Protocol of the Session on October 17, 2013

Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht

Drucksache 5/12881, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, hier eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Deshalb wird nur die einreichende Fraktion, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort ergreifen. Für diese Fraktion erledigt dies Frau Abg. Jähnigen. Frau Jähnigen, Sie haben jetzt die Gelegenheit, den Gesetzentwurf einzubringen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will mit diesem Gesetzentwurf zur Aufhebung der zwangsweisen Stellplatzpflicht einen Beitrag zur Stärkung des Handlungsspielraums der sächsischen Kommunen und zur Abschaffung unnötiger Vorschriften im Landesrecht leisten.

Kern unseres grünen Gesetzentwurfes ist die Abschaffung des derzeit noch landesweit bestehenden Zwangs für Bauherren, bei der Errichtung neuer Gebäude Stellplätze zu bauen oder aber Stellplatzablösegebühren zu bezahlen. Lediglich eine Anordnungsbefugnis für Behindertenstellplätze soll es landesweit noch geben. Die anderen Entscheidungen wollen wir vollständig in die Hände der Kommunen legen.

Warum dieser Vorschlag? Die Parksituation für Fahrräder, Motorräder und Autos ist in großen und kleinen Gemeinden, in Ballungs- und ländlichen Räumen sehr verschieden. Die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen nach § 49 der Sächsischen Bauordnung wird diesen Verschiedenheiten überhaupt nicht mehr gerecht. In unserer Bauordnung ist geregelt, dass bauliche Anlagen nur dann errichtet werden dürfen, wenn Stellplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind. Was eine ausreichende Anzahl ist, wird durch die Verwaltungsvorschrift zur Bauordnung festgelegt und im Zweifel durch die Bauaufsichtsbehörden ausgelegt.

Kurz und gut: Überall wo ein Bauantrag gestellt wird, ist der Nachweis zu erbringen, dass Autos dort oder in der

näheren Umgebung auch parken können. Die Stellplätze müssen – so ist es jetzt – auf dem eigenen Grundstück oder auf einem privaten Grundstück in der näheren Umgebung geschaffen werden.

Was im ländlichen Raum aufgrund der günstigen Platzverhältnisse in der Regel problemlos realisierbar ist,

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Wo leben Sie denn?)

wird in den Städten oft zu einem Problem, besonders beim städtebaulich gewollten Reihenhaus- oder Geschosswohnungsbau. Zum Teil können die Stellplätze nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand auf dem Grundstück geschaffen werden, weil der Platz nicht ausreicht. Oft ist die Erstellung wirtschaftlich nicht zumutbar oder das Grundstück könnte durch die Parkplätze nicht mehr sinnvoll genutzt werden. Für diese Fälle gibt es dann die Möglichkeit der sogenannten Stellplatzablöse. So ist die Situation jetzt.

Dieser noch aus der Reichsgaragenordnung von 1939 stammende Zwang, als damals per Führererlass das Auto gefördert wurde, ist heute überholt. Seine Abschaffung ist eine zeitgemäße und ökonomisch sinnvolle Maßnahme.

Die Stellplatzpflicht verhindert derzeit ambitionierte Konzepte zur Verringerung der Stellflächen oder den Wunsch von Bauherren nach autofreiem Wohnen.

Dabei ist die aktuelle Sächsische Stellplatzordnung unter der Mehrheit von CDU und FDP noch verschlimmert worden. Die Pflicht zur Einrichtung von Fahrradstellplätzen wurde massiv aufgeweicht, die Pflicht zur Einrichtung von Autostellplätzen aber fundamentiert. Manche erinnern sich vielleicht noch an die Debatten zur Änderung der Sächsischen Bauordnung zu den Fahrradstellplätzen aus dem Jahr 2011.

