Abschließend noch ein Satz zur Zivilklausel für Universitäten, worüber die LINKEN ursprünglich heute eigentlich diskutieren wollten: Einerseits eine Schwächung der Universitäten zu beklagen, andererseits aber die Nutzung von Drittmitteln für die Grundlagenforschung zu verteufeln, nur weil diese neben zivilen auch einmal militärischen Zwecken dienen kann, ist heuchlerisch und zeigt aus Sicht der NPD, wer die Autonomie der Universitäten tatsächlich aus ideologiegeleiteten Gründen beschneiden will.
Wir gehen jetzt in die zweite Runde. Es beginnt wieder die Linksfraktion. Herr Abg. Dr. Külow, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Alumni der Universität Leipzig bin ich mit meiner ehemaligen Wirkungsstätte verständlicherweise emotional
besonders verbunden. Mir blutet das Herz, wenn ich an die derzeitigen Zustände an der Alma Mater Lipsiensis schaue, wo zu Recht nicht nur bei den Betroffenen Wut, Enttäuschung und Empörung herrschen.
Wieder einmal wird zu Beginn des Jahres russisches Roulette gespielt. Während es vor Jahresfrist die Pharmazie erwischte, stehen jetzt Theaterwissenschaften, Archäologie, Physikalische und Theoretische Chemie sowie zwölf Ausbildungsplätze gewissermaßen vor dem Aus.
Herr Mackenroth, Sie haben gerade versucht, das Schwarze-Peter-Spiel zu spielen, aber um im Bild des russischen Roulettes zu bleiben: Wenn der Revolver in Dresden geladen und nach Leipzig geschickt wird, sodass dort nur noch der Abzug bedient werden kann, ist völlig klar, wo die politische Hauptverantwortung liegt, nämlich beim SMWK. Sie sind Jurist und wissen doch, was Nötigung ist. Vielleicht hätten Sie dazu einmal einen Satz verlieren sollen.
Ich bin sehr froh darüber, dass sich an der Universität Leipzig Widerstand regt, dass trotz der Belastungen durch die Prüfungszeit – in gewissem Sinne ist es sogar fast bösartig, diesen Zeitpunkt zu wählen – und trotz der bevorstehenden vorlesungsfreien Zeit heute Studierende aus Leipzig hier sind, die sich ein eigenes Bild machen. Gestern hat der Stura eine Protesterklärung unterzeichnet. Heute ist eine Protestveranstaltung, die auch von den beiden zuständigen Abgeordneten der Linksfraktion besucht wird.
Es gibt gute Gründe, noch deutlicher herauszustellen, was hier wirklich liquidiert wird. Es sind zwei einmalige Einrichtungen für Sachsen und zum Teil sogar für Ostdeutschland. Herr Mann ist schon darauf eingegangen. Es ist nicht nur ein Abstieg einer Universität, einer Fakultät, sondern auch der sächsischen Kulturlandschaft. Wir verlieren eine Einrichtung für über 500 Studierende. Das ist das Institut für Theaterwissenschaft, das eine vorbildliche Ausbildung macht.
Es gibt zehn Thesen sowohl bei der Archäologie als auch bei der Theaterwissenschaft gegen die Stellenstreichungen und die Schließungen. DIE LINKE unterstützt diese Thesen. Wir unterstützen diesen Protest. Darum haben wir diese Aktuelle Debatte heute genau mit diesem Titel gewählt.
Ein Satz zum Tanzarchiv scheint mir besonders notwendig zu sein, Frau Schorlemer. Sie können sich vielleicht noch an Ihre Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 2. Mai 2011 erinnern, die mit „Drohende Zerschlagung des Tanzarchivs Leipzig“ überschrieben war. Dort schrieben Sie: „Gemäß dieser Vereinbarung strebt die Uni Leipzig künftig einen neuen wissenschaftlichen Schwerpunkt im Bereich der Fakultät Geschichte, Kunst- und Orientwissenschaften und des Instituts für Theaterwissenschaft an.“ Bitte, lassen Sie es nicht zu, dass Ihre Amtszeit vom Bruch dieses Versprechens überschattet wird.
Und noch ein Wort zur Archäologie. Sie waren vor ein paar Wochen in Chemnitz und haben angekündigt, dass im Mai das Haus der Archäologie eröffnet werden soll. Es ist doch bizarr, dass wir ein Landesmuseum aufmachen, das also die sächsischen Kulturschätze von der Altsteinzeit bis zur Zeit der frühen Industrialisierung, also insgesamt 280 000 Jahre Menschheitsgeschichte, umfasst, während gleichzeitig der einmalige Studiengang, der dazu passt, geschlossen wird.
