Kollege Hartmann, um der Wahrheit die Ehre zu geben: Als wir im Landtag im Juli 2012 unter Berufung auf die angebliche oder tatsächliche damalige Lage nach den europarechtlichen Bestimmungen dieser Dienstleistungs
richtlinie, bei der man diese Leistungen wie normale Dienstleistungen eingeordnet und gesagt hatte, dass man diese öffnen und ausschreiben muss, über dieses Thema diskutierten, lag bereits eine Subsidiaritätsrüge im Bundesrat vor.
In diesem Beschluss des Bundesrates vom 30. März 2012, Bundesratsdrucksache 874/11, heißt es wörtlich: „In einigen Ländern besteht zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz eine logische und auch konzeptionell bedeutende und systembedingte unaufhebbare Bindung. Zur Wahrung der inneren Sicherheit ist der Erhalt dieses Verbundsystems zwingend notwendig. Dies lässt sich aber nur gewährleisten, wenn von einer generellen Ausschreibung des Rettungsdienstes auch bei bisher nicht ausschreibungspflichtigen Dienstleistungskonzessionen abgesehen wird. Die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit durch Rettungsdienst und Katastrophenschutz ist eine Kernaufgabe der Daseinsvorsorge. Eine offene Ausschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung und anderen vergaberechtlichen Aspekten würde dazu führen, dass die Schnittstellen zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz ebenfalls kommerzialisiert würden. Im Ergebnis würde dies massive Qualitätsverluste mit sich bringen. Darüber hinaus würde das in Deutschland sehr bedeutende ehrenamtliche Element in diesem Verbundsystem des Bevölkerungsschutzes infrage gestellt.“
Das war Gegenstand der Subsidiaritätsrüge, die im Bundesrat behandelt wurde. Wir sind vier Monate später sehenden Auges in exakt diese gesetzliche Regelung hineingelaufen.
Jetzt haben wir aber eine veränderte Lage auf europäischer Ebene. Der Fachausschuss des Europäischen Parlaments hat zum Januar 2013 bereits als kritikwürdig gesehen, dass das Rettungswesen in diese Regelung einbezogen wurde. Im März 2013 hat das Parlament das zum ersten Mal behandelt. Im Januar 2014 wurde die Entscheidung getroffen. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben der Sonderstellung des Rettungsdienstes mit Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport mittels einer Ausnahmeregelung von der EU-Richtlinie zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen Rechnung getragen. Danach besteht definitiv keine Verpflichtung zur allgemeinen Ausschreibung des Rettungsdienstes mehr, jedoch unter der Voraussetzung, dass eine Notfallrettung von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen ohne Erwerbszweck vorgenommen wird.
Diese Tatsache muss natürlich logischerweise landesrechtlich untersetzt werden. Das ermöglicht unter anderem den Landkreisen und kreisfreien Städten, den Trägern
des Rettungsdienstes zukünftig qua Gesetz mehr Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit und bei dessen örtlicher Ausgestaltung mehr Spielräume einzuräumen.
Die Welt im Rettungswesen in Sachsen ist keineswegs heil und in Ordnung. Sie ist in Aufruhr. Sie ist in Not geraten, und zwar unter der Wirkung dieser Novelle zum Gesetz. Es ist jetzt hohe Zeit, es ist Sache der Politik und zuallererst dieses Landtages, schnellstens diese eingetretenen Schieflagen zu beseitigen und damit auch die sich zeigende Senkung der Leistungsqualität im Rettungswesen abzufangen und ihr schnellstens entgegenzuwirken. Wir haben es hier mit einem Gebiet zu tun – und da bin ich wieder bei Kollegen Hartmann –, bei dem es um im Grundgesetz und in der Sächsischen Verfassung verankerte essenzielle Grundrechte geht, um das Recht auf Schutz von Leben und Gesundheit.
Wir brauchen dringend einen dauerhaft und flächendeckend funktionierenden Rettungsdienst in Sachsen, der sich neu strukturiert.