Wir wollen heute den Gemeinden die Möglichkeit geben, für Rad und Auto durch eigene Satzung bedarfsorientiert

Stellplatzpflichten zu begründen und sie auszugestalten. Ich betone dabei das Wort „bedarfsorientiert“. In diesem Rahmen soll wie bisher die Erhebung und Verwendung von Stellplatzablösebeträgen ermöglicht werden.

Mit diesen Entscheidungen auf kommunaler Ebene werden die Entscheidungen nicht mehr durch die Bauaufsichtsbehörden, sondern differenziert für das Gesamtgebiet oder einen Teil der Gemeinden getroffen. So eine Regelung gab es in den Neunzigerjahren im Sächsischen Gemeindegesetz schon einmal, und davon wurde rege Gebrauch gemacht.

Eine Neuheit ist, dass unser Gesetzentwurf eine öffentliche Rechenschaftspflicht der Gemeinde über die gezahlten Beiträge der Stellplatzablöse sowie ihre Verwendung im Rahmen der gemeindlichen Haushaltsabschlüsse vorsieht. Das dient der Transparenz gerade in solchen Fällen, in denen die Ersatzmaßnahmen aus der Ablöse erst zeitnah versetzt realisiert werden können. Ersatzmaßnahmen sollen natürlich – neben öffentlichen Parkierungsanlagen – auch weiterhin Investitionen in den öffentlichen Verkehr und in den Radverkehr sein. Darüber entscheiden ebenfalls die Stadt- und Gemeinderäte. Das stärkt die kommunale Ebene, erweitert ihren Handlungsspielraum.

Die Neuregelung schafft aber auch Verwaltungsvereinfachung für die Bauaufsichtsbehörden. Mindereinnahmen für die Gemeinden sind nicht zu befürchten. Dass unser Ansatz praktikabel ist, zeigt der Blick nach Brandenburg. Im dichtbesiedelten Berlin besteht die Stellplatzpflicht seit Jahren überhaupt nur noch für Behindertenparkplätze und Fahrradabstellplätze.

Wir verfolgen mehrere Ziele mit dieser Initiative. Wir wollen zum Ersten individuelle Stadt- und Verkehrsplanung ermöglichen. Wir beenden damit die zwangsweise unterschwellige Förderung des Autoverkehrs und machen – so vor Ort gewünscht – autofreie oder -arme Quartiere möglich. Es ist unsinnig, wenn Menschen, die ohne eigenes Auto mit öffentlichem Verkehr, Fahrrad und CarSharing leben wollen, dennoch gezwungen werden, einen Stellplatz zu finanzieren.

Der Verkehrsanteil in Sachsen hat sich zugunsten des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs entwickelt. Das muss sich auch darin niederschlagen, dass weniger Fläche für Pkw-Stellplätze verbraucht wird. Das verbessert die Aufenthaltsqualität in den Städten und es hilft, den stadtplanerisch gewollten Grundsatz Innen- vor Außenentwicklung wirklich durchzusetzen.

Zum Zweiten wollen wir – gerade beim Wohnungsbau – auch im Interesse der Mieterinnen und Mieter die Kosten deutlich senken. Der aktuelle Zwang zum Stellplatz- oder Tiefgaragenbau oder zur Zahlung der Ablösegebühr treibt die Baukosten und damit auch die Mieten in die Höhe. Besonders in innerstädtischen Quartieren in sächsischen Städten ist die Stellplatzverordnung ein Kostentreiber. Ein Tiefgaragenstellplatz kostet, je nach Bodenbeschaffenheit und Zufahrtsmöglichkeit, circa 15 000 bis 30 000 Euro. Bis zu 10 000 Euro kostet die Ablösegebühr pro Stellplatz, umgelegt bis zu 100 Euro pro Monat auf die Mietkosten. Dabei brauchen viele Menschen – gerade in Leipzig oder Dresden – keine ständigen Autoparkplätze mehr, weil zu ihrem Haushalt gar kein Auto gehört. Bezahlbarer Wohnraum hingegen wird knapp.

