Protocol of the Session on December 17, 2013

Wenn Sie darauf verweisen, dass Sie ja im Grunde eigentlich nur die bisherige Rechtslage auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 24.01.2012 novellieren wollen, dann unterschlagen Sie gezielt, dass das Bundesgesetz, in Kraft seit 01.07.2013, die Bestandsdatenabfrage wesentlich erweitert hat, und Sie nehmen diese Erweiterung gleich mit. Aber über diese Erweiterung hat das Bundesverfassungsgericht eben gerade noch nicht entschieden, und Sie wissen wahrscheinlich auch, dass der von uns benannte Sachverständige Starostik dort gerade eine erneute Verfassungsbeschwerde eingereicht hat, und wir wünschen ihr viel Erfolg.

Zum Begriff der Bestandsdaten. Herr Kollege Biesok, ich habe es auch schon im Ausschuss angesprochen; Sie haben es gerade wieder zitiert. Sie irren, die Begründung irrt. Natürlich stehen im § 95 die von Ihnen zitierten Daten. Allerdings verweist § 95 auf den § 3 Nr. 3 des Kommunikationsgesetzes, und danach sind alle Daten, die auf der Grundlage des privatrechtlichen Verhältnisses zwischen dem Provider und beispielsweise dem Inhaber eines Mobilfunkgerätes gespeichert sind, Bestandsdaten, und wir haben die Sorge, dass es sich alles andere als um harmlose Registerdaten handelt, wie das Verfassungsgericht – ich denke, nicht ganz zu Recht – 2012 angenommen hat, sondern dass es wesentlich weiter geht. Es handelt sich hier um Daten, die durchaus in Kernbereichsnähe sind, Beispiel: Erfassung von IP-Adressen. Wenn eine IP-Adresse identifiziert wird, wird natürlich zugleich auch die Seite identifiziert oder bekannt bzw. ist in diesem Zusammenhang enthalten, sodass zwangsläufig auch immer Kommunikationsinhalte betroffen sind.

Das gleiche Problem haben wir bei den Zugangscodes, bei PIN und PUK. Sie haben hier im Plenum gesagt: Wir wollen an die Schlüssel heran. Aber warum wollen Sie an die Schlüssel heran? Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie nicht deshalb an die Schlüssel heranwollen, weil Sie eigentlich an die Inhalte heranwollen. Ich konzediere, dass Sie hier auf Anraten der Sachverständigen nachgebessert und eine hohe Eingriffsschwelle für die Kommunikationsinhalte eingebaut haben. Im Übrigen betrachten wir das als Erfolg der Arbeit unserer Fraktion, da wir erst die Anhörung beantragt haben, die Sie von der Koalition überhaupt nicht durchführen wollten. Hier hat es also etwas gebracht. Aber ich bleibe dabei: Es ist viel mehr beabsichtigt – wenn nicht bei Ihnen, Herr Biesok, so doch bei Ihrem Kollegen Herrn Hartmann und den Kollegen von der CDU und der Polizei.

Nein, meine Damen und Herren, Sie wollen die Bestandsdatenabfrage zur Standardmaßnahme machen, und, wie die Kolleg(inn)en Bartl und Friedel gesagt haben, schon für eine einfache Gefahr für Sicherheit und Ordnung. Das heißt, schon bei einer Gefahr einer Ordnungswidrigkeit

soll die Polizei die Bestandsdaten abfragen dürfen. Das ist überhaupt keine Eingriffsschwelle. Das heißt auf Deutsch: Immer, wenn die Polizei es für richtig hält, kann man das machen. Und dass sie das dann auch so handhaben werden, wissen wir.

Kurz zur Benachrichtigung. Es ist einfach, an die rechtsstaatlichen Grundsätze und Maßstäbe zu erinnern:

Erstens. Überwachungsmaßnahmen müssen grundsätzlich offen und dürfen nicht heimlich erfolgen.

Zweitens. Heimliche Überwachungsmaßnahmen müssen wenigstens nachträglich gerichtlich überprüft werden können und dazu müssen die Betroffenen nach Ende der Maßnahme informiert werden. Es ist tatsächlich in der Praxis die Ausnahme, dass Betroffene über heimliche Ermittlungsmaßnahmen informiert werden. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf diese Leerformeln eingefügt, also überwiegend Interessen Dritter – ich weiß nicht, was das sein soll –, die tatsächlich in der Praxis dazu führen, dass eben nicht unterrichtet wird.

Meine Damen und Herren, das Gesetz hat viele Mängel. Wir werden ihm nicht zustimmen. Es ist nicht auf der Höhe einer grundrechtlich orientierten Polizeipolitik und Grundrechtspolitik. Auf Weiteres werde ich im Rahmen der Änderungsanträge eingehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die NPDFraktion Herr Abg. Storr; bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht überall, wo Fraktion draufsteht, ist auch Fraktion drin. Der uns heute präsentierte Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur Drucksache 5/12799 ist vermutlich in wesentlichen Teilen im Innenministerium entstanden.

