Ich möchte die Debatte auch nutzen, um einen Blick voraus zu werfen und Dinge anzusprechen, die vielleicht in den nächsten Wahlperioden einmal Thema sein werden. Drei Punkte sind mir dabei wichtig:
Das Erste ist die Wertschätzung der Familie. Ich möchte noch einmal auf das Thema Familienbildung und auf Patenmodelle eingehen. Die höhere Wertschätzung der Familie: Mittlerweile ist es auch in Sachsen so, dass,
wenn ein Kindergarten gebaut wird, es dagegen Bürgerproteste gibt. Mitunter gibt es bei uns Straßen, über die 40 000 Fahrzeuge pro Tag fahren. Darüber beschweren sich die Anwohner nicht mehr, sondern sie beschweren sich über den Kindergarten, der an der Ecke gebaut werden soll. Das hat etwas mit dem Familienbild zu tun. Freuen wir uns über Kinder, wenn wir sie sehen, oder freuen wir uns nicht über Kinder? Ich hoffe, dass wir uns freuen.
Der Ministerpräsident hatte im „Focus“ einen Namensbeitrag geschrieben, aus dem ich zitieren möchte: „Solange sich Eltern am Arbeitsplatz für familiäre Belange entschuldigen müssen und Frauen im Bewerbungsgespräch widerrechtlich gefragt werden, ob sie schwanger sind und werden wollen, haben Politik, Gesellschaft und Wirtschaft noch einiges zu tun.“ Das ist richtig.
(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Herr Krauß, Sie schaffen doch mit Ihrer Politik solche Rahmenbedingungen!)
Wir schaffen Entscheidungen, von denen die ganze Gesellschaft betroffen ist und auch die Wirtschaft. Wir stellen nicht jeden an – wie Sie wissen –, weil wir keine Staatswirtschaft haben, sondern auch die Unternehmer und die Gesellschaft insgesamt haben eine Entscheidung. Wir als Politik auch, keine Frage.
Wenn ich manchmal bei Bewerbungsgesprächen bei Vorständen dabei bin, dann werden vornehmlich die Frauen nach der Kinderbetreuung gefragt. Das ist immer interessant. Die Männer werden gar nicht danach gefragt. Frauen fragt man immer gutmütig: Kriegen Sie es denn hin mit der Betreuung Ihres Kindes? Meist sagen die Frauen dann schon im Voraus, dass sie nur ein Kind haben und sich kein weiteres wünschen.
Das ist für mich ein gesellschaftlicher Ausdruck dieser Unfreundlichkeit gegenüber Familien und Kindern, dass wir uns nicht freuen und keinen Gewinn darin sehen, sondern gerade – manchmal bewusst und manchmal unbewusst – Familien Steine in den Weg legen und ihnen damit das Leben schwer machen.
Wertschätzung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat auch etwas mit Geld zu tun. Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Ich möchte keinerlei Geldgeschenke für Familien. Es gibt manchmal die Vorstellung, dass den Familien wahnsinnig viel Geld hineingeblasen wird. Nehmen wir das Beispiel Kindergeld. Das Kindergeld ist überhaupt kein Geschenk an Familien, sondern es ist einfach und allein eine Rückerstattung von zu viel gezahlten Steuern und nichts anderes.
Hans-Werner Sinn hat ein Buch geschrieben. Es heißt „Verspielt nicht eure Zukunft“. Darin sagt er, der Staat „sollte den Eltern einen höheren Anteil dessen zukommen lassen, was ihre Kinder zum Generationentransfer beisteuern“. Er sagt, der Staat wäre neutral, wenn er jedem Kind mindestens einen Gutschein von 50 000 Euro zusätzlich gibt. 50 000 Euro müsste er eigentlich zusätzlich geben, wenn man sich einmal anschaut, was die Kinder in die Sozialsysteme hineinzahlen und was die Eltern bekommen. Also auch, was für Kinder ausgegeben wird, wenn man das Schulsystem oder das Bildungswesen betrachtet. Man traut sich solche Summen gar nicht auszusprechen. Daran wird deutlich, welche Riesenleistung Familien erbringen, ohne dass es irgendwo finanziell anerkannt wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden derzeit über die Mütterrente. Das ist für mich so ein Ausdruck der Anerkennung der Erziehungsleistung von Frauen.
Stellen wir uns einmal zwei Frauen vor. Die eine Frau hat Kinder; sie bleibt vielleicht eine gewisse Zeit zu Hause. Sie arbeitet dann später möglicherweise verkürzt, weil sie drei Kinder hat und Beruf und Familie irgendwo vereinbaren will. Sie bekommt einmal eine schlechtere Rente als eine Frau, die sagt: Ich entscheide mich gegen Kinder, ich brauche keine Kinder. Sie arbeitet durchgängig, sie macht Karriere, sie hat einen guten Job. Später dann, im Alter, bezahlen die Kinder der Frau, die Kinder bekommen hat, die Rente für diese Frau.
