Eine Fachregierungserklärung ist jedoch nicht nur die Bilanz eines einzelnen Ministers oder einer Ministerin, sondern sie ist, wie der Name schon sagt, die Bilanz einer Regierung. Damit bin ich bei den kritischen Punkten.
Wer sich ein wenig in der sächsischen Kulturlandschaft und Kulturpolitik auskennt, der ahnt und hört angesichts dieser Fachregierungserklärung, in welchem Spannungsfeld zwischen Tradition und Innovation, zwischen konservativer CDU und marktliberaler FDP, zwischen Großstadtvorlieben und Provinzinteressen sich die sächsische Kunstministerin in den letzten Jahren bewegt hat. Diese Spannungen und politischen Widersprüche zwischen der Idee, Kunst und Kultur hätten vor allem eine Schaufensterfunktion Sachsens nach außen, auf der einen Seite – das ist die Idee von Herrn Tillich – und dem Anliegen, kulturelle Teilhabe und künstlerische Vielfalt in der Fläche zu erhalten – das ist die Position vieler anderer – finden ihren Ausdruck in der Ausgestaltung der Kulturpolitik in Sachsen.
Das Sächsische Kulturraumgesetz ist zweifelsfrei eine Errungenschaft, die nicht aufgegeben werden darf, aber es löst nicht alle Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Kulturelle und künstlerische Vielfalt heißt eben nicht nur, Etabliertes zu finanzieren und Ensembles zu bewahren, sondern es heißt auch, Neues zu ermöglichen. Das ist unter anderem Aufgabe der Kulturstiftung des Freistaates, die bisher in der Debatte viel zu kurz gekommen ist. Es ist erfreulich zu erfahren, dass die Stiftung zukünftig verstärkt auch den internationalen kulturellen Dialog fördern möchte. So weit, so gut. Wie aber die Kulturstiftung in den nächsten Jahren in die Lage versetzt werden soll, innovative Projekte in Sachsen sowie freischaffende Künstlerinnen und Künstler hier in Sachsen verstärkt zu fördern, dazu gab es heute keine Aussagen. Der Projektetat der Stiftung ist im Doppelhaushalt 2013/2014 erstmals nach zehn Jahren um 10 % erhöht worden. Das klingt viel, fängt jedoch gerade den Inflationsausgleich der vorhergehenden zehn Jahre auf. Es finanziert nicht die notwendige Entwicklung der Stiftung im Interesse der Kulturförderung. Das dürfte jedem deutlich sein, der rechnen kann. Keine Äußerung – und die hatte ich schon erwartet – gab es zur Aufstockung des Stiftungskapitals, wie es eigentlich im Stiftungserrichtungsgesetz vorgesehen ist.
Betrachten wir die Sparte Film. Wir können uns in Sachsen glücklich schätzen, dass sich neben den tradierten
Künsten und Institutionen im letzten Vierteljahrhundert auch neue künstlerische Anker mit nationalem und internationalem Renommee entwickelt haben. Ich verweise hier konkret auf die Leipziger Dokfilmwoche, das Dresdner Filmfest, das Neiße Filmfestival sowie das Kinderfilmfest „Schlingel“ und das Kinolino-Kinderfilmfest, die aber keine Erfindung der CDU oder der Staatsregierung sind.
Jetzt sind wir inzwischen in der schwierigen Situation, dass sich alle Filmfestivals mit ihrer sehr unterschiedlichen Schwerpunktsetzung gut entwickelt haben, aufgrund der stark eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten der Kulturstiftung des Freistaates nun aber eine Kannibalisierung innerhalb der Filmsparte zwischen den Filmfestivals selbst und den Filmschaffenden überhaupt droht. Das ist eine der Herausforderungen, auf die wir eine Antwort brauchen. Dazu haben wir heute nichts gehört.
Was ist die Antwort der Staatsregierung darauf? Filmförderung ist ganz klar keine Aufgabe der kommunalen Kulturförderung. Wie wichtig ist uns zum Beispiel der Film im interkulturellen Dialog?
Kommen wir zu weiteren Sparten. Gänzlich vermisst habe ich in der Fachregierungserklärung die Begriffe Soziokultur, Tanz und Literatur.
Heute Abend wird in Leipzig die Buchmesse eröffnet. Vor wenigen Monaten erst hat die Kulturstiftung des Freistaates eine Studie zur Literaturvermittlung in Sachsen herausgebracht. Doch wie sich die Staatsregierung die Literatur- und Leseförderung in Sachsen als Teil der Kunst- und Kulturpolitik vorstellt, davon war nichts zu hören. Das ist bedauerlich.