Es gibt eine Einheit von Lehre, Forschung und Sammlung seit 1840. Ich räume selbstkritisch ein, dass zur DDR-Zeit – ich habe das an der Universität selbst erlebt – die Archäologie ein Stiefkind war. Man kann darüber rätseln, warum. Ich meine, der Steinzeitsachse hat sicherlich im Urkommunismus gelebt, hatte aber bestimmt keinen festen Klassenstandpunkt. Das war vielleicht aus Sicht der Partei etwas suspekt. Das Fach wurde zwar an den Rand der Existenz gedrängt, blieb aber am Leben.
Nach 1990 hat es einen großen Aufschwung genommen. Das erkennen wir ausdrücklich an. Aber jetzt gewissermaßen die organisatorische Einheit von Institut und
Antikenmuseum infrage zu stellen – Herr Mann hat darauf verwiesen –, halten wir für extrem gefährlich, denn das Antikenmuseum und das Institut für Archäologie strahlen weit über die Region hinaus aus. Es gibt dort 180 Studierende.
Heute steht nicht der Leitungsstil von Frau Schücking zur Diskussion, obwohl es dort sicherlich viel zu kritisieren gibt. Es war wirklich überfallartig, es wurde mit niemandem gesprochen, nicht einmal mit dem zuständigen Dekan. Heute geht es aber vor allem um Ihre Verantwortung, Frau Schorlemer, und ich hoffe, Sie nehmen nachher in Ihrem Beitrag darauf Bezug.
Die Uni Leipzig kann auch andere, erfreuliche Nachrichten produzieren. Ich habe vom Rektorat einen Brief bekommen. In ihm geht es um die feierliche Eröffnung des Paulinums am 2. Dezember 2014. Ich weiß nicht, ob Sie sich diesen Termin schon eingetragen haben. Niemand weiß, ob Sie dann noch Ministerin sind. In diesem Brief wurde auch ich eingeladen, 500 Euro für eine Stuhlpartnerschaft zu übernehmen. Verbunden war das mit dem netten Satz: „Mit dieser Spende unterstützen Sie die Universität Leipzig mit Ihrem guten Namen und zeigen dauerhaft Ihre Verbundenheit mit der Alma Mater in der Stadt Leipzig.“ Das war ein Angebot, das man nicht ablehnen konnte. Ich habe es natürlich angenommen.
Das, was wir aber ablehnen, sind die Kürzungspläne, die die Universität Leipzig im Augenblick bedrohen. Wir werden mit aller Kraft den Widerstand, der sich zum Glück regt, weiter politisch unterstützen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Autonomie“ meint umgangssprachlich Selbstständigkeit, meint Unabhängigkeit, meint Freiheit, meint Selbstbestimmung. Im politischen Zusammenhang geht es darum, eigenes Ermessen als Grundlage von Entscheidungen setzen zu können – ein natürliches Recht, das, meine Damen und Herren, unseren Hochschulen zukommt. Sie sind selbstständige Körperschaften des öffentlichen Rechts, sie sind juristische Personen, und das ist auch gut so im Verhältnis zum Freistaat.
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass unter genau dieser Begriffsbestimmung von Autonomie unsere Hochschulen in genau diesem Sinne autonom sind.
Meine Damen und Herren, genau diese Erwägung hat uns bekanntlich hier in diesem Haus vor eineinhalb Jahren zum Hochschulfreiheitsgesetz geführt. Dieses Gesetz bezeichne ich als eines der derzeit modernsten Hoch
schulgesetze in Deutschland, und zwar neben dem nordrhein-westfälischen und dem baden-württembergischen; denn wir haben mit diesem Gesetz das Verhältnis des Staates zu selbstständigen, autonomen Hochschulen neu geordnet.
Ich sage Ihnen, von dieser einen Ausnahme, von der Herr Külow gesprochen hat, abgesehen, können die sächsischen Hochschulen, die Universitäten und die Fachhochschulen, ausgesprochen gut leben.
Meine Damen und Herren, wesentliche Regelungen in unserem Hochschulfreiheitsgesetz sind die Finanzierungsregelungen nach den §§ 10 und 11. Danach gewährleistet die Freiheit von Wissenschaft und Kunst eine von der Sächsischen Staatsregierung mit den Hochschulen abgeschlossene Zuschussvereinbarung. In dieser Zuschussvereinbarung liegt unser Verständnis von autonomer Hochschulpolitik zentral angelegt.
Ihnen, Herr Besier, scheint entgangen zu sein, dass die Hochschulzuschussvereinbarung im Dezember 2013 vom sächsischen Ministerpräsidenten mit den Rektorinnen und Rektoren im Wege einer Abrede, im Wege einer Vereinbarung zustande gekommen ist. Sie gewährleistet den Hochschulen eine mehrjährige finanzielle Stabilität.
