dieses Themas deshalb aber auch nicht gerecht.
Hinzu kommt, dass viele Fragen dieses Berichtsantrages von der Staatsregierung, wenngleich auch spät, aber so doch immerhin umfassend beantwortet worden sind.
Zu den Fakten. Laut einer aktuellen Meldung der Regionaldirektion Sachsen der Bundesagentur für Arbeit brechen 27,5 % aller sächsischen Lehrlinge ihre Lehre ohne Abschluss ab. Dabei werden Ausbildungsverträge aus den unterschiedlichsten Gründen aufgelöst. Wegen des Eindrucks einer falschen Berufswahl, wegen Über- oder Unterforderung und schlechter Entlohnung finden unter Jugendlichen häufig Berufswechsel statt, wird innerhalb des gewählten Berufes der Ausbildungsbetrieb gewechselt oder die Ausbildung ganz abgebrochen.
Um Lehrabbrüche in der genannten Größenordnung zu vermeiden, ist eine gute und frühzeitige Berufsorientierung in den Schulen entscheidend. Je besser Jugendliche über die Anforderungen und Inhalte einer Berufsausbildung informiert sind und sich zum Beispiel durch Praktika ein lebensnahes Bild vom potenziellen Ausbildungsbetrieb machen können, desto kleiner wird das Risiko von Lehrabbrüchen.
Aus Sicht der NPD gilt es also die Schulen darin zu unterstützen, orientierungsschwache Schüler mit realistischen Berufsbildern vertraut zu machen und damit zu einer interessen- und begabungsgerechten Ausbildungs- und Berufswahl zu bewegen.
Der Berichtsantag der SPD hilft hier kein bisschen weiter. Dass die SPD selbst bei diesem sachpolitischen Thema wieder ein ideologisches Steckenpferd reitet, nämlich die lebensfremde Genderideologie, macht den Antrag aus Sicht der NPD erst recht nicht zustimmungsfähig. Was sich als „Vermeidung geschlechtsspezifischer Benachteiligung“ ausgibt, ist in Wirklichkeit die alte Genderforderung nach Zertrümmerung aller traditionellen Rollenbilder und Geschlechteridentitäten.
Dieser Versuch der Verweiblichung des Mannes und der Vermännlichung der Frau fördert aber gerade die Konfusion bei der Ausbildungs- und Berufswahl und führt damit zum Gegenteil des eigentlich Gewünschten, nämlich einer lebensnahen und begabungsgerechten Berufs- und Studienorientierung.
Anstatt hier den alten Genderkäse aufzuwärmen, vermisst die NPD bei der Antragstellerin vielmehr das Bekenntnis
zu den viel geschmähten Sekundärtugenden. Fleiß, Beharrlichkeit und Zielstrebigkeit sind nämlich nicht nur für den Berufs- und Ausbildungserfolg unerlässlich, sondern das entscheidende Rüstzeug für ein gelingendes Leben überhaupt.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Somit kommen wir zum Schlusswort. Frau Dr. Stange, Sie halten dieses für Ihre Fraktion, die SPD. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag hat sich schon gelohnt. Dass wir heute erfahren haben, dass es die Übergangsregelung geben wird und damit eine Reihe von Maßnahmen offenbar nicht in ein Förderloch fallen und bis in die kommende Förderperiode fortgesetzt werden können, ist eine gute Botschaft. Ich hoffe, Frau Ministerin, Sie teilen den Maßnahmenträgern und den Schulen möglichst bald mit, welche Maßnahmen das sind, denn sie sind zurzeit hoch verunsichert.
„Jeder zählt“, wurde gesagt – das ist ja so ein Standardsatz der Ministerin. Was ist aber mit den Schülerinnen und Schülern, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen? Was ist mit denjenigen, die die Ausbildung abbrechen? Darauf gab es keine Antworten.
Ich möchte eine Antwort auf den Vorwurf von Herrn Rohwer geben, wir führten ja neuerdings die Auseinandersetzungen des Bundes hier im Landtag. Herr Rohwer, wie Ihnen bekannt sein dürfte, scheitert es nicht an der SPD, sondern an den Länderinteressen. Die Länder möchten das Geld, die 6 Milliarden Euro aus dem Bildungspaket, gern als Umsatzsteuerpunkte bekommen und selbst entscheiden, wo sie dieses Geld einsetzen. Nur Frau Wanka möchte dieses Geld möglichst für die Hochschulen einsetzen. Vielleicht können Sie erst einmal auf Bundesebene klären, wofür das Geld eingesetzt wird, und unseren Finanzminister einmal fragen, ob er es nicht doch lieber über die Umsatzsteuer haben möchte, und dann können wir uns immer noch verständigen, ob es an der SPD liegt.
Nichtsdestotrotz ist es richtig und gut, dass der Bund mehr Geld für Bildung einsetzt; wir sind ja dort auch in der Koalition. Aber auch dort trifft das Gleiche zu: Wir haben die Bildungsketten. Die Bildungsketten hatten genau diesen Ansatz. Warum nimmt man nicht dieses Programm, entwickelt es fort und macht Kontinuität daraus, statt wieder etwas Neues zu machen? Das ist es, was wir hier im Land der Landesregierung vorwerfen.