Diesen Eindruck hat nicht nur die NPD-Fraktion, sondern auch der Sachverständige Prof. Dr. Aden. Er gab in der Anhörung im Innenausschuss am 14. November zu Protokoll: „Ich gehe einmal davon aus, dass auch dieser Gesetzentwurf nicht in der Fraktion geschrieben wurde, sondern von der Ministerialverwaltung.“

Auch der Sachverständige Dr. Kai von Lewinski äußerte in der Anhörung: Der Gesetzentwurf „liest sich aber so, als könnte er, jedenfalls in Teilen, aus der Ministerialbürokratie gekommen sein“.

Das, was die beiden Sachverständigen so ganz beiläufig erwähnen, ist aber weitaus mehr als nur der Vorwurf des Etikettenschwindels. Es ist, verfassungsrechtlich betrachtet, ein klarer Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung, wonach eben nicht die Exekutive – also die Verwaltung –, sondern die Legislative – also wir, das Parlament – für Ob, Was und Wie der Gesetzgebung zuständig ist.

Mit anderen Worten: Hier werden die Fraktionen von CDU und FDP nicht nur zu Unrecht als Urheber des Gesetzentwurfes genannt, sondern es hätte in diesem Fall die Verwaltung höchstselbst die Gesetze konzipiert, die sie später anzuwenden und zu vollziehen hat. Zum Etikettenschwindel tritt in einem solchen Fall noch ein glatter Verfassungsbruch hinzu.

Ganz am Rande nennt Prof. Dr. Aden dankenswerterweise noch eine weitere Üblichkeit Ihres gesetzgeberischen Vorgehens im Bund und in den Ländern beim Namen, indem er feststellt: „Es gibt inzwischen eine große Tendenz, voneinander abzuschreiben, manchmal auch die Fehler und die nicht so gut gelungenen Regelungen.“

Mit anderen Worten: Wir haben es gleich mit einer ganzen Troika gesetzgeberischer Tiefstände zu tun, denn zu Verfassungsbruch und Etikettenschwindel gesellt sich nun auch noch billige Abschreiberei. Ein Mehr an unterster Parlamentsschublade gibt es ganz sicher kaum noch!

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Was hat nun Ihr Gesetzentwurf – oder wohl treffender der Gesetzentwurf der Ministerialverwaltung – an Inhalt zu bieten? Auch diese Betrachtung, meine Damen und Herren, ist eindeutig. Inhalt und Form passen erschreckend zusammen. Zum verfassungswidrigen Zustandekommen dieses Gesetzentwurfes gesellt sich eine ebenso deutliche verfassungswidrige Regelungsmaterie. Auch dies hat die Anhörung im Innenausschuss des Sächsischen Landtags zweifelsfrei erbracht.

Da ist zunächst die geplante Novellierung des § 42 des Sächsischen Polizeigesetzes zur Erhebung von Daten der Telekommunikation. Die unmissverständliche Beurteilung des Sachverständigen Prof. Dr. Christoph Gusy lautet: „Der vorgelegte Entwurf wird den grundgesetzlichen Anforderungen nicht in allen Punkten gerecht.“ Der bereits genannte Sachverständige Prof. Dr. Aden fügt hinzu, er sehe „besonders unbestimmt gefasste Eingriffsvoraussetzungen“.

Meine Damen und Herren! Der neue § 42 des Sächsischen Polizeigesetzes regelt nicht irgendeine Nebensächlichkeit, sondern die Auskunft über Bestandsdaten der Telekommunikation, also einen ganz besonders sensiblen Bereich des Datenschutzrechtes und einen massiven Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wenn eine solche Eingriffsnorm auf unbestimmten Tatbeständen basiert, ist nicht nur dem Missbrauch der Bestandsdatenauskunft nach politischer oder sonstiger Gutsherrenart Tür und Tor geöffnet, sondern es ist bereits jetzt vorhersehbar, dass Ihnen der Sächsische Verfassungsgerichtshof dieses Gesetz um die Ohren hauen wird.

Weiter im Inhalt Ihres Gesetzentwurfes: Durch Artikel 3 Ziffer 1 wollen Sie einen § 11b in das Sächsische Verfassungsschutzgesetz einführen, der – und das ist bei Ihnen geradezu folgerichtig – natürlich ebenso verfassungswidrig ist. Ich darf erneut Prof. Dr. Gusy zitieren: „Es fehlt an qualifizierenden gesetzlichen Anforderungen.“ Weiter

heißt es: „Der Entwurf zu § 11b des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes wird in der vorgelegten Form den Anforderungen gleichfalls nicht gerecht.“

Prof. Dr. Aden stellt fest: „Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Bestandsdatenabfrage sind hier noch allgemeiner und unbestimmter formuliert als bei der Regelung im Polizeigesetz. Der Absicht des Bundesverfassungsgerichtes, unüberlegte und zu Alltagsroutine werdende Abfragen einzuschränken, wird die Regelung, die nur an die Erfüllung der Aufgaben des Landesamtes anknüpft, nicht gerecht.“

Das Bizarre daran ist: Der von Ihnen so eminent wichtig erachtete Verfassungsschutz soll sich also nach Ihrem Willen höchstselbst verfassungswidriger Regelungen bedienen. Im Grunde ist das die konsequente Fortsetzung der NSU-Staatsterrorismusaffäre auf der Ebene des Gesetzes.

