Protocol of the Session on March 10, 2010

Herr Prof. Wöller, ich würde gern wissen: Wie viele Jahre im Voraus können Sie in Ihrem Ministerium seriös den Lehrerbedarf in unserem Schulsystem planen?

Frau Kollegin, das ist nicht die Debatte, die wir

führen. Aber ich möchte Ihnen die Antwort auf Ihre Frage nicht schuldig bleiben. Das Schulsystem ist ein sehr komplexes System.

(Unruhe bei der Linksfraktion und der SPD)

Dieses System ist kein abstraktes, sondern ein höchst persönliches. Wir reden nicht nur über die Lehrer, sondern wir reden auch über die Schüler und deren Eltern. Das heißt: Es sind 420 000 Schüler, wenn man es einmal zusammenrechnet, mit den dazugehörigen Lehrern. Das sind Menschen, die Entscheidungen treffen. Sie treffen die Entscheidung, ob sie geboren werden wollen oder nicht, ob sie sterben oder nicht, ob sie wegziehen oder nicht und welche Schule sie wählen.

(Heiterkeit und Unruhe bei der Linksfraktion)

Beruhigen Sie sich. Ich kann ja verstehen, dass es für Kommunisten schwierig ist, dass Menschen auch Entscheidungen in Freiheit treffen. Das ist nun einmal in einem freien Staat so.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Es ist richtig, dass Menschen aus freiem Willen und freier Entscheidung darüber befinden, auf welche Schule sie gehen, welche weiterführende Schulart sie wählen, ob sie ein Studium aufnehmen oder doch eine Berufsausbildung machen. Auf all dies, meine Damen und Herren, hat nicht nur das Kultusministerium von Jahr zu Jahr zu reagieren, sondern auch dieses Hohe Haus – der Haushaltsgesetzgeber.

Frau Kollegin Giegengack, wenn Sie über diese prognostischen Fähigkeiten verfügen, lade ich Sie gern einmal zu einer Tasse Kaffee ein, weil ich sehr interessiert bin, zu lernen. Dann erzählen Sie mir einmal, wie man ein solches System minutiös 30 Jahre lang im Voraus plant.

(Christian Piwarz, CDU: Mit einer Glaskugel!)

Das ist seriös nicht möglich.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Lassen Sie eine weitere Zwischenfrage zu?

Ich würde gern darum bitten, meine Gedanken weiter ausführen zu dürfen.

Herr Dr. Rößler, ich erwarte, dass Sie mir helfen. Er hat meine Frage nicht beantwortet.

(Unruhe bei der CDU)

Sie können die Kurzintervention am Ende der Rede des Staatsministers vornehmen, Frau Kollegin. Es steht Ihnen frei.

Ich komme nun zurück zum BTV, meine Damen und Herren. Im Ergebnis heißt das Auslaufen des BTV,

dass wir auf einen Schlag 2 004 Stellen mehr zur Verfügung haben.

Wir haben, weil wir sehr viel von Freiwilligkeit halten, eine Befragung durchgeführt – übrigens gemeinsam mit den Lehrerverbänden und den Gewerkschaften, für deren Mitwirkung ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanke. Das Befragungsergebnis ist in der Tat sehr ordentlich: 49 % der befragten Mittelschul- und Gymnasiallehrer wollen freiwillig – teilweise befristet – weiter Teilzeit ausüben. Das heißt im Ergebnis, dass wir 978 Stellen mehr zur Verfügung haben. Das ist die Ausgangssituation, über die wir uns unterhalten müssen.

Wir brauchen diese 978 Stellen zurzeit nicht. Wir haben mehr Lehrer, als wir momentan zur Ausgestaltung und Absicherung der Stundentafel benötigen. Deswegen wird darüber zu reden sein, wie wir mit dieser Situation umgehen.

Ich sage deutlich: Es geht nicht, dass wir auf der einen Seite Beschäftigungssicherung für diejenigen Lehrer betreiben, die sich bereits im System befinden. Wir können aber andererseits auch keine weiteren Stellen finanzieren, die wir derzeit nicht benötigen, mit Geld, das wir nicht haben, und gleichzeitig Sorge dafür tragen, jungen Lehrern die Chance zu geben, im sächsischen Schuldienst zu arbeiten. Das ist die Quadratur des Kreises, die uns nicht gelingen wird.

Deshalb hat die Staatsregierung Sondierungsgespräche mit den Tarifvertragsparteien aufgenommen. Das erste Gespräch fand am 10. Februar statt. Ein weiteres hat am 4. März stattgefunden mit der GEW und DBB-Tarifunion. Wir haben ein nächstes Gespräch für den 29. März in Aussicht genommen.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wir stehen vor einem schwierigen Problem – einer Aufgabe –, womit wir verantwortungsbewusst umgehen müssen. Das geht nicht ohne solidarisches Handeln aller Beteiligten. Mir persönlich geht es zum einen darum, dass wir langfristig den Lehrerbedarf sicherstellen für die Schülerinnen und Schüler in diesem Land, und zum anderen vor allem darum, dass wir jungen Lehrern eine Chance geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Ich sehe, dass vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch gemacht werden soll. Frau Kollegin Stange? Frau Kollegin Giegengack, Sie könnten davon anschließend auch Gebrauch machen, sofern Sie dies möchten. Ich hatte das vorhin bereits gesagt. Wir beginnen mit Frau Kollegin Stange.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ich möchte von der Möglichkeit der Kurzintervention Gebrauch machen, weil – mit Respekt, Herr Wöller, vor Ihnen persönlich – es nicht amtsangemessen gewesen ist, wie Sie gerade geantwortet haben.