Wenn wir, Kollege Hartmann, schon sechs Monate vor dem Wahltermin im Landtag die Fahne einrollen wollen, weil wir sagen, dass wir jetzt keine Novelle mehr zustande bringen, dann sage ich: Wenn der Landtag der ersten Wahlperiode das auch so getan hätte, dann wären wir bei der Gesetzesfülle nie mit den Anfangsaufgaben zu Ende gekommen.
Dann lassen Sie uns doch wenigstens etwas für den Landtag der 6. Wahlperiode tun, nämlich jetzt evaluieren, jetzt die Bilanz holen, die Zahlen zusammenstellen, die Anknüpfungsfakten bestimmen, um dann dem Landtag die Möglichkeit zu geben, sofort durchzustarten. Das ist doch das Naheliegendste. Dann stimmen Sie wenigstens dem Antrag zu, dass die Staatsregierung jetzt gebeten wird, die entsprechenden Fakten zusammenzustellen und dem nächsten Landtag zur Verfügung zu stellen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Bartl, der Arbeitskreis Innen der Koalition tagt am Montag das nächste Mal. Es ist eine ziemlich heitere Vorstellung, Sie wären dabei, vor allem angesichts der Tagesordnung, die wir uns gegeben haben. Aber das nur nebenbei. Nun zurück zum Antrag.
Im Sommer 2012 haben wir hier im Sächsischen Landtag das Sächsische Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz oder Blaulichtgesetz oder kurz BRKG novelliert. Darin haben wir unter anderem die Ausschreibung des Rettungsdienstes neu geregelt.
Damals wurde uns vor allem vonseiten der SPD, aber auch in vielen Zuschriften – organisiert von der SPD – vorgeworfen, wir würden das Gesetz hauptsächlich deshalb novellieren, um eine ausschließlich am Angebotspreis orientierte Vergabe zu ermöglichen. Dabei waren wir zum damaligen Zeitpunkt EU-rechtlich dazu gezwungen, die Ausschreibung im Rettungsdienst gesetzlich festzulegen. Ich habe schon damals – das können Sie sicher im Protokoll nachlesen – gesagt, dass wir das nicht machen, weil wir Lust dazu haben, sondern weil die EU uns dazu zwingt.
Ausdrücklich haben wir in § 31 des BRKG damals formuliert, dass neben dem Angebotspreis auch ein Umsetzungskonzept sowie die Mitwirkung im Katastrophenschutz berücksichtigt werden müssen. All dies macht für uns das wirtschaftlichste Angebot aus, auf das der Zuschlag erteilt werden soll. Diesen Rahmen haben wir den kreisfreien Städten und Landkreisen für ein rechtssicheres Vergabeverfahren an die Hand gegeben.
Wie gerade erwähnt, fand die umfangreiche Gesetzesnovellierung erst vor Kurzem statt. In manchen kreisfreien Städten und Landkreisen wurde schon eine Ausschreibung durchgeführt, in anderen ist man dabei. Im Rettungszweckverband Chemnitz-Erzgebirge beispielsweise
wurde die Ausschreibung unter der Verantwortung der Chemnitzer SPD-Oberbürgermeisterin Ludwig im Sommer 2013 erst einmal gestoppt. Der Grund dafür war unter anderem, dass sich ein Bewerber mit der Bitte um Prüfung an die Vergabestelle gewandt hatte. Denn in der Ausschreibung war als Zuschlagskriterium ausschließlich der niedrigste Preis genannt worden.
Dieser Vorgang, meine Damen und Herren, ist in höchstem Maße ärgerlich. Ich erwarte natürlich von den Kommunen, dass sie die vom Gesetz eröffneten Rahmenbedingungen auch ausnutzen. Gerade diese sollen nämlich verhindern, dass es zu einem bloßen Wettbewerb um die niedrigsten Löhne für das Personal im Rettungsdienst kommt.
