Das Bonner Institut „Zukunft Arbeit“ hat das Thüringer Erziehungsgeld evaluiert, das dem unseren sehr ähnlich ist. Sie sagen auch: Vor allem geringverdienende und alleinerziehende Mütter pausieren damit länger. Gerade bei Alleinerziehenden ist das Problem, dass für sie oft nur eine Teilzeitbeschäftigung oder ein 400-Euro-Job infrage kommt. Sie bleiben dann wegen des Geldes zu Hause, nicht weil sie nicht arbeiten wollen, sondern weil die Rahmenbedingungen eben etwas anderes nicht ermöglichen. Langfristig werden aber so die Chancen auf dem Arbeitsmarkt immer schlechter; eine schlimme Spirale, die weder den Eltern noch den Kindern hilft. Der Effekt dabei ist immer der Ausschluss von Bildung und Netzwerken, die familienstützend und kinderfördernd sind. Mit solch einer Politik wird die soziale Spaltung zwischen Familien vorangetrieben.
Was ich noch nicht benannt habe, sind Faktoren, die außerdem für Familien existenznotwendig sind und wo die Verlässlichkeit der Staatsregierung sehr zu wünschen übrig ließ. Eine lose und natürlich unvollständige Aufzählung: ein viel zu geringer Betreuungsschlüssel in den Kitas, Zugangskriterien für Kinder arbeitsloser Eltern, sodass diese keinen Anspruch auf einen finanzierten Ganztagsplatz in der Bildungseinrichtung Kita haben – zehn von dreizehn Kreisen haben welche, da dies nach dem Sächsischen Kita-Gesetz nicht verboten ist – die
Abschaffung des kostenlosen Vorschuljahres, die Schließung von Schulen, ein untragbarer Unterrichtsausfall, Kürzungen bei der Jugendpauschale mit direkten Auswirkungen auf das Kultur- und Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche vor Ort.
Der Wirtschaftsminister kappt mal schnell die Landesgelder für den Kommunal-Kombi. Der Kampf gegen Mindestlohn. Das Geld für öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum wird lieber in Großprojekte und Straßen gesteckt. Dann nützen die gepriesenen Ganztagsangebote in den Schulen gar nichts. In der letzten Anhörung im Schulausschuss hat ein Elternvertreter sehr deutlich beschrieben, wie sich Eltern heute nachmittags um ihre Kinder sorgen, da die Wahrnehmung von Ganztagsangeboten oder anderen Freizeitangeboten gerade im ländlichen Raum durch den fehlenden ÖPNV gar nicht mehr möglich ist.
Zurück zur Verlässlichkeit: Verlässlich werden Sie immer, wenn sich Landtagswahlen nähern. Dann gibt es plötzlich die Geschenke aus heiterem Himmel, werden bunte Bänder durchschnitten oder es erfolgen Verkündigungen, wie heute von Frau Staatsministerin Clauß, und Sie preisen die tollen Familien. Viele sind es auch, aber das trotz Ihrer Politik. Familien, die heute stark sind, sind es besonders, wenn sie auf die eigene Kraft, das eigene Netzwerk vertrauen können.
Jürgen Liminski beschrieb es in seinem Buch „Familienpolitik in Deutschland: Trotz hoher Ausgaben nur wenig erfolgreich?“ so: Familien überleben, weil sie Synergieeffekte nutzen, weil sie sparsamer einkaufen, weil sie vielfach nicht in den Urlaub fahren, während die kinderlosen Doppelverdiener drei- und viermal fahren, weil die Großeltern helfen – der private Transfer der Älteren auf die jüngere Generation beläuft sich mittlerweile auf 30 Milliarden Euro pro Jahr –, weil sie billigeren Wohnraum suchen, weil sie das Kindergartengeld sparen, weil sie mit zusätzlichen Jobs ein Zubrot verdienen, weil sie keine zweite Lebensversicherung für die Altersvorsorge abschließen, weil sie nicht ins Theater oder Kino gehen, weil sie kein Handy haben oder nur eines mit begrenzten Sprechzeiten, weil sie Restaurants nur von außen kennen, weil, weil, weil.
Damit nähern wir uns dem nächsten Thema: sozial benachteiligte Eltern und Kinder bzw. Kinderarmut. Hier erinnere ich mich sehr leidvoll an die Diskussion zu unserem Antrag zur Bekämpfung von Kinderarmut. In der Debatte gelang es leider nicht, mit Ihnen dazu eine sachliche Debatte zu führen. Stattdessen hat Herr Krauß lauter Pappkameraden aufgestellt bzw. sich die Welt zurechtgebogen, nur um sich nicht ernsthaft mit dem Anliegen beschäftigen zu müssen.