Uns liegt eine Beantwortung der Drucksache 5/145 vor, in der das Kultusministerium eine Prognose über den Bedarf der nächsten zehn Jahre vorgelegt hat. Das wäre eine klare Antwort gewesen und auch eine Antwort darauf, dass man bereits vor zehn Jahren – also im Jahr 1995 – eine Prognose anstellen konnte, welcher Bedarf im Jahr 2005 existiert. Spätestens im Jahr 2005, als die Teilzeitvereinbarung abgeschlossen wurde, lag dem Kultusministerium mit Sicherheit intern eine Prognose über die nächsten zehn Jahre vor.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Die muss man aber lesen!)

Ist dazu eine Reaktion gewünscht? – Nein.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Habe ich noch Redezeit?)

Sie haben noch vier Minuten Redezeit.

Frau Kollegin Falken für DIE LINKE, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister Wöller, Sie nehmen Ihre Verantwortung als Minister überhaupt nicht wahr. Ich kann in keinem Ihrer Sätze erkennen, dass Sie die Verantwortung, die Sie als Staatsminister für Kultus haben, auch nur in Ansätzen wahrnehmen.

Die Äußerungen, die Sie heute hier öffentlich und auch neulich in der Schulausschusssitzung schon einmal getroffen haben, dass Sie gar nicht in der Lage sind, ein Personalentwicklungskonzept zu erarbeiten und zu gestalten, sind so etwas von gruselig, dass man sich das von einem Minister nicht mehr anhören kann.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn es Ihnen nicht in relativ kurzer Zeit gelingt, ein Personalentwicklungskonzept im Lehrerbereich aufzustellen, dann werden wir in den Schulen das absolute Chaos erleben. Das sage ich nicht nur so aus Spaß, das meine ich auch so.

Frau Kollegin, darf ich einmal ganz kurz Ihren Redebeitrag unterbrechen? Frau Kollegin Werner, haben Sie auf Ihrem Rücken ein irgendwie geartetes Plakat? Dann bitte ich Sie, das umgehend zu entfernen, sonst würde ich Sie des Saales verweisen. – Alles klar? Entschuldigung!

Frau Kollegin, ich bitte Sie, dass Sie weitersprechen.

Herr Staatsminister Wöller, eine gravierende Unverschämtheit ist es in meinen Augen, dass Sie die jungen und die älteren Kollegen oder die Kollegen, die neu in den Dienst gehen, und die, die schon drin sind, gegeneinander ausspielen. Das ist eine Art und Weise, die dem Amt eines Ministers überhaupt nicht würdig ist. Das können wir so auch nicht akzeptieren. Es muss ein Miteinander geben zwischen den

Kollegen, die bereits in der Beschäftigung sind – und die haben Ihnen mit den 49 % ein hervorragendes Angebot gemacht – und den Kollegen, die neu einzustellen sind.

Im Übrigen, Herr Staatsminister, haben Sie in dem Bezirkstarifvertrag einen Einstellungskorridor festgelegt, den Sie nicht einmal ausgeschöpft haben. Über die fünf Jahre sind nicht einmal all die Einstellungen an Mittelschulen und im Gymnasialbereich vorgenommen worden, die Sie hätten machen können, obwohl Sie Bewerber gehabt hatten. Sie haben sie gar nicht eingestellt.

(Steffen Flath, CDU: Das ist jetzt unfair!)

Das sage ich nicht nur, das ist so. Schauen Sie einmal in den Statistiken nach, die das Kultusministerium damals noch unter Ihrer Führung, Herr Flath, erstellt hat. Da kann man es ganz exakt ablesen. Auch im vergangenen Jahr war das so.

Hier möchten ich und meine Fraktion von Ihnen einfordern, dass Sie Ihre Verantwortung als Staatsminister auch wirklich wahrnehmen und nicht nur den Titel tragen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war Frau Kollegin Falken für die Fraktion DIE LINKE. – Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Staatsminister, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen veranlassen mich, doch noch einmal das Wort hier am Pult zu ergreifen.

Zunächst einmal zu den Bedarfsprognosen: Wir diskutieren über die Validität von Prognosen, über die Aussagekraft von Prognosen. Natürlich gibt es Bedarfsabschätzungen. Diese wurden auch vorgelegt. Frau Kollegin Stange hat darauf hingewiesen. Aber das sind Korridore, die durch Leitplanken definiert sind, die sich von Schuljahr zu Schuljahr teilweise auch gravierend ändern können.