Das kann auf Dauer nicht gerecht sein. Insofern finde ich es gut, dass wir mit der Mütterrente den Ansatz gefunden haben, dass die Frauen, die Kinder erziehen, auch bessergestellt werden. Wir wissen, für die Frauen, deren Kinder ab 1992 geboren sind, haben wir das schon. Aber dass wir jetzt auch einen Schritt gehen für die Mütter, die die Kinder vor 1992 bekommen haben, dass wir dort eine Besserstellung erreichen, dass wir einen Schritt vorwärts kommen, ist gut. Wir wissen auch, dass das viel Geld kostet; 6,5 Milliarden Euro jährlich sind kein Pappenstiel, aber es ist die richtige Entscheidung, hier zu sagen: Frauen, die Kinder erzogen haben, stehen nicht im Abseits, sondern das wird gesellschaftlich wirklich anerkannt und gewürdigt.
Lassen Sie mich einen zweiten Punkt ansprechen, von dem ich glaube, wir sollten in Zukunft stärker darüber nachdenken, ob wir da etwas tun können. Es ist das Thema Familienbildung. Kinder richtig zu erziehen ist keine einfache Aufgabe, und jeder von uns, der Kinder hat, hat auch seine eigenen Erfahrungen gemacht und weiß, dass es nicht unbedingt immer einfach ist und dass man vielleicht auch Dinge falsch machen kann. Das steht auch außer Frage.
Aber ich glaube, die Mehrzahl der Eltern möchte ihre Kinder ordentlich erziehen, und deswegen sollten wir die Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung stärken, wir sollten ihnen helfen, dass sie ihre Kinder wirklich gut erziehen können. Wir neigen manchmal dazu, dass wir dann eher sagen, wir nehmen die Kinder weg, stecken sie ins Heim – und bezahlen 3 000 Euro im Monat für einen Heimplatz. Ein paar Kollegen – Kollege Wehner war dabei gewesen, aber auch Frau Herrmann – waren zu einer Veranstaltung gewesen, auf der es um behinderte Eltern ging. Es hat mich sehr nachdenklich gemacht, dass bei vielen geistig behinderten Eltern offensichtlich normal ist, dass man sein Kind weggenommen bekommt aufgrund der geistigen Behinderung, anstatt zu schauen: Wie können wir den Eltern zu Hause helfen? Es sind Fälle, bei denen man mitbekommt, die sind liebevoll, die wollen wirklich ihre Kinder erziehen.
Dort sollte man fragen: Können wir es nicht schaffen, dass wir – wir haben ja zum Beispiel die Sozialpädagogische Familienhilfe – jemand danebenstellen, der zu Hause hilft, Kinder aufzuziehen? Aber diese Liebe, die diese Eltern schenken und schenken wollen, die sollten wir dem Kind nicht vorenthalten. Darüber noch einmal nachzudenken, wie wir Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung stärken können, anstatt dass der Staat alle Aufgaben übernimmt, halte ich für richtig.
Wir haben verschiedene Anbieter. Kollege Patt kann vielleicht nachher noch etwas dazu sagen, weil er als Vorsitzender des Deutschen Familienverbandes in Sachsen ja auch solche Kurse anbietet, aber auch der Deutsche Kinderschutzbund mit „Starke Eltern – starke Kinder“. Da gibt es eine ganze Menge Angebote auch von Trägern, die sagen: Wir wollen Eltern stärken, wir machen Angebote und erklären, wie man erziehen kann.
Wir hatten vor einiger Zeit bei Frau Staatsministerin Kurth auch ein Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“, was hoch erfolgreich war, weil wir gesehen haben: Wir erreichen die Eltern gerade in den Kindergärten, weil sie dort hingehen. Wenn wir dort allein Elterncafés und andere Angebote des Austauschs machen, wo über Erziehungsfragen gesprochen wird, dann tun wir wahnsinnig viel. Ich finde, wenn wir das noch ein wenig stärken könnten, würden wir unserer Gesellschaft etwas Gutes tun.
Lassen Sie mich auf einen dritten Punkt zu sprechen kommen, auf Patenmodelle. Paten haben in der Kirche, wenn man zurückschaut, eine lange Tradition, dass gesagt wird: Es gibt die Eltern und es gibt Helfer aus der Familie, aus dem Freundeskreis, die die Eltern bei der Kindererziehung unterstützen. Jetzt stellen wir einerseits fest, es wird nicht mehr jedes Kind getauft, was auch die legitime Entscheidung der Eltern ist, und auf der anderen Seite stellen wir fest, dass die Familien natürlich immer kleiner werden. Wenn die Familien immer kleiner werden, wird es auch immer schwieriger, Paten aus dem Familienkreis zu gewinnen.