Damit sind wir beim nächsten Problem, der kulturellen Bildung, die seit einigen Jahren bundesweit, insbesondere seit dem Erscheinen der PISA-Studie, wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird. Die Staatsministerin verwies zwar darauf, dass es immerhin 450 öffentliche Bibliotheken in Sachsen gebe, doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es nicht ein Armutszeugnis, wenn von diesen 450 Bibliotheken nur 180 überhaupt mit einer hauptamtlichen Leitung arbeiten können? Was sagt das über die Qualität der bibliothekarischen Angebote? Ist es nicht ein Armutszeugnis, dass – wie vor Kurzem in Pulsnitz geschehen – eine Bibliothek in einer Stadt mangels Personal komplett geschlossen wird? Was ist die Antwort der Staatsregierung auf das Thema Bibliotheken? Das Bibliotheksgesetz der GRÜNEN wurde vor wenigen Monaten abgelehnt.
Die CDU und die Staatsregierung tragen die kulturelle Bildung inzwischen wie eine Monstranz vor sich her, doch bei der Leseförderung und der Literaturvermittlung lassen sie die kommunalen Bibliotheken in der Luft zwischen Kunst- und Kultusministerium hängen. Dabei spreche ich noch nicht von der Erreichbarkeit professioneller Bibliotheksangebote im ländlichen Raum und erst recht nicht von der Digitalisierung. Neue technische Möglichkeiten gäben uns die Möglichkeit, in Bezug auf die Bibliotheken ganz anders mit der Frage des demo
grafischen Wandels im ländlichen Raum umzugehen. Man muss die Dinge auch als Herausforderung, als Aufgabe begreifen und bearbeiten, und zwar in beiden Ministerien, die ich genannt habe.
Leseförderung als Grundkompetenz und Literaturvermittlung als kulturelle Wertevermittlung sind Hausaufgaben, die die Staatsregierung bisher nur ungenügend erledigt hat. Dann immer nur auf das Ehrenamt, das Mäzenatentum, Herr Tippelt, und das bürgerschaftliche Engagement zu verweisen ist keine hinreichende Antwort.
Die CDU und die Staatsregierung schmücken sich bekanntlich gern mit der kulturellen Bildung. Ich erwähnte es bereits. Doch jenseits sympathischer Modellprojekte wie den Kulturträumen und JeKi – „Jedem Kind ein Instrument“ – ist überschaubar wenig passiert. Angesichts der fast 1 500 Schulen, die wir in Sachsen haben, sind die 50 Grundschulen, die durch JeKi – „Jedem Kind ein Instrument“ – erreicht wurden, der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
Die eigentliche bildungs- und kulturpolitische Frage, die gelöst werden muss, wurde nicht angesprochen. An den Schulen selbst sind nämlich der Kunst- und der Musikunterricht nach wie vor marginalisiert. Es gibt nur ein bis zwei Schulstunden pro Woche. Naturwissenschaftliche Fächer haben einen deutlichen Überhang. Die Stundentafel ist das eine, aber die Sicherung der Fachlehrer das andere. Dort besteht politischer Handlungsbedarf, wenn man es mit der kulturellen Bildung in Sachsen ernst nimmt.
Ich darf daran erinnern: Bei dem Entwurf des Doppelhaushaltes 2011/2012 hatte Finanzminister Unland ursprünglich vor, die 5 Millionen Euro Musikschulförderung für die 25 öffentlichen Musikschulen in Sachsen komplett auf null zu setzen, also zu streichen. Erst nach zahlreichen Protesten – auch aus der CDU-Fraktion – wurde das zurückgenommen und man einigte sich auf dem Niveau von 4,8 Millionen Euro. Angesichts dieser damaligen Kürzung und angesichts der trotzdem steigenden Kosten sind die 5 Millionen Euro, die jetzt pro Jahr ausgegeben werden, nicht mehr als die Rückführung auf das ursprüngliche Niveau von 2009/2010.
Befassen wir uns weiter mit der kulturellen Bildung. Es gab früher zwei Förderrichtlinien. Das ist novelliert worden, jetzt gibt es nur noch eine. Aber das Problem der fehlenden Nachhaltigkeit wurde nach wie vor nicht gelöst. Es ist zu erklären – andere Kollegen haben es angesprochen –, wie man gute, innovative Ansätze, die es tatsächlich gibt, nachhaltig und langfristig finanziert und dies nicht den Kommunen überlässt oder die Förderung einfach nach drei Jahren nicht mehr bewilligt.
Unklar – darauf möchte ich ebenfalls verweisen – ist im sächsischen Förderportfolio der kulturellen Bildung, warum es im Kultusministerium eine Richtlinie zur
Förderung von Heimatpflege und Laienmusik gibt und warum diese nicht im Kunstministerium angesiedelt ist.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Die von Ihrer Vorgängerin Eva-Maria Stange installierte interministerielle Arbeitsgruppe „Kulturelle Bildung“ arbeitet. Es gab öfter Nachfragen durch die Abgeordneten. Sie arbeitet fleißig vor sich hin, aber sie scheiterte offensichtlich immer an der „Versäulung“ der Zuständigkeiten in Sachsen. Das zu ändern ist auch eine Aufgabe für die nächste Regierung. Wir als LINKE werden uns dafür einsetzen, die Kulturvermittlung in all ihren Facetten zu evaluieren und gegebenenfalls auch neu zu strukturieren. Dort sehen wir Handlungsbedarf.
Zu der heutigen Fachregierungserklärung liegt uns ein Entschließungsantrag vor. Mein Kollege wird ausführlicher darauf eingehen. Aber – ich sage es schon einmal ein Richtung CDU/FDP – diesen Entschließungsantrag hätten Sie sich angesichts der Allgemeinplätze, die hier beschlossen werden sollen, sparen können.
Sie ruhen sich mit dem Entschließungsantrag auf dem Vorhandenen aus. Sie als CDU und FDP haben keine kulturpolitischen Visionen, und Sie haben erst recht keine Antworten auf die Herausforderungen, die vor uns stehen und die von den Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Fraktionen bereits benannt wurden.
Sachsen ist ein Land, das noch reich an Kunst und Kultur ist, und Sachsen hat eine andere Kulturpolitik verdient – eine andere Kulturpolitik, die nicht ausschließlich auf das Ausstellen und das Repräsentieren nach außen abzielt, sondern eine Kulturpolitik, die bewahren und vermitteln und vor allen Dingen Innovatives anregen will.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit meinem heutigen Redebeitrag möchte ich aus dem weiten Bogen von Kulturpolitik, den Frau Staatsministerin von Schorlemer gezogen hat, einen Teilbereich beleuchten. Es geht um das Kulturraumgesetz.
Auch in der heutigen Debatte scheint mir sehr vieles von diesem Gesetz als selbstverständlich hingenommen zu werden. In Wahrheit ist das Gesetz über die Kulturräume ein fester Bestandteil unserer Kulturpolitik, die in ihrer verfassungsrechtlichen, aber auch tatsächlichen Dimension Sachsen heraushebt und uns zumindest bundesweit, wenn nicht international, Anerkennung verschafft. Es beantwortet die Frage: Wie gewährleisten wir, dass sich Kultur nicht lediglich auf wenige – Herr Dulig – herausgehobene Stätten beschränkt, sondern sich in der Tat auf das gesamte Land erstreckt?
Tatsächlich ist Sachsen ein Land mit einem überaus großen Reichtum an kultureller Vielfalt, kultureller Schätze und Traditionen. Sachsen wird auch von außen als Kulturstandort allerersten Ranges wahrgenommen. Dies verpflichtet.
In Wahrheit geht die Bedeutung von Kultur viel weiter. Eine Reihe von Redebeiträgen hat das beleuchtet. Kultur als Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Errungenschaften einer Gesellschaft ist das, was eine Gesellschaft zusammenhält. Es ist gleichsam unser gemeinschaftlicher Kitt, unser Fundament.
Der damalige sächsische Wissenschaftsminister Prof. Meyer hat aus Anlass der 1. Lesung des Gesetzentwurfes über die Kulturräume in Sachsen am 17. September 1993 hier vor dem Landtag ausgeführt – ich zitiere –: „Wir wissen, dass Kultur lebensnotwendig ist und nicht warten kann, bis bessere Zeiten anbrechen. Sie ist das Fundament unserer Identität.“
Meine Damen und Herren! Dieser Grundlage unseres Zusammenlebens haben sich die Abgeordneten des 1. Sächsischen Landtages mit großem Weitblick angenommen. Sie haben entschieden – es war eine einmütig gute Entscheidung –, dass Kultur in Sachsen Verfassungsrang hat. Das Kulturraumgesetz konkretisiert den daraus resultierenden Verfassungsauftrag. Das Gesetz ist bekanntlich am 17. Dezember 1993 hier abschließend beraten worden und im parlamentarischen Konsens zustande gekommen. Das ist gut so. Ich wünschte mir, dass wir im Bereich der Kulturpolitik – gerade auch in Bezug auf das Kulturraumgesetz – weiterhin im Konsens miteinander agieren können.
Meine Damen und Herren! Die Idee des Kulturraumgesetzes zeigt sich im Wesentlichen in drei Eckpunkten:
Erstens. Neben der Kulturpflicht des Landes besteht die Kulturpflicht der kommunalen Ebene, natürlich die Landkreise eingeschlossen.
Zweitens. Das Kulturraumgesetz schafft Solidargemeinschaften in Gestalt von regionalen Zweckverbänden. Diese knüpfen ihrerseits an die gewachsene regionale Identität an.
Drittens. Das Gesetz beinhaltet schließlich ein Instrumentarium, um die finanziellen Lasten möglichst gerecht verteilen und gemeinsam schultern zu können. Wir sollten dies nie außer Acht lassen.
Diese mit dem Kulturraumgesetz geschaffene Systematik ist einmalig. Wir stellen uns damit dem verfassungsrechtlichen Kulturstaatsprinzip, hierauf bezogen, in Gänze und auf jeder Ebene im Staatsgefüge. Die finanzielle Garantie, die der Freistaat durch seine Beteiligung am Kulturlastenausgleich gemeinsam mit der kommunalen Ebene leistet, realisiert sich über einen relativ komplizierten Verteilungsmechanismus zu den Kulturräumen, die ihrerseits
auf der Grundlage autonomer Freiheit in Eigenverantwortung handeln. Das ist gut so. Das muss auch so sein. Das ist keine Kulturpolitik, die von oben herab ginge. Sie läuft und realisiert sich auf der lokalen örtlichen Ebene. Anders ausgedrückt: In diesem Kulturraumgesetz realisieren sich die Prinzipien von Solidarität und von Subsidiarität in ganz hervorragender Weise.
Man kann dem 1. Sächsischen Landtag und auch der Sächsischen Staatsregierung für die mittlerweile dauerhafte Verankerung des Kulturraumgesetzes nicht dankbar genug sein. Wir haben uns in dieser aktuell laufenden Legislaturperiode – ich knüpfe hiermit direkt an die Fachregierungserklärung an – diesem Auftrag vollinhaltlich und mit Vorrang gestellt. Das lassen wir uns auch nicht wegreden.
Kulturelle Vielfalt zu bewahren und zu entwickeln heißt, das Land attraktiv und lebenswert zu halten – das Land in Gänze. Die Erkenntnis lautet – hiermit darf ich Herrn Dulig erneut beipflichten –: Alle Regionen Sachsens leisten einen eigenen Beitrag zur kulturellen Vielfalt und Freiheit im Freistaat. Hier liegt die Wurzel des Kulturraumgesetzes.
Ich bitte die Oppositionskollegen, dies zu berücksichtigen: Beide in der laufenden Legislaturperiode beschlossenen Doppelhaushalte messen der Kulturpolitik und dort auch dem Kulturraumgesetz trotz und gerade wegen des Themas Landesbühnen einen herausgehobenen Stellenwert bei. Wir haben eine andere Philosophie als Sie, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich erinnere – mit Herrn Kollegen Tippelt – daran, dass wir im Freistaat Sachsen nach wie vor das Flächenland in Deutschland sind, das mit Abstand die höchsten Kulturausgaben pro Einwohner vorhält. Lassen wir uns dies doch nicht wegreden, das wäre kleinmütig. Beide Doppelhaushalte, die wir in diesem Hohen Haus beschlossen haben, enthalten demgemäß auch konsequent klare Bekenntnisse zum Kulturraumgesetz.
Meine Damen und Herren! Für die Zukunft stehen die Grundsätze des Kulturraumgesetzes nicht zur Disposition. Im Gegenteil: Die CDU-Landtagsfraktion betrachtet die Unterstützung und Förderung der Kultur im Freistaat Sachsen weiter als wichtige Aufgabe. Wir werden – ich bin für die Bemerkung von Frau Staatsministerin von Schorlemer und von Frau Kollegin Fiedler ebenfalls sehr dankbar – die Kulturfinanzierung im Kulturraumgesetz künftig auf höherem Niveau führen und wir werden dies auch so umsetzen.
Meine Damen und Herren! Wir wollen bei der anstehenden Evaluierung, bevor es also um die Mittelverteilung und -ausstattung geht, eine gründliche Analyse vornehmen. Die Fragen, die sich dabei stellen, lauten: Wie hat sich die finanzielle Ausstattung in den ländlichen und in den urbanen Kulturräumen entwickelt? Ist die notwendige Planbarkeit der Mittel gegeben? Wie sind die Verfahrens