Protocol of the Session on November 27, 2013

Weiterhin wird festgestellt, Frontalunterricht ersetze die akademische Auseinandersetzung mit Inhalten, für die oft keine Zeit bleibe.

Ein enges Korsett für Prüfungs- und Prüfungsvorleistungen habe sich etabliert, wodurch sich Seminare von Orten der kritischen Stoffreflexion zum Referate-Marathon entwickeln können; das ist in der Tat der Fall, insbesondere dann, wenn Mid-Term-Papers und am Schluss noch eine Arbeit gefordert werden.

Hingewiesen wird zudem auf die Gefahr der recht zusammenhanglosen Aneinanderreihung von Lehrveranstaltungen, die nicht auf ein stringentes Studienziel hinführen.

Schließlich wird über eine Einschränkung der Wahlfreiheit der Studierenden bei der Auswahl von Lehrveranstaltungen und individuellen Studienschwerpunkten berichtet. Es ist Studierenden kaum mehr möglich, einem Hochschullehrer oder einer Hochschullehrerin, die sie nicht verstehen oder nicht mögen, auszuweichen; sie müssen ein bestimmtes Modul bei diesem Hochschullehrer belegen. Hier würde ich mir mehr Konkurrenz zwischen den Hochschullehrern wünschen. Es ist zu befürchten, dass das nicht mehr einholbar ist.

Beobachtet wird ein erhöhter, stetiger Leistungsdruck – das haben wir unlängst schon thematisiert –, der sich auch in der Zunahme psychischer Erkrankungen äußert. Diese Entwicklung ist ernst zu nehmen.

Es gibt auch die Gefahr der Auseinanderentwicklung von Lehre und Forschung. Auch das haben wir hier verschiedentlich thematisiert und debattiert; es ist durch diese Große Anfrage noch einmal unterstrichen worden.

Folgende Schlussfolgerungen sind zu ziehen: Es bedarf der Reduzierung und Zusammenfassung von Prüfungsleistungen. Insoweit sind bereits Fortschritte erzielt worden – das zeigen die Antworten –, aber wir sind noch nicht auf der Ziellinie angekommen.

Zu fördern sind Lehrformen, die die Studierenden einbeziehen, etwa Forschungsseminare. Das Seminar, nicht die Vorlesung, sollte – außer bei Erstsemestern – die dominierende Lehrveranstaltung darstellen. Was das angeht, so sollten wir über die Landesgrenzen in Richtung Westen und in Richtung Norden schauen; dort gibt es einen solchen Veranstaltungstyp wie unsere Vorlesung, bei der die Studierenden einfach nur zuhören, gar nicht mehr. Aus der Lernforschung wissen wir, dass die Lerneffekte bei dieser Form des Unterrichts denkbar gering sind.

Eine akademische Befassung mit Inhalten bedarf ausreichend kleiner Studiengruppen. Die Betreuungsverhältnisse sind zu verbessern. Auch das ist eine Forderung, die wir immer wieder thematisiert haben; sie gehört in diesen Kontext.

Beratungsangebote sind erforderlich – nicht nur für psychische Erkrankungen. Diese Angebote sind aufrechtzuerhalten und möglichst auszubauen.

Wahlmöglichkeiten, etwa im Sinne von Wahlmodulen, um Schwerpunktsetzungen zu erleichtern und den interdisziplinären Blick zu schärfen, sind wünschenswert und sollten endlich realisiert werden.

Schließlich ist die Frage zu diskutieren, ob und, wenn ja, wie sich die neuen Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt etabliert haben und wie es um die Arbeitsplatzchancen der Alumni bestellt ist. Es ist nicht nur Ausdruck von Uneinsichtigkeit junger Leute, dass sie nach dem Bachelorabschluss nicht in den Beruf gehen. Wir wissen viel zu wenig bzw. wir erhalten widersprüchliche Meldungen darüber, in welchem Umfang Bachelorabsolventen in der Wirtschaft, insbesondere in der Industrie, akzeptiert werden. Das muss verbessert werden. Es wäre gut, wenn man den Universitäten eine Hilfestellung in dem Sinne geben würde, dass sie eine Begleitung der Alumni vornehmen und auf diese Weise erheben können, welchen Berufserfolg sie mit ihrem Studienabschluss wohl erzielen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Holger Mann, SPD)

Für die FDPFraktion Herr Abg. Tippelt, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Vielen Dank, sehr geehrte Kollegen von der SPD, dass Sie dieses interessante Thema heute hier in Form einer Großen Anfrage auf die Tagesordnung gebracht haben.

