Protocol of the Session on January 29, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 90. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages.

Bekanntlich hat Herr Holger Apfel mit Wirkung vom 17. Januar 2014 seinen Mandatsverzicht erklärt. Das im Landeswahlgesetz vorgesehene Verfahren zur Nachfolgeregelung wurde durch mich veranlasst und die Landeswahlleiterin hat mir mitgeteilt, dass Herr Holger Szymanski als Listennachfolger seit dem 23. Januar 2014 Mitglied des Landtages ist.

Auch für ihn gilt zukünftig die in § 2 unserer Geschäftsordnung formulierte Verpflichtungserklärung. Sie lautet wie folgt: „Die Mitglieder des Landtages bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des Volkes im Freistaat Sachsen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm abwenden, die Verfassung und die Gesetze achten, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegen jedermann dem Frieden dienen werden.“

Unsere Geschäftsordnung sieht vor, dass später eintretende Mitglieder in der ihrer Berufung folgenden Sitzung durch Handschlag verpflichtet werden. Ich bitte also Herrn Holger Szymanski zu mir nach vorn und die anderen Mitglieder des Landtages, sich von ihren Plätzen zu erheben.

(Verpflichtung des Abg. Holger Szymanski, NPD, durch den Präsidenten. – Die Abgeordneten aller Fraktionen und die Mitglieder der Staatsregierung erheben sich von ihren Plätzen. – Dr. Johannes Müller, NPD, gratuliert dem Verpflichteten mit einem Blumenstrauß.)

Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Kliese, Frau Bonk, Herr Bandmann, Herr Hähnel, Frau Strempel und Herr Dr. Gerstenberg.

Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 4 bis 9 festgelegt: CDU 90 Minuten, DIE LINKE 60 Minuten, SPD 36 Minuten, FDP 36 Minuten, GRÜNE 30 Minuten, NPD 30 Minuten, Staatsregierung 60 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen können auf diese Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Folgende Änderungsanträge zu dieser Tagesordnung liegen mir vor. Ich darf zunächst darauf hinweisen, dass die Fraktion DIE LINKE von ihrem Recht Gebrauch gemacht hat, das Thema der Aktuellen Debatte zu ändern. Dieses lautet nunmehr wie folgt: „Genug gekürzt! Hochschulen aus der Autonomiefalle befreien – das Beispiel Leipzig“.

Meine Damen und Herren! Ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und der GRÜNEN liegt Ihnen in der Drucksache 5/13608 vor: „Widerspruchsbescheide zu Anträgen auf altersdiskriminierungsfreie Besoldung unverzüglich zurücknehmen und Klagewelle verhindern“. Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 53 Abs. 3 Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen. Dann müsste der Antrag noch auf dieser Sitzung abschließend behandelt werden.

Voraussetzung für eine Dringlichkeitserklärung ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist. Ich bitte jetzt um die Begründung der Dringlichkeit des Antrages. Bitte, Herr Kollege Tischendorf; Sie begründen jetzt die Dringlichkeit für die einbringende Fraktion DIE LINKE.

(Christian Piwarz, CDU: Das wird schwerfallen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist aus Sicht von GRÜNEN, SPD und LINKEN nach der Geschäftsordnung dringlich.

(Christian Piwarz, CDU: Nicht aus Sicht der Geschäftsordnung!)

Das lässt sich zweifelsfrei nachweisen mit dem offenen Brief des DGB und des Sächsischen Beamtenbundes, der alle demokratischen Fraktionen am 21. Januar erreicht hat. Damit ist die in § 52 Abs. 4 der Geschäftsordnung festgelegte Frist überschritten und die Dringlichkeit erfüllt.

Auch unseren Fraktionen als Antragstellern war aus der Medienberichterstattung bekannt, dass 11 000 sächsische Beamtinnen und Beamte auf der Grundlage der am 01.01.2014 in Kraft getretenen Dienstrechtsreform auf die seit mehreren Jahren ruhenden Widersprüche auf altersdiskriminierende Besoldung jetzt den Ablehnungsbescheid aus dem Hause des Finanzministers erhalten haben.