Dann ist darüber nachzudenken, ob es andere Möglichkeiten von ehrenamtlichen Paten gibt. Frau Staatsministerin hat ja das „wellcome“-Projekt in diesem Monat vorgestellt und unterstützt. Das ist, finde ich, der richtige Ansatz, wenn es da noch mehr solche freiwilligen Initiativen gäbe, dass Menschen sagen, wir sind bereit, auch ein bisschen Verantwortung für ein Kind mit zu übernehmen, das nicht mit uns blutsverwandt ist, indem wir den Eltern helfen, sie zu begleiten, finde ich das ganz toll, und ich würde mir wünschen, dass solche Projekte wirklich Verbreitung finden. Deswegen vielen Dank, Frau Staatsministerin, dass Sie das mit befördern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Familien sind in unserem Land die wichtigsten Bildungseinrichtungen; sie sind die erfolgreichsten Hilfsorganisationen, und sie sind in Sachsen der Ort, wo die Sachsen am glücklichsten sind. Familien machen uns als Gesellschaft stark – stärken wir die Familien!
Das war Herr Krauß für die CDU-Fraktion. – Jetzt sehe ich an Mikrofon 1 den Wunsch nach einer Kurzintervention. Bitte, Frau Kollegin.
Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Alexander Krauß hat mich doch bewogen, zwei, drei Einwürfe in die Debatte zu geben, und zwar zu den Punkten Wahlfreiheit und Ehegattensplitting. Ich denke, das kann man nicht so stehen lassen, da muss man den Gedanken von Herrn Krauß noch ein bisschen was hinzufügen.
Die Wahlfreiheit von Familien, von Eltern, ob sie arbeiten gehen oder nicht, ist bei uns in Sachsen eben nicht nur die Frage, was das Beste für ihr Kind ist, sondern es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit für die meisten Familien in Sachsen, arbeiten zu gehen und dabei auch in einer Größenordnung, bei der sie nicht wählen können, ob sie nun zehn oder 20 Stunden pro Woche arbeiten gehen. Die meisten müssen in Vollzeit erwerbstätig sein, und die meisten bzw. viele Eltern in Sachsen müssen danach, nach einer Vollzeiterwerbstätigkeit, auch noch zum Sozialamt gehen und sich aufstockende Hilfen geben lassen.
Das ist sozusagen die Realität, die ich da einwerfen möchte. Da nützt das Betreuungsgeld, an der Stelle, auch relativ wenig. Ich war ja schon froh, dass Sie nicht noch die Kosten für die Schule einbezogen haben. Kindertagesstätten in Sachsen sind Bildungseinrichtungen, und die kann man von der Kostenstruktur her nicht mit einem Erziehungsgeld vergleichen.
Vielleicht ein kleiner Hinweis zum Subsidiaritätsprinzip, das Sie ja auch so hoch loben. Familien haben natürlich das Recht und die Pflicht, für ihre Kinder zu sorgen. Ein Staat muss aber sicherstellen und die Voraussetzung schaffen, dass Familien dieser Aufgabe nachkommen können. Dazu gehört eine verlässliche Infrastruktur auch an Kindertagesstätten und Schulen.
Zum zweiten Punkt, zum Ehegattensplitting. Das Ehegattensplitting ist genau der Anreiz für eine bestimmte Familienform, den Sie mit Ihrer Wahlfreiheit eigentlich infrage stellen wollen.
Ganz viele Familien, fast die Hälfte der Familien in Sachsen haben sich nicht für die Ehe entschieden und können nicht von den Vorteilen des Ehegattensplittings profitieren. Sie nehmen trotzdem Verantwortung füreinander wahr.
Das war eine Kurzintervention von Frau Kollegin Neukirch, SPD-Fraktion. Darauf reagiert Herr Kollege Krauß an Mikrofon 5.
Zum Thema Wahlfreiheit. Wir stimmen in der Analyse der Ist-Situation überein, wenn Sie sagen, Frau Neukirch, es ist bei vielen Eltern eine wirtschaftliche Notwendigkeit, arbeiten zu gehen und in Vollzeit zu arbeiten. Ja, da haben Sie recht, keine Frage.
Jetzt frage ich mich allerdings: Warum kämpfen Sie so verbissen gegen das Betreuungsgeld und zum Beispiel auch das Landeserziehungsgeld, wobei wir dort den Eltern mehr Geld in die Hand geben und sagen: Ihr sollt entscheiden können, ob ihr vielleicht einen Monat länger zu Hause bleiben wollt oder ein halbes Jahr oder eher arbeiten gehen?
Das ist das Problem, das ich bei den Sozialdemokraten nicht verstehe: Warum kämpfen Sie so verbissen dagegen, dass wir den Eltern diese Wahlfreiheit nach Möglichkeit gewähren wollen?
Zum Thema Ehegattensplitting. Erstens ist die Aussage falsch, dass die Hälfte der Kinder bei unverheirateten Eltern aufwächst.
Und zur Verantwortung. Die Verantwortung in der Ehe ist eben ganz leicht feststellen, weil die Verheirateten einen Trauschein haben. Wenn jemand arbeitslos ist, sagt man