Der Bologna-Prozess wird von der CDU/FDP-Koalition als überaus wichtig eingestuft, weshalb wir bereits vor zwei Jahren hier im Plenum unseren Antrag „Qualität der Lehre an sächsischen Hochschulen weiter verbessern – Bologna-Prozess fortführen“ beschlossen haben. Jegliche Ähnlichkeit mit dem Titel der aktuellen Großen Anfrage der SPD-Fraktion ist dabei rein zufällig!

Wir sind auch gern bereit, uns an den Ergebnissen unserer Arbeit messen zu lassen. Allerdings machen Sie mit Ihrer Großen Anfrage den üblichen, jedoch entscheidenden Fehler: Der Bologna-Prozess wird von Ihnen mit der Umstellung auf Bachelor und Master gleichgesetzt. Der Diplomabschluss ist jedoch auch mit dem BolognaProzess möglich; denn beides schließt sich eben nicht zwangsläufig aus. Deutlich wird das zum Beispiel daran, dass an der TU Dresden noch vor drei Jahren ein Diplomstudiengang – Informatik – wieder eingeführt wurde.

Relevant ist nur die Modularisierung des Studiums, die auch beim Diplom möglich ist. Das deutsche Diplom ist ein Qualitäts- und Gütesiegel für die hochwertige Ausbildung an unseren Hochschulen und insbesondere in den Ingenieurwissenschaften nicht wegzudenken. Das Diplom ist nach wie vor ein gefragter, angesehener Studienabschluss. Wir begrüßen deshalb die Entwicklung an der TU Dresden und weiteren Hochschulen ausdrücklich und setzen darauf, dass sich die Hochschulen bei der Konzipierung neuer Studiengänge wieder verstärkt auf das Gütesiegel namens Diplom besinnen. Bologna und die damit einhergehende Harmonisierung der europäischen Hochschullandschaft stehen dem Diplomstudienabschluss jedenfalls nicht im Weg.

Wichtig ist, dass der Bologna-Prozess fortgeführt wird, um die grundsätzliche Verbesserung der Qualität der Lehre im Fokus zu behalten. Qualitätssteigerung ist sowohl für Bachelor- und Masterstudiengänge als auch für Diplomstudiengänge ein wichtiges Anliegen der Bologna-Reform.

Wie sehr dagegen eine komplette Studienrichtung – die Lehramtsausbildung – unter Zuhilfenahme der Umstellung auf das Bachelor-/Mastersystem vor die Wand gefahren werden kann, hat uns leider die SPD in der Zeit, in der sie das Wissenschaftsministerium innehatte, eindrucksvoll gezeigt. Die Folgen im Bereich der Lehrerversorgung müssen wir noch heute ausbaden.

(Zuruf des Abg. Holger Mann, SPD)

Meine Damen und Herren! Dem vorliegenden Entschließungsantrag können wir nicht zustimmen. Mit Preisverleihungen wird die Lehre nicht verbessert. Meine Meinung zur dogmatischen Umstellung auf das Bachelor/Mastersystem habe ich Ihnen mitgeteilt. Auf die Profilierung unserer drei Hochschularten – Universität, Fachhochschule, Berufsakademie – können wir zu Recht stolz sein. Ich bitte Sie daher, den Entschließungsantrag ebenso abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die Fraktion der GRÜNEN Herr Dr. Gerstenberg bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 14 Jahre, nachdem der sogenannte Bologna-Prozess aus der Taufe gehoben wurde, beschäftigt diese grundlegende Umgestaltung des europäischen Hochschulsystems noch immer Parlamente wie den Sächsischen Landtag, aber auch Wissenschaftsorganisationen und – natürlich – die Hochschulen selbst wie kaum ein zweites Thema.

Der Grund liegt offensichtlich darin, dass der Prozess zwar auf europäischer Ebene beschlossen wurde, aber auf Bundes- und auf Landesebene umgesetzt werden muss. Folglich müssen wir uns in Sachsen fragen, ob wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.

Die Studierendenproteste im vergangenen Jahrzehnt und die Ergebnisse einer Großen Anfrage unserer Fraktion bereits im Jahr 2007 ließen darauf schließen, dass dem wohl nicht so ist. Aber hat sich die Situation seitdem zum Besseren gewandelt? Die Große Anfrage der SPDFraktion, für die ich ausdrücklich danke, hat – wenig überraschend – deutliche Antworten zutage gefördert.