Vielleicht schaut man einmal nach Hamburg. In Hamburg gibt es die Jugendberufsagentur. Sie wird mit Mitteln des Landes untersetzt. Damit werden auch die Kompetenz
streitigkeiten zwischen den einzelnen Ministerien überwunden. Da richtet man sich dann eben tatsächlich – wie Sie sagen, Herr Rohwer, ein auf den Schüler gerichtetes System – auf die Schüler und nicht auf die Träger oder die Projekte ein, wie es momentan der Fall ist. Das ist ein sinnvoller Blick über den Tellerrand hinweg, den ich auch der Landesregierung empfehle und der auch unserem Antrag ein Stück näher kommt als das, was ich hier teilweise gehört habe.
Leider haben wir nicht die Antworten bekommen, die wir uns gewünscht hätten. Das war auch kein Wahlkampfthema; denn wir treiben dieses Thema seit fünf Jahren, beginnend mit einer Großen Anfrage zur beruflichen Bildung, hier durch den Landtag, also mit einer stärkeren Kontinuität, als es vielleicht einige wahrgenommen
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 5/13868 zur Abstimmung und bitte diejenigen, die zustimmen möchten, das anzuzeigen. – Wer ist dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag nicht beschlossen worden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Wir beginnen mit der Aussprache in der Reihenfolge BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dann SPD, danach CDU, DIE LINKE, FDP, NPD und Staatsregierung, sofern sie das Wort wünscht.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Abg. Herrmann. Bitte sehr, Frau Herrmann, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist heute das zweite Mal, dass wir uns mit der UN-Behindertenrechtskonvention bzw. mit der Umsetzung dieser Konvention in Sachsen beschäftigen. Diese Konvention gilt – das haben heute früh eigentlich schon alle Fraktionen dargelegt – als weg- und richtungsweisend für die Sicherstellung von Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft.
Das Thema Schule und gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung stellt auf dem Weg zu mehr Teilhabe eine Schlüsselstelle dar. Dort werden sozusagen die Weichen für den späteren Lebensweg von Menschen mit und ohne Behinderung gestellt. Darüber sind wir uns sicher einig.
Wenn es für Schülerinnen und Schüler normal ist, gemeinsam mit Kindern mit Lernschwierigkeiten, körperlichen Einschränkungen usw. zu lernen, dann ist es auch später für sie normal, gemeinsam zu arbeiten und zu leben und auch gemeinsam in der Freizeit Einrichtungen zu besuchen oder die Freizeit gemeinsam zu gestalten.
Kurz gesagt, die Separation, die wir im Moment im Kindesalter in der Schule in Sachsen noch vollziehen, wirkt auf das ganze weitere Leben fort, und zwar nicht
nur bei den Menschen mit Behinderung. Viele Menschen sind unsicher im Umgang mit Menschen mit Behinderung, weil sie keine Erfahrungen miteinander machen konnten.
Andererseits sind wir uns einig, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Kinder eine angemessene Förderung brauchen, und zwar alle Kinder. Wie diese Förderung aussehen kann und wo sie für die verschiedenen Kinder stattfinden sollte, darüber sind wir uns nicht einig, jedenfalls nicht bei dem Alter jenseits des Kita-Alters.
Es wäre vielleicht schön, wenn die Kollegen dahinten uns an ihren Spaß teilhaben ließen. Dann könnten wir auch in der Tagesordnung fortfahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Gemeinsamkeiten, die wir trotzdem bei diesem Thema fraktionsübergreifend haben, haben einzelne Abgeordnete dazu geführt, im Jahr 2011 einen gemeinsamen Antrag zu formulieren. Wie Sie wissen, kommt das im Sächsischen Landtag – und wahrscheinlich auch in anderen Landtagen – nicht sehr häufig vor. Das ist ganz besonderen Themen vorbehalten. Der gemeinsame Antrag war eben auch Ausdruck des gemeinsamen Bemühens von Abgeordneten aller Fraktionen, Kindern mit Behinderung im Sinne der UN-BRK neue Wege zu öffnen.
Wir haben nicht nur einen gemeinsamen Antrag verfasst, sondern auch eine gemeinsame Reise nach Südtirol unternommen und uns angesehen, wie Inklusion dort
funktioniert. Dieser gemeinsame Antrag verpflichtete die Staatsregierung, einen Aktions- und Maßnahmenplan vorzulegen, diesen fortzuschreiben sowie dem Landtag fortlaufend über den Stand der Erarbeitung dieses Plans und dessen Umsetzung zu informieren. Die Staatsregierung wurde außerdem beauftragt, die Öffentlichkeit über die Umsetzung des Aktions- und Maßnahmenplans zu informieren sowie im Rahmen einer Informationskampagne die gesellschaftliche Akzeptanz und das Mitwirken aller Akteure zu initiieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war der Auftrag, den Abgeordnete aller Fraktionen der Staatsregierung erteilt haben. Was mich wirklich auf die Palme bringt, ist, dass es im Freistaat möglich ist, diese Landtagsbeschlüsse einfach nicht umzusetzen, sie zu ignorieren und auszusitzen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Aktions- und Maßnahmenplan wurde zwar vorgelegt, aber seine Fortschreibung steht seit über einem Jahr aus. Von einem Expertengremium wurden in einem länger dauernden Prozess Empfehlungen erarbeitet, die in diesen Maßnahmenplan – so hatte es der damalige Staatsminister Wöller allen Abgeordneten vorgestellt – eingearbeitet werden sollten. Diese Empfehlungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind vor allen Dingen für die Planung der Schuljahre in Bezug auf die Bereitstellung der finanziellen und personellen Ressourcen von großer Bedeutung.