Es ist ja auch schwierig, Herr Krauß, sich einzugestehen, nach 20 Jahren CDU-Regierung 26 % Kinderarmut in Sachsen aufzuweisen und damit in Deutschland Rang 5 der Negativliste einzunehmen. Der Höhepunkt war Ihr Satz beim Thema Kinderarmut „Jeder kümmert sich zuerst um sich.“ Das ist eine Frechheit angesichts der
Kinder, eine Frechheit angesichts der Eltern, die trotz schwieriger Rahmenbedingungen immer wieder versuchen, ihren Kindern einen guten Einstieg ins Leben zu geben.
Nur bei Armut sind die Ressourcen eben begrenzt. Außerdem bezeichneten Sie es als ungerecht, wenn mit unserer Forderung nach der Einführung einer Kindergrundsicherung Eltern, die als Krankenschwester oder Fabrikarbeiter arbeiten und nur sehr geringe Löhne erhielten – hier zumindest ein Erkenntnisgewinn –, nun genauso viel Geld erhielten wie arbeitslose Eltern. Da kann man nur sagen: Nichts verstanden! Denn wir sprechen hier von einer sozialen Kindergrundsicherung, die – wie der Name es schon sagt – eine ökonomische Grundsicherung für Kinder darstellt.
Im Übrigen verschweigt die CDU dann gern, dass heute bei hohen Einkommen die maximale Entlastung aufgrund von Kinderfreibeträgen – das trifft, denke ich, auch auf viele hier zu – bei 280 Euro liegt, währende das Kindergeld beim Fabrikarbeiter- und Krankenschwestern-Kind nur bei 184 Euro liegt. Da frage ich mich: Wie sieht es dann mit der Anerkennung und Wertschätzung aus?
Kommen wir zu Familien in anderen schwierigen Situationen: Lassen Sie mich die Gruppe der Alleinerziehenden herausgreifen und hier meinen Kollegen Herrn
Dr. Pellmann zitieren: „Alleinerziehende gehören auch in Sachsen weiterhin zu den Verlierern von Hartz IV. Während es bei den Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften seit einigen Jahren zu einem zumindest statistisch ausgewiesenen Rückgang kam, trifft das auf Alleinerziehende nicht zu. Ende 2012 waren in Sachsen 39 000 Alleinerziehende auf Arbeitslosengeld II angewiesen, nur geringfügig weniger als Ende 2009. Ende Mai waren die Zahlen sogar um fast 1 000 auf 40 000 gestiegen. Das waren fast 60 % aller Alleinerziehenden hier in Sachsen.“
36 % der Alleinerziehenden mit Arbeitslosengeld waren erwerbstätig und mussten wegen zu niedriger Einkünfte beim Jobcenter ergänzende Leistungen beantragen.
Vor diesem Hintergrund erwarten wir von Ihnen endlich ein spezielles arbeitsmarktpolitisches Förderprogramm für Alleinerziehende, an dem sich der Freistaat aktiv beteiligen muss, anstatt das Schicksal dieser Familien weiterhin dem Selbstlauf zu überlassen.
Man muss sagen: Inzwischen hat auch die Staatsregierung das Problem erkannt, aber aus einem ganz anderen Grund. Die Staatsregierung hat eine Studie von Prognos anfertigen lassen, wie Alleinerziehende Zugang zur Arbeitswelt finden. An einem guten Tag würde ich sagen: Gut, dem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber aus meiner Sicht ist heute kein guter Tag. Ich muss sagen, ich finde es einfach nur zynisch.
Seit Jahren beten wir und beten Ihnen die Verbände, insbesondere die Alleinerziehenden-Verbände, dieses Thema immer wieder vor. Bisher war das ein einsames Rufen. Nun plötzlich, weil Ihnen die Arbeitskräfte ausge
hen, beginnen Sie zu handeln. Erst haben Sie das Potenzial der Frauen gesehen und nun plötzlich das Potenzial der alleinerziehenden Frauen. Ich sehe hier weder Wertschätzung noch Anerkennung der individuellen Ansprüche jedes einzelnen Menschen auf Entwicklung und Entfaltung.