Auch heute könnte ich wie 2007 meine Rede mit der Zeitungsschlagzeile beginnen: „Deutscher Bachelor ist kein Masterstück“. Es ist eine Tatsache, dass heute so viele Studierende im gestuften System studieren wie noch nie zuvor. Knapp die Hälfte ist bereits in einem Bachelorstudiengang immatrikuliert und mehr als die Hälfte der Studienanfänger gehen in dieses Modell. Tatsache ist aber auch, dass nur die wenigsten von ihnen es bei einem Bachelorabschluss bleiben lassen wollen. Die übergroße Mehrheit will dem Bachelor einen Master folgen lassen.

Die Gründe dafür sind vielschichtig, Kollege Mackenroth. Ganz vorn stehen meist bessere Berufs- und Verdienstchancen. Es ist doch nicht zu leugnen, dass der Bachelorabschluss weit davon entfernt ist, sich als Regelabschluss mit ausgezeichneten Berufschancen zu etablieren. Von der Wirtschaft will ich hier gar nicht reden. Da gilt der alte, mehrfach wiederholte Ruf „Bachelor welcome“ nur sehr eingeschränkt. Aber wenn im Freistaat Sachsen im beamtenrechtlichen Sinn der Bachelor nicht als für den höheren Dienst qualifizierender Hochschulabschluss gilt, dann ist das nicht gerade ein Vertrauensbeweis. Und wenn das gerade reformierte Lehramt mit Bachelor und Master nach der Regierungsübernahme von Schwarz-Gelb wieder auf das Staatsexamen zurückgeschraubt wurde, dann trägt auch das nicht zu einer breiten Akzeptanz des Bachelors bei.

Herr Kollege Tippelt, was Sie unter der Botschaft „Alles zurück auf Diplom“ angeboten haben, konterkariert die Bologna-Ziele wirklich perfekt.

(Nico Tippelt, FDP: Da haben Sie mich falsch verstanden!)

Angesichts dieser Ausgangslage kann man es keinem Studierenden verübeln, wenn der Master das angestrebte Ziel des Studiums ist. Aber, Kollege Mackenroth, auch die Präsidenten und Rektoren der Technischen Universitäten und Hochschulen fordern seit Jahren – und das sehr einhellig –, den Master zum Regelabschluss in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen zu machen.

Ich vermute, Kollege Mackenroth, Ihr Bestehen auf den Bachelor hat finanzielle Gründe. Diesem Ziel, Master als Regelabschluss, steht die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen entgegen. Es ist doch eine traurige Realität, dass flächendeckend gerade einmal halb so viele Master- wie Bachelorplätze zur Verfügung stehen. Diese Diskrepanz zwischen Forderung, Anspruch und Wirklichkeit können die Hochschulen unmöglich allein auflösen. Dafür brauchen sie eine höhere Grundfinanzierung und

keinen weiteren Stellenabbau. Hier ist die Landespolitik dringend gefragt.

Ich will nur wenige Punkte aus der Großen Anfrage herausgreifen. Ein großes Ziel der Bologna-Reform war es, die Qualität des Studiums zu verbessern. Mit Studienabbrüchen werden wir uns gleich noch beschäftigen. Hier will ich nur feststellen, dass es einem erheblichen Teil der Studierenden eben nicht gelingt, ihr Studium erfolgreich zu Ende zu bringen. Angesichts der von der Koalition eingeführten Langzeitstudiengebühren lohnt auch ein Blick auf den Anteil der Absolventen, die es in der Regelstudienzeit schaffen. Da sieht es in Sachsen nach wie vor düster aus. Die Universität Leipzig steht mit knapp über 50 % noch gut da. Andere Hochschulen können zum Teil nur auf 12 % verweisen.

Angesichts dieser Zahlen verbietet sich die Behauptung von selbst, dass dies nur an den Studierenden und ihrer fehlenden Motivation läge. Ganz offenbar hatten und haben wir in Sachsen ein Qualitätsproblem in der Lehre und da reicht die halbherzige Forderung des Hochschulgesetzes, dass Qualitätssicherungssysteme einzuführen und Studierendenbefragungen durchzuführen sind, nicht aus. Den Stand der Dinge kann man in der Antwort auf die Große Anfrage gut nachlesen. Es gibt nach Jahren in keiner Hochschule ein fertig ausgebautes Qualitätssicherungssystem.