(Beifall bei der NPD)

Erkenntnisse, die der Verfassungsschutz in verfassungswidriger Weise erhebt und gewinnt, dürfen nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn die für Sie überhaupt noch gelten sollten, überhaupt nicht verwertbar sein. Die bereits inhaltlich absurde Arbeit des Verfassungsschutzes wird damit auch verfahrensrechtlich ad absurdum geführt.

Meine Damen und Herren! Aus Sicht der NPD-Fraktion ist der vorgelegte Gesetzentwurf nicht nur verfassungswidrig, sondern für die wünschenswerte Konsequenz und Effizienz polizeilicher Aufgabenwahrnehmung ungeeignet und insoweit überflüssig. Wir sehen keinen Bedarf immer neuer Regelungen und Normen, sondern wir sehen den Bedarf, die vorhandene Gesetzeslage konsequent, politisch neutral und willkürfrei umzusetzen. Ihr verfassungswidriger und absurder Kampf gegen rechts wird mehr und mehr zu einem Kampf gegen das Recht; denn Sie instrumentalisieren und deuten dieses Recht im Sinne Ihrer Willfährigkeit um.

Gehen Sie lieber entschlossen und mit der gebotenen Ernsthaftigkeit gegen vorsätzliche Störer nationaler Versammlungen vor, statt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in verfassungswidriger Weise Bestandsdaten zu erheben. Nehmen Sie einfach Ihre Aufgaben als Sachwalter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ernst, dann können Sie sich den heute vorliegenden verfassungswidrigen Gesetzentwurf sparen. Die NPD-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wird eine zweite Runde zum Gesetzentwurf gewünscht? – Ich beginne mit der CDU; Herr Hartmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Solche

Debatten haben schon etwas Belebendes und Interessantes.

Herr Storr, ich beginne bei Ihnen. Es wundert mich, dass es Sie wundert, dass CDU- und FDP-Fraktion, welche die regierungstragenden Fraktionen sind, die gleiche Position vertreten wie die Regierung selbst. Vielleicht versuchen Sie sich noch einmal mit dem System unseres Parlamentarismus zu beschäftigen; denn dann werden Sie erkennen, dass es einen Zusammenhang offensichtlich auch in den Positionen gibt, die man vertritt. Aber das ist ein anderes Thema.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Interessant ist, dass die Widersprüche, die vor allem Herr Bartl und Herr Lichdi miteinander ausgetragen haben, vielleicht durch sie selbst zu klären sind. Ich will noch einmal darauf hinweisen. Herr Bartl sagt: Es wäre schön, wir hätten ein Jahr evaluiert, um zu beurteilen, ob wir diese Regelung brauchen. Herr Lichdi kommt zu der Erkenntnis: Da wir die Regelung schon hatten, hätte man schon längst evaluieren können. Einen ähnlichen Widerspruch nehmen wir beim Thema der Gefahrenlage wahr.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Insoweit müssten die Voraussetzungen – aber das sollten Sie bilateral tun – miteinander besprochen werden, denn dann gibt es zumindest eine kausale Argumentation.

Worum geht es tatsächlich? Der Staat handelt auf der Grundlage gesetzlicher Ermächtigungen. Das ist der Anfang der Diskussion. Es bedarf also einer gesetzlichen Ermächtigung, damit staatliche Behörden überhaupt etwas tun können.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Hartmann?

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Ja, Frau Präsidentin.

Herr Bartl, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Frage zulassen. Meine Frage: Ganz gleich, wer von uns beiden jetzt mit dem Anknüpfungspunkt recht hat – haben Sie es evaluiert, ob wir diese Bestandsdaten, diese Abfragen brauchen, um in Sachsen den Bürgerinnen und Bürgern die notwendige Sicherheit als Daseinsfürsorge zu gewährleisten? Haben Sie es evaluiert?

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein, haben sie nicht!)

Eine vollumfängliche Evaluierung haben wir nicht vorgenommen, aber es gibt genug Fälle aus der polizeilichen Praxis und im polizeilichen Alltag, die deutlich machen, dass wir eine entsprechende Regelung benötigen. Ich sage Ihnen auch, im Gefahrenabwehrrecht, sobald Sie eine Gefahr für Leib

und Leben haben, ist jeder Fall eine Grundlage dafür, entsprechendes staatliches Handeln sicherzustellen.