Zu den Ergebnissen der Studie – Zitat –: „Allerdings sind alleinerziehende Mütter in Sachsen unabhängig vom Alter ihres jüngsten Kindes deutlich seltener erwerbstätig als in Partnerschaft lebende Mütter, was auf spezifische Erwerbsbarrieren trotz des breiten Betreuungsangebotes hindeutet.“ Festgestellt wird, dass in Sachsen der Wunsch nach Vollzeitarbeitsplätzen besonders hoch ist. Angesichts eines geringen Lohnniveaus sind diese Alleinerziehenden für eine spürbare Verbesserung ihrer finanziellen Situation auf eine umfassende Erwerbstätigkeit angewiesen. Es gibt auch Lösungsvorschläge in Richtung Kinderbetreuung, Qualifizierung, Beratung usw., und die Staatsregierung wird aufgefordert, Geld dafür in die Hand zu nehmen. Zitat: „Wenn nur ein Drittel des zusätzlichen Arbeitskraftpotenzials durch geeignete Maßnahmen erschlossen werden kann, würden sich die zusätzlichen Einnahmen der öffentlichen Haushalte durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und durch die Einsparung von SGB-IILeistungen in Sachsen auf jährlich rund 170 Millionen Euro belaufen.“
Ich kann nur sagen: Das sollten wir uns merken. Das ist doch eine schöne Aufgabe für eine rot-rot-grüne Regierung dann ab Sommer hier in Sachsen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist natürlich die Bildungspolitik. Soziale Herkunft als Entscheidung über Bildungswege – lange wurde das geleugnet. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket wurde zwar endlich dieser Zusammenhang erkannt, aber das entsprechende Gesetz war ein Gräuel. Eltern wurden als nicht verantwortlich abgestempelt, stattdessen ein Gutscheinsystem installiert und dadurch ein riesiger Bürokratieapparat aufgebaut. Kinder und Jugendliche bleiben weiterhin in ihren Bildungswegen eingeschränkt, da Lernhilfe nur gewährt wird, wenn ein Kind versetzungsgefährdet ist, aber nicht, um in eine höhere Schulform oder zu einem besseren Abschluss zu gelangen. Das haben wir immer abgelehnt und forderten stattdessen eine bessere Ausstattung der Bildungs- sowie Kinder-, Jugend- und Freizeiteinrichtungen insgesamt.
Nun haben wir das Bildungs- und Teilhabepaket, aber leider hat auch hier das SMS aus unserer Sicht versagt – und das unter den lachenden Augen des Finanzministers. Die Fach- und Weisungsaufsicht lag bei den Ländern. Durch Nichtstun sind im hohen zweistelligen Millionenbereich Bundesgelder in die allgemeinen Haushalte der sächsischen Kommunen geflossen, die eigentlich für den Bereich Prävention benachteiligter Kinder und Jugendlicher notwendig gewesen wären. Da hat sich der Finanzminister weiter gesundgespart. Nur auf wessen Kosten?
Der Bericht des SMS über die Entwicklung der Hilfen zur Erziehung in Sachsen vom Dezember 2012 kommt
nämlich für Sachsen zu folgendem Ergebnis: Eine überdurchschnittliche Fallzahlsteigerung fand seit 2006 in der Erziehungsberatung und in der Sozialpädagogischen Familienhilfe statt. In der stationären Erziehungshilfe hingegen sind zwar die Fallzahlen aufgrund des Geburtenrückganges insgesamt gesunken, jedoch steigen sie bei den Null- bis Zwölfjährigen kontinuierlich an. Im Jahr 2010 mussten die sächsischen Kommunen mehr als 182 Millionen Euro für Hilfen zur Erziehung aufwenden. Das heißt übersetzt: Es gibt mehrere tausend Familien in Sachsen, die eine bessere Familienpolitik benötigen, damit ein Heimaufenthalt für die Kinder gar nicht erst nötig wird. Mit frühen Hilfen, Kindeswohlnetzwerken und Familienhebammen allein ist es nicht getan. Wir brauchen Vorsorge statt Nachsorge. Wir als LINKE wollen deshalb mehr Angebote der Familienbildung und Prävention in der Kindertagesbetreuung und den konsequenten Ausbau der Schulsozialarbeit.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß, in Ihrer Rede ist viel von Kindern und Eltern zu hören gewesen, kaum bis gar nichts von Frauen und Männern. Deshalb lassen Sie uns noch einmal über das Leitbild moderner Familienpolitik reden. Ja, es braucht Zeit, Geld und Infrastruktur. Aber bei Ihnen fehlte der gleichstellungspolitische Ansatz ganz. Die CDU setzt eben vor allem auf die Ehe als Leitbild für eine stabile Lebensgemeinschaft.