Drittens wollen wir dort, wo in der Regel wegen des ausreichenden Platzes kein Stellplatznachweis nötig ist – zum Beispiel in Dörfern oder Randlagen –, das bauordnungsrechtliche Verwaltungsverfahren deutlich erleichtern. Schließlich wollen wir mit der Entscheidungskompetenz für die Mitglieder der Gemeinde- und Stadträte eine öffentliche und transparente Entscheidung zu Stellplatzfragen möglich machen. Betroffenen Grundstückseigentümern, Mietern und Unternehmern soll mit der dazu notwendigen Bürgerbeteiligung auch Mobilitätsberatung angeboten werden. Etwaige Stellplatzablösebeiträge

sollen nach unserer Vorstellung nicht mehr still und leise in den Kämmereien gehortet, sondern transparent vor Öffentlichkeit und Rat verwaltet werden.

Nach den ersten öffentlichen Reaktionen erwarten wir für unseren Gesetzentwurf eine spannende Diskussion.

Ich danke ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte um Unterstützung unseres Vorschlags.

(Beifall des Abg. Miro Jennerjahn, GRÜNE, und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Gesetz zur Aufhebung der Stellplatzpflicht an den Innenausschuss – federführend – und an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu überweisen. Wer diesem Vorschlag zustimmen möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Bei 2 Stimmenthaltungen ist die Überweisung an die genannten Ausschüsse beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 4

Kulturelle Bildung im Freistaat Sachsen

Drucksache 5/11356, Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der FDP,

und die Antwort der Staatsregierung

Mit der Aussprache beginnen zunächst die einbringenden Fraktionen der CDU und der FDP, sodann DIE LINKE,

SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, sofern sie das Wort wünscht.

Wir beginnen mit der Aussprache. Für die CDU-Fraktion spricht Frau Abg. Fiedler. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, wird der große Dichter Georg Büchner heute 200 Jahre alt. Wer kann sich nicht noch an „Woyzeck“ erinnern, eines der meist gelesenen und prägendsten Dramen der deutschen Literatur? Damit sind wir mitten im Thema: Wie vermitteln wir jungen Menschen die Handlung? Wie versetzen wir sie in die Entstehungszeit? Wie bringen wir ihnen die historischen Hintergründe nahe und erklären ihnen die Bedeutung dieses Textes für die heutige Zeit? Wie wecken wir das Interesse Jugendlicher an diesem Erbe deutscher Literatur und Kultur? Wie vermitteln wir ihnen die darin angesprochenen Themen wie Moral, Respekt, Toleranz, Freiheit, Umgang auch mit Ungerechtigkeiten?

Die Positionen zu diesen Fragen kann man nicht auswendig lernen. Sie müssen erlebt, gespürt, vermittelt und diskutiert werden. Dafür gibt es großartige Literatur, Theaterstücke, Gemälde, Musik, Tanz, zusammengefasst: Kunst und Kultur – Kunst und Kultur, die uns viel zu sagen hat, einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderung des Lebens leisten kann, die Möglichkeit bietet, eigene Stärken, Kompetenzen und Selbstbewusstsein herauszubilden und das eigene Handeln zu reflektieren.

Deshalb ist es zentrales Anliegen der CDU, dass Kunst und Kultur chancengleich erlebt, die Aussagen vermittelt werden. Wenn gewünscht, soll Kunst und Kultur auch selbstständig ausgeübt werden können.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Das alles beschreibt das Anliegen kultureller Bildung. Diese zwei Worte haben in der politischen Debatte zu Recht eine immer größere Bedeutung. Das gilt natürlich besonders für ein Kulturland wie Sachsen. Deshalb haben wir uns diesem Thema mit der vorliegenden Großen Anfrage und der heutigen Debatte gewidmet.

Es fängt mit einer Analyse an, wie es um die kulturelle Bildung in Sachsen bestellt ist. Wer sich die über 70seitige Beantwortung der Anfrage durchliest, bekommt einen guten Überblick über die zahlreichen Angebote – sowohl auf der Ebene des Freistaates wie auch auf kommunaler Ebene. Für die Arbeit, die hinter der Beantwortung steckt, möchte ich der Staatsregierung herzlich danken.

Die Arbeit konnte zwar auf einzelne Beiträge aus den einzelnen Ministerien, des Kultursenats oder der Kulturräume zurückgreifen, aber zum ersten Mal liegt solch ein umfangreiches Material vor. Es erfasst die unglaubliche Spannweite des Themas von frühkindlicher Bildung über Schule, Erziehung, Jugendarbeit bis hin zur Erwachsenenbildung. Es ist eine gute Ausgangsbasis für die weitere Diskussion. Vielen Dank, insbesondere an das federführende Kultusministerium.

Die Anfrage zeigt auch, an wie vielen Stellen kulturelle Bildung – weit über das Kulturraumgesetz und die Haushaltsstelle kulturelle Bildung hinaus – unterstützt wird.

Wir haben in den letzten Wochen bei der bereits mit den Verbänden und Vereinen geführten Debatte gemerkt, dass an der einen oder anderen Stelle interessante und wichtige Projekte in der Auflistung fehlen. Ich kann Ihnen aber an dieser Stelle versichern, dass die Beschäftigung mit kultureller Bildung heute keinesfalls endet, sondern wir mit großem Interesse dieses Thema weiter verfolgen werden.

Wir werden in unserem Anliegen als Kulturpolitiker nicht nachlassen, die Bedingungen dafür zu schaffen, dass Kultur altersunabhängig erlebt und auch selbst ausgeführt werden kann.

Auch wenn ich in meinem Beitrag bislang sehr stark auf Kinder und Jugendliche eingegangen bin, so verstehe ich das Thema insgesamt als generationsübergreifend, zumal kulturelle Bildung helfen kann, ein neues und breiteres Publikum für Kunst zu gewinnen, und die Chance bietet, Menschen unterschiedlicher Altersgruppen zusammenzubringen. Deshalb sind die Zugänge für kulturelle Bildung weiter zu öffnen und die Einrichtungen dabei zu unterstützen, ihre Konzeption in diese Richtung weiterzuentwickeln.

Kulturelle Bildung ist eine Querschnittsaufgabe zwischen Bildungs-, Sozial- und Kultureinrichtungen. Das macht den breiten Wirkungskreis deutlich, zeigt andererseits aber auch, wie schwierig die Koordination teilweise ist. Auf Landesebene kommt dabei der interministeriellen Arbeitsgruppe zu diesem Thema mit Beteiligung des Kultus-, des Kultur- und des Sozialministeriums eine große Bedeutung zu.

Es ist sehr gut, dass diese existiert, und sie ist ein wichtiger Schlüssel, die verschiedenen Aktivitäten zu bündeln und zu vernetzen. Ein stärkerer Austausch und ein stetiger Dialog bereichern nicht nur, er erhöht auch den Erfolg der Projekte.

Ein zentraler Ort für kulturelle Bildung ist neben den Kultureinrichtungen, dem Elternhaus und dem sozialen Umfeld die Schule – und das nicht nur im Kunst-, Deutsch- und Musikunterricht, sondern auch durch fächerübergreifende und ergänzende Ganztagsangebote. Hierbei sind Vernetzungen, Kooperationen und der überregionale Austausch zwischen den Schulen und Kultureinrichtungen sinnvoll.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem ländlichen Raum. Hier spielt neben dem Angebot auch die Infrastruktur eine große Rolle. Die Kinder und Jugendlichen müssen zu den Einrichtungen kommen, die durchaus zahlreiche Angebote auf hohem Niveau anbieten, und dazu teilweise große Fahrtwege zurücklegen. Diesen Punkt müssen wir bei der Diskussion ebenfalls im Blick haben. Die CDU hat sich gestern noch einmal sehr stark für die Schulen im ländlichen Raum ausgesprochen. Für