Meine Damen und Herren, wenn die sächsischen Hochschulen im Wege eines konsensualen Vorgehens mit der Sächsischen Staatsregierung eine solche Abrede treffen, dann ist es unredlich, wenn man, wie Sie, Herr Besier, das eben getan haben, von „Amputationen“ redet. Es ist ebenso unredlich, wenn das Rektorat der Universität Leipzig hier von einem „Spardiktat“ spricht. Für denjenigen, der eine Abrede eingeht, verwehrt sich eine solche Wortwahl.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns einmal den Blick in andere Bundesländer richten. Ist Ihnen entgangen, Herr Mann, dass sich in Baden-Württemberg die dortige grüne Wissenschaftsministerin Frau Bauer mit Mühe, schlecht und recht den politischen Begehren des dortigen SPD-Finanzministers Nils Schmid ausgesetzt sieht?
Ist Ihnen, meine Damen und Herren, entgangen, dass in Nordrhein-Westfalen mit dem Hochschulfreiheitsgesetz eine gesetzliche Grundlage besteht – wir haben daraus eine Reihe von Anleihen genommen –, mit der die dortigen Hochschulen ausgesprochen gut leben können? Ist Ihnen entgangen, dass die dortige Hochschullandschaft derzeit massiv den Versuchen der rot-grünen Landesregie
rung von Nordrhein-Westfalen widerspricht, geradezu auf die Straße geht? Die Regelungen, die der Referentenentwurf der dortigen Landesregierung enthält, bezeichne ich in Teilen als auf den ersten Blick verfassungswidrig, so den § 6 in Bezug auf die Hochschulfinanzierung, auf die Handlungsform der sogenannten verbindlichen Rahmenvorgaben, die die dortige Landesregierung den Hochschulen setzt. Damit sollten Sie sich einmal auseinandersetzen und nicht unser ausgesprochen zukunftsweisendes Gesetz in Zweifel ziehen wollen.
Meine Damen und Herren, Hochschule und Autonomie? Nun, ich sage Ihnen, die sächsischen Hochschulen haben in uns, haben in der Staatsregierung und im Wissenschaftsministerium einen ausgesprochen verlässlichen, guten Partner. Das wollen wir auch sein, sowohl beim Hochschulfreiheitsgesetz als auch bei seiner Umsetzung.
Aber, Herr Besier, Ihnen kann ich sagen: Die sächsischen Hochschulen wissen, was sie zum Beispiel mit Ihnen bekommen würden – glücklicherweise wird das nicht geschehen –: Gängelei, Bevormundung, Durchregieren, Kehrtwende zurück. In Wahrheit haben Sie alle von der Opposition bei dem, was Sie hier vorgetragen haben, nicht einen tragfähigen Vorschlag unterbreitet.
Ja, das möchte ich, Frau Präsidentin. Sehr geehrter Herr Schneider, als Vorredner möchte ich darauf natürlich reagieren. Uns ist nicht entgangen, dass es Debatten um Kürzungen in Hochschule in anderen Bundesländern gab. Aber vielleicht vergleichen wir uns mit einem Land, das strukturell vergleichbar ist oder zumindest ein Nachbarland.
Von Herrn Mackenroth wurde angesprochen, dass es in Sachsen-Anhalt Diskussionen gab. Da gab es Diskussionen, und zwar in der Dimension von 50 Millionen, die hier in Sachsen zur Diskussion steht. Aber es gab auch eine Intervention der SPD, die gesagt hat: Genau diese Kürzung halten wir nicht für sinnvoll, insbesondere vor dem Hintergrund eines steigenden Fachkräftemangels und der demografischen Entwicklung, die wir in diesen Bundesländern haben. Das war schon in der Großen Koalition unsere Linie hier im Land. Deshalb haben wir uns damals auch um die Aussetzung von Stellenkürzungen gekümmert.
Sie selbst – wie Ihre Kollegen aus der Koalition vorher – haben diverse Zahlen bemüht. Aber ich kann dann gern den Link bei Facebook herumschicken. Man kann bei Destatis, dem Statistischen Bundesamt, nachlesen, dass wir in Sachsen einen Durchschnitt bei der Grundfinanzierung der Hochschulen pro Studierenden von nur 6 500 Euro haben. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 8 500 Euro. Das beschreibt das Problem, das wir hier in
Sachsen haben. Da die TU Dresden von diesen Kürzungen derzeit ausgenommen ist, nehmen wir dieses Problem jetzt massiv in Leipzig wahr. Aber das ist nur ein Vorgeschmack auf die Kürzungen, die noch kommen sollen.
Zum Dritten haben Sie noch gesagt, dass keiner einen tragfähigen Vorschlag vorgelegt hat. Ich habe bewusst darauf verwiesen, dass wir in diesem Jahr deutlich mehr Mittel aus dem Hochschulpakt des Bundes bekommen und dass nach allen politischen Wegweisungen auch Wille der Großen Koalition im Bund ist, dass es eine Verstetigung dieser Mittel geben wird. Wir sollten genau diese Mittel nutzen, die über den Mittelkürzungen liegen, die Sie bis 2020 vorschlagen, um diese Stellenkürzungen auszusetzen. Insofern freue ich mich jetzt auf eine wirkliche Antwort.