Ein anderes Ärgernis ist die Akkreditierung von Studiengängen. Nach den KMK-Beschlüssen müsste das eine Selbstverständlichkeit sein, um die Studierbarkeit sicherzustellen. In Sachsen – anders als etwa in BadenWürttemberg – legt allerdings das Hochschulgesetz keine Akkreditierungspflicht fest. In der Folge sind vielerorts die Studiengänge eben nicht extern evaluiert worden. An der TU Chemnitz sind es gar nur sieben von 73 Studiengängen, die akkreditiert sind, an der TU Dresden etwas mehr als die Hälfte. Wenn sowohl der Blick von außen als auch die interne Qualitätssicherung fehlen, dann ist es doch kein Wunder, wenn die Qualität der Lehre oft verbesserungsbedürftig ist.

Auch weitere Richtlinien der Kultusministerkonferenz werden schlicht ignoriert. Die vorgegebene Prüfungslast von in der Regel einer Prüfung pro Modul findet sich in der Realität an sächsischen Hochschulen nur selten. Häufiger sind es zwei, drei oder gar noch mehr Prüfungsleistungen pro Modul. Viele Studiengänge, die das betrifft, sind in den Ingenieurwissenschaften angesiedelt, eben dort, wo wir hohe Studienabbruchquoten finden. Ebenso bemerkenswert ist, dass von den Universitäten ausgerechnet die Hochschule die wenigsten Fälle von überbordender Prüfungslast verzeichnet, die die höchste Akkreditierungsquote vorweisen kann, die Universität Leipzig.

Flexibilisierung des Studiums und der Arbeitsbelastung ist eines der weiteren Bologna-Ziele, das durch die KMK noch einmal gestärkt wurde. In Zeiten, in denen Studierendenbiografien so vielfältig geworden sind wie noch nie und in denen nicht mehr nur junge Vollzeitpräsenz

Studierende ohne Kinder die Hochschulen prägen, ist es dringend notwendig, dieser Entwicklung mit innovativen Lehr- und Studierformen Rechnung zu tragen. Jedoch zeigt die Anfrage erneut, dass Teilzeitstudiengänge nur in homöopathischen Dosen vertreten sind und die maximal mögliche Arbeitsbelastung in Höhe von 30 Stunden pro ECTS-Punkt offenbar die Regel und eben nicht die Ausnahme bildet. Wer neben dem Studium noch arbeiten geht, Kinder versorgt, einen Angehörigen pflegt oder gar selbst an einer Beeinträchtigung leidet, stößt hier schnell an seine Grenzen und an die der Regelstudienzeit.

Es ist unsere Aufgabe, hier gemeinsam mit den Hochschulen, zum Beispiel über die Zielvereinbarung, nach Lösungen zu suchen.

Klar ist aber auch, dass Qualitätssicherung und neue Studienformen nicht zum Nulltarif zu bekommen sind. Die Folgen des beschriebenen Zustandes bringen mich zur sozialen Dimension des Bologna-Prozesses. Nach der Inanspruchnahme psychosozialer Beratungsangebote

gefragt, trifft das Wissenschaftsministerium folgende bemerkenswerte Aussage: Aufgrund der Zunahme der Nachfrage von psychosozialen Beratungen seit der Studienreform und der aktuell hohen Studierendenzahlen ist zu erwarten, dass die Beratungsangebote auch in Zukunft eine wichtige Säule für die Betreuung der Studierenden bilden.

(Jürgen Gansel, NPD: Bologna macht krank!)

Diese Ansicht teile ich voll und ganz, nur stellt sich dann die Frage, wieso diese wichtige Aufgabe der Studentenwerke so wenig Unterstützung erfährt. Die psychosoziale Beratungsstelle des Studentenwerkes Dresden beispielsweise wird nur durch die Semesterbeiträge der Studierenden am Leben erhalten, die mittlerweile zum Teil 70 Euro pro Semester erreicht haben und damit zu den höchsten in Deutschland gehören.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Studienreform Herausforderungen mit sich gebracht hat, die von den Hochschulen in einem akzeptablen Zeitfenster nicht allein gelöst werden können. 14 Jahre nach dem Startschuss von Bologna ist es höchste Zeit, sich der Entwicklung voll und ganz anzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass die in Sachsen nun auch schon seit über zehn Jahren laufende Reform zielstrebig zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht wird. Dies verlangt auch von unserer Seite größere Anstrengungen, teils im gesetzgeberischen Handeln, aber auch bei den kommenden Haushaltsberatungen. Nur so können wir die mit Bologna verbundenen Hoffnungen eines europäischeren, flexibleren und qualitativ hochwertigeren Studiums realisieren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Für die NPDFraktion Herr Abg. Gansel, bitte.