Neben diesem Negativbeispiel Chemnitz gibt es auch Ausschreibungen auf kommunaler Ebene im Freistaat, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die betreffenden Mitarbeiter geführt haben. So wurden im Rahmen des Gehaltsüberganges Rettungsmitarbeitern im Bereich Delitzsch oder auch in Torgau–Oschatz neue, verbesserte Dienstverträge angeboten, wohlgemerkt: auf Tarifniveau. Verbesserte Dienstverträge, meine Damen und Herren! Auch diese Tatsache sollten Sie berücksichtigen. Ich weiß, dass Ihnen das schwerfällt, aber Sie sollten sie berücksichtigen, wenn Sie in Ihrem Antrag feststellen,
Vielen Dank, Herr Kollege. Ich hoffe, dass es der Sache dient. – Sie haben jetzt den Vorwurf erhoben, dass in dem Fall die Oberbürgermeisterin von Chemnitz gesagt hat: nach dem Kriterium der größten Wirtschaftlichkeit.
Geben Sie mir recht, dass in dem Gesetz, das seinerzeit im Juli 2012 mit den Stimmen der Koalition beschlossen worden ist, der § 31 Abs. 5 lautet: „Der Zuschlag ist auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Als Zuschlagkriterien sollen insbesondere der Angebotspreis, ein Umsetzungskonzept für die Mitwirkung des Katastrophenschutzes berücksichtigt werden.“
Ja, Herr Bartl. Nichts anderes habe ich ja gesagt. Es ist aber ein Unterschied, ob ein Umsetzungskonzept mit berücksichtigt wird oder nur der billigste Preis, wie es in Chemnitz der Fall gewesen ist. Man muss schon den Unterschied sehen. Man hat in Chemnitz nicht den kompletten Rahmen, den wir zur Verfügung gestellt haben, genutzt, sondern sich nur darauf zurückgezogen, den Preis zu bewerten, und das ist ein Unterschied.
Herr Bartl, ich setze fort. – Es ist richtig, das EU-Parlament hat Mitte Januar 2014 das neue Vergabepaket beschlossen. Dieses sieht auch Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht im Rahmen des Rettungsdienstes vor, wie Sie in Ihrem Antrag richtigerweise anmerken. Allerdings handelt es sich hierbei um Richtlinien. Diese müssen binnen zwei Jahren in nationalstaatliches Recht umgesetzt werden, sprich: Wir können als Landesgesetzgeber nicht einfach mal irgendwie etwas machen, wie es Ihnen gefällt.
Hierbei sind viele Fragen im Zusammenhang mit der Bereichsausnahme noch völlig ungeklärt. Die Ausnahme soll dem Vernehmen nach nur für den Bereich des Rettungsdienstes gelten. In Sachsen aber wird der Rettungsdienst zusammen mit dem Krankentransport ausgeschrieben. Wie wird sich eine solche Bereichsausnahme hier auswirken?
Darüber hinaus soll die Richtlinie nur für die Übertragung an gemeinnützige Organisationen gelten. Private Anbieter würden hiervon folglich nicht profitieren. Auch dies gilt es zu bedenken, wenn man über die Konsequenzen des Vergabepaketes für das sächsische Verfahren nachdenkt. So, wie Sie sich das Verfahren vorstellen, machen Sie es sich entschieden zu einfach.
Lassen Sie mich abschließend noch etwas zu der von Ihnen so sehr gewünschten Kommunalisierung des Rettungsdienstes sagen. Das von mir erwähnte Chemnitzer Beispiel zeigt doch, dass die Kommunen hauptsächlich daran interessiert sind, den Rettungsdienst kostengünstig durchzuführen, und nicht zuallererst einmal die Mitarbeitergehälter zu erhöhen. Einen undurchdachten Schnellschuss mit einer erneuten Novellierung des BRKG, so wie Sie es vorschlagen, lehnen wir ab. Deshalb werden wir auch Ihren Antrag ablehnen. Aber wir beobachten intensiv, wie sich die Ausschreibungen landesweit auswirken und welche Spielräume uns die EU einräumt. Politik muss auch zuverlässig sein. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rettungsdienst ist eine ganz besonders wichtige öffentliche Dienstleistung im ganzen Land, und nach der umstrittenen Einführung der Ausschreibungspflicht ist eine Zwischenbilanz dringend notwendig.