DIE LINKE steht für eine gleichstellungsorientierte Familienpolitik, das heißt, gleichwertige Entwicklungsbedingungen für jeden Einzelnen unter Berücksichtigung der verschiedenen Voraussetzungen zu sichern, und dies unabhängig von der Lebensform, in der der Mensch lebt. Das bedeutet zum Beispiel, Menschen eine vom Partner unabhängige Existenzsicherung zu gewährleisten. Das bedeutet die Möglichkeit für Väter, einen höheren Anteil an der Betreuungsarbeit zu leisten. Das schließt die Bekämpfung sozialer Ungleichheit ein, aber auch die Möglichkeit für Menschen mit Behinderung, ihren Kinderwunsch umzusetzen. Das können Sie mit Ihrem veralteten und starren Familienbild einfach nicht leisten.
Deshalb, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, konnte Ihnen in der sächsischen Familienpolitik der große Wurf in dieser Legislatur nicht gelingen. Ich denke, da sollten jetzt andere ran.
Die Aussprache zur Fachregierungserklärung eröffnete für die Fraktion DIE LINKE Frau Werner. Es folgt jetzt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Krauß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Erstes geht ein herzliches Dankeschön an Christine Clauß. Sie hat deutlich gemacht, wie breit Familienpolitik in Sachsen aufgestellt ist, dass es nicht nur um den Sozialbereich geht, sondern auch um andere Bereiche. Es ist nicht nur Frau Kurth betroffen, sondern wir sprechen auch über Wirtschaft und alle anderen Bereiche der Gesellschaft. Ich glaube, das ist hervorragend dargestellt worden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz noch einmal zum Familienbild kommen, weil das eine wichtige Rolle spielt. Ich habe mich übrigens gefreut, auch bei den LINKEN zu hören, dass sie das Wort Verantwortung in den Mund genommen haben. Das ist auch unser Ansatz.
80 % der Deutschen – ein Wert, der angestiegen ist –, also vier von fünf Menschen in diesem Land, sagen: In Notfällen kann ich mich auf meine Familie verlassen. Das ist ein toller Wert und zeigt, dass diese Verantwortungsgemeinschaft wirklich gelebt wird, dass wir funktionierende Familien haben.
Das Beste für ein Kind ist es – es ist gerade bemängelt worden, dass die Ministerin zu wenig von Frauen und Männern gesprochen habe, deswegen will ich das an dieser Stelle nachholen –, wenn es mit Vater und Mutter aufwächst, wenn es beide hat.
Natürlich gibt es auch andere Familienformen, vor denen wir hohen Respekt haben. Gerade Alleinerziehende haben besonderen Respekt verdient, weil sie es besonders schwer haben.
Jeder von uns weiß, auch weil wir einen stressigen Job haben, dass eine Ehe auch scheitern kann. Ich habe aber noch keinen Alleinerziehenden getroffen, der bewusst alleinerziehend ist. Aber ich habe viele Alleinerziehende getroffen, bei denen es das Schicksal so gewollt hat, dass sie alleinerziehend sind. Aber auch die Alleinerziehenden würden den Satz unterstreichen: Es ist das Beste, wenn ein Kind mit Vater und Mutter aufwächst.
Ich habe einmal ein wenig in die Geschichte geschaut und ein Zitat gefunden, das ich Ihnen vortragen will: „Der eheliche Stand hat einen jämmerlichen Ruf bei jedermann.“ Das ist nicht aus dem Parteiprogramm der LINKEN abgeschrieben, sondern das hat vor 500 Jahren Martin Luther gesagt. Aber wenn ich mir die Entwicklung von heute ansehe, dann finde ich, dass die Ehe gar nicht so einen schlechten Stand hat, noch nicht einmal bei den LINKEN. Ich habe durchgezählt, wie viele bei Ihnen verheiratet sind. Das ist eine große Anzahl.
Ja, es ist nicht verboten. Wir sind froh, dass DIE LINKE nicht regiert, sonst wäre es vielleicht so.
Die große Mehrheit auch bei Ihnen entscheidet sich für die Ehe, weil sie feststellt, dass das etwas Gutes ist.
Schauen wir uns einmal die Lebenswirklichkeit bei den Menschen im Lande an. 1,8 Millionen Menschen leben in einer Ehe, 400 000, was auch vollkommen in Ordnung ist, in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Dazu kommen noch Alleinerziehende usw.