So war beispielsweise in der „Freien Presse“ vom 17. Januar nachzulesen, dass unter anderem der Landesvorsitzende Gerhard Pöschmann das Verhalten des sächsischen Finanzministers kritisiert, und in diesem sowie in gleichlautenden Presseartikeln war zu lesen, dass man noch das Gespräch sucht und auf Gesprächsbereitschaft hofft. Somit ergab sich bisher kein Grund zur Dringlichkeit, da der Gesprächsfaden noch nicht abgerissen war.

Am 21. Januar haben wir dann den offenen Brief von den Gewerkschaften erhalten mit dem Hinweis, dass alle Versuche, es einvernehmlich zu lösen, gescheitert sind – von Gewerkschaften und Beamtenbund so beschrieben.

In dem Brief stand außerdem drin, dass es eine vierwöchige Widerspruchsfrist gibt – das wissen wir ja bei solchen Bescheiden – und diese seit 02.01. läuft. Sie können sich ausrechnen – wir haben am 12. März die nächste planmäßige Landtagssitzung –: Selbst wenn Sie heute diese Dringlichkeit ablehnen, wird es nicht möglich sein, mit einer Sondersitzung des Landtages in der Widerspruchszeit darüber noch politisch zu entscheiden. Insofern ist der Antrag dringlich.

(Christian Piwarz, CDU: Hätten Sie es rechtzeitig eingereicht!)

Dringlich ist er außerdem, weil die Forderung der Beschäftigten nach einer politischen Lösung für

11 000 Beamte den Antrag der Fraktion begründet. Ich kann mir schwer vorstellen, dass dieser Landtag die berechtigte Forderung von 11 000 Beamten ablehnt.

Ich danke.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Tischendorf hat die Dringlichkeit für die miteinbringende Fraktion DIE LINKE begründet. – Jetzt kommt die Gegenrede; bitte, Herr Kollege Herbst für die FDP.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Tischendorf ist ja auch schon ein paar Tage im Landtag und kennt die formalen Voraussetzungen unserer Geschäftsordnung für die Dringlichkeit eines Antrages. Der Antragsschluss war am 20. Januar. Der Fakt – Herr Tischendorf hat selbst darauf hingewiesen – war bereits eher bekannt.

(Zurufe von den LINKEN)

Das heißt, die Linksfraktion hätte auf ordentlichem Wege einen Antrag einreichen können, der eine Behandlung hier im Plenum ermöglicht hätte.

Ich möchte nur darauf verweisen, dass bereits am 08.01. die Deutsche Steuergewerkschaft eine entsprechende Mitteilung gemacht hat, die ausgehangen wurde, in der sie den Fakt verkündet hat. Auf die Presseberichterstattung haben Sie selbst hingewiesen. Bereits zum damaligen Zeitpunkt hat die Deutsche Steuergewerkschaft gesagt, dass die Gespräche gescheitert sind, alle Widersprüche negativ beschieden sind, die Klage empfohlen und ihre Mitglieder dazu beraten. Das heißt, der Fakt war bekannt. Sie haben diesen Fakt entweder ignoriert oder Sie wollten ihn nicht aufgreifen, weil Ihnen andere Anträge wichtiger waren.

Die formalen Voraussetzungen für die Dringlichkeit sind damit nicht erfüllt und wir können dieser Dringlichkeit auch nicht zustimmen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Vielen Dank; das war die Gegenrede. – Ich darf jetzt um die Abstimmung bitten, ob Sie die Dringlichkeit bejahen. Wer dafür ist und damit die Dringlichkeit bejaht, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Dringlichkeit abgelehnt.

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Änderungsvorschläge zur oder Widerspruch gegen die Tagesordnung. Die Tagesordnung der 90. Sitzung ist damit bestätigt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Fachregierungserklärung

zum Thema: „Anerkennung, Wertschätzung,

Verlässlichkeit – für starke Familien in Sachsen“

Ich übergebe das Wort an die Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Frau Christine Clauß. Bitte, Frau Staatsministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Martina und Martin leben mit ihren drei Kindern in der Nähe von Plauen. Beide Eltern arbeiten Vollzeit. Die Kinder besuchen die Kita oder die Schule und nutzen gern verschiedene Freizeitangebote. Mutter Martina ist außerdem im Ehrenamt aktiv. Dies alles schaffen die fünf durch einen strengen Zeitplan sowie die Hilfe von Martins Mutter und der Nachbarn.

Susann lebt mit ihrer Tochter Sophie in Görlitz. Sophie ist mit dem Down-Syndrom auf die Welt gekommen. Vor allem die vielen Arztbesuche sind Herausforderungen für die beiden. Das alles schaffen sie gut allein; im Notfall helfen Oma und Opa.

Nicole und Nadine sind Mitte 30, arbeiten beide im Klinikschichtdienst und leben mit ihren zwei Kindern in Dresden. Mit Hilfe von Nadines Eltern und einer Kindergruppe meistern sie ihren Alltag.

Familie Müller aus Meißen – das sind Monika und Matthias mit ihren Kindern Maik und Max. Maik ist schon erwachsen und hilft der Familie; denn Max leidet seit seiner Geburt an einer Komplettspastik, und beide Eltern sind als Selbstständige voll berufstätig. Hilfe

bekommen sie von einem Pflegedienst und Max‘ Freunden.

Patchworkfamilie Petersen hat sich neu zusammengefunden: Petra mit ihren Töchtern Paula und Penelope, dazugekommen ist Peter. Gemeinsam haben sie Pius. Die größte Herausforderung für die fünf liegt – wie in jeder Familie – in der Koordination von Arbeit, Kita, Schule, den Wegen dorthin und den Hobbys der Kinder. Unterstützung bekommen sie von Mamas Eltern und Papas Schwestern, aber auch von den Nachbarn und einem Patenonkel.

Zu den Schmidts aus Nordsachsen gehören Sybille und ihr Sohn Stefan. Sybille ist alleinerziehende und damit auch alleinverdienende Mutter. Hilfe bekommen die beiden von den Großeltern und von Sybilles Arbeitgeber. Sie hat flexible Arbeitszeiten.

Oliver Schulze lebt mit seinem Sohn Oskar seit ein paar Jahren allein. Oskar wächst und gedeiht. Aber Oliver hat sehr unterschiedliche Arbeitszeiten und oft Bereitschaftsdienst. In diesen Fällen hilft Opa Olaf, der auch alleinstehend ist. Die drei sind eine eingeschworene Männerwirtschaft, und sie haben dabei Spaß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Diese Aufzählung ist anonymisiert und nicht vollständig. Ich könnte weitere Beispiele nennen; auch Sie kennen sicherlich eine ganze Menge.

Eines zeigen diese Beispiele sehr deutlich: So leben Familien heute. Das sind Familien heute. Wenn auch sehr komprimiert aufgeführt, so ist die Pluralität von Lebensformen deutlich geworden. Die eine Familie gibt es nicht. Jede Familie ist einzigartig und hat ganz eigene Bedürfnisse.

Und doch ist allen eines gemeinsam: Generationen sind miteinander verbunden und übernehmen füreinander Verantwortung. Familie ist die Verantwortungsgemeinschaft unserer Gesellschaft – auf der Grundlage von Liebe, Vertrauen, Freiheit und Verlässlichkeit.

Pluralität sieht auch der Mikrozensus, der unter „Familie“ alle Eltern-Kind-Gemeinschaften versteht und in Sachsen 2012 516 800 Familien gezählt hat. Davon sind über die Hälfte – fast 300 000 – Verheiratete mit Kindern.

Sehen wir in die Zukunft, stellen wir fest: Dies wird so bleiben; denn 41 % unserer Jugendlichen geben an, in zehn Jahren verheiratet zu sein. 55 % sind sogar überzeugt, dass sie in zehn Jahren ein oder mehrere Kinder haben werden. Je älter unsere Jugendlichen werden, umso mehr wünschen sie sich für sich selbst eine Zukunft in einer Ehe mit Kindern. Das heißt, unsere Jugendlichen sagen Ja zur Familie, Ja zum Wert der Familie. Daran hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert. Das zeigt: Familie ist kein